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Niemand anwesend?, ok, dann verwerfe ich eben nach 2 Minuten….

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Die mit der Verwerfung des Einspruchs wegen unentschuldigten Ausbleiben des Betroffenen in der Hauptverhandlung spielen in Praxis eine große Rolle. Ich habe gerade erst über den KG, Beschl. v. 04.06.2015 – 3 Ws (B) 264/15 – 122 Ss 73/15 berichtet (vgl. Arztpraxis nicht erreichbar – ok, dann verwerfe ich eben…). Und schon habe ich die nächste Entscheidung  auch aus Berlin zugesandt – bekommn, die vom Sachverhalt her ebenfalls ein wenig abenteuerlich ist:

„Die ausreichend bevollmächtigte Verteidigerin des Betroffenen hat am Terminstag, dem 16. Dezember 2014, einen Antrag gestellt, den Betroffenen von seiner Anwesenheit in der Hauptverhandlung zu entbinden, dem das Amtsgericht nachgekommen ist. Es wurde der einzige Zeuge zum Tatgeschehen vernommen. Während seiner Vernehmung durch die Verteidigerin ist es zwischen dem Vorsitzenden und ihr zu Unstimmigkeiten gekommen mit der Folge, dass die Verteidigung um eine Unterbrechung zwecks Stellens eines unaufschiebbaren Antrages gebeten hatte. Auf Nachfrage des Vorsitzenden hätte sie zum Abfassen dieses Antrages eine Stunde benötigt, daraufhin hat der Vorsitzende den Zeugen entlassen, die Hauptverhandlung unterbrochen und einen Fortsetzungstermin — ohne Rücksprache mit der Verteidigerin – am 6. Januar 2015 um 12.20 Uhr bestimmt, zu dem er die schriftliche Ladung des Betroffenen und der Verteidigerin verfügt hat. Ferner hat er der Rechtsanwältin Gelegenheit gegeben, den angekündigten Antrag außerhalb der Hauptverhandlung zu stellen.

Am nächsten Tag ist ein Antrag wegen der Besorgnis der Befangenheit des Vorsitzenden beim Amtsgericht eingegangen. Am 19. Dezember 2014 hat die Verteidigerin einen Antrag auf Aufhebung des Fortsetzungstermins wegen einer Terminskollision, die sie durch Übersenden ihrer Ladung glaubhaft gemacht hat und auf Neubestimmung eines Fortsetzungstermins gestellt verbunden mit der Bitte, den Termin mit ihr abzustimmen. Über diesen Antrag hat der Tatrichter am 5. Januar 2015 entschieden, einem Tag vor dem Fortsetzungstermin, da ihm erst zu diesem Zeitpunkt die Akten erstmalig nach der Entscheidung einer anderen Abteilung über den Antrag wegen der Besorgnis der Befangenheit wieder vorgelegen hatten. Er hat den Antrag wegen des Fehlens eines hinreichenden Anlasses zur Verlegung abgelehnt und angemerkt, dass gar nicht feststehe, dass es die Verteidigerin nicht rechtzeitig zu dem festgesetzten Fortsetzungstermin schaffen werde; ggf. „wird es Ihnen, davon möchte ich ausgehen, möglich sein, einen Vertreter zum Termin zu entsenden, der statt Ihrer plädieren könnte.“ Ferner wurde auf den vom Gericht zu beachtenden Beschleunigungsgrundsatz verwiesen verbunden mit dem Hinweis, dass der Betroffene wegen seines Entpflichtungsantrages, ohnehin „kein Interesse habe, der Hauptverhandlung beizuwohnen.“ Der Vorsitzende hat seine Verfügung mit Eilt! gekennzeichnet; dennoch ist die Ausfertigung erst am Vormittag des Fortsetzungstermins erfolgt.

Die Akten wurden dem Vorsitzenden auch erst während der Hauptverhandlung eines anderen auf 12.00 Uhr terminierten Ordnungswidrigkeitenverfahrens in den Saal gebracht. Diese Hauptverhandlung hat er unterbrochen und hat pünktlich um 12.20 Uhr die Hauptverhandlung in dem verfahrensgegenständlichen Verfahren fortgesetzt. Bei Aufruf sind weder die Verteidigerin noch der Betroffene erschienen. Um 12.22 Uhr hat der Tatrichter das Urteil verkündet. Anschließend hat er die unterbrochene Hauptverhandlung fortgesetzt. Unmittelbar danach hatten zunächst der unterbevollmächtigte Rechtsanwalt und um 12.30 Uhr die Verteidigerin den Sitzungssaal betreten.“

Wenn man ein Rätsel daraus machen würde, wäre m.E. die Lösung nicht schwer. Das Urteil ist (natürlich) aufgehoben worden, und zwar wegen einer Verletzung des rechtlichen Gehörs. Die zutreffende Begründung des KG mag der interessierte leser im KG, Beschl. v. 29.06.2015 – 3 Ws (B) 222/15 —162 Ss 36/15  – selbst nachlesen. Lag/liegt m.E. auf der Hand. Ich frage mic bei solchen Sachverhalten immer nach dem richterlichen Selbstverständnis und: Wo ist eigentich das Problem? Warum kann man nicht doch verlegen?

