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„Let’s dance“ oder: „Seniorenballett“ mit 125 kg…

entnommen openclipart.org

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LTO weist in einem Beitrag auf das AG München, Urt. v. 30.08.13 – 281 C 11625/13 hin, zwar schon etwas älter, aber es passt m.E. ganz gut in die heutige „Kuriositäten-Reihe“. Die Meldung geht wohl zurück auf die PM des AG München, das die Schmerzensgeldklage eines 75 Jahre alten und 125 KG schweren „Balletttänzers“ abgewiesen hat, der sich an einer Ballettstange bei seinem Verein verletzt hatte.  Zu der Entscheidung heißt es in der PM:

„Der Kläger aus München ist Mitglied in einem Münchner Sportverein. Er ist 75 Jahre alt und 125 Kilogramm schwer und buchte einen Ballettkurs für Senioren bei seinem Verein. Am 20.3.12 benutzte er im Reha-Raum des Vereins die dortige Ballettstange. Diese Stange ist ausdrücklich für die Verwendung im Bereich Ballett, Rehabilitation und Gymnastik geeignet und besteht aus Profilschienen, die fest an der Wand befestigt sind. Die Halterungen sind stufenlos in der Höhe verstellbar. Es muss dafür lediglich eine Drehkopfschraube gelockert werden, um die Wandhalterung in der Wandschiene zu verschieben und anschließend diese Schraube in der für den Benutzer korrekten Höhe wieder angezogen werden. Hierfür ist kein besonderes Werkzeug erforderlich. Am 20.3.12 stellte der Kläger die Ballettstange für sich selbst ein.

Er gibt an, die Schraube richtig und fest verschraubt zu haben. Er sei auf dem linken Fuß seitlich zur Stange gestanden. Sein gesamtes rechtes Bein sei auf der Ballettstange gelegen. Die rechte Gesäßhälfte sei teilweise auf der Ballettstange gewesen, als die Ballettstange plötzlich unter ihm nachgab und etwa 50 Zentimeter bis auf Kniehöhe nach unten gerutscht sei. Er sei in diesem Moment in sein linkes Knie zusammengesackt und habe sogleich Schmerzen im Knie verspürt. Es wurde eine Knochenkontusion am Tibiakopf links und eine Innenmeniskusläsion festgestellt.

Der Kläger verlangt nun von seinem Verein Schmerzensgeld. Er ist der Meinung, dass das Gerät defekt war und im Übrigen der Verein dafür Sorge tragen muss, dass kein Bedienungsfehler entstehen kann.

Die Richterin wies seine Klage auf Schmerzensgeld zurück.

Derjenige, der sich selbst verletzt, könne einen anderen wegen dessen Mitwirkung nur dann in Anspruch nehmen, wenn dieser einen zusätzlichen Gefahrenkreis für die Schädigung geschaffen hat.

Derjenige, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenlage für andere schafft, hat Rücksicht auf diese Gefährdung zu nehmen und deshalb die allgemeine Pflicht, die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, um die Schädigung anderer zu verhindern. Der Verkehrssicherungspflichtige, also der Verein, müsse deshalb nicht für alle denkbaren Möglichkeiten des Schadenseintritts Vorsorge treffen. Es würden diejenigen Vorkehrungen genügen, die nach den konkreten Umständen zur Beseitigung der Gefahr erforderlich und zumutbar sind. Das sind Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger Mensch für notwendig und ausreichend halten darf, um andere vor Schaden zu bewahren. Danach sei der Verein verpflichtet gewesen, eine Ballettstange zur Verfügung zu stellen, die für den für das Gerät vorgesehenen Gebrauch geeignet ist. Bei zweckentfremdeter Nutzung bestehe keine Verkehrssicherungspflicht. Eine Ballettstange werde jedoch jedenfalls dann zweckentfremdet benutzt, wenn sie von einem Kursteilnehmer mit einem Gewicht von 125 Kilogramm vergleichbar einem Barhocker genutzt werde. Die Übungsleiterin habe auch nicht ihre Aufsichtspflicht verletzt. Der Kläger sei erfahren gewesen und die Handhabung der Ballettstange sehr einfach. Unter diesen Umständen habe keine Pflicht der Übungsleiterin bestanden zu prüfen, ob die Schraube richtig angezogen war.“

Fazit: Mit 125 kg auf einen Barhocker geht wohl, aber mit 125 kg auf eine Ballettstangen das geht wohl nicht. Insoweit dann: Finger weg.

