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Kreuzungsunfall: Wer ist schuld?, oder: Fallrekonstruktion durch gespeicherte Daten einer LZA?

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Heute „köcheln“ im Kessel Buntes dann mal wieder zwei zivilrechtliche Entscheidungen.

Und zunächst stelle ich das AG Velbert, Urt. v. 19.12.2019 – 11 C 183/18 – vor. Gestritten worden ist in dem Verfahren um Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall auf einer Kreuzung. Die Parteien haben darüber gestritten, welcher der Fahrzeugführer der beiden beteiligten Pkw bei einer für ihn Rot anzeigenden Lichtzeichenanlage in den Kreuzungsbereich jeweils aus dem Querverkehr eingefahren ist. Die Angaben der beteiligten Fahrzeugführer haben sich widersprochen.

Es stand aber im Verfahren fest, dass der Verkehrsunfall sich zwischen 19:10 Uhr und 19:30 Uhr ereignet hatte und der vom Gericht eingeschaltete Sachverständige konnte bei der betroffenen modernen Lichtzeichenanlage auf gespeicherte Daten aus dem Rechner der Anlage zurückgreifen. Diese beruhen auf dem Überfahren einer Induktionsschleife bei den jeweiligen Zufahrten zum Kreuzungsbereich und wurden vom Rechner der Anlage erfasst. Anhand der Schäden an den Fahrzeugen konnte ein hinzu gezogener Sachverständige eine Ausgangsgeschwindigkeit für das Klägerfahrzeug in der Größenordnung von ca. 28 km/h und eine Anprallgeschwindigkeit des Beklagtenfahrzeuges von ca. 18 km/h ermitteln. In der jeweiligen Fahrtrichtung der beteiligten Fahrzeuge konnte mit diesen Geschwindigkeiten nur bei einer einzigen für den Zeitraum des Verkehrsunfalls aufgezeichneten  Konstellation eine entsprechende Einfahrt ohne Anhalten im Kreuzungsbereich ermittelt werden. Bei diesem Geschehen hatte für einen Fahrzeugführer die rote Lichtzeichenanlage bereits 20 Sekunden Rot angezeigt. Dass es sich hierbei um die Unfallkonstellation handelt, wurde auch dadurch bestätigt, dass trotz grüner Lichtzeichenanlage sodann im Bereich der Induktionsschleife andere Fahrzeuge angehalten haben – dies nämlich deshalb, da die Einfahrt in den Kreuzungsbereich aufgrund des Unfalls nicht mehr angezeigt war.

Das AG hat das seiner Entscheidung zugrunde gelegt und die Beklagten verurteilt. Hier die Leitsätzes der Entscheidung, die mir der Kollege M. Nugel geschickt hat:

  1. Bei einem streitigen Unfallhergang, welcher Fahrzeugführer bei Rot in die Kreuzung eingefahren ist, kann eine Unfallrekonstruktion bei einer modernen LZA dadurch erfolgen, dass die hinterlegten Kontaktdaten der Einfahrt der Fahrzeuge, die im Verkehrsrechner der Lichtsignalanlage gespeichert sind, ausgewertet werden.
  2. Wenn innerhalb einer bestimmten Zeitspanne nur eine einzige Einfahrsituation von Kfz mit diesen gespeicherten Daten mit den Geschwindigkeiten der beteiligten Fahrzeuge vereinbar ist, kann auf dieser Basis das Unfallgeschehen rekonstruiert werden.
  3. Der Fahrzeugführer, der bei Rot in den Kreuzungsbereich einfährt, haftet für diesen Schaden alleine und der andere unfallbeteiligte Fahrzeugführer darf auf sein Vorrangrecht vertrauen.