Ach so: Zurückverweisen worden ist da vom KG an „eine andere Abteilung des Amtsgerichts“. Kommt auch nicht so häufig vor.

Da wundert sich der Verteidiger – ist aber richtig

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Ein Verteidiger hat mir den OLG Hamm, Beschl. v. 20.02.2013 – III-3 RBs 13/13 – übersandt und sein Erstaunen über den Beschluss zum Ausdruckt gebracht – „übersende ich Ihnen einen Beschluss des OLG Hamm, der mich ein wenig ratlos macht.“ Was ist passiert?

Folgender Sachverhalt: Gegen den Betroffenen ergeht wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften ein Bußgeldbescheid mit einer Geldbuße und einem Fahrverbot von einem Monat. Zugestellt wird der  Bußgeldbescheid dem Betroffenen am 29.02.2012.  Zunächst wird – ich will es mal neutral ausdrücken – mit einem Schreiben des Verteidigers vom 02.03.2012 korrespondiert und angeregt, das verhängte Fahrverbot von einem Monat aufzuheben und die Geldbuße entsprechend anzuheben. Dann wird mit Schreiben des Verteidigers vom 14.03.2012 erneut wie folgt geschrieben: „Rein vorsorglich und fristwahrend lege ich gegen den Bußgeldbescheid (…) Einspruch ein.“ Das Schreiben geht – so das OLG – am 15.03. 2012 bei Bußgeldbehörde ein.

Die Bußgeldbehörde übersendet die Akten nunmehr über die Staatsanwaltschaft dem Amtsgericht, das den Betroffenen mit Urteil vom 15.11.2012 zu einer Geldbuße von 125,00 Euro und einem einmonatigen Fahrverbot verurteilt. Dagegen die Rechtsbeschwerde.

Und nun der Beschluss des OLG Hamm vom 20.02.2013, in dem es heißt:

Auf die Rechtsbeschwerde hin ist das angefochtene Urteil aufzuheben und der Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid als unzulässig zu verwerfen.

Das irritiert den Verteidiger bzw. macht ihn ratlos. Es ist aber richtig. Nach § 70 OWiG Abs. 1 OWiG ist der Einspruch durch das Gericht zu verwerfen, wenn die Vorschriften über die Einlegung nicht beachtet sind. Und wird die Unzulässigkeit erst im Rechtsbeschwerdeverfahren festgestellt, verwirft noch das OLG nach Aufhebung des Urteils, das ja zwischenzeitliche ergangen ist (so schon BGHSt 26, 183). Ist sicherlich ein wenig überraschend, aber h.M. :-).

Eine ganz andere Frage ist die, wie der Verteidiger mit dem Umstand umgehen muss, dass nach seinen Unterlagen, der Einspruch nicht verspätet war, sondern ausweislich des in seiner Handakte enthaltenen Faxberichts der Einspruch bereits am 14.03.2012 – und damit fristgerecht – bei der Verwaltungsbehörde eingegangen ist. Wie damit umgehen? M.E. hat er – die Richtigkeit des Faxberichtes unterstellt – nur die Möglichkeit, eine Gegenvorstellung gegen den OLG-Beschluss zu erheben – irren kann auch ein OLG 🙂 – und – so meine ich – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist zu beantragen. Wie das jetzt noch geht und wo, habe ich auf die Schnelle jetzt nicht geprüft. Aber m.E. müsste es noch gehen, denn der Verteidiger/Betroffene hat ja erst jetzt von der Verspätung erfahren. Das OLG wird es schon richten, wenn es sich tatsächlich vertan hat. Allerdings stellt sich dann die Frage: Was wird es im Ergebnis bringen? Droht dann nicht die Verwerfung der Rechtsbeschwerde als unbegründet?

Und für den Fall, dass die Verspätung zutreffend vom OLG festgestellt ist, ist auf eins noch hinzuweisen: Göhler/Seitz weist bei § 70 Rn. 8 darauf hin, dass die Kosten, die entstanden sind, nach § 21 Abs. 1 GKG (auf jeden Fall) nieder zu schlagen sind, da sie bei richtiger Sachbehandlung durch das AG nicht entstanden wären.

