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(Mit)Haftung nach (Auffahr)Unfall am Stauende, oder: Muss man die Warnblinkanlage einschalten?

entnommen wikimedia.org
Author Achim Engel

Und dann im zweiten Posting das LG Hagen, Urt. v. 31.05.2023 – 1 O 44/22 – zu der interessanten und bisher kaum (?) entschiedenen Frage, ob man als Fahrzeugführer verpflichtet ist, an einem Stauende die Warnblinkanlage einzuschalten.

Folgender Sachverhalt: Am 02.10.2019 gegen 11:26 Uhr befuhr der Beklagte zu 3) mit einem LKW Mercedes-Benz  den rechten Fahrsteifen der BAB 1 in Fahrtrichtung Köln ca. 600 Meter vor der Autobahnabfahrt Hagen-Nord, Gemarkung Hagen bei km 343,620. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit betrug 100 km/h. Hinter ihm fuhr der Versicherungsnehmer der Klägerin, mit seinem Pkw Lada. Wegen einer Staubildung auf dem rechten Fahrstreifen reduzierte der Beklagte zu 3) seine Geschwindigkeit innerhalb von 29 Sekunden von ca. 62 km/h auf ca. 11 km/h. Die Warnblinkanlage betätigte er nicht. Der hinter ihm fahrende Versicherungsnehmer der Klägerin – kranken- und pflegeversichert bei der Klägerin — reagierte auf die Staubildung jedenfalls nicht rechtzeitig und fuhr mit 50 km/h auf den vor ihm fahrenden LKW der Beklagten zu 2) auf.

Die BAB 1 ist dort dreispurig ausgebaut, ein Seitenstreifen ist rechtsseitig vorhanden. Zum Unfallzeitpunkt war die Fahrbahn trocken. Es war hell und bewölkt.

Der Versicherungsnehmer der Klägerin wurde aufgrund des Unfalls erheblich verletzt, lag im Koma und konnte auch nach mehreren Operationen und Behandlungen nicht vollständig genesen. Der Versicherungsnehmer ist nunmehr pflegebedürftig.

Der Krankenversicherung ergaben sich Kosten in Höhe von 155.180,16 EUR; der Pflegeversicherung in Höhe von 13.925,00 EUR.

Um deren „Verteilung“ wird gestritten. Das LG hat die Klage abgewiesen:

„Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz aus abgetretenem Recht gegen die Beklagten aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 249 BGB, 116 SGB.

1. Der Unfall war zwar für keinen der Beteiligten unabwendbar. Die einfache Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs tritt jedoch hinter dem groben Verschulden des Versicherungsnehmers der Klägerin zurück.

Ein Ereignis ist unabwendbar, welches bei Anwendung möglich äußerster Sorgfalt nicht hätte abgewendet werden können. Hierbei ist der Maßstab eines gedachten Idealfahrers anzulegen. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen haben die Beklagten darzulegen und zu beweisen.

Diesen Nachweis konnten die Beklagten nicht führen, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Versicherungsnehmer bei Betätigen der Warnblinklichtanlage — welches unstreitig unterblieb — rechtzeitig auf das langsame Fahren des Beklagtenfahrzeugs reagiert hätte. Allein aus dem Umstand, dass nach dem Unfall dem Handy des klägerischen Versicherungsnehmers ein laufendes Video entnommen werden konnte, kann nicht sicher der Rückschluss gezogen werden, dass der Versicherungsnehmer dieses unmittelbar zum Zeitpunkt des Unfallereignisses angesehen habe und aus diesem Grunde abgelenkt gewesen sei. Weiteren Beweis haben die Beklagten für eine Unabwendbarkeit des Unfallereignisses nicht angetreten.

2. Die danach in die nach § 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG vorzunehmende Haftungsabwägung einzubeziehende einfache Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs tritt jedoch hinter dem groben Verschulden des Versicherungsnehmers der Klägerin zurück.

a) Umstände, welche zu einer erhöhten Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs geführt hätten, hat die Klägerin nicht dargelegt und nicht bewiesen.

Es liegt kein Verstoß des Beklagten zu 3) gegen § 1 Abs. 2 StVO vor.

Es bestand für den Beklagten, auch wenn er möglicherweise das letzte Glied eines sich bildenden Staus gewesen sein sollte — weshalb es hierauf im Ergebnis nicht ankommt —, keine Verpflichtung die Warnblinklichtanlage zu betätigen.

Eine solche Verpflichtung ergibt sich aus § 1 Abs. 2 StVO nämlich nicht bei jedem sich bildenden Stau, sondern nur dann, wenn sich aufgrund des Staus eine Gefährdungslage für den nachfolgenden Verkehr ergibt.

