Schlagwort-Archive: Vergütung

SV III: Vergütung für ein anthropologisches Gutachten, oder: Einzelfallabhängige Vergütung des Sachverständigen

Bild von Wilfried Pohnke auf Pixabay

Und als dritte Entscheidung dann noch ein Beschluss zum Sachverständigen, und zwar zu einer Vergütungsfrage. Es geht in dem OLG Braunschweig, Beschl. v. 14.08.2024 – 1 Ws 209/23 – um die Vergütung des Sachverständigen fü ein anthropologisches Vergleichsgutachten. Darum haben der Sachverständige und die Landeskasse gestritten. Die Höhe der Vergütung kann ja auch für den – verurteilten – Angeklagten, der die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, relevant werden.

Hier zunächst der Leitsatz der OLG Entscheidung, und zwar:

Anthropologische Vergleichsgutachten sind rechtlich weder einem der in Teil 1 der Anlage 1 zu § 9 JVEG genannten Sachgebiete noch einer der in Teil 2 der Anlage 1 genannten Honorargruppen M1 bis M3 zuzuordnen. Die Vergütungsfestsetzung erfolgt anhand der im konkreten Einzelfall erbrachten sachverständigen Leistungen gemäß § 9 Abs. 2 JVEG.

Und zu § 9 Abs. 2 JVEG führt das OLG aus:

„2. Die Vergütungsfestsetzung richtet sich damit – wie von dem Landgericht grundsätzlich zutreffend angenommen – nach § 9 Abs. 2 JVEG. Das dem Landgericht danach eingeräumte Ermessen kann der Senat nur eingeschränkt überprüfen. Seiner Kontrolle unterliegt lediglich, ob die Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung vorlagen, ob von dem Ermessen Gebrauch gemacht wurde, ob alle wesentlichen Tatsachen berücksichtigt und die gebotenen Grenzen eingehalten wurden(vgl. BGH, Urteil vom 13. April 1994, XII ZR 168/92).Dem Beschwerdegericht ist es insbesondere verwehrt, sein eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen des Tatrichters zu setzen (vgl. Bleutge in: BeckOK KostR, 44. Ed. 1. Januar 2024, JVEG § 4 Rn. 33; Binz in: Binz/Dorndörfer/Zimmermann, GKG, FamFG, JVEG, 5. Auflage, § 4 Rn. 17).

Vorliegend lässt sich dem angefochtenen Beschluss nicht entnehmen, ob das Landgericht von dem ihm zustehenden Ermessen Gebrauch gemacht hat. Vielmehr ist das Landgericht erkennbar davon ausgegangen, dass anthropologische Gutachten schematisch einer bestimmten Vergleichsgruppe zuzuordnen und aufgrund der von ihnen umfassten Tätigkeiten stets in Anlehnung an die Honorargruppe 16 der Anlage 1 zu § 9 JVEG zu vergüten seien. So befasst sich das Landgericht in dem angefochtenen Beschluss nicht im Einzelnen mit den konkret vom Gutachter erbrachten Tätigkeiten und deren Umfang und Schwierigkeit, sondern ordnet anthropologische Gutachten allgemein einer bestehenden Honorargruppe zu. Die Kammer hat somit erkennbar verkannt, dass die Vergütung in dem konkreten Einzelfall nach billigem Ermessen zu erfolgen hat, wobei zwar die Vergleichbarkeit mit einem Sachgebiet als Kriterium heranzuziehen ist, jedoch abhängig von den Umständen des konkreten Einzelfalles zu bewerten ist, welche Vergütung angemessen ist.

Eine einheitliche Vergütung für anthropologische Sachverständigengutachten ist bereits deshalb nicht möglich, da diesen Begutachtungen keine standardisierten Untersuchungsmethoden zugrunde liegen (BGH, Urteil vom 15. Februar 2005, 1 StR 91/04, juris, Rn. 16; Oberlandesgericht Braunschweig, Beschluss vom 5. Juli 2006, Ss 81/05, juris, Rn. 7; Oberlandesgericht Braunschweig, Beschluss vom 2. März 2007, Ss (OWi) 4/07, juris, Rn. 5; Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 16. Mai 2006, 1 Ss 106/06, juris, Rn. 15; Oberlandesgericht Bamberg, Beschluss vom 6. April 2010, 3 Ss OWi 378/10, juris, Rn. 12) und die von dem Sachverständigen zu erbringenden Leistungen von der jeweiligen Begutachtungsmaterie abhängen. Umfang und Schwierigkeit der anthropologischen Begutachtung können wesentlich voneinander abweichen und hiermit auch das für die Beantwortung der Gutachtenfrage im Einzelfall erforderliche Fachwissen. Es fehlt daher an der notwendigen Vergleichbarkeit der maßgeblichen Parameter, anhand derer diese in jedem Fall einem der in Teil 1 der Anlage 1 zu § 9 JVEG bestimmten Sachgebiet oder einer der dort in Teil 2 der Anlage genannten Honorargruppen M1 bis M3 zugeordnet werden könnten. Dies zeigt sich auch bereits daran, dass im Gesetzgebungsverfahren des Zweiten Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes kein gemeinsamer Markt für anthropologische Sachverständigengutachten gefunden werden konnte, anhand dessen die Ermittlung einer durchschnittlichen Preisgestaltung möglich gewesen wäre (vgl. BT-Drucks. 17/11471, S. 260, 355).

