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Abkommen von der Fahrbahn infolge ungeklärter Ursache, oder: Vielleicht doch Sekundenschlaf?

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Urheber Ulfbastel

Im „Kessel Buntes“ dann heute zwei Entscheidungen zur Haftung nach Verkehrsunfällen.

Ich beginne mit dem OLG Celle, Urt. v. 01.07.2020 – 14 U 8/20. Es ist um die Haftung nach einem Verkehrsunfall infolge  Abkommen von der Fahrbahn gestritten worden. Die Klägerin und die beklagte Versicherung streiten über die Frage, ob der Unfall auf einem grob fahrlässigen Verhalten des bei der Beklagten beklagten Versicherungsnehmer beruht. Der ist vom AG rechskräftig wegen des Unfalls wegen fahrlässiger Tötung in zwei Fällen in Tateinheit mit fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung und mit fahrlässiger Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung und zu einem zweimonatigen Fahrverbot verurteilt worden. Das Urteil enthält keine Erklärung zum Grad des Fahrlässigkeitsvorwurfs. Der Beklagte war bei Nebel mit einer Geschwindigkeit von ca. 75 km/h von der gerade verlaufenden Fahrbahn abgekommen, in den Gegenverkehr geraten und dort frontal mit einem ihm entgegenkommenden Sattelzug kollidiert, dessen Fahrer – der Zeuge B. – den Unfall unstreitig nicht hatte vermeiden können.

Die Klägerin hat dem Beklagten vorgeworfen, grob fahrlässig gehandelt zu haben, weil er bei einer Sichtweite von maximal 20 m mit unangemessener, erheblich überhöhter Geschwindigkeit gefahren sei bzw. sehr wahrscheinlich in einen Sekundenschlaf gefallen sei, wobei er vorherige Anzeichen für seine Übermüdung ignoriert gehabt habe. Der Beklagte hat dies bestritten und sein Verschulden als fahrlässig eingestuft. Die Klägerin habe lediglich Spekulationen im Ermittlungsverfahren aufgegriffen, die nicht bewiesen seien. Er sei es gewohnt gewesen, früh aufzustehen und habe ausreichend lang geschlafen gehabt. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (Bl. 203R – 204R d. A.).

Das LG hat die Klage abgewiesen. Dagegen die Berufung, die keinen Erfolg hatte. Das OLG führt zum „Sekundenschlaf aus“:

„Der Klägerin ist darin zuzustimmen, dass vorliegend einiges für einen Sekundenschlaf des Beklagten als Unfallursache spricht, weil er nach den glaubhaften Angaben des Zeugen Bi. ohne zu bremsen oder auszuweichen quasi in Zeitlupe in den Gegenverkehr geraten und dort mit dem vom Zeugen B. gesteuerten Sattelzug kollidiert ist. Hiervon sind Polizei und Staatsanwaltschaft in dem beigezogenen Ermittlungsverfahren ausgegangen. Dass der Beklagte dies akzeptiert hat, verwundert aus strafrechtlicher Sicht nicht: Seine Verantwortung für die Tötung zweier Menschen und die Körperverletzung eines weiteren Mitfahrers sowie seines Unfallgegners konnte er nicht leugnen. Es kam ihm bei seinem Einspruch gegen den Strafbefehl ersichtlich maßgeblich darauf an, erträgliche Rechtsfolgen zu erzielen. Eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe dürfte unabhängig von ihrer genauen Höhe akzeptabel gewesen sein; eine einjährige Sperre für die Fahrerlaubnis jedoch nicht. Sein Einspruch hatte dann auch schließlich den Erfolg, dass die Maßregel auf ein zweimonatiges Fahrverbot reduziert worden ist.

Im Zivilverfahren ist die Frage, ob der Beklagte am Steuer eingeschlafen war, streitig: Zunächst hatte die Klägerin selbst vorgetragen, sie halte den im Ermittlungsverfahren angenommen Sekundenschlaf für spekulativ (Bl. 9 d. A.). Ihre spätere Behauptung, das Vorliegen eines Sekundenschlafs sei sehr wahrscheinlich (Bl. 157, 158, 198, 199 d. A.), hat der Beklagte ausdrücklich bestritten (Bl. 169, 170 d. A.). Auch im Rahmen seiner mündlichen Anhörung am 12. November 2019 hat er erklärt, er glaube nicht, eingeschlafen zu sein (Bl. 175 d. A.). Den Sekundenschlaf des Beklagten muss die Klägerin beweisen. Die Angaben des Zeugen Bi. legen diese Unfallursache nahe, die einzig denkbar mögliche ist es jedoch nicht (siehe oben unter Ziffer 2.).

Aber selbst wenn man mit der Klägerin einen Sekundenschlaf des Beklagten annähme, führte dies – anders als sie meint – nicht ohne Weiteres zur Bejahung grober Fahrlässigkeit. Objektiv dürfte der Beklagte dann zwar grob fahrlässig gehandelt haben. Denn der Bundesgerichtshof hat schon vor Jahren nach sachverständiger Beratung entschieden, nach dem Stand der ärztlichen Wissenschaft bestehe der Erfahrungssatz, dass ein Kraftfahrer, bevor er am Steuer seines Fahrzeugs während der Fahrt einschlafe (einnicke), stets deutliche Zeichen der Ermüdung (Übermüdung) an sich wahrnehme oder wenigstens wahrnehmen könne. Dies beruht auf der in den berufenen Fachkreisen gesicherten Kenntnis, dass ein gesunder, bislang hellwacher Mensch nicht plötzlich von einer Müdigkeit überfallen wird. [BGH, Beschluss vom 18. November 1969 – 4 StR 66/69 -, Leitsatz und Rn. 38; OLG Frankfurt/M., Urteil vom 26. Mai 1992 – 8 U 184/91 -; BayOLG, Urteil vom 18. August 2003 – 1 St RR 67/03 -; LG Wiesbaden, Beschluss vom 22. Juni 2015 – 1 Qs 61/15 -, Rn. 16; alle zitiert nach juris].