Aus der erweiterten Zulässigkeit der Verwendung des Warnblinklichts kann sich mittelbar eine Verpflichtung zu seiner Verwendung ergeben. Wie hinsichtlich der Warnzeichen nach § 16 Abs. 1 StVO ist Grundlage dafür § 1 Abs. 2 StVO. Es kommt auf die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Gefährlichkeit der Situation und deren Erkennbarkeit für den nachfolgenden Verkehr an. Für die Annäherung an einen Stau auf der Autobahn ist eine solche Verpflichtung vor der Änderung von § 16 Abs. 2 Satz 2 StVO abgelehnt worden; nach der geltenden Rechtslage, nach der für diesen Fall die Verwendung der Warnblinkanlage ausdrücklich erlaubt ist, kommt dies im Einzelfall durchaus in Betracht (Feskorn in: FreymannfWellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 16 StVO (Stand: 18.11.2022), Rn. 12). Die Einschaltung des Warnblinklichts bleibt aber grundsätzlich unzulässig, wenn keine Gefährdung, sondern nur eine Behinderung des Verkehrs vorliegt (Feskorn in: FreymannANellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 16 StVO (Stand: 18.04.2023), Rn. 11).

Wegen des Sichtfahrgebots muss ein Verkehrsteilnehmer grundsätzlich auch auf Bundesautobahnen mit der Gefahr rechnen, seine Geschwindigkeit unter Umständen plötzlich bis hin zum Stillstand abbremsen zu müssen. Kommt es — wie auf vielbefahrenen Strecken häufig — regelmäßig aus dem stockenden bis zähfließenden Verkehr heraus zu Stau oder wie vorliegend zu einem Rückstau an einer Autobahnausfahrt, bedarf es in der Regel keiner besonderen Warnung. Eine Warnung kann allerdings dort angebracht sein, wo das Stauende nicht gut zu erkennen ist (z.B. hinter einer Kurve oder Kuppe) und wo mit hohen Geschwindigkeitsdifferenzen zu rechnen ist.

Dass eine solche konkrete Gefährdungslage vorgelegen habe, hat die für eine erhöhte Betriebsgefahr darlegungs- und beweisbelastete Klägerin schon nicht dargelegt und auch nicht bewiesen.

Vorliegend ereignete sich der Verkehrsunfall auf der rechten Spur einer dreispurigen Autobahn, wobei nur der rechte Fahrstreifen von dem sich bildenden oder bereits gebildeten Stau betroffen war. Gerade wegen des vermehrt aufkommenden LKW-Verkehrs auf der rechten Fahrspur und häufig auftretenden Rückstaus wegen Autobahnabfahrten muss auf der rechten Fahrspur schon dem Grunde nach vermehrt mit Staubildungen gerechnet werden. Hinzu treten vorliegend gute Sichtverhältnisse, da es hell und. die Straßenführung ausweislich des in Augenschein genommenen Google-Maps-Ausdrucks über eine längere Strecke geradlinig war.

Daneben kann bei einer Reduzierung der Geschwindigkeit von ohnehin schon nur 62 km/h bei erlaubten 100 km/h innerhalb von 29 Sekunden auf 11 km/h nicht die Rede von einer abrupten und nicht vorhersehbaren Staubildung sein, welche bei so guten Sichtverhälthisses möglicherweise noch eine Gefährdungslage begründen könnte. Vielmehr zeigt der Fahrtenschreiber des Beklagtenfahrzeugs eine kontinuierliche und gemächliche Reduzierung der Geschwindigkeit des LKW’s auf.

Zudem hat die Klägerin keinerlei Beweis dafür angeboten, dass sich ein etwaiger Verstoß des Beklagten zu 3) gegen § 1 Abs. 2 StVO ursächlich auf den Unfall ausgewirkt habe. Dass der Versicherungsnehmer der Klägerin vorliegend ein betätigtes Warnblinklicht des bremsenden LKW wahrgenommen hätte, hat die für eine erhöhte Betriebsgefahr darlegungs- und beweisbelastete Klägerin nicht unter Beweis gestellt.

b) Dagegen ist von einem groben Verschulden des Versicherungsnehmers der Klägerin auszugehen. Fest steht nach unstreitigem Sachverhalt, dass der Versicherungsnehmer der Klägerin, welcher mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h auf das Beklagtenfahrzeug aufgefahren war, jedenfalls gegen § 4 StVO verstoßen hat. Da das Beklagtenfahrzeug schon 29 Sekunden vor dem Unfallereignis schon nur eine Geschwindigkeit von ca. 60 km/h aufgewiesen hatte, kann aus dem Auffahren des Versicherungsnehmers der Klägerin auf eine erhebliche Unachtsamkeit geschlossen werden. Insoweit streitet zugunsten der Beklagten die Vermutung eines Verstoßes gegen die Pflichten aus § 4 Abs. 1 StVO durch den Versicherungsnehmer der Klägerin. Andere Ursachen für das Auffahren ihres Versicherungsnehmers auf das vor ihm schon seit längerem deutlich langsamer fahrende Fahrzeug hat die Klägerin nicht dargelegt.