Belehrungsfehler III: Die (fehlende) Belehrung des potentiellen (Sekunden)Schläfers

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Ich hatte vor einiger Zeit über den OLG Nürnberg, Beschl. v. 04.07.2013 – 2 OLG Ss 113/13 – (vgl. dazu Belehrungsfehler I: Der verdichtete Tatverdacht) und den LG Saarbrücken, Beschl. v. 27.05.2013 – 6 Qs 61/13 (vgl. dazu Belehrungsfehler II: Das LG hebt auf, das AG hat nur durchgewunken) berichtet. Nun hat mich ein Kollege auf den LG Gießen, Beschl. v. 09.12.2013 – 7 Qs 196/13 – aufmerksam gemacht, der sich auch mit der Frage der Erforderlichkeit einer Belehrung befasst. Ausgangspunkt ist/war folgender Sachverhalt: Dem Beschuldigten wird ein Verstoß gegen §§ 315c Abs. 1 Nr. 1 StGB vorgeworfen. Er soll infolge Übermüdung (Sekundenschlaf) einen Auffahrunfall mit erheblichem Sachschaden verursacht haben. Deswegen ist dem Beschuldigten die Fahrerlaubnis vom AG gem. § 111a StPO vorläufig entzogen worden. Der dringende Verdacht eines kurzzeitigen Einschlafens des Beschuldigten wird u.a. auf Angaben des Beschuldigten gegenüber einem POK X. gestützt, wonach er wohl kurz eingeschlafen zu sein. Die Beschwerde des Beschuldigten, mit der u.a. die Unverwertbarkeit dieser Angaben geltend gemacht worden ist, hatte keinen Erfolg

Das LG bejaht die Verwertbarkeit der Angaben des Beschuldigten gegenüber dem Polizeibeamten mit der Begründung: Auch wenn bei einem Auffahrunfall bereits aufgrund der Tatsache des Auffahrens gegen den Hintermann der Verdacht einer Ordnungswidrigkeit gemäß §§ 1 Abs. 2, 4, 49 Abs. 1 Nr. 1 und 4 StVO, 24 StVG bestehen könne, begründe dieser allgemeine Verdacht noch keine Verpflichtung des Vernehmungsbeamten zur Belehrung gemäß §§ 136 Abs. 1, 163a Abs. 4 StPO schon vor der ersten Befragung des Auffahrenden. Die Beurteilung durch POK X., der davon ausgegangen sei, es gehe noch um Informationsgewinnung, sei nicht ermessenfehlerhaft oder missbräuchlich. Dies zeigte sich für das LG auch darin, dass er den Beschuldigten sofort nach dessen Äußerung zum Einschlafen gemäß § 136 Abs. 1 StPO belehrt hatte.

Eben kann man das m.E. nur sagen. Denn, wenn der Polizeibeamte den Beschuldigten nämlich sofort nach seiner Äußerung zum Einschlafen belehrt hat, dann spricht das m.E. dafür, dass sich auch schon vorher seine potentielle „Täterschaft“ bereits so verdichtet hatte, dass er nicht mehr nur „Auskunftsperson“ war, sondern bereits als Tatverdächtiger im Raum stand. Und das losgelöst vom Vorwurf des Strafverfahrens mit einem Verstoß gegen § 315c StGB, sondern ggf. auch und vor allem wegen des Vorwurfs einer Ordnungswidrigkeit nach §§ 1 Abs. 2, 4, 49 Abs. 1 Nr. 1 und 4 StVO, 24 StVG. Insoweit hätte er auf jeden Fall belehrt werden müssen. Die Entscheidung des LG legt daher m.E. die „Belehrungsschwelle“ zu weit nach hinten. Anders und richtig das LG Saarbrücken in der o.a. Entscheidung.