Soweit anthropologische Vergleichsgutachten der Identifikation von Personen dienen sollen, können diese Identitätsgutachten erhebliche Unterschiede zueinander aufweisen und deshalb nicht pauschal derselben Honorargruppe zugeordnet werden. Für die Beurteilung der Identitätswahrscheinlichkeit kommt es maßgeblich auf die Feststellung und den Abgleich individueller Merkmale eines Menschen an. Die Beurteilung dieser individuellen Merkmale unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls machen es erforderlich, dass der Sachverständige Fachkenntnisse aus dem Bereich der Biologie oder Medizin aufweist und zur Geltung bringen kann. Es kann im Einzelfall auch von Bedeutung sein, wie sich individuelle phänotypische Einzelmerkmale im Rahmen einer körperlichen Bewegung oder durch Einsatz äußerer Einwirkungen, wie etwa durch Masken oder maskenähnliche Objekte oder auch durch medizinische Veränderungen im Erscheinungsbild, verändern oder wie diese bewusst verfremdet oder entstellt werden können (OLG Frankfurt, Beschluss vom 9. Februar 2024, 2 Ws 40/23, juris, Rn. 15).

Im Wesentlichen kommt es für den Umfang, die Schwierigkeit und auch das erforderliche Fachwissen darauf an, was für ein Bilddokument vorliegt und ob es sich um ein Einzelbild, eine Bilderreihenfolge oder eine Videodatei handelt sowie auch maßgeblich auf die Qualität der Bilder und welche individuellen Merkmale auf diesen überhaupt mit welcher Sicherheit zu erkennen sind. Dies zeigt sich bereits daran, dass ein anthropologisches Gutachten in Ordnungswidrigkeitenverfahren zumeist lediglich einen Abgleich eines Lichtbildes und der hierauf erkennbaren individuellen Merkmale mit denjenigen einer bestimmten Person erfordert, während beispielsweise in dem vorliegenden Verfahren eine Videoaufnahme mit verschiedenen Einzelbildern auszuwerten und die dort aus verschiedenen Perspektiven erkennbaren individuellen Merkmale der abgebildeten Person mit denjenigen des Beschuldigten zu vergleichen waren.

Letztendlich obliegt es damit dem zur Entscheidung berufenen Gericht, die für die sachverständige Begutachtung angemessene Vergütung anhand der für diese in dem konkreten Einzelfall erforderlichen Tätigkeiten, des Umfang und der Schwierigkeit der Begutachtung unter wertendem Vergleich mit den für die Zuordnung zu einem der in Teil 1 der Anlage 1 zu § 9 JVEG bestimmten Sachgebiet oder auch die Eingruppierung in eine der in Teil 2 der genannten Anlage bestimmten Honorargruppe (M1 bis M3) maßgeblichen Anforderungen festzusetzen. So kann es sachgerecht sein, die Leistungen des anthropologischen Sachverständigen in einer einfachen Sache der Honorargruppe M1 und in einem umfangreichen Verfahren der Honorargruppe M3 zuzuordnen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 9. Februar 2024, 2 Ws 40/23, juris, Rn. 16). Ebenso sind Fälle denkbar, in denen eine Zuordnung zu einem der in Teil 1 der Anlage 1 zu § 9 JVEG genannten Sachgebieten, und hier voraussichtlich dem Sachgebiet 16 (grafisches Gewerbe), gerechtfertigt sein kann, weil der Sachverständige Leistungen erbracht hat, die sich nicht in reiner Bildbearbeitung erschöpfen, sondern hinsichtlich der Komplexität und des Umfangs eine Vergleichbarkeit mit den u. a. von dem Begriff des grafischen Gewerbes erfassten Leistungen der Bildverarbeitung, des Designs, verschiedener Drucktechniken sowie Reproduktionen zu begründen vermag.

Da das Landgericht diese Einzelfallabhängigkeit der angemessenen Vergütung verkannt hat und sich dem angefochtenen Beschluss nicht entnehmen lässt, dass es sich dem ihm insoweit zukommenden Ermessen bewusst war, liegt ein einen Verfahrensfehler begründender Ermessensnichtgebrauch vor, der zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache zwingt.“

Umfangreiche Tätigkeiten des Zeugenbeistandes, oder: Passt der gesetzgeberische Beschränkungsgedanke?