Hinter diesem groben Verschulden tritt die einfache Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs zurück.

Ob der Versicherungsnehmer zuvor einen Fahrstreifenwechsel vorgenommen hat, kann dahingestellt bleiben. Auch in diesem Falle läge ein besonders grober Verkehrsverstoß vor, hinter welchem die einfache Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs zurückträte.“

Auffahrunfall nach Liegenbleiben auf der BAB, oder: Wer haftet wie?

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Für den „Kessel Buntes“ habe ich dnan heute zwei Entscheidungen zum Verkehrszivilrecht vorbereitet.

Ich starte mit dem KG, Urt. v. 13.05.2020 – 25 U 144/19. Es geht um die Frage, der (Mit-)Haftung des Halter eines Fahrzeug, das unfallbedingt auf der Autobahn auf Stand- und rechtem Fahrstreifen liegen bleibt und nur teilweise gesichert ist, für einen Auffahrunfall anderer Fahrzeuge, die sich bei Annäherung an die Unfallstelle ihrerseits sorgfaltswidrig verhalten haben.

Das KG ist von folgenden Feststellungen des ausgegangen:

„Der Fahrer des Ford Mondeo, für den der Beklagte haftungsrechtlich einzustehen hat, verlor bei nächtlicher Fahrt auf der Autobahn aus Unachtsamkeit die Kontrolle über sein Fahrzeug. Das Fahrzeug kam quer zur Fahrtrichtung zwischen Standstreifen und rechtem Richtungsfahrstreifen zum Stehen. Der Fahrer verließ die Unfallstelle, ohne für eine Absicherung zu sorgen.

Der Zeuge pp. bemerkte das querstehende Fahrzeug, stellte sein Fahrzeug vor diesem ab und versuchte nachfolgende Fahrzeuge zu warnen. Kurze Zeit später näherte sich der Geschädigte pp. mit seinem Fahrzeug VW Golf der Unfallstelle auf dem rechten Fahrstreifen und kam dann vor der Unfallörtlichkeit auf dem linken Fahrstreifen zumindest fast zum Stehen. Auf dieses Fahrzeug fuhr der bei der Klägerin haftpflichtversicherte VW Passat, auf der linken Fahrspur mit mindestens 130/140 km/h fahrend, auf.“

Das KG stellt fest, dass das Unfallgeschehen für keinen der Beteiligten unabwendbar war und kommt dann zu folgender Abwägung:

„Da sich das Unfallereignis für keinen der Beteiligten als unabwendbares Ereignis im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG darstellt, kommt es für die Haftung der Beklagten gemäß § 17 Abs. 1 StVG auf die Umstände des Einzelfalls an, insbesondere darauf, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Der Ausgleichsmaßstab von § 17 StVG ist eine anderweitige Bestimmung der Ausgleichspflicht im Sinne von § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB (vgl. z.B. Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 5. Aufl. 2014, § 36 Rn. 7; Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Jahnke BGB § 840 Rn. 33; Geiger in Münchener Kommentar zum StVR, 1. Auflage 2017, § 840 BGB Rn. 29).

Im Rahmen der nach § 17 StVG vorzunehmenden Abwägung der Haftungsanteile ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in erster Linie das Maß der Verursachung von Bedeutung, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben; das beiderseitige Verschulden ist nur ein Faktor der Abwägung (vgl. z.B. BGH VI ZR 282/10, VersR 2011, 1540; VI ZR 59/97, VersR 1998, 474, 475 m.w.N.).

Wie sich aus obigen Ausführungen ergibt, haben beide Fahrzeugführer den Auffahrunfall durch ihr Fehlverhalten maßgebend mit verursacht. Beide Seiten haften nicht allein aufgrund der einfachen Betriebsgefahr der Fahrzeuge, sondern auch aus Verschulden. Jeder der beiden Verursachungsbeiträge begründete angesichts der Verkehrsverhältnisse auf der Autobahn ein erhebliches Gefährdungspotenzial für andere Fahrzeuge, das sich auch realisiert hat. Der Senat bewertet den Haftungsanteil des klägerischen Fahrzeugs höher, da der dessen Fahrer treffende, vorstehend dargestellte Verursachungsbeitrag und Verschuldensvorwurf schwerer wiegt als der des Fahrers des Ford Mondeo. Dies rechtfertigt eine Haftungsquote von 2/3 zu 1/3 zulasten der Klägerin.