Für die Annahme eines grob fahrlässigen Verhaltens bedarf es aber auch der Feststellung eines in subjektiver Hinsicht nicht entschuldbaren Verstoßes gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (siehe oben). Ein leichtes Einnicken (sog. Sekundenschlaf) begründet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs deshalb nur dann den Vorwurf eines leichtfertigen Handelns, wenn sich der Fahrer bewusst über von ihm erkannte Anzeichen einer Übermüdung hinweggesetzt hat [BGH, Urteil vom 31. Februar 2007 – I ZR 166/04 -, MDR 2007, 1383; OLGR Rostock 2009, 115 (117); OLG Koblenz, Beschluss vom 8. Juni 2006 – 10 U 1161/05 -, zitiert nach juris; OLGR Düsseldorf 2000, 144; OLG Düsseldorf, Urteil vom 1. Oktober 2001 – 1 U 73/01 -, Orientierungssatz und Rn. 10, zitiert nach juris; OLG Koblenz, Urteil vom 12. Januar 2007 – 10 U 949/96 -, Orientierungssatz und Rn. 14 m. w. N., zitiert nach juris]. Dies muss positiv festgestellt werden. Denn die Regeln des Anscheinsbeweises gelten insoweit nicht [BGH, Urteil vom 21. März 2007 – I ZR 166/04 -, Leitsatz und Rn. 20 m. w. N.; OLG Stuttgart, Urteil vom 28. Juli 2005 – 7 U 51/05 -, Orientierungssatz und Rn. 3 und 4; OLG Celle, Urteil vom 3. Februar 2005 – 8 U 82/04 -, Rn. 6 m. w. N.; alle zitiert nach juris]. Im Falle des Abkommens von der Fahrbahn, dessen Gründe nicht geklärt sind, ist nicht stets ein grob fahrlässiges Verhalten anzunehmen [OLG Stuttgart, Urteil vom 28. Juli 2005 – 7 U 51/05 -, Orientierungssatz; Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 15. September 2009 – 4 U 375/08 -, Orientierungssatz und Rn. 57; beide zitiert nach juris]. Ein Sekundenschlaf kann „einfach fahrlässig“ nicht vorhergesehen worden sein [OLG Celle, Urteil vom 3. Februar 2005 – 8 U 82/04 -, Rn. 6 m. w. N.; zitiert nach juris], weil objektiv vorhandene Übermüdungserscheinungen häufig subjektiv nicht wahrgenommen werden [nach sachverständiger Beratung: Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 15. September 2009 – 4 U 375/08 -, Rn. 57; zitiert nach juris].

Vorliegend lässt sich nicht aufklären, ob der Beklagte objektive Übermüdungsanzeichen ignoriert oder sich bewusst hierüber hinweggesetzt hat. Er selbst bestreitet, überhaupt eingeschlafen zu sein. Ferner hat er erklärt, ca. 10 Minuten vor dem Unfall habe er sich noch mit seinem Beifahrer unterhalten gehabt, das Radio sei gelaufen und er sei es gewohnt gewesen, früh aufzustehen (Bl. 175 d. A.). Der einzige Beifahrer, der den Unfall überlebt hat, ist der Versicherungsnehmer der Klägerin; dieser hat ausweislich seiner Angaben gegenüber der Polizei am 14. April 2016 (Bl. 47 d. BA) hinter dem Beklagten gesessen und geschlafen. Deshalb ist auszuschließen, dass er Angaben zu dem subjektiven Empfinden des Beklagten zu seinen etwaigen Übermüdungserscheinungen machen kann. Unter diesen Umständen kann sich der Senat nicht die gemäß § 286 ZPO unter Ausschluss jeden vernünftigen Zweifels erforderliche Überzeugung bilden, der Beklagte habe den Unfall auch subjektiv grob fahrlässig verursacht, weil er unter Missachtung von objektiv vorhandenen Übermüdungserscheinungen eingeschlafen sei. Insoweit bleibt auch zu berücksichtigen, dass der Beklagte auf die Gegenfahrbahn geraten sein könnte, weil er infolge der Fahrbahnsenke sowohl die Lichter aus dem Gegenverkehr als auch die Rückleuchten der vorausfahrenden Fahrzeuge aus den Augen verloren haben und kurzzeitig orientierungslos gewesen sein könnte. Dies wäre gleichfalls nicht völlig unentschuldbar.

Anders als die Klägerin meint, spricht auch die Dauer des Sekundenschlafs vorliegend nicht für einen subjektiv unentschuldbaren Sorgfaltsverstoß. Denn die Strecke, die der Beklagte bis zur Kollision mit dem Lkw auf der Gegenspur zurückgelegt hat, war bei einer zweispurig ausgebauten Landstraße kurz. Der Beklagte hat lediglich eine Fahrbahnhälfte gekreuzt. Eine andere Bewertung des Grades des Fahrlässigkeitsvorwurfs ergibt sich auch nicht daraus, dass der Senat den Sachverhalt im Rahmen des § 110 SGB VII zu prüfen hat. Bei der Beurteilung eines Verhaltens als grob fahrlässig kommt es nach Auffassung des Senats nicht darauf an, innerhalb welcher Anspruchsgrundlage dies geschieht. Entscheidend ist vielmehr, wie das Verhalten nach den Anforderungen des jeweils maßgeblichen Verkehrs zu beurteilen ist. Hierzu hat der Senat die vorstehend zitierte Rechtsprechung zum Sekundenschlaf im Straßenverkehr umfassend ausgewertet und den streitgegenständlichen Sachverhalt unter Berücksichtigung der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze subsumiert. Dem steht die von der Klägerin zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 30. Januar 2001 – VI ZR 49/00 –, NJW 2001, 2092 – 2094 nicht entgegen. Denn hierbei handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung zu Unfallverhütungsvorschriften, die mit dem streitgegenständlichen Fall in keiner Hinsicht vergleichbar sind.“

„Verkehrsunfall“, oder: Haftungsausschluss für den Eigenschaden

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Es ist Samstag und damit „Kessel Buntes Tag“. Und an dem stelle ich heute zunächst das LG Saarbrücken, Urt. v. 03.04.2020 – 13 S 169/19 – vor.