© Gina Sanders – Fotolia.de

Die zweite Entscheidung zu Gebühren ist eine Pauschgebührentscheidung (§ 51 RVG), und zwar betreffend einen Zeugenbeistand.

Hier was der Rechtsanwalt durch das OLG als Beistand eines Zeugen. Der Zeuge, der sich im Zeugenschutzprogramm befand, wurde in der Zeit vom 28.07.2022 bis zum 23.11.2022 an zwölf Tagen in der Hauptverhandlung vernommen. Während die letzte Vernehmung nach zweieinhalb Stunden beendet war, dauerten eine Vernehmung länger als drei Stunden, eine Vernehmung länger als vier Stunden, eine Vernehmung länger als fünf Stunden, vier Vernehmungen jeweils länger als sechs Stunden und weitere vier Vernehmungen jeweils länger als sieben Stunden

Nach der Entlassung des Zeugen hat der Rechtsanwalt die Bewilligung einer Pauschvergütung in Höhe von 12.000 EUR beantragt. Er hat seinen Antrag mit der Bedeutung der Aussage des gefährdeten und deshalb geschützten Zeugen für das Verfahren sowie die dadurch erschwerte Kommunikation mit dem Zeugen begründet. Schließlich habe sich die Vernehmung des Zeugen über zwölf Verhandlungstage erstreckt, in denen bei einem entsprechend eingebundenen Pflichtverteidiger Gebühren in Höhe von 8.213 EUR netto entstanden wären.

Die Bezirksrevisorin bei dem OLG hat grundsätzlich eine Erhöhung der nach ihrer Ansicht entstandenen gesetzlichen Gebühr von 220 EUR (Nr. 4301 Nr. 4 VV RVG) je nach Dauer der Zeugenvernehmung um 100 bis 400 EUR je Verhandlungstag für angemessen gehalten, mithin um insgesamt 3.200 EUR. Sie ist jedoch mit Blick auf die Anzahl der Vernehmungstage und die Dauer der jeweiligen Vernehmungen auch einer darüber hinausgehenden angemessenen Erhöhung der gesetzlichen Vergütung nicht entgegen.

Das OLG Dresden hat mit dem OLG Dresden, Beschl. v. 03.01.2023 – 4 St 2/21 – eine Pauschgebühr in Höhe von 8.000 EUR bewilligt:

„Der zulässige Antrag auf Festsetzung einer Pauschgebühr erweist sich in dem aus der Be-schlussformel ersichtlichen Umfang als begründet; im Übrigen war er zurückzuweisen.

Gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 und 3 RVG ist Voraussetzung der Bewilligung einer Pauschgebühr, die über die gesetzlichen Gebühren hinausgeht, dass diese wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit der Sache bzw. des betroffenen Verfahrensabschnitts nicht zumutbar ist. Die Bewilligung einer Pauschgebühr stellt dabei die Ausnahme dar; die anwaltliche Mühewaltung muss sich von sonstigen – auch überdurchschnittlichen Sachen – in exorbitanter Weise abheben. Bei der Beurteilung ist ein objektiver Maßstab zu Grunde zu legen. Entscheidend ist, ob die konkrete Strafsache selbst umfangreich war und infolge dieses Um-fangs eine zeitaufwändigere, gegenüber anderen Verfahren erhöhte Tätigkeit des Rechtsanwaltes erforderlich geworden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juni 2015 – 4 StR 267/11 -, juris m.w.N.)

Diese Voraussetzungen sind in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang erfüllt.

Die in der Stellungnahme der Bezirksrevisorin wiedergegebene grundsätzliche Auffassung entspricht ständiger Rechtsprechung der Strafsenate des Oberlandesgerichts Dresden, soweit diese in der Vergangenheit die Tätigkeit des Zeugenbeistandes als Einzeltätigkeit gewertet haben (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 10. Dezember 2021 — 6 Ws 42/21 —, juris).

Im vorliegenden Fall erscheint jedoch auch die nach diesen Grundsätzen zuzuerkennende Er-höhung nicht mehr als angemessen. Dem gesetzgeberischen Grundgedanken, den Zeugen-beistand als auf die Vernehmung beschränkt anzusehen und deshalb nicht wie einen Verteidiger zu vergüten, kommt vorliegend mit Blick auf die Anzahl der Vernehmungstage und die Dauer der Vernehmungen nur noch untergeordnete Bedeutung zu. Vielmehr ist maßgeblich, dass die Vernehmungen überwiegend jeweils nahezu den vollständigen Verhandlungstag in Anspruch genommen haben und sich der Zeuge über zwölf Verhandlungstage hinweg der Befragung durch den Senat, die Bundesanwaltschaft, acht Verteidiger und die Nebenklägervertreter zu verschiedenen Komplexen ausgesetzt gesehen hat. Der Zeuge befand sich zudem aufgrund seiner bereits im Verfahren vor der Polizei gemachten Aussagen im Zeugenschutzprogramm. Die Kommunikation des Beistandes mit seinem Mandanten war deshalb in besonderem Maße erschwert.