Entgegen der in der Klageschrift vertretenen Ansicht sind die Grundsätze der haftungsrechtlichen Gesamtschau (zu dieser z.B. BGH VI ZR 68/04, VersR 2006, 369) im vorliegenden Fall des Gesamtschuldnerregresses nicht anzuwenden. Diese Grundsätze betreffen zwar den auch hier vorliegenden Fall, dass der Schaden durch mehrere voneinander unabhängige Verursachungsbeiträge entstanden ist. Mit ihnen soll aber ein den jeweiligen Haftungsanteilen gerecht werdendes Ergebnis in dem Fall erzielt werden, dass der Geschädigte, den selbst ein Mitverschulden trifft, einen oder mehrere Schädiger in Anspruch nimmt. Es soll verhindert werden, dass der Geschädigte bei mehreren Schädigern letztlich einen größeren Teil seines Schadens zu tragen hat als es seinem Verursachungsbeitrag entspricht.

Diese Problematik kann im vorliegenden Fall nicht auftreten. Im Verhältnis zu dem Fahrzeug, hinter dem versicherungsrechtlich der Beklagte steht, trifft den Geschädigten keine Mithaftung. An dessen Unfall sowie seinem Verursachungsbeitrag für den Zweitunfall war der Geschädigte in keiner Form beteiligt. Ein Mitverschuldensvorwurf gegen ihn kann sich nur aus dem Verhalten ergeben, das mitursächlich für den ihn schädigenden Zweitunfall gewesen ist. Dieses betrifft aber allein das Verhältnis zu dem bei der Klägerin versicherten Fahrzeug. Wenn dies zu einer Reduzierung der Haftung der Klägerin führt, kommt dies dem Beklagten zu Gute, da sich der von der Klägerin verfolgte Gesamtschuldnerregress nur auf die von ihr entsprechend der sie gegenüber dem Geschädigten treffenden Haftungsquote beziehen kann.“

Geschwindigkeitsüberschreitung, oder: (Mit)Haftung nur bei Unfallursächlichkeit

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Als zweite Entscheidung stelle ich dann heute das OLG Saarbrücken, Urt. v. 14.03.2019 – 4 U 112/17 – vor, über das der Kollege Gratz ja auch schon berichtet hat.

Entschieden worden ist über die Haftungsverteilung bei einem innerörtlichen Verkehrsunfall. Der Beklagte war mit seinem Pkw innerorts mit mindestens 64 km/h. Es kam zum Zusammenstoß mit dem Pkw des Klägers, wobei offen geblieben ist, ob der Kläger aus einer Grundstück ausfahren oder wenden wollte. Das LG ist von einem 40-%igen Mithaftungsanteil  des Beklagten ausgegangen. Der Kläger wollte mit seiner Berufung einen höheren Anteil des Beklagten  erreichen, hatte damit aber keinen Erfolg:

„1. Im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend ist das Landgericht von der grundsätzlichen Haftung des Beklagten zu 2 als Fahrer eines unfallbeteiligten Kraftfahrzeugs gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 Satz 1, 11 StVG, 823 Abs. 1 BGB und der Beklagten zu 1 als Haftpflichtversicherer gemäß §§ 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG, 1 PflVG ausgegangen. Der für den Ausschluss der Ersatzpflicht des Beklagten zu 2 nach § 18 Abs. 1 Satz 2 StVG erforderliche Nachweis, dass der Schaden nicht durch ein Verschulden des Führers verursacht ist, wurde nicht geführt. Die gesetzliche Verschuldensvermutung nach § 18 Abs. 1 Satz 1 StVG kann insbesondere widerlegt sein, wenn der Unfall auf einem technischen Fehler (z. B. geplatzter Reifen, Versagen der Bremsen) beruht; es ist dann aber Sache des Fahrers, den Nachweis zu führen, dass er deshalb schuldlos die Kontrolle über das Kraftfahrzeug verloren hat (Heß in Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 24. Aufl. § 18 StVG Rn. 8). Ein technischer Fehler kommt hier nicht in Betracht. Die Verschuldensvermutung ist ferner widerlegt, wenn der Fahrzeugführer nachweist, dass er sich verkehrsrichtig verhalten hat (OLG Hamm NZV 1998, 463). Auch das ist nicht der Fall. Entsprechendes gilt für die auf §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 Satz 1 StVG beruhende Haftung des Klägers, wie im Folgenden noch ausgeführt werden wird.