Rechtliches Gehör – kein Anspruch auf die „richtige Entscheidung“/den „guten Richter“

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Was immer wieder übersehen wird: Der Angeklagte/Betroffene hat Anspruch auf rechtliches Gehör. Die Gewährung rechtlichen Gehörs bedeutet aber nicht, dass man auch einen Anspruch auf die richtige Entscheidung hat. Wird der Sachvortrag des Angeklagten/Betroffenen zur Kenntnis genommen, dann aber falsch beschieden/entschieden, kann eine Verletzung des rechtlichen Gehörs damit nicht begründet werden. Dazu dann der – schon ältere OLG Brandenburg, Beschl. v. 29.08.2012 – (2 Z) 53 Ss-OWi 334/12 (160/12), der im Rahmen eines „Verwerfungsverfahrens“ nach den §§ 73, 74 OWiG ergangen ist:

„Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) soll u.a. sicherstellen, dass Entscheidungen frei von Verfahrensfehlern ergehen, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme bzw. Nichtberücksichtigung des Sachvortrags des Betroffenen haben, bietet indes keinen Schutz vor Entscheidungen, die das Vorbringen eines Betroffenen aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts unberücksichtigt lassen (vgl. BVerfG NJW 1992, 2811 [BVerfG 24.02.1992 – 2 BvR 700/91]).

So liegt der Fall hier. Das Amtsgericht hat den durch den Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Antrag auf Entbindung des Betroffenen vom persönlichen Erscheinen (§ 73 Abs. 2 OWiG) in der Sache nicht beschieden, weil es die vom Verteidiger selbst ausgestellte Vollmacht im Hinblick auf das Schriftformerfordernis (§ 73 Abs. 3 OWiG) nicht als ausreichend erachtet hat. Das Tatgericht hat das für die Frage der Entbindung maßgebliche Vorbringen insoweit nicht „übergangen“, sondern aus Rechtsgründen als unerheblich gewertet. Dies kann lediglich im Falle objektiv willkürlicher Rechtsanwendung einen Verstoß gegen das verfassungsrechtlich verbürgte Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs darstellen (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2006, 383; BVerfG NJW 1992, 2811). Eine solche willkürliche Entscheidung liegt jedoch nicht vor. Das Amtsgericht hat zutreffend angenommen, dass für den in der Hauptverhandlung für den Betroffenen gestellten Antrag gemäß § 73 Abs. 3 OWiG eine schriftliche Vollmacht erforderlich war. Dass es die vom Verteidiger selbst – nach mündlicher Ermächtigung d“urch den Betroffenen – unterzeichnete Vollmachtsurkunde nicht hat ausreichen lassen, entspricht zwar nicht der herrschenden Meinung (BayObLG NJW 1963, 872; NStZ 2002, 277; Meyer-Goßner, StPO 55. Aufl. § 234 Rdnr. 5), ist jedoch gleichwohl vertretbar (vgl. Karlsruher Kommentar/Gmel, StPO 6. Aufl. § 234 Rdnr. 3).“

Also: Kein Anspruch auf die richtige Entscheidung bzw. auf den „guten Richter“.

Belehrungsfehler II: Das LG hebt auf, das AG hat nur durchgewunken

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Nach dem Posting zum OLG Nürnberg, Beschl. v. 04.07.2013 – 2 OLG Ss 113/13 – (vgl. dazu Belehrungsfehler I: Der verdichtete Tatverdacht hier nun die zweite Entscheidung zu Belehrungsfragen. Zwar kein OLG, aber ein LG, nämlich das LG Saarbrücken und der LG Saarbrücken, Beschl. v. 27.05.2013 – 6 Qs 61/13 – mit einer ähnlich Fallgestaltung wie beim OLG Nürnberg. Hier wurde dem Beschuldigten eine Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB) vorgeworfen. Die Fahrereigenschaft des Beschuldigten war fraglich. Der Beschuldigte war nicht während der Fahrt angehalten worden, sondern hatte seine Fahrereigenschaft erst im Wege einer informellen Befragung beim erstmaligen Antreffen in seiner Wohnung gegenüber ermittelnden Polizeibeamten eingeräumt Nach erfolgter Belehrung machte der Beschuldigte dann keine Angaben mehr. Die Angaben des Beschuldigten aus der informellen Befragung hat das AG bei seiner Entscheidung über einen § 111a-Antrag der Staatsanwaltschaft zugrunde gelegt.