Auch wenn der Zeugenbeistand vor diesem Hintergrund einem Verteidiger nicht vollständig gleichsteht, erscheint es gleichwohl geboten, sich bei der Bemessung einer Pauschgebühr an den Gebühren eines entsprechend tätigen Pflichtverteidigers zumindest zu orientieren.

Insgesamt erscheint es daher sachgerecht, eine Pauschgebühr in Höhe von insgesamt 8.000,00 EUR zu bewilligen.“

Vorab: Die gewährte Pauschgebühr ist nicht zu beanstanden, wenn man den Zeitaufwand des nach § 68b StPO beigeordneten Zeugenbeistandes sieht. Aber: Aus der Entscheidung wird nicht so ganz klar, wovon das OLG nun ausgeht. Geht man davon aus, dass die Tätigkeit des Zeugenbeistands auch hier – trotz des erheblichen Umfangs – noch eine Einzeltätigkeit war und somit nur eine Gebühr Nr. 4301 Nr. 4 VV RVG angefallen ist, sind nur 220 EUR angemessen zu erhöhen? Oder sieht man es wie das OLG Stuttgart (StRR 2010, 357 = RVGreport 2010, 340 = Justiz 2011, 367), das nicht mehr von einer Einzeltätigkeit ausgeht, wenn nach Art der übertragenen und tatsächlich ausgeübten Tätigkeit eine faktisch umfassende Vertretung des Zeugen vorliegt?

Für letzteres dürfte die Höhe der gewährten Pauschgebühr sprechen. Denn geht man von einer Einzeltätigkeit aus, dann hätte an sich unter Anwendung der Grundsätze der OLG-Rechtsprechung (vgl. dazu Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl. 2021, § 51 Rn 54 ff.) nur eine Pauschgebühr in Höhe der Wahlanwaltshöchstgebühr bewilligt werden können. Das wären 506,00 EUR gewesen, wenn man davon ausgeht, was die h.M. tut, dass es sich trotz der sich über mehrere Vernehmungstermine erstreckenden Vernehmung nur um eine Einzeltätigkeit gehandelt hat (vgl. die Nachw. bei Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Teil A Rn 2627). Die bewilligte Pauschgebühr würde dann sicherlich den „Rahmen sprengen“. Geht man hingegen von einer „verteidigerähnlichen“ Stellung aus, dann sind für den Zeugenbeistand die Gebühren Nr. 4100 ggf. Nr. 4104, 4118 VV RVG und die entsprechenden Terminsgebühren Nr. 4120 VV RVG , diese ggf. mit Längenzuschlag und Haftzuschlägen entstanden, also die vom Zeugenbeistand errechneten 8.213 EUR. Die Pauschgebühr würde dann unter den gesetzlichen Gebühren liegen, was der Regelung in § 51 Abs. 1 Satz 2 RVG widersprechen würde.

Es wäre schön gewesen, wenn das OLG klar „Farbe bekannt“ hätte. So lässt es den Leser etwas ratlos zurück.

Wenn die Hilfskraft das SV-Gutachten erstellt, oder: Keine Vergütung für den Sachverständigen

© 3dkombinat – Fotolia.de

Am Gebührenfreitag stelle ich zunächst eine  Entscheidung vor, die sich mit anwaltlichen Gebühren befasst, sondern mit der Vergütung eines psychatrischen Sachverständigen.

Folgender Sachverhalt: Die StA hatte den Sachverständigen T. mit der Erstattung eines Gutachtens zu der Frage des Vorliegens der medizinischen Voraussetzungen der §§ 20, 21, 64 StGB beim Verurteilten beauftragt. Bei Auftragserteilung wurde der Sachverständige T. darauf hingewiesen, dass er sich seiner Mitarbeiter bedienen kann, wenn er bereit sei, die Verantwortung für den Inhalt des Gutachtens zu übernehmen. In dem von dem Sachverständigen erstellten Gutachten heißt es, dass die „ausführliche persönliche Untersuchung des Probanden in der JVA Nürnberg durch B., B.Sc. Psychologie und den Referenten am 10.03.2021 und 19.03.2021 in der JVA Nürnberg über insgesamt 2 Stunden 45 Minuten“ erfolgte. Die Kostenrechnung des Sachverständigen in Höhe von 5.342,51 EUR ist durch die Staatsanwaltschaft zur Zahlung freigegeben worden.