2. Da beide Parteien hier den Unabwendbarkeitsnachweis gemäß § 17 Abs. 3 StVG nicht führen können, hängt gemäß § 17 Abs. 1 StVG im Verhältnis der beteiligten Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Nach anerkannten Rechtsgrundsätzen sind bei der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge nur solche Umstände einzubeziehen, die erwiesenermaßen ursächlich für den Schaden geworden sind, d. h. sich auf den Unfall ausgewirkt haben (BGH NJW 2012, 1953). Die für die Abwägung maßgebenden Umstände müssen nach Grund und Gewicht feststehen, d. h. unstreitig, zugestanden oder nach § 286 ZPO bewiesen sein. In erster Linie ist hierbei das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben, das beiderseitige Verschulden ist nur ein Faktor der Abwägung (BGH NJW 2012, 1953). Nur vermutete Tatbeiträge oder die bloße Möglichkeit einer Schadensverursachung auf Grund geschaffener Gefährdungslage haben deswegen außer Betracht zu bleiben (Senatsurteile OLGR 2009, 394, 396; NJW-RR 2015, 223; NJW 2018, 315).

3. Dies zugrunde legend, hat das Rechtsmittel des Klägers keinen Erfolg, denn es ist nicht erwiesen, dass dem Beklagten zu 2 überhaupt ein für den Unfall ursächlicher Verkehrsverstoß zur Last zu legen ist, so dass eine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung und Zuerkennung einer höheren als vom Landgericht angenommenen Haftungsquote von 40 % zulasten der Beklagten, die ihrerseits keine Berufung gegen das Urteil eingelegt haben, nicht in Betracht kommt. Im Einzelnen:

a) Zwar rügt der Kläger mit Recht, dass das Landgericht im Rahmen der Haftungsabwägung eine Ausgangsgeschwindigkeit des Beklagten zu 2 von lediglich 61 km/h zugrunde gelegt hat.

Diese Annäherungsgeschwindigkeit korrespondiert zwar mit den Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. Dr. P. in seinem Ausgangsgutachten, wonach sich die Kollisionsgeschwindigkeit des Beklagtenfahrzeugs aufgrund der Beschädigungen an den unfallbeteiligten Fahrzeugen unter Einbeziehung entsprechender Simulationsrechnungen auf ca. 61-74 km/h eingrenzen lasse. Die geringere Bodenhöhe des Kennzeichenabdrucks am klägerischen Fahrzeug als üblich deute darauf hin, dass das Fahrzeug des Beklagten zum Kollisionszeitpunkt bereits stark verzögert gewesen sei. Über welche Wegstrecke allerdings eine Verzögerung vorgelegen habe und über welche Bremszeit, lasse sich sachverständigenseits mangels Spuren nicht eingrenzen (Blatt 26 des Gutachtens = Bl. 118 d.A.).

Bei der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens vor dem Landgericht hat der Sachverständige hingegen zu Protokoll erklärt, es sei von einer Mindestausgangsgeschwindigkeit von 64 km/h auszugehen (Bl. 174 d.A.), ohne dass sich in dem Protokoll weitere Erläuterungen hierzu finden.

Bei der ergänzenden mündlichen Erläuterung seines Gutachtens vor dem Senat hat der Sachverständige erläuternd ausgeführt, dass seine zuletzt gemachte Angabe einer Mindestausgangsgeschwindigkeit von 64 km/h darauf beruht habe, dass auf der Grundlage der errechneten Mindestkollisionsgeschwindigkeit von 61 km/h unter weiterer Berücksichtigung der Bremsschwellphase eine vorkollisionäre Verzögerung des Beklagtenfahrzeugs um weitere 3 km/h als gesichert angenommen werden könne, so dass aus technischer Sicht von einer Mindestausgangsgeschwindigkeit des Beklagtenfahrzeugs von 64 km/h auszugehen sei. Diese nachvollziehbar dargelegten Ausführungen des Sachverständigen haben die Parteien auch nicht in Zweifel gezogen.

b) Eine noch höhere Ausgangsgeschwindigkeit als 64 km/h steht jedoch entgegen der Auffassung der Berufung nicht fest: Der Sachverständige hat bei seiner Anhörung vor dem Senat bekräftigt, dass mit Blick auf die geringere Bodenhöhe des Kennzeichenabdrucks am klägerischen Fahrzeug als üblich eine noch höhere Ausgangsgeschwindigkeit als 64 km/h zwar möglich sei, jedoch aus technischer Sicht nicht nachgewiesen werden könne, weil es hierfür an den erforderlichen Anknüpfungstatsachen fehle. Dies korrespondiert mit seinen schriftlichen Ausführungen, wonach es sich sachverständigenseits mangels Spuren nicht eingrenzen lasse, über welche Wegstrecke eine Verzögerung vorgelegen habe und über welche Bremszeit (Blatt 26 des Gutachtens = Bl. 118 d.A.).