Zu entscheiden war folgendes Sachverhalt:

„Der Kläger verlangt Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am 2.8.2018 auf dem Parkplatz einer Arztpraxis in der pp. in pp. ereignete. Zu dem Unfall kam es, als der Kläger das Fahrzeug des Zweitbeklagten, das behindertengerecht umgebaut ist und bei dem Gas- und Bremsfunktion im Handbetrieb erfolgt, rückwärts aus einer abschüssigen Parklücke ausparken wollte, um dem Zweitbeklagten, der auf den Rollstuhl angewiesen ist, das Einsteigen in sein Fahrzeug zu ermöglichen. Dabei verlor der Kläger die Kontrolle über das Fahrzeug und beschädigte unter anderem sein eigenes, ebenfalls auf dem Parkplatz abgestelltes Fahrzeug. Den an seinem Fahrzeug entstandenen Gesamtschaden verlangt der Kläger ersetzt mit der Behauptung, er habe den Zweitbeklagten gebeten, ihm die Bedienung des umgebauten Fahrzeugs zu erklären, was dieser fehlerhaft durchgeführt habe. Nachdem er auf Anweisung des Zweitbeklagten den Handbremsknopf gelöst habe, sei das Fahrzeug sofort rückwärts losgefahren………………..

Das Amtsgericht hat der Klage nach Anhörung der Unfallbeteiligten in hälftiger Höhe von 1.528,37 Euro nebst Zinsen und entsprechend reduzierten vorgerichtlichen Anwaltskosten stattgegeben. Der Haftungsausschluss des § 8 Nr. 2 StVG komme nur zur Anwendung, wenn Rechtsgüter freiwillig und bewusst in den Gefahrenbereich eingebracht worden seien. Schäden, die nur zufällig an eigenen Rechtsgütern eingetreten seien, seien davon nicht erfasst. Allerdings treffe den Kläger eine Mithaftung, die das Gericht mit ½ bewertet hat.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiterverfolgen. Sie sind der Auffassung, § 8 Nr. 2 StVG sei einschlägig, jedenfalls aber hafte der Kläger aus Verschulden für den Schaden allein. Überdies sei ein Direktanspruch gegen die erstbeklagte Versicherung ausgeschlossen, weil die Haftung nach § 3 Abs. 1 PflVG nicht eingreife, wenn Schädiger und Geschädigter identische Personen seien. Schließlich habe das Erstgericht Verteidigungsvorbringen der Beklagtenseite übergangen……“

Dazu das LG:

„Berufung und Anschlussberufung sind zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg, während die Anschlussberufung zurückzuweisen war.

1. Zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Haftung des Zweitbeklagten als Halter des unfallverursachenden Fahrzeugs nach § 7 Abs. 1 StVO grundsätzlich vorliegen, weil der Unfallschaden bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs entstanden und der Unfall nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen ist.

2. Soweit das Amtsgericht meint, ein Haftungsausschluss nach § 8 Nr. 2 StVG greife vorliegend nicht ein, folgt dem die Kammer nicht.

a) Nach dieser Vorschrift ist die Haftung nach § 7 ff. StVG ausgeschlossen, wenn der Verletzte bei dem Betrieb des Kraftfahrzeugs tätig war. Erfasst werden davon Personen, die durch die unmittelbare Beziehung ihrer Tätigkeit zum Betrieb des Kraftfahrzeugs den von ihm ausgehenden besonderen Gefahren stärker ausgesetzt sind als die Allgemeinheit, auch wenn sie nur aus Gefälligkeit beim Betrieb des Kraftfahrzeugs tätig geworden sind (BGH, Urteil vom 16. Dezember 1953 – VI ZR 131/52, NJW 1954, 393; Urteil vom 5. Oktober 2010 – VI ZR 286/09, NJW 2011, 292 mwN). Auch wenn die Vorschrift als Ausnahmevorschrift grundsätzlich eng auszulegen ist (BGH Urt. v. 5. Oktober 2010 aaO), besteht kein Zweifel daran, dass derjenige, der das Fahrzeug – wie hier der Kläger – führt, bei dessen Betrieb tätig war und daher § 8 Nr. 2 StVG unterfällt (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 1988 – VI ZR 223/87, VersR 1989, 54; Laws/Lohmeyer/Vinke in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, § 8 StVG Rn 17 mwN).

b) Der Kläger war hier auch Verletzter i.S.d. Vorschrift. Nach dem Wortlaut der Vorschrift wird zwischen Personen- und Sachschaden nicht unterschieden. Die Verletzung beschränkt sich daher nicht auf das Erleiden eines Personenschadens (so aber noch Müller, Straßenverkehrsrecht Bd. I, 21. Aufl., § 8 StVG Rn. 8), sondern erfasst grundsätzlich auch sonstige Eigen(sach)schäden des bei dem Betrieb Tätigen (BGHZ 116, 200 mwN). Weil Sinn und Zweck des gesetzlichen Haftungsausschlusses jedoch darin bestehen, dass der erhöhte Schutz des Gesetzes demjenigen nicht zuteilwerden soll, der sich durch seine Tätigkeit den besonderen Gefahren des Kraftfahrzeugbetriebs freiwillig aussetzt (BGH Urt. v. 5. Oktober 2010 aaO mwN), wird in der Rechtsprechung und Literatur die Auffassung vertreten, der Haftungsausschluss erfasse die Schädigung nur solcher eigener Sachen, die infolge der Betriebstätigkeit in den Gefahrenkreis des Kraftfahrzeugs geraten und dabei beschädigt worden sind. Eigene Gegenstände, die – wie hier das Kfz des Klägers – nicht freiwillig und bewusst den besonderen Gefahren des Betriebes des geführten Fahrzeuges ausgesetzt worden sind, sondern bei dem Betrieb keine Rolle spielen und hier nur zufällig geschädigt wurden, sollen demgegenüber von der Gefährdungshaftung ausgenommen sein (OLG München VersR 1980, 52; LG München I NZV 1999, 516; LG Dortmund, Urteil vom 28. September 2006 – 4 S 23/06 –, juris; AG Darmstadt NZV 2002, 568; Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, § 19 Rn. 10; König in Hentschel ua, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl., § 8 StVG Rn. 4; Hohloch VersR 1978, 19; Greger NZV 1988, 108 mwN).