In einem Brief an seine Lebensgefährtin schilderte dann der Verurteilte u.a., dass das Gutachten „eine Frau B und kein T“ gemacht habe. Dieser habe lediglich ein paar Wochen später für „5 Minuten“ mit ihm gesprochen und das nur „über den § 64 und nicht über meine Gedanken oder sonst etwas“. Der Brief ist beschlagnahmt worden. Der Sachverständige T wurde daraufhin aufgefordert mitzuteilen, ob während der Exploration über 2 Stunden 45 Minuten beide Sachverständige anwesend waren und wenn nicht, welche Befunde durch welchen Sachverständigen erhoben wurden. Der Sachverständige teilte mit, dass die Angaben des Verurteilten auf S. 31 – 50 des Gutachtens am 10.03.2021 gegenüber Frau B. in detaillierter Art und Weise gemacht und am 19.03.2021 ihm gegenüber in kompakter Form wiederholt worden seien.

Das LG hat sodann, dem Sachverständigen T in Übereinstimmung mit der Staatsanwaltschaft dem Verteidiger die weitere Gutachtenerstattung entzogen und einen anderen Sachverständigen mit der Begutachtung beauftragt, da der Sachverständige gegen das Verbot der Delegation der Exploration an eine Hilfsperson verstoßen habe. Der Verurteilte ist dann mit inzwischen rechtskräftigem Urteil zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren und Unterbringung in eine Entziehungsanstalt verurteilt worden. Das zunächst vom Sachverständigen T. angefertigte vorläufige schriftliche Gutachten fand weder in der Hauptverhandlung noch bei der Verurteilung Verwendung. Im Urteil hat das LG ausgeführt, dass sie davon ausgehe, dass die bereits beglichenen Kosten des Gutachtens des Sachverständigen T. vom Sachverständigen zurückgefordert werden und daher nicht Teil der Verfahrenskosten werden, weshalb sie davon abgesehen hat, die Kosten der Staatskasse aus Billigkeitsgründen gem. § 465 Abs. 2 StPO aufzuerlegen.

Der Sachverständige T. ist zur Rückerstattung der beglichenen Kostenrechnung aufgefordert worden. Er hat in dem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass er, um die Justiz zu unterstützen und die Zeit bis zur Fertigstellung des Gutachtens auf eine zumutbare Frist zu begrenzen, Fachkräften die Mitarbeit an der Erstellung der Gutachten erlaubt habe. Dies sei in forensischen Instituten und Kliniken ein übliches Vorgehen. Er habe die gesamten schriftlichen Gutachtenstexte auf Richtigkeit überprüft und in jedem einzelnen Fall persönlich die Probanden exploriert. Er habe sich die Kernfragen der Exploration durch seine Mitarbeiterin notiert und diese danach in kürzerer Zeit mit dem Probanden besprochen. In seiner dazu abgegeben Stellungnahme hat der Verurteilte mitgeteilt, dass er mit dem Sachverständigen nicht in „Verbindung mit dem Gutachten“ gesprochen habe. Er habe ihn nur für 5 Minuten in der JVA besucht und mitgeteilt, dass er den § 64 StGB befürworte. Die Begutachtung habe Frau B. gemacht.

Der Bezirksrevisor hat daraufhin beantragt, die Vergütung des Sachverständigen T. gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG auf 0,00 € festzusetzen. Dem Antrag ist das LG im LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 18.05.2022 – 5 Ks 102 Js 2876/20  – gefolgt:

„Der Antrag auf Festsetzung der Vergütung auf 0,00 € ist zulässig und begründet.

1. Gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG wird die Vergütung durch gerichtlichen Beschluss festgesetzt, wenn die Staatskasse dies, wie vorliegend, beantragt. Gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 JVEG ist nach Erhebung der öffentlichen Klage das für die Durchführung des Verfahrens zuständige Gericht zuständig.

2. Die Vergütung des Sachverständigen Dr. T. war auf 0,00 € festzusetzen, da der Anspruch auf Vergütung gem. § 8a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG entfallen ist. Demnach erhält der Berechtigte eine Vergütung nur insoweit, als seine Leistung bestimmungsgemäß verwertbar ist, wenn er gegen die Verpflichtung aus § 407a Abs. 1 bis 4 ZPO verstoßen hat, es sei denn, er hat den Verstoß nicht zu vertreten. Nur soweit das Gericht die Leistung berücksichtigt hat, gilt sie als verwertbar, § 8a Abs. 2 Satz 2 JVEG.