c) Auch aufgrund der Angaben des Klägers bei seiner informatorischen Anhörung (Bl. 173 f. d.A.) sowie der übrigen Zeugen ist, wie das Landgericht insoweit mit Recht angenommen hat, eine noch höhere Annäherungsgeschwindigkeit nicht nachgewiesen: Der Kläger konnte bei der Schilderung des Unfallhergangs überhaupt keine Angaben mehr zu dem Fahrzeug des Beklagten zu 2 machen. Der Zeuge W., der als Beifahrer im Beklagtenfahrzeug saß, erklärte, man sei mit „normaler Ortsgeschwindigkeit“ gefahren (Bl. 170 d.A.). Die weiteren vernommenen Zeugen waren bei dem Unfallgeschehen selbst nicht anwesend. Soweit der Zeuge B. angegeben hat, der Kläger habe am Unfallort, nachdem er wieder zu Bewusstsein gekommen sei, ihm gegenüber erklärt, er habe „die Lichter bei den Fahnen gesehen“, dies sei eine Autovermietung in etwa 150-180 m Entfernung (vgl. Bl. 173 d.A.), ist bereits unklar, ob der Kläger damit die Scheinwerfer des Beklagtenfahrzeugs gemeint hat, oder ob es sich um die Straßenbeleuchtung o.ä. gehandelt hat. Im Übrigen sind belastbare Rückschlüsse hieraus auf die Geschwindigkeit des Beklagtenfahrzeuges offenkundig nicht möglich, weil nicht feststeht, wie viel Zeit zwischen dem Erkennen der Lichter und der Kollision verstrichen ist.

Damit kann im Ergebnis nur die Untergrenze der festgestellten Ausgangsgeschwindigkeit von 64 km/h in die Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge eingestellt werden. Soweit die Berufung meint, es sei demgegenüber von einer Annäherungsgeschwindigkeit von „61 bis 74 km/h“ auszugehen, kann dem nicht gefolgt werden.

d) Im Ergebnis verhilft jedoch die Berücksichtigung der geringfügig höheren Ausgangsgeschwindigkeit des Beklagtenfahrzeugs als vom Landgericht angenommen dem Rechtsmittel des Klägers nicht zum Erfolg. Denn auch unter der Prämisse einer Annäherungsgeschwindigkeit des Beklagtenfahrzeugs von 64 km/h hat der Kläger den Nachweis nicht erbracht, dass sich diese Überschreitung der an der Unfallstelle zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h ursächlich auf das Unfallgeschehen ausgewirkt hat, also dass die Kollision bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h hätte vermieden werden können oder dass jedenfalls die Unfallfolgen für den Kläger geringer ausgefallen wären:

aa) Das Landgericht ist im Rahmen der Haftungsabwägung zunächst davon ausgegangen, dass ein Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Klägers spreche, weil ausgehend von dem eigenen Vortrag des Klägers, wonach er aus einem Grundstück in die Straße eingefahren sei, sich dessen Verhaltenspflichten aus § 10 StVO ergäben, und ausgehend von dem Vortrag der Beklagten, wonach der Kläger vom Fahrbahnrand angefahren sei, um zu wenden, aus § 10 sowie § 9 5 StVO. Der Anscheinsbeweis sei jedoch dadurch erschüttert, dass ein Verkehrsverstoß des Beklagten zu 2 gegen § 3 Abs. 3 StVO bewiesen sei. Nach den sachverständigen Feststellungen sei von einer Kollisionsgeschwindigkeit des Fahrzeugs des Beklagten zu 2 von 61 bis 74 km/h auszugehen, wobei das Fahrzeug im Zeitpunkt der Kollision zwar bereits stark verzögert gewesen sei, sich aber die tatsächliche Annäherungsgeschwindigkeit vorliegend nicht näher eingrenzen ließe. Eine noch höhere Annäherungsgeschwindigkeit habe der Kläger im Rahmen der Beweisaufnahme nicht nachweisen können.

Auch soweit der Kläger behauptet habe, sein Fahrzeug habe mit der Höhe der B-Säule auf der Höhe des Heck des rechtsgeparkten Fahrzeuges gestanden, als das Beklagten-Fahrzeug in dessen linke Seite gefahren sei, sei durch die sachverständigen Feststellungen, insbesondere die Kollisionspositionen der Fahrzeuge widerlegt, denn der Kläger habe sich praktisch mit der gesamten Länge seines Fahrzeuges auf der Fahrbahn bis weit in die Gegenfahrbahn hinein befunden. Ebenso wenig sei es beweisbar, dass das Fahrzeug des Klägers beim Verkehrsunfall gestanden habe, wie sich aus den Ausführungen des Sachverständigen ergebe, wonach nicht feststehe, dass der Verkehrsunfall bei Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit von 50 km/h vermeidbar gewesen sei; insoweit sei der konkrete Unfallhergang auch unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers sowie der nicht ergiebigen Zeugenaussagen unaufgeklärt geblieben.