Die Beschwerde des Beschuldigten hatte dann aber beim LG Erfolg. Das LG hat die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a StPO) aufgehoben. Es hat (ebenfalls) eine Belehrungspflicht bejaht:

„Vorliegend fuhren die Beamten nach einer Meldung durch die bisher nicht vernommene Zeugin N. die per ZEVIS-Halterauskunft ermittelte Anschrift des Halters des Fahrzeugs VW mit dem amtlichen Kennzeichen xxx. an. Dieses Kennzeichen war durch die Zeugin N. durchgegeben worden. Die Zeugin N. hatte auch von Verkehrsverstößen berichtet, u. a. einem Rotlichtverstoß auf Höhe der BMW-Niederlassung in S.-Sch. sowie dem Fahren von „Schlangenlinien“. Die Polizeibeamten fanden das Fahrzeug an der Halteranschrift mit dem von der Zeugin durchgegebenen Kennzeichen vor. An der Motorhaube und dem Auspuff war keine Wärme feststellbar, wobei die Außentemperatur -1 °C betrug. Nach zweimaligem Klopfen an der Anschrift M.-str. in St. I. öffnete der Beschuldigte und wurde ohne weiteren Hinweis auf den Anlass der Befragung befragt, ob er der Halter des Fahrzeuges VW T5 sei, was er bejahte. Dann wurde er weiter befragt, ob er gerade mit dem Fahrzeug unterwegs gewesen sei. Auch diese Frage bejahte der Beschuldigte. Erst nachdem die Beamten in die Wohnung eingelassen wurden und sodann äußere Hinweise auf eine Alkoholisierung des Beschuldigten wahrnehmen, wurde er gem. § 136 StPO belehrt.

In diesem Fall hätte ermessensfehlerfrei eine Belehrung erfolgen müssen, nachdem der Beschuldigte bestätigte, der Halter des Fahrzeugs VW, amtliches Kennzeichen xxxxx., zu sein. Zum Zeitpunkt der Befragung stand für die Beamten aufgrund der ihnen bekannten Schilderungen der Zeugin Neu fest, dass zumindest ein Anfangsverdacht einer Ordnungswidrigkeit wegen des in Saarbrücken durch den Fahrer des Fahrzeugs VW T5 begangenen Rotlichtverstoßes vorliegt. Über § 46 Abs. 1 OWiG kommt bereits der § 136 Abs. 1 StPO zur Anwendung. Eine Belehrungspflicht über das Schweigerecht bestand daher bereits bevor die Beamten die Alkoholisierung des Beschuldigten wahrnehmen konnten, denn auch im Ordnungswidrigkeitsverfahren muss sich niemand selbst belasten.

Wäre bei dem Anfangsverdacht einer StVO-Ordnungswidrigkeit die Frage danach, ob der in örtlicher und zeitlicher Nähe zum verursachenden Fahrzeug angetroffene Halter das Fahrzeug gefahren hat, ohne Belehrung über das Schweigerecht zulässig, liefe der durch die §§ 46 Abs. 1 OWiG, 136 Abs. 1, 163 Abs. 4 StPO gewollte Schutzzweck leer, denn der Beschuldigte lieferte dann ohne Belehrung regelmäßig den einzigen zu seiner Überführung fehlenden Sachverhaltsbaustein, ohne über seine Rechte belehrt zu sein.“

M.E. ebenfalls zutreffend. Folgende Hinweise/Anmerkungen:

  • Der Beschluss hat gerade auch im Bußgeldverfahren Bedeutung, wo häufig auch vorschnell Angaben gemacht werden, von denen der Mandant später gerne wieder abrücken möchte. Auch hier zieht das LG die „Belehrungsschwelle“ sehr früh.
  • Der Beschluss ist zudem insofern von Interesse, weil er beweist, dass sich ein „früher Widerspruch“ gegen die Verwertung kontaminierte Beweismittel schon im Ermittlungsverfahren lohnen kann  (vgl. dazu auch Burhoff, HV, Rn. 3504).
  • Bemerkenswert ist an dem Beschluss schließlich: Der Ermittlungsrichter hatte dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf vorläufige Entziehung nach § 111a StPO entsprochen, also letztlich durchgewunken, ohne überhaupt auf die Frage der Verwertbarkeit der Angaben des Beschuldigten einzugehen. Das lässt in meinen Augen tief blicken. Ich brauche jetzt hier keine Kommentare zur Arbeitsbelastung pp. Die enthebt nicht, das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung von Zwangsmaßnahmen sorgfältig und sauber zu prüfen.