a) Der Sachverständige hat gegen § 407a Abs. 3 Satz 1 ZPO verstoßen, indem er insbesondere die Exploration auf eine Hilfsperson übertragen hat. Zwar kann ein beauftragter Sachverständiger, der grundsätzlich zur persönlichen Erstellung und Erstattung des Gutachtens verpflichtet ist, Hilfskräfte in Anspruch nehmen, solange er sich von den Untersuchungsergebnissen selbst überzeugt und das Gutachten selbst verantwortet. Die Staatsanwaltschaft hat auch die Zuziehung einer Hilfskraft – wie üblich – genehmigt. Aufgrund der Pflicht zur persönlichen Gutachtenerstattung besteht jedoch ein Delegationsverbot, soweit durch Heranziehung anderer Personen die Verantwortung des Sachverständigen für das Gutachten in Frage gestellt wird (BGH, Beschluss vom 25.05.2011 – 2 StR 585/10; Löwe-Rosenberg, 27. Auflage 2017, StPO, § 73 Rn. 6). Das Gutachten eines psychiatrischen Sachverständigen muss eine Exploration des Probanden durch den Sachverständigen einschließen. Dabei handelt es sich um die zentrale Untersuchungsmethode. Deren Ergebnisse kann der gerichtliche Sachverständige nur dann eigenverantwortlich bewerten, wenn er sie selbst durchgeführt oder zumindest insgesamt daran teilgenommen hat. Dies gilt erst recht, wenn bei der Exploration auch Mimik und Gestik des Probanden aufgefasst werden. Die Durchführung der Exploration als Kernstück des Gutachtens darf daher nicht an eine Hilfsperson delegiert werden (vgl. BGH, Beschluss vom 25.05.2011 – 2 StR 585/10; BSG, Beschluss vom 18.09.2003 – B 9 VU 2/03 B; OLG Köln, Beschluss vom 20.07.2011 – 17 W 129/11; MüKoStGB, 4. Auflage 2020, § 20 StGB Rn. 171; Nedopil/Müller, Forensische Psychiatrie, 4. Auflage 2012, S. 407).

Laut Auskunft des Sachverständigen Dr. T erfolgte eine detaillierte Exploration durch Frau B., durch ihn lediglich eine kompakte Abfrage. Eine kompakte Abfrage reicht aber nicht aus, um sich – bei der Exploration als zentrale Untersuchungsmethode – ein eigenes Bild von der Richtigkeit der Befunderhebung zu machen. Dem Sachverständigen war es daher verwehrt, die Verantwortung für das Gutachten zu übernehmen, da er die Exploration nicht persönliche durchgeführt hat oder wenigstens anwesend war. Soweit er behauptet, er habe die Kernstücke der Exploration durch seine Mitarbeiterin mit dem Verurteilten in kürzerer Zeit besprochen, steht dies in Widerspruch zu den Angaben des Verurteilten, der von Beginn an angegeben hatte, dass der Sachverständige mit ihm nur fünf Minuten über § 64 StGB gesprochen habe. Die Kammer hat an den Ausführungen des Verurteilten keine Zweifel, hat er doch (durch den Brief an seine Lebensgefährtin) den Stein ins Rollen gebracht, obwohl das schriftliche Gutachtenergebnis für ihn günstig ausgefallen ist. Der Sachverständige hat dem auch nicht konkret widersprochen, sondern lediglich pauschal vorgetragen, dass die „Kernstücke“ in knapper Form mit dem Verurteilten besprochen worden seien, ohne hierbei vorzutragen, welche Inhalte dies gewesen seien. Der letzten Behauptung des Verurteilten, dass der Sachverständige lediglich fünf Minuten da gewesen sei und nur § 64 StGB befürwortet habe, brachte der Sachverständige schließlich nichts entgegen. Letztlich kann es aber auch dahinstehen, welche „Kernstücke“ in kompakter Form mit dem Verurteilten – vermeintlich – besprochen wurden. Der psychiatrische Sachverständige hat die gesamte Exploration selbst durchzuführen oder ihr wenigstens beizuwohnen, was er seinem eigenen Vorbringen nach zweifellos nicht ansatzweise getan hat. Er kann daher denknotwendig auch nicht, wie er anführt, den „gesamten schriftlichen Gutachtentext auf Richtigkeit überprüft“ haben. Soweit der Sachverständige sich nunmehr ergänzend darauf beruft, er habe die Justiz unterstützen wollen und die Zeit zur Fertigstellung des Gutachtens auf eine zumutbare Frist zu begrenzen, kann er damit nicht gehört werden. Die Exploration eines Beschuldigten/Angeklagten kann für diesen, insbesondere bei Gutachten zu §§ 20, 21, 63, 64 StGB, gravierende Konsequenzen im Falle einer Verurteilung haben. Für die Justiz und den Probanden ist es daher unerlässlich, dass derartige Überlegungen bei der Gutachtenerstellung keinen Einzug finden. Es ist zwar richtig, dass auch von anderen Gutachtern gelegentlich Fachkräfte hinzugezogen werden. Dies gilt jedoch nicht für den Bereich der Exploration.