c) Die Gegenauffassung (OLG Hamm NZV 1997, 42; OLG Nürnberg VersR 2004, 905; LG Freiburg VersR 1977, 749; Kaufmann in Geigel, Haftpflichtprozess, 28. Aufl., Kap. 25 Rn. 290; Kunschert NZV 1989, 62 und 1999, 516) differenziert hingegen nicht nach der Art des Eigenschadens. Dem schließt sich die Kammer an. Insbesondere ergibt sich aus dem Schutzzweck der Vorschrift kein Anlass zu einer teleologischen Reduktion des Wortlauts. Die der Norm zugrundeliegende Erwägung, das Schutzbedürfnis der Personen, die sich freiwillig in Gefahr begeben, als geringer einzustufen (RG JW 1937, 1769; Greger/Zwickel aaO Rn. 9), betrifft unbeschränkt alle Gefahren, der sich der bei dem Betrieb Tätige aussetzt. Dies betrifft zwar in erster Linie die Gefahr, bei einem Unfall mit dem Fahrzeug eine eigene Gesundheitsverletzung zu erleiden, umfasst daneben aber auch die Gefahr, durch den nicht immer beherrschbaren Betrieb des Fahrzeugs einen Unfall zu verursachen und hierbei Rechtsgüter anderer Art zu verletzen. Die Beschädigung eigener Rechtsgüter, gleich ob sie bestimmungsgemäß oder zufällig in den Gefahrenkreis des Betriebs geraten sind, ist daher stets eine Folge davon, dass der bei dem Betrieb Tätige Einfluss auf den Betrieb genommen hat. Dem entspricht es, den Kreis der bei dem Betrieb Tätigen mit Blick auf den Charakter als Ausnahmevorschrift eng zu ziehen und nur solche Personen einzubeziehen, die in irgendeiner Form Einfluss auf den Betrieb des Fahrzeugs ausüben oder in anderer Weise Verantwortung für den Betrieb übernommen haben (vgl. BGH, Urteil vom 16.12.1953 – VI ZR 131/52, NJW 1954, 393 sowie den Überblick bei Kaufmann aaO Rn. 284 f. mwN). Da die Gefährdungshaftung nicht diejenigen schützen will, die die Gefahr geschaffen haben (Lemcke ZfS 2002, 318; Kunschert NZV 1999, 516), ist es konsequent, den besonderen Schutz einer verschuldensunabhängigen Haftung demjenigen zu versagen, der für den Betrieb mitverantwortlich ist. Auf die Frage, wie sein geschädigtes Rechtsgut in den Gefahrenbereich des Kfz-Betriebs gelangt ist, kann es dabei nicht ankommen.

3. Eine daneben mögliche deliktische Haftung des Beklagten gem. § 823 Abs. 1 BGB für den Schaden des Klägers scheitert vorliegend daran, dass – wie es das Erstgericht mit Recht angenommen hat – das vorkollisionäre Geschehen nicht aufklärbar ist. Soweit dem die Anschlussberufung entgegengetreten ist und meint, der Schadenseintritt sei allein auf eine fehlerhafte Anweisung des Zweitbeklagten gegenüber dem Kläger zurückzuführen, bleibt ihr der Erfolg versagt.

a) In tatsächlicher Hinsicht ist das Berufungsgericht nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte in diesem Sinne sind alle objektivierbaren, rechtlichen und tatsächlichen Einwände gegen die erstinstanzlichen Feststellungen. Bloße subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte wollte der Gesetzgeber ausschließen (vgl. BGHZ 164, 330, 332 m.w.N.).

b) Konkrete Anhaltspunkte, die solche Zweifel begründen und eine erneute Feststellung gebieten könnten, liegen nicht vor. In seiner Beweiswürdigung hat sich der Erstrichter vielmehr entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt, ohne gegen Denk- oder Erfahrungsgesetze zu verstoßen. Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, dass das Erstgericht sich auf der Grundlage der Darlegung des Zweitbeklagten in der mündlichen Verhandlung nicht davon zu überzeugen vermochte, dass die Möglichkeit einer eigenmächtigen, die Anweisungen des Zweitbeklagten und dessen Bitte, noch abzuwarten, missachtenden Handlungsweise des Klägers als schadensursächliche Handlung auszuschließen sei. Aus dem Umstand, dass der Zweitbeklagte in seiner Anhörung erst auf Nachfrage das Lösen der Handbremse nachschob, deutet entgegen der Berufung nicht, jedenfalls nicht zwingend darauf hin, dass er bei der Einweisung des Klägers am Unfallort fehlerhafte Anweisungen gegeben hat. Denkbar ist auch, dass er die Frage der Handbremse lediglich im Rahmen seiner gerichtlichen Anhörung, wie von ihm selbst eingeräumt, versehentlich nicht erwähnt hatte. Da vor diesem Hintergrund eine unrichtige Einweisung des Zweitbeklagten ebenso wenig feststand wie eine abweichend von den Einweisungen fehlerhafte Bedienung des Fahrzeugs durch den Kläger, war ein die deliktische Haftung begründendes Verschulden des Beklagten nicht erwiesen. Die Unaufklärbarkeit geht zu Lasten dessen, der für die tatbestandlichen Voraussetzungen darlegungs- und beweispflichtig ist, mithin des Klägers.“

Es geht dann wohl zum BGH, jedenfalls hat das LG die Revision zugelassen.