Damit stehe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nur fest, dass der Verkehrsunfall sowohl durch einen Verstoß des Klägers gegen § 9 oder § 10 StVO verursacht worden sei, als auch durch einen Verstoß des Beklagten zu 2 gegen § 3 Abs. 3 StVO, weshalb im Ergebnis von einer Haftungsverteilung von 60 % zulasten des Klägers auszugehen sei.

bb) Diesen Feststellungen kann in einem entscheidenden Punkt nicht gefolgt werden:

(aaa) Im Berufungsverfahren ist hierbei für den Unfallhergang die klägerische Unfallschilderung zu Grunde zu legen, wonach der Kläger vorwärts aus der Grundstückseinfahrt herausgefahren sei, um nach links in Richtung Innenstadt zu fahren. Die sowohl vom Landgericht als auch von dem Sachverständigen Dipl.-Ing. Dr. P. in seinem Ergänzungsgutachten angestellten alternativen Betrachtungen unter Berücksichtigung eines Anfahrens des Klägers vom Straßenrand sind für das Berufungsverfahren deshalb nicht relevant, weil der Kläger ausdrücklich auf seiner Darstellung besteht, wonach er sich vorwärts aus der Grundstückseinfahrt heraus in die Trierer Straße hineingetastet habe. Bei dieser Sachlage kann auch nicht nach dem Grundsatz der Gleichwertigkeit des Parteivorbringens (vgl. hierzu BGH MDR 1989, 1090) davon ausgegangen werden, dass sich der Kläger die Unfallschilderung der Beklagtenseite wenigstens hilfsweise zu eigen machen will. Hiernach kann sich ein Kläger zwar die von seinem Sachvortrag abweichenden Behauptungen des Beklagten hilfsweise zu eigen machen und seine Klage darauf stützen. Vorliegend besteht der Kläger jedoch im Berufungsverfahren zum einen ausdrücklich auf seiner Schilderung und bestreitet den von den Beklagten behaupteten Unfallhergang, der in nicht zu vereinbarendem Widerspruch zu seinem eigenen Vorbringen steht. Ungeachtet der anderenfalls bestehenden Bedenken im Hinblick auf die prozessuale Wahrheitspflicht des Klägers ist deshalb vorliegend nicht davon auszugehen, dass er sich hilfsweise zur Stützung seiner Klageansprüche auf ein Anfahren vom Straßenrand berufen will.

bbb) Ausgehend von dem eigenen Vortrag des Klägers, wonach er aus einem Grundstück in die Straße eingefahren sei und es in einem unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem Ein- oder Anfahren zu dem Unfall gekommen sei, streitet ein Anscheinsbeweis für eine Verletzung seiner sich aus § 10 StVO ergebenden Verhaltenspflichten, wonach eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen sein muss (BGH MDR 2011, 1348). Ein Verstoß gegen § 10 StVO führt grundsätzlich zur Alleinhaftung des Ausfahrenden, sofern nur die einfache Betriebsgefahr des Gegners entgegensteht (BGH NZV 1991, 187; OLG Hamm, NZV 2006, 204). Dem Kläger ist es im vorliegenden Fall entgegen der Annahme des Landgerichts nicht gelungen, diesen Anscheinsbeweis zu erschüttern: Davon könnte nur dann ausgegangen werden, wenn die ernsthafte Möglichkeit bestünde, dass sich der Unfall auch bei Beachtung der zumutbaren Sorgfalt ereignet haben könnte. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn die Möglichkeit besteht, dass sich der weitere Unfallbeteiligte mit einer solch hohen Geschwindigkeit der Unfallstelle genähert hat, dass er unter Berücksichtigung der konkreten Straßenführung für den Einfahrenden nicht sichtbar war. Gleiches gilt, wenn die Geschwindigkeitsüberschreitung so krass ist, dass der Einbiegende mit einer Behinderung des erkennbaren Fahrzeugs nicht zu rechnen brauchte. Davon kann jedoch noch keine Rede sein, wenn sich der Vorfahrtsberechtigte der Ausfahrt innerorts statt mit zulässigen 50 km/h mit 75 km/h angenähert hat, also bei einer Überschreitung um 50% (OLG Düsseldorf VRR 2011, 425; Scholten in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 10 StVO Rdn. 60). Selbst bei Annahme der von dem Sachverständigen für möglich gehaltenen, aber nicht erwiesenen Annäherungsgeschwindigkeit des Beklagten zu 2 von 74 km/h müsste somit von einem Verstoß des Klägers gegen seine Sorgfaltspflichten aus § 10 StVO ausgegangen werden.