Die Kammer sah sich daher gezwungen, den Sachverständigen vor Beginn der Hauptverhandlung von der weiteren Gutachtenerstattung zu entbinden. Daran vermochte auch eine hypothetisch ergänzende Exploration durch den Sachverständigen Dr. T. nichts zu ändern, da hierdurch verbleibende Zweifel an der notwendigen Objektivität des Sachverständigen bestehen blieben. Dies galt umso mehr, als der Verurteilte in dem beschlagnahmten Brief an seine Lebensgefährtin vom 10.05.2021 seine Verärgerung über der Sachverständigen Dr. T. zum Ausdruck gebracht hat. In dem Brief äußerte der Verurteilte unter anderem, dass er „richtig sauer auf den Sachverständigen“ sei, da das „Gutachten Frau B. und kein T. gemacht habe“, und er „mit ihm nur fünf Minuten über den § 64 und nicht über meine Gedanken gesprochen habe“. Eine unbefangene Mitwirkung des Verurteilten an einer weiteren Exploration durch Dr. T. war daher zweifelhaft.

b) Der Sachverständige hat den Verstoß auch zu vertreten. Zwar wurde er von der Staatsanwaltschaft darauf hingewiesen, dass er sich der Mitarbeit anderer bedienen könne. Dies umfasst jedoch nicht den Bereich der Exploration als zentrale Untersuchungsmethode (ausdrücklich für den Bereich der Schuldfähigkeitsbegutachtung: BGH, Beschluss vom 25.05.2011 – 2 StR 585/10). Dem Sachverständigen muss dies aus seiner berufsrechtlichen Stellung heraus auch bewusst gewesen sein, da die Exploration für das Gutachtenergebnis von wesentlicher Bedeutung ist. Jedenfalls hätte er aber vorher bei der Staatsanwaltschaft Rückfrage halten müssen, wie weit die Delegationsmöglichkeit reicht.

c) Die Leistung wurde gem. § 8a Abs. 2 Satz 2 JVEG nicht berücksichtigt. Das Gutachten wurde weder in der Hauptverhandlung noch im Urteil verwertet. Der neu hinzugezogene Sachverständige explorierte den Verurteilten selbst und berücksichtigte das Gutachten des Sachverständigen Dr. T. nicht. Da die Kammer Zweifel an der weiteren Objektivität des Sachverständigen Dr. T. hatte (s.o.), war auch eine Nachbesserung in Form einer persönlichen Exploration durch Dr. T. nicht mehr möglich.“

Der Rechtsanwalt als Abwickler der eigenen Kanzlei, oder: Welche Gebühren verdient der Abwickler?

Den Gebührenfreitag“ eröffne ich mit dem LG Lübeck, Beschl. v. 22.06.2021 – 7 T 280/21. Zwar nimmt der Beschluss nicht zu strafverfahrensrechtlichen Gebühren Stellung. Aber: Er dürfte von allgemeinem Interesse sein.

Ausgangspunkt des Beschlusse ist die Klage eines ehemaligen Rechtsanwalts. Der hatte als Rechtsanwalt den Beklagten in einer mietrechtlichen Streitigkeit vor dem AG vertreten. Die Vergütungsrechnung für die anwaltliche Vertretung in dem Rechtsstreit vor dem AG wies den Kläger aber nicht mehr als Rechtsanwalt aus, sondern „als bestellten eigenen Abwickler“. Diese Rechnung hat der Beklagte nicht beglichen. Der (ehemalige) Rechtsanwalt hat den Beklagten dann auf Zahlung in Anspruch genommen. Nach Erlass eines (rechtskräftigen) Versämnisurteils hat er u.a. die Erstattung einer anwaltlichen Verfahrensgebühr, einer anwaltlichen Terminsgebühr sowie der Auslagenlagenpauschale  (Nr. 3100, 3015, 7002 VV RVG) geltend gemacht. Das AG hat antragsgemäß festgesetzt. Die sofortige Beschwerde des Beklagten hatte Erfolg:

„In diesem Umfange ist die sofortige Beschwerde begründet.

Eine Erstattung der nach dem RVG berechneten Vergütung in Höhe von EUR 290,- steht dem Kläger nicht zu.

Nach § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO gehören die Gebühren und Auslagen eines beauftragten Rechtsanwalts im allgemeinen zu den notwendigen Prozesskosten im Sinne von § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, ohne dass es weiterer Darlegungen bedürfte. Eine Notwendigkeitsprüfung hinsichtlich der Beauftragung des Rechtsanwalts und der von ihm veranlassten Maßnahmen ist insoweit entbehrlich (BGH NJW 2021, 459). Dies gilt auch im Falle einer Selbstvertretung des Rechtsanwalts (vgl. § 91 Abs. 2 S. 3 ZPO). Der persönliche Anwendungsbereich des § 91 Abs. 2 S. 1 bzw. S. 3 ZPO ist in diesem Rechtsstreit jedoch nicht eröffnet. Der Kläger ist in diesem Vergütungsprozess von Anfang an nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten worden. Insbesondere hat er sich selbst nicht als Rechtsanwalt vertreten. Denn er ist bei Einleitung des gerichtlichen Mahnverfahrens am 08.01.2021 kein Rechtsanwalt mehr gewesen, sondern lediglich Abwickler seiner ehemaligen Rechtsanwaltskanzlei. Für einen Abwickler einer Rechtsanwaltskanzlei, der nicht selbst Rechtsanwalt ist, gilt § 91 Abs. 2 S. 1 bzw. S. 3 ZPO jedoch nicht.