Kosten der Probefahrt/Wagenwäsche, oder: Erstattung nach einem Verkehrsunfall?

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Und als zweite Entscheidung dann ein kleines Schmankerl vom AG Heinsberg. Das hat im AG Heinsberg, Urt. v. 11.03.2020 – 19 C 1/20 – über die Frage entschieden, ob nach einem Verkehrsunfall auch die Kosten für eine Probefahrt und die Wagenwäsche zu erstatten sind.

Das AG hat die Frage bejaht:

„Dem Kläger stehen gem. §§ 7, 18 StVG, 115 VVG, 249 BGB die restlichen erhobenen Ansprüche aus dem streitgegenständlichen Unfallereignis zu.

Hinsichtlich der Positionen „Wäsche“ und „Probefahrt“ griffen die Einwände des Beklagten im Ergebnis nicht durch. Die Notwendigkeit einer Probefahrt nach einer Karosseriereparatur ist nachvollziehbar. Durch eine solche Probefahrt ist auszuschließen; dass das Fahrzeug ungeprüft an den Kunden übergeben wird und gegebenenfalls Reklamationen anfallen und daraus folgende Nacharbeiten gesondert durchgeführt werden müssen. Es ist zudem allgemein üblich, dass nach Karosseriearbeiten und den entsprechenden Lackierungsmaßnahmen das Fahrzeug gewaschen werden muss, um die arbeitsbedingten Verschmutzungen der übrigen Karosserieteile zu beseitigen. Bei Teilreparaturen und Teillackierungen ist eine Verschmutzung der umliegenden Karosserieteile nicht zu vermeiden.

Nachdem der Kläger die Sachverständigenkosten gezahlt hat, waren diese auch in ganzer Höhe als adäquater Schaden zu ersetzen. Einen Verstoß gegen die dem Kläger obliegende Schadensminderungspflicht sieht das erkennende Gericht im Streitfall nicht. Bei einem Rechnungsbetrag von rund 1.250 € konnte vom Kläger nicht erwartet werden, wegen eines Betrages von rund 50 € Zahlungen einzubehalten. Insbesondere war für den Kläger nicht evident, dass und welche Beträge im Einzelnen überhöht sein könnten. Soweit die Beklagte ihm auf ihre Auffassung hingewiesen hat, oblag es dem Kläger nicht, dem zu folgen. Dies hätte vorausgesetzt, dass auch für einen Laien evident gewesen wäre, dass die Rechnung überhöht war. Die Interessen des Beklagten sind insoweit hinreichend dadurch geschützt, dass sich der Beklagte ggf. Rückzahlungsansprüche wegen überhöhter Zahlungen vom Kläger an sich abtreten lassen könnte.“

Kreuzungsunfall: Wer ist schuld?, oder: Fallrekonstruktion durch gespeicherte Daten einer LZA?

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Heute „köcheln“ im Kessel Buntes dann mal wieder zwei zivilrechtliche Entscheidungen.

Und zunächst stelle ich das AG Velbert, Urt. v. 19.12.2019 – 11 C 183/18 – vor. Gestritten worden ist in dem Verfahren um Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall auf einer Kreuzung. Die Parteien haben darüber gestritten, welcher der Fahrzeugführer der beiden beteiligten Pkw bei einer für ihn Rot anzeigenden Lichtzeichenanlage in den Kreuzungsbereich jeweils aus dem Querverkehr eingefahren ist. Die Angaben der beteiligten Fahrzeugführer haben sich widersprochen.

Es stand aber im Verfahren fest, dass der Verkehrsunfall sich zwischen 19:10 Uhr und 19:30 Uhr ereignet hatte und der vom Gericht eingeschaltete Sachverständige konnte bei der betroffenen modernen Lichtzeichenanlage auf gespeicherte Daten aus dem Rechner der Anlage zurückgreifen. Diese beruhen auf dem Überfahren einer Induktionsschleife bei den jeweiligen Zufahrten zum Kreuzungsbereich und wurden vom Rechner der Anlage erfasst. Anhand der Schäden an den Fahrzeugen konnte ein hinzu gezogener Sachverständige eine Ausgangsgeschwindigkeit für das Klägerfahrzeug in der Größenordnung von ca. 28 km/h und eine Anprallgeschwindigkeit des Beklagtenfahrzeuges von ca. 18 km/h ermitteln. In der jeweiligen Fahrtrichtung der beteiligten Fahrzeuge konnte mit diesen Geschwindigkeiten nur bei einer einzigen für den Zeitraum des Verkehrsunfalls aufgezeichneten  Konstellation eine entsprechende Einfahrt ohne Anhalten im Kreuzungsbereich ermittelt werden. Bei diesem Geschehen hatte für einen Fahrzeugführer die rote Lichtzeichenanlage bereits 20 Sekunden Rot angezeigt. Dass es sich hierbei um die Unfallkonstellation handelt, wurde auch dadurch bestätigt, dass trotz grüner Lichtzeichenanlage sodann im Bereich der Induktionsschleife andere Fahrzeuge angehalten haben – dies nämlich deshalb, da die Einfahrt in den Kreuzungsbereich aufgrund des Unfalls nicht mehr angezeigt war.