(ccc) Unbeschadet dessen ist die Ursächlichkeit der Geschwindigkeitsüberschreitung des Beklagten zu 2 für das Unfallgeschehen nicht bewiesen……“

Mit zwei Hunden auf dem Fahrrad –> Sturz –> 75 % Mithaftung

entnommen openclipart.org

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Passend für die Berufungszivilkammer des LG Münster ist ein „Fahrradfall“, der dort durch das LG Münster, Urt. v.16.12.2015 – 1 S 56/15 – entschieden worden ist. Es geht um einen Fahrradsturz, den der Kläger im Mai 2014 erlitten hat und bei dem der Kläger verletzt wurde. Deshlab verlangte er von der Beklagten Schadensersatz. Der Kläger war mit der linken Hand am Lenker auf seinem Fahrrad am rechten Straßenrand eines Weges gefahren. In der rechten Hand hielt er die Leine für seine zwei Schäferhunde. Der Kläger näherte sich von hinten der Beklagten, die auf dem Grünstreifen am linken Straßenrand lief. Ihr Hund befand sich unangeleint wenige Meter hinter ihr. Als sich der Kläger der Beklagten näherte, bewegte sich der Hund der Beklagten auf den Kläger zu. Der Kläger bremste und kam deshalb zu Fall. Dadurch wurde er verletzt. Das AG hat dem Kläger eine Mithaftung von 75 % angerechnet. Die Berufungskammer sagt: Zwar „methodisch ungenau“, aber das Ergebnis passt:

„Indes ist auch die äußerst gefährliche Fahrweise des Klägers mit zwei Hunden an der Leine und der Leine in der rechten Hand zu berücksichtigen. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass sowohl das einhändige Fahrradfahren als auch das Führen von Hunden vom Fahrrad aus nach § 28 Abs. 1 S. 4 StVO grundsätzlich erlaubt sind. Das Zusammenspiel beider Verhaltensweisen im vorliegenden Fall stellte sich als besonders risikoerhöhend dar, was seinen Niederschlag auch in der gesetzlichen Bestimmungen findet: § 28 Abs. 1 S. 3 und 4 StVO verbieten im Interesse der Verkehrssicherheit grundsätzlich das Führen von Fahrzeugen aus, „wovon nur größere (folgsame) Hunde hinter Fahrrädern ausgenommen sind“ (BHJJ/Janker StVO § 28 Rn. 1 – 13, [juris]; Hervorhebung nicht im Original). Jegliche Einflüsse auf die Verkehrssicherheit wie bei Einflüssen auf den Lenker (Vgl. OLG Köln, NJW-RR 2003, 884) sind zu vermeiden. Der Fahrzeugführer im Sinne der StVO und in diesem Fall der Fahrradfahrer muss sicherstellen, dass seine Beherrschung des Fahrrades durch das Tier nicht beeinträchtigt wird (BHJJ/Heß StVO § 23 Rn. 15a, [juris]). So wie der Kläger seine Hunde geführt hat, kann er im Fall des Abbiegens keine Richtungsanzeige abgeben. Beim Abbiegen nach rechts ist dies auf Grund der in der rechten Hand geführten Hundeleine nicht möglich. Nach links wäre eine Richtungsanzeige lediglich unter Missachtung des Verbotes des freihändigen Fahrradfahrens möglich. Und auch die Beherrschung des Fahrrades wird durch das Halten der Leine offenkundig beeinträchtigt. Der rechte Arm steht nicht zur Verfügung, um Einwirkungen auf das Gleichgewicht in ausreichender Form zu kompensieren. Auch kann die rechte Hand nicht unmittelbar zum Lenker geführt werden, wenn eine Gefahrenlage unerwartet auftritt. Zumal dies nur möglich wäre, wenn die Leine losgelassen wird, was wiederum im Geltungsbereich des kommunalen Leinenzwangs rechtswidrig wäre.

Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass es spezielle Halterungen für das Fahrrad gibt, mit denen eine Hundeleine gefedert an dem Fahrrad befestigt werden kann und die dem Fahrradfahrer so beide Hände zum Führen des Fahrrades zur Verfügung lassen.

Der Kläger näherte sich außerdem von hinten der Beklagten und ihrem Hund und hätte zumindest erkennen können, dass dieser nicht angeleint gewesen ist. Aber auch bei einem angeleinten Hund hätte er reagieren müssen. Zumindest hätte er auch die rechte Hand an den Lenker nehmen und die Geschwindigkeit reduzieren, wenn nicht gar absteigen müssen. Auch bei der Begegnung mit angeleinten Hunden ist es nicht auszuschließen, dass zumindest der dem Kläger unbekannte Hund auf den Kläger, das Fahrrad oder die eigenen Hunde des Klägers reagiert und hierdurch eine potentiell gefährliche Verkehrssituation entsteht.“