Belehrungsfehler I: Der verdichtete Tatverdacht

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Heute machen wir mal einen „Belehrungstag“ mit zwei Entscheidungen, die zeigen, dass es auf die (richtige) Belehrung nicht nur in Kapitalstrafsachen ankommt, sondern die Frage eben auch in Feld-/Wald- und Wiesenfällen eine Rolle spielen kann. Zunächst in dem Zusammenhnag der Hinweis auf den OLG Nürnberg, Beschl. v. 04.07.2013 – 2 OLG Ss 113/13.

Da war mit dem Pkw des Angeklagten war ein Verkehrsunfall verursacht  worden. Der Fahrer hatte sich nach dem Verkehrsunfall unerlaubt entfernt. Der Angeklagte wird dann von der Polizei als der Halter des Pkw ermittelt und kurze Zeit nach dem Verkehrsunfall von einem Polizeibeamten aufgesucht. Dieser schildert dem Angeklagten, worum es geht, nämlich um einen angeblichen Unfall seines Fahrzeugs, und fragt ihn, wer soeben mit dem Fahrzeug unterwegs gewesen sei. Der Angeklagte räumt daraufhin die Fahrereigenschaft ein. In der Hauptverhandlung lässt sich der Angeklagte dann nicht zur Sache ein. Das AG vernimmt den Polizeibeamten und stellt aufgrund seiner Angaben die Fahrereigenschaft des Angeklagten zum Unfallzeitpunkt fest.

Die Sprungrevision hatte beim OLG Erfolg. Das OLG hat eine Belehrungspflicht des Polizeibeamten bejaht und, da er nicht belehrt hatte, ein Beweisverwertungsverbot angenommen:

„Vorliegend war es seitens des als Zeugen vernommenen Polizeibeamten ermessensfehlerhaft, den Angeklagten vor der Befragung nicht als Beschuldigten zu behandeln und entsprechend zu belehren. Der mögliche Täter war nicht mehr nur in einer nicht näher bestimmten Personengruppe zu suchen sondern der Tatverdacht hatte sich nach der Ermittlung des Angeklagten als Fahrzeughalter bereits auf ihn verdichtet, auch wenn grundsätzlich auch andere Personen als Nutzer des Fahrzeugs des Angeklagten in Betracht kommen (LG Koblenz NZV 2002, 422; AG Bayreuth NZV 2003, 202; Meyer-Goßner, StPO, 55. Auflage, Einleitung Rn. 78). Bei der Ausübung des Ermessens ist auch der gesetzliche Schutzzweck des § 136 Abs. 1 StPO zu berücksichtigen, dass durch die Belehrung gegenüber dem Beschuldigten eindeutig klargestellt werden soll, dass es ihm freisteht, keine Angaben zu machen. Dieses Belehrungsgebot will sicherstellen, dass der Beschuldigte vor der irrtümlichen Annahme einer Aussagepflicht bewahrt wird, zu der er möglicherweise durch die Konfrontation mit dem amtlichen Auskunftsverlangen veranlasst werden könnte (BGHSt 42, 139). Dieser Schutzzweck wird im vorliegenden Fall nur dann gewahrt, wenn der Halter des Kraftfahrzeugs vor seiner Befragung entsprechend belehrt wird.“

Wie gesagt: Belehrung ist eben auch in den Feld-, Wald- und Wiesenfällen von Bedeutung. Hat man als Verteidiger daran gedacht, muss man dann aber auch an den Widerspruch – spätestens in der Hauptverhandlung, dazu nachher mehr – denken (vgl. dazu Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 7. Aufl. 2013, Rn. 3491 ff.) und dann auch noch in der Revision ausreichend ausreichend vortragen. Dann ist alles gut 🙂 .

Ein kleiner Hinweis noch: An dem OLG-Beschluss freut mich, dass sich das OLG nicht von der etwas „spitzfindigen“ Betrachtungsweise der Generalstaatsanwaltschaft hat beeinflussen lassen. Denn die hatte beantragt, die Revision des Angeklagten als unbegründet zu verwerfen, da kein Beweisverwertungsverbot bestanden habe, da der Polizeibeamte den Angeklagten nicht gefragt habe, ob er, sondern wer soeben mit dem Fahrzeug gefahren sei (s. dazu allerdings auch OLG Zweibrücken StRR 2010, 468 = VRR 2010, 420 = zfs 2010, 589). Von der Art der Fragestellung soll also die Frage des Tatverdachts abhängen?