Das AG hat das seiner Entscheidung zugrunde gelegt und die Beklagten verurteilt. Hier die Leitsätzes der Entscheidung, die mir der Kollege M. Nugel geschickt hat:

  1. Bei einem streitigen Unfallhergang, welcher Fahrzeugführer bei Rot in die Kreuzung eingefahren ist, kann eine Unfallrekonstruktion bei einer modernen LZA dadurch erfolgen, dass die hinterlegten Kontaktdaten der Einfahrt der Fahrzeuge, die im Verkehrsrechner der Lichtsignalanlage gespeichert sind, ausgewertet werden.
  2. Wenn innerhalb einer bestimmten Zeitspanne nur eine einzige Einfahrsituation von Kfz mit diesen gespeicherten Daten mit den Geschwindigkeiten der beteiligten Fahrzeuge vereinbar ist, kann auf dieser Basis das Unfallgeschehen rekonstruiert werden.
  3. Der Fahrzeugführer, der bei Rot in den Kreuzungsbereich einfährt, haftet für diesen Schaden alleine und der andere unfallbeteiligte Fahrzeugführer darf auf sein Vorrangrecht vertrauen.

Geschwindigkeitsüberschreitung, oder: (Mit)Haftung nur bei Unfallursächlichkeit

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Als zweite Entscheidung stelle ich dann heute das OLG Saarbrücken, Urt. v. 14.03.2019 – 4 U 112/17 – vor, über das der Kollege Gratz ja auch schon berichtet hat.

Entschieden worden ist über die Haftungsverteilung bei einem innerörtlichen Verkehrsunfall. Der Beklagte war mit seinem Pkw innerorts mit mindestens 64 km/h. Es kam zum Zusammenstoß mit dem Pkw des Klägers, wobei offen geblieben ist, ob der Kläger aus einer Grundstück ausfahren oder wenden wollte. Das LG ist von einem 40-%igen Mithaftungsanteil  des Beklagten ausgegangen. Der Kläger wollte mit seiner Berufung einen höheren Anteil des Beklagten  erreichen, hatte damit aber keinen Erfolg:

„1. Im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend ist das Landgericht von der grundsätzlichen Haftung des Beklagten zu 2 als Fahrer eines unfallbeteiligten Kraftfahrzeugs gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 Satz 1, 11 StVG, 823 Abs. 1 BGB und der Beklagten zu 1 als Haftpflichtversicherer gemäß §§ 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG, 1 PflVG ausgegangen. Der für den Ausschluss der Ersatzpflicht des Beklagten zu 2 nach § 18 Abs. 1 Satz 2 StVG erforderliche Nachweis, dass der Schaden nicht durch ein Verschulden des Führers verursacht ist, wurde nicht geführt. Die gesetzliche Verschuldensvermutung nach § 18 Abs. 1 Satz 1 StVG kann insbesondere widerlegt sein, wenn der Unfall auf einem technischen Fehler (z. B. geplatzter Reifen, Versagen der Bremsen) beruht; es ist dann aber Sache des Fahrers, den Nachweis zu führen, dass er deshalb schuldlos die Kontrolle über das Kraftfahrzeug verloren hat (Heß in Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 24. Aufl. § 18 StVG Rn. 8). Ein technischer Fehler kommt hier nicht in Betracht. Die Verschuldensvermutung ist ferner widerlegt, wenn der Fahrzeugführer nachweist, dass er sich verkehrsrichtig verhalten hat (OLG Hamm NZV 1998, 463). Auch das ist nicht der Fall. Entsprechendes gilt für die auf §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 Satz 1 StVG beruhende Haftung des Klägers, wie im Folgenden noch ausgeführt werden wird.

2. Da beide Parteien hier den Unabwendbarkeitsnachweis gemäß § 17 Abs. 3 StVG nicht führen können, hängt gemäß § 17 Abs. 1 StVG im Verhältnis der beteiligten Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Nach anerkannten Rechtsgrundsätzen sind bei der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge nur solche Umstände einzubeziehen, die erwiesenermaßen ursächlich für den Schaden geworden sind, d. h. sich auf den Unfall ausgewirkt haben (BGH NJW 2012, 1953). Die für die Abwägung maßgebenden Umstände müssen nach Grund und Gewicht feststehen, d. h. unstreitig, zugestanden oder nach § 286 ZPO bewiesen sein. In erster Linie ist hierbei das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben, das beiderseitige Verschulden ist nur ein Faktor der Abwägung (BGH NJW 2012, 1953). Nur vermutete Tatbeiträge oder die bloße Möglichkeit einer Schadensverursachung auf Grund geschaffener Gefährdungslage haben deswegen außer Betracht zu bleiben (Senatsurteile OLGR 2009, 394, 396; NJW-RR 2015, 223; NJW 2018, 315).

3. Dies zugrunde legend, hat das Rechtsmittel des Klägers keinen Erfolg, denn es ist nicht erwiesen, dass dem Beklagten zu 2 überhaupt ein für den Unfall ursächlicher Verkehrsverstoß zur Last zu legen ist, so dass eine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung und Zuerkennung einer höheren als vom Landgericht angenommenen Haftungsquote von 40 % zulasten der Beklagten, die ihrerseits keine Berufung gegen das Urteil eingelegt haben, nicht in Betracht kommt. Im Einzelnen:

a) Zwar rügt der Kläger mit Recht, dass das Landgericht im Rahmen der Haftungsabwägung eine Ausgangsgeschwindigkeit des Beklagten zu 2 von lediglich 61 km/h zugrunde gelegt hat.

Diese Annäherungsgeschwindigkeit korrespondiert zwar mit den Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. Dr. P. in seinem Ausgangsgutachten, wonach sich die Kollisionsgeschwindigkeit des Beklagtenfahrzeugs aufgrund der Beschädigungen an den unfallbeteiligten Fahrzeugen unter Einbeziehung entsprechender Simulationsrechnungen auf ca. 61-74 km/h eingrenzen lasse. Die geringere Bodenhöhe des Kennzeichenabdrucks am klägerischen Fahrzeug als üblich deute darauf hin, dass das Fahrzeug des Beklagten zum Kollisionszeitpunkt bereits stark verzögert gewesen sei. Über welche Wegstrecke allerdings eine Verzögerung vorgelegen habe und über welche Bremszeit, lasse sich sachverständigenseits mangels Spuren nicht eingrenzen (Blatt 26 des Gutachtens = Bl. 118 d.A.).

