Ich hatte vor einiger Zeit, angeregt duch die Berichterstattung beim Kollegen Gratz vom VerkehrsrechtsBlog, (auch) auf das AG Stuttgart, Urt. v. 08.08.2017 – 203 Cs 66 Js 36037/17 jug – hingewiesen. Das AG hatte sich zur Wertgrenze beim “bedeutenden Schaden” i.S. des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB geäußert und die bei 1.600 € gezogen. Begründet hatte das AG die Anhebung der Wertgrenze mit dem Ansteigen des Verbraucherpreisindex. In dem Beitrag hatte ich dann ja auch schon darauf hingewiesen, dass das AG-Urteil nicht rechtskräftig geworden ist.
Inzwischen liegt die auf die Revision der Staatsanwaltschaft ergangene Revisionsentscheidung des OLG Stuttgart vor. Es handelt sich um das OLG Stuttgart, Urt. v. 27.04.2018 – 2 Rv 33 Ss 959/17, über den der Kollege Gratz ja ebenfalls schon berichtet hat. Das OLG hat das amtgerichtliche Urteil aufgehoben, ohne allerdings konkret zur Wertgrenze Stellung zu nehmen. Das OLG ergeht sich in allgemeinen Ausführungen zu § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB. Es beanstandet einen „Darstellungsmangel“ im AG-Urteil, weil sich der Amtsrichter (nur“ „unzureichend mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob die Angeklagte aufgrund der vorliegenden Tat und der Gesamtumstände als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen nach § 69 StGB anzusehen ist.“ Auch bei Nicht-Katalogtaten könne nämlich die Ungeeignetheit festgestellt werden, soweit die Taten ihrem Gewicht nach den in § 69 Abs. 2 StGB genannten Verkehrsstraftaten gleichkommen und Ausdruck eines gänzlich fehlenden Verantwortungsbewusstseins für verkehrsgerechtes Verhalten im öffentlichen Straßenverkehr darstellen. Die Verneinung einer Regelvermutung aus § 69 Abs. 2 StGB entbinde den Tatrichter nicht davon, die nach § 69 Abs. 1 StGB erforderliche einzelfallbezogene Prognoseentscheidung zu treffen. Dies erfordere eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls, namentlich der Tat selbst, aber auch der Persönlichkeit, soweit sie sich in der Tat manifestiert habe. Auch unterhalb der Grenze des bedeutenden Schadens gem. § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB komme eine Entziehung der Fahrerlaubnis in Betracht. Hier wäre in diese Gesamtwürdigung einzustellen gewesen, dass ein nicht unerheblicher Schaden eintrat, die Angeklagte eine Voreintragung im Fahreignungsregister aufweist und sie erst seit relativ kurzer Zeit einen Führerschein besitzt.
So weit so gut (?). Das OLG macht dann zwar allerdings in einer Segelanweisung noch Ausführungen zu Frage des bedeutenden Schadens im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB:
„Ob ein bedeutender Schaden im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB vorliegt, bemisst sich nach wirtschaftlichen Kriterien und beurteilt sich nach der Höhe des Betrages, um den das Vermögen des Geschädigten als direkte Folge des Unfalls vermindert wird (OLG Hamm, Beschluss vom 30. September 2010 – 3 RVs 72/10 und Beschluss vom 6. November 2014 – 5 RVs 98/14, juris). Der Gesetzgeber hat bewusst darauf verzichtet, für den Umfang des bedeutenden Schadens starre Schadensgrenzen festzulegen. Es handelt sich vielmehr um eine veränderliche Grenze, die als solche abhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung, insbesondere der allgemeinen Preis- und Einkommensentwicklung ist (Münchener Kommentar StGB, 2. Aufl., § 69 Rn. 71). Soweit sich das Amtsgericht vorliegend, in Anlehnung an die Entscheidung des LG Braunschweig vom 3. Juni 2016 – 8 Qs 113/16, juris -, zur Bestimmung des bedeutenden Schadens an dem jährlich vom Statistischen Bundesamt berechneten und veröffentlichten Verbraucherindex orientiert, vermag dies ein Anhaltspunkt zu sein, um die Bestimmung vorzunehmen. Dies kann jedoch nicht allein ausschlaggebend sein, da ansonsten die Wertgrenze des bedeutenden Schadens jährlich oder in sogar noch kürzeren Zeiträumen jeweils neu festgesetzt werden müsste. Es verbietet sich daher eine schematische Anwendung. Vielmehr bedarf es der Betrachtung einer Mehrzahl von Kriterien, um die Annahme eines bedeutenden Schadens feststellen zu können. Insbesondere darf, da Rechtsgut der Vorschrift des § 142 StGB die Feststellung und Sicherung der durch einen Unfall entstandenen zivilrechtlichen Ansprüche ist, die allgemeine Einkommensentwicklung nicht außer Acht gelassen werden (Fischer StGB, 65. Aufl., § 142 Rn. 2; OLG Düsseldorf, a.a.O.). Weiter ist bei der Festsetzung der Grenze des bedeutenden Schadens die Relation innerhalb der Regelbeispiele des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB zu berücksichtigen (OLG Düsseldorf, a.a.O.). Abschließend ist zu beachten, dass aus verfassungsrechtlichen Gründen, insbesondere im Hinblick auf die Tatbestandsbestimmtheit, eine Anhebung der Wertgrenze nur bei einer grundlegenden Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse in Betracht kommt (BGH, Beschluss vom 28. September 2010 – 4 StR 245/10, juris Rn. 11).“
Sorry, aber damit kann man m.E. doch nun gar nichts anfangen. Das ist „allgemeines Bla-Bla“, ohne dass es konkret in der Sache weiterhilft. Wenn ich meine, mich dazu äußern zu müssen, warum dann nicht „Butter bei die Fische“ und konkret gesagt: 1.6000 € passen oder 1.600 € sind zu hoch? Das würde die Diskussion weiterbringen. Und diskutieren wird man die Wertgrenze ja nun allmählich mal müssen. Oder will das OLG Stuttgart an 1.300 € bis zum St. Nimmerleinstag kleben? In meinen Augen: Chance vertan.