Revision ohne Begründung? – Da war das LG wohl etwas zu schnell…

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Das LG Essen hat die Revision einen Angeklagten als unzulässig verworfen, weil das Rechtsmittel nicht fristgerecht begründet worden sei. Dagegen der Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 346 Abs. 2 StPO), der zur Aufhebung des Verwerfungsbeschlusses durch den BGH, Beschl. v. 20.10.2012 – 4 StR 443/12 – führt, denn:

„1. Der Antrag des Angeklagten B. auf Entscheidung des Revisionsgerichts ist zulässig und hat die Aufhebung des Beschlusses zur Folge, mit dem die Revision als unzulässig verworfen wurde (§ 346 Abs. 2 StPO). Das Landgericht hat übersehen, dass der Angeklagte bereits mit Einlegung der Revision die allgemeine Sachrüge erhoben hat. Damit ist das Rechtsmittel ordnungsgemäß begründet. In der Erhebung der uneingeschränkten allgemeinen Sachrüge ist regelmäßig die Erklärung zu sehen, dass das Urteil insgesamt angefochten wird. Eines besonders hervorgehobenen Revisionsantrags bedarf es dann nicht. Eine Begründung der Sachrüge ist nicht vorgeschrieben (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 344 Rn. 3 und 17).

Nun: Da war das LG wohl etwas zu schnell und/oder hat nicht richtig hingeschaut. Allerdings: Im Ergebnis hatte die Revision dann keinen Erfolg. Der BGH hat sie nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen.

Anmerkung: Ich ahne, welche Kommentare eingehen werden.

Die „offensichtlich unbegründete“ Revision der Staatsanwaltschaft – gibt es die?

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Die „offensichtlich unbegründete“ Revision der Staatsanwaltschaft? Richtig gelesen? Ja, richtig gelesen. Jeder Verteidiger kennt die Verwerfung seiner Revision nach § 349 Abs. 2 StPO als „offensichtlich unbegründet“. Nun hat es auch mal eine Staatsanwaltschaft getroffen.

Die Staatsanwaltschaft Hamburg hatte gegen ein Urteil des LG Hamburg Revision eingelegt. Diese wurde vom GBA nicht vertreten – immer schon ein „schlechtes Zeichen“. Und der BGH hat dann im BGH, Urt. v. 09.10.2012 – 5 StR 370/12 – verworfen. Ohne jede Begründung, einfach „nur so“:

„Die Revision ist offensichtlich unbegründet. Dies entspricht dem Antrag des Generalbundesanwalts, der die Revision der Staatsanwaltschaft nicht vertreten hat.“

Allerdings nicht durch Beschluss. Das geht bei der zu Lasten des Angeklagten eingelegten Revision der Staatsanwaltschaft nicht. Da musste der BGH in die Hauptverhandlung. Der Senat wird hocherfreut gewesen sein.

Im Übrigen: Gleiches Recht für alle.

 

Die englische Woche im Fußball demnächst beim OLG Düsseldorf, oder: Musste Sidney Sam zur HV Kommen?

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Vermutlich wird sich demnächst das OLG Düsseldorf mit der Frage beschäftigen, ob ein Trainingslager zwischen zwei Spielen in einer englischen Woche der Fußball-Bundesliga ein Grund, einen Verhandlungstermin beim (Amts)Gericht nicht wahrzunehmen. Um die Frage ging es nämlich beim AG Düsseldorf. Dort war das Verfahren gegen den Fußballprofi Sidney Sam anhängig. Gegen den war ein Bußgeldbescheid – wohl wegen Verstoßes gegen § 24a Abs. 1 StVG – erlassen worden mit einer Geldbuße und einem Fahrverbot (vgl. u.a. hier).

Nach Einspruch war dreimal die Hauptverhandlung anberaumt worden, dreimal war der Termin verlegt worden. Nun hat es dem AG Düsseldorf gereicht. Die vierte Hauptverhandlung  wurde nicht mehr verlegt. Das war beantragt worden mit der Begründung, der Betroffene könne wegen der anstehenden Vorbereitung auf die Heimpartie gegen Greuther Fürth, bei der er nach Auffassung seines Clubs nicht fehlen durfte, nicht kommen. Die Amtsrichterin hat – so die Pressemeldung – dagegen gehalten, es sei Sam wie jedem anderen Berufstätigen zumutbar, sich auf einen Verhandlungstermin einzustellen und wie in diesem Fall das Mannschaftshotel dafür zu verlassen.

Also: Verwerfung des Einspruchs nach § 74 Abs. 2 OWiG. Die Sache wird sicherlich in die Rechtsbeschwerde gehen und das OLG Düsseldorf beschäftigen. Ohne Kenntnis der Akten wird man die Frage kaum abschließend beurteilen können. Auf der anderen Seite: Wie ist es/war es mit einer Terminsabstimmung?

Ach so: Bayer Leverkusen – da spielt Sidney Sam – hat gegen Greuther Fürth 2 : 0 gewonnen (vgl. hier).