Bei der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens vor dem Landgericht hat der Sachverständige hingegen zu Protokoll erklärt, es sei von einer Mindestausgangsgeschwindigkeit von 64 km/h auszugehen (Bl. 174 d.A.), ohne dass sich in dem Protokoll weitere Erläuterungen hierzu finden.

Bei der ergänzenden mündlichen Erläuterung seines Gutachtens vor dem Senat hat der Sachverständige erläuternd ausgeführt, dass seine zuletzt gemachte Angabe einer Mindestausgangsgeschwindigkeit von 64 km/h darauf beruht habe, dass auf der Grundlage der errechneten Mindestkollisionsgeschwindigkeit von 61 km/h unter weiterer Berücksichtigung der Bremsschwellphase eine vorkollisionäre Verzögerung des Beklagtenfahrzeugs um weitere 3 km/h als gesichert angenommen werden könne, so dass aus technischer Sicht von einer Mindestausgangsgeschwindigkeit des Beklagtenfahrzeugs von 64 km/h auszugehen sei. Diese nachvollziehbar dargelegten Ausführungen des Sachverständigen haben die Parteien auch nicht in Zweifel gezogen.

b) Eine noch höhere Ausgangsgeschwindigkeit als 64 km/h steht jedoch entgegen der Auffassung der Berufung nicht fest: Der Sachverständige hat bei seiner Anhörung vor dem Senat bekräftigt, dass mit Blick auf die geringere Bodenhöhe des Kennzeichenabdrucks am klägerischen Fahrzeug als üblich eine noch höhere Ausgangsgeschwindigkeit als 64 km/h zwar möglich sei, jedoch aus technischer Sicht nicht nachgewiesen werden könne, weil es hierfür an den erforderlichen Anknüpfungstatsachen fehle. Dies korrespondiert mit seinen schriftlichen Ausführungen, wonach es sich sachverständigenseits mangels Spuren nicht eingrenzen lasse, über welche Wegstrecke eine Verzögerung vorgelegen habe und über welche Bremszeit (Blatt 26 des Gutachtens = Bl. 118 d.A.).

c) Auch aufgrund der Angaben des Klägers bei seiner informatorischen Anhörung (Bl. 173 f. d.A.) sowie der übrigen Zeugen ist, wie das Landgericht insoweit mit Recht angenommen hat, eine noch höhere Annäherungsgeschwindigkeit nicht nachgewiesen: Der Kläger konnte bei der Schilderung des Unfallhergangs überhaupt keine Angaben mehr zu dem Fahrzeug des Beklagten zu 2 machen. Der Zeuge W., der als Beifahrer im Beklagtenfahrzeug saß, erklärte, man sei mit „normaler Ortsgeschwindigkeit“ gefahren (Bl. 170 d.A.). Die weiteren vernommenen Zeugen waren bei dem Unfallgeschehen selbst nicht anwesend. Soweit der Zeuge B. angegeben hat, der Kläger habe am Unfallort, nachdem er wieder zu Bewusstsein gekommen sei, ihm gegenüber erklärt, er habe „die Lichter bei den Fahnen gesehen“, dies sei eine Autovermietung in etwa 150-180 m Entfernung (vgl. Bl. 173 d.A.), ist bereits unklar, ob der Kläger damit die Scheinwerfer des Beklagtenfahrzeugs gemeint hat, oder ob es sich um die Straßenbeleuchtung o.ä. gehandelt hat. Im Übrigen sind belastbare Rückschlüsse hieraus auf die Geschwindigkeit des Beklagtenfahrzeuges offenkundig nicht möglich, weil nicht feststeht, wie viel Zeit zwischen dem Erkennen der Lichter und der Kollision verstrichen ist.

Damit kann im Ergebnis nur die Untergrenze der festgestellten Ausgangsgeschwindigkeit von 64 km/h in die Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge eingestellt werden. Soweit die Berufung meint, es sei demgegenüber von einer Annäherungsgeschwindigkeit von „61 bis 74 km/h“ auszugehen, kann dem nicht gefolgt werden.

d) Im Ergebnis verhilft jedoch die Berücksichtigung der geringfügig höheren Ausgangsgeschwindigkeit des Beklagtenfahrzeugs als vom Landgericht angenommen dem Rechtsmittel des Klägers nicht zum Erfolg. Denn auch unter der Prämisse einer Annäherungsgeschwindigkeit des Beklagtenfahrzeugs von 64 km/h hat der Kläger den Nachweis nicht erbracht, dass sich diese Überschreitung der an der Unfallstelle zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h ursächlich auf das Unfallgeschehen ausgewirkt hat, also dass die Kollision bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h hätte vermieden werden können oder dass jedenfalls die Unfallfolgen für den Kläger geringer ausgefallen wären:

aa) Das Landgericht ist im Rahmen der Haftungsabwägung zunächst davon ausgegangen, dass ein Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Klägers spreche, weil ausgehend von dem eigenen Vortrag des Klägers, wonach er aus einem Grundstück in die Straße eingefahren sei, sich dessen Verhaltenspflichten aus § 10 StVO ergäben, und ausgehend von dem Vortrag der Beklagten, wonach der Kläger vom Fahrbahnrand angefahren sei, um zu wenden, aus § 10 sowie § 9 5 StVO. Der Anscheinsbeweis sei jedoch dadurch erschüttert, dass ein Verkehrsverstoß des Beklagten zu 2 gegen § 3 Abs. 3 StVO bewiesen sei. Nach den sachverständigen Feststellungen sei von einer Kollisionsgeschwindigkeit des Fahrzeugs des Beklagten zu 2 von 61 bis 74 km/h auszugehen, wobei das Fahrzeug im Zeitpunkt der Kollision zwar bereits stark verzögert gewesen sei, sich aber die tatsächliche Annäherungsgeschwindigkeit vorliegend nicht näher eingrenzen ließe. Eine noch höhere Annäherungsgeschwindigkeit habe der Kläger im Rahmen der Beweisaufnahme nicht nachweisen können.

Auch soweit der Kläger behauptet habe, sein Fahrzeug habe mit der Höhe der B-Säule auf der Höhe des Heck des rechtsgeparkten Fahrzeuges gestanden, als das Beklagten-Fahrzeug in dessen linke Seite gefahren sei, sei durch die sachverständigen Feststellungen, insbesondere die Kollisionspositionen der Fahrzeuge widerlegt, denn der Kläger habe sich praktisch mit der gesamten Länge seines Fahrzeuges auf der Fahrbahn bis weit in die Gegenfahrbahn hinein befunden. Ebenso wenig sei es beweisbar, dass das Fahrzeug des Klägers beim Verkehrsunfall gestanden habe, wie sich aus den Ausführungen des Sachverständigen ergebe, wonach nicht feststehe, dass der Verkehrsunfall bei Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit von 50 km/h vermeidbar gewesen sei; insoweit sei der konkrete Unfallhergang auch unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers sowie der nicht ergiebigen Zeugenaussagen unaufgeklärt geblieben.

Damit stehe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nur fest, dass der Verkehrsunfall sowohl durch einen Verstoß des Klägers gegen § 9 oder § 10 StVO verursacht worden sei, als auch durch einen Verstoß des Beklagten zu 2 gegen § 3 Abs. 3 StVO, weshalb im Ergebnis von einer Haftungsverteilung von 60 % zulasten des Klägers auszugehen sei.

bb) Diesen Feststellungen kann in einem entscheidenden Punkt nicht gefolgt werden:

(aaa) Im Berufungsverfahren ist hierbei für den Unfallhergang die klägerische Unfallschilderung zu Grunde zu legen, wonach der Kläger vorwärts aus der Grundstückseinfahrt herausgefahren sei, um nach links in Richtung Innenstadt zu fahren. Die sowohl vom Landgericht als auch von dem Sachverständigen Dipl.-Ing. Dr. P. in seinem Ergänzungsgutachten angestellten alternativen Betrachtungen unter Berücksichtigung eines Anfahrens des Klägers vom Straßenrand sind für das Berufungsverfahren deshalb nicht relevant, weil der Kläger ausdrücklich auf seiner Darstellung besteht, wonach er sich vorwärts aus der Grundstückseinfahrt heraus in die Trierer Straße hineingetastet habe. Bei dieser Sachlage kann auch nicht nach dem Grundsatz der Gleichwertigkeit des Parteivorbringens (vgl. hierzu BGH MDR 1989, 1090) davon ausgegangen werden, dass sich der Kläger die Unfallschilderung der Beklagtenseite wenigstens hilfsweise zu eigen machen will. Hiernach kann sich ein Kläger zwar die von seinem Sachvortrag abweichenden Behauptungen des Beklagten hilfsweise zu eigen machen und seine Klage darauf stützen. Vorliegend besteht der Kläger jedoch im Berufungsverfahren zum einen ausdrücklich auf seiner Schilderung und bestreitet den von den Beklagten behaupteten Unfallhergang, der in nicht zu vereinbarendem Widerspruch zu seinem eigenen Vorbringen steht. Ungeachtet der anderenfalls bestehenden Bedenken im Hinblick auf die prozessuale Wahrheitspflicht des Klägers ist deshalb vorliegend nicht davon auszugehen, dass er sich hilfsweise zur Stützung seiner Klageansprüche auf ein Anfahren vom Straßenrand berufen will.

bbb) Ausgehend von dem eigenen Vortrag des Klägers, wonach er aus einem Grundstück in die Straße eingefahren sei und es in einem unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem Ein- oder Anfahren zu dem Unfall gekommen sei, streitet ein Anscheinsbeweis für eine Verletzung seiner sich aus § 10 StVO ergebenden Verhaltenspflichten, wonach eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen sein muss (BGH MDR 2011, 1348). Ein Verstoß gegen § 10 StVO führt grundsätzlich zur Alleinhaftung des Ausfahrenden, sofern nur die einfache Betriebsgefahr des Gegners entgegensteht (BGH NZV 1991, 187; OLG Hamm, NZV 2006, 204). Dem Kläger ist es im vorliegenden Fall entgegen der Annahme des Landgerichts nicht gelungen, diesen Anscheinsbeweis zu erschüttern: Davon könnte nur dann ausgegangen werden, wenn die ernsthafte Möglichkeit bestünde, dass sich der Unfall auch bei Beachtung der zumutbaren Sorgfalt ereignet haben könnte. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn die Möglichkeit besteht, dass sich der weitere Unfallbeteiligte mit einer solch hohen Geschwindigkeit der Unfallstelle genähert hat, dass er unter Berücksichtigung der konkreten Straßenführung für den Einfahrenden nicht sichtbar war. Gleiches gilt, wenn die Geschwindigkeitsüberschreitung so krass ist, dass der Einbiegende mit einer Behinderung des erkennbaren Fahrzeugs nicht zu rechnen brauchte. Davon kann jedoch noch keine Rede sein, wenn sich der Vorfahrtsberechtigte der Ausfahrt innerorts statt mit zulässigen 50 km/h mit 75 km/h angenähert hat, also bei einer Überschreitung um 50% (OLG Düsseldorf VRR 2011, 425; Scholten in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 10 StVO Rdn. 60). Selbst bei Annahme der von dem Sachverständigen für möglich gehaltenen, aber nicht erwiesenen Annäherungsgeschwindigkeit des Beklagten zu 2 von 74 km/h müsste somit von einem Verstoß des Klägers gegen seine Sorgfaltspflichten aus § 10 StVO ausgegangen werden.

(ccc) Unbeschadet dessen ist die Ursächlichkeit der Geschwindigkeitsüberschreitung des Beklagten zu 2 für das Unfallgeschehen nicht bewiesen……“