Ist der persönliche Anwendungsbereich des § 91 Abs. 2 S. 1 bzw. S. 3 ZPO nicht eröffnet, besagt dies zwar nicht, dass die Erstattung von Kosten eines Abwicklers einer Rechtsanwaltskanzlei überhaupt ausscheidet. Soweit der Kläger jedoch die Kosten des Abwicklers nach dem RVG berechnet, kommt eine Erstattung der so berechneten Kosten nicht in Betracht. Die Vergütung nach dem RVG steht nur Rechtsanwälten (vgl. § 1 RVG). Der Kläger persönlich bzw. in seiner Eigenschaft als Abwickler ist jedoch von Anhängigkeit des Vergütungsprozesses kein Rechtsanwalt mehr gewesen.

Ebenso über § 5 RVG kommt eine Vergütung, berechnet nach dem RVG nicht in Betracht. Nach dieser Regelung wird die Vergütung auch dann nach dem RVG bemessen, wenn der Rechtsanwalt gemäß § 5 RVG durch einen Rechtsanwalt, den allgemeinen Vertreter, einen Assessor bei einem Rechtsanwalt oder einen zur Ausbildung zugewiesenen Referendar vertreten wird. Liegen die Voraussetzungen des § 5 RVG vor, so erhält der Anwalt die volle Vergütung, die er auch erhalten würde, wenn er die entsprechende Tätigkeit selbst ausgeführt hätte (Mayer in: Gerold/Schmidt, 24. Aufl. (2019), § 5 RVG, Rn. 8). Bei Vertretung durch andere als die in § 5 RVG genannten Personen kann der RA kraft Gesetzes keine Vergütung nach dem RVG berechnen, auch nicht, wenn der Vertreter die Befähigung zum Richteramt hat (Mayer in: Gerold/Schmidt, 24. Aufl. (2019), § 5 RVG, Rn. 10). Die Regelung kann für den Kläger schon deshalb nicht mehr herangezogen, weil er – als der Vertretene – vor Beginn der Anhängigkeit dieses Vergütungsprozesses kein Rechtsanwalt mehr ist gewesen und die Tätigkeit des Vertreters deshalb nicht mehr über § 5 RVG nach dem RVG berechnen darf.

Darüber hinaus ist der Abwickler einer Kanzlei eines früheren Rechtsanwalts (§ 55 Abs. 5 BRAO) in § 5 RVG nicht aufgeführt. Er ist auch nicht der allgemeine Vertreter im Sinne von § 53 BRAO des früheren Anwalts. Dies beruht auf folgendem: Der gemäß § 55 Abs. 1 oder 5 BRAO für die Kanzlei eines verstorbenen oder früheren Rechtsanwalts bestellte Abwickler steht in einem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis zu der ihn bestellenden Rechtsanwaltskammer (Nöker in: Weyland, 10. Aufl. (2020), § 55 BRAO, Rn. 20). Er übt seine öffentlich-rechtliche Berufspflicht fremdnützig wie ein verwaltender Treuhänder aus, ohne dass er bei der Amtsausübung gegenüber Dritten schuldrechtlichen Bindungen unterliegt (Nöker in: Weyland, 10. Aufl. (2020), § 55 BRAO, Rn. 20). Hinsichtlich der anwaltlichen Rechte und Pflichten tritt der Abwickler an die Stelle des früheren Rechtsanwalts und übernimmt dessen anwaltliche Aufgaben und Befugnisse sowohl gegenüber den Mandanten als auch gegenüber den Gerichten und Behörden (Nöker in: Weyland, 10. Aufl. (2020), § 55 BRAO, Rn. 20). Der Abwickler hat die laufenden Mandate eigenverantwortlich fortzuführen und gilt für die schwebenden Angelegenheiten als vom Mandanten bevollmächtigt (Nöker in: Weyland, 10. Aufl. (2020), § 55 BRAO, Rn. 20). Insofern besteht ein grundlegender Unterschied zum Vertreter gemäß § 53 BRAO, der lediglich Erfüllungsgehilfe des Vertretenen ist und nicht in die Mandatsverhältnisse eintritt (Nöker in: Weyland, 10. Aufl. (2020), § 55 BRAO, Rn. 20).

Eine Erstattung kommt auch nicht unter dem Gesichtspunkt in Betracht, dass es sich bei der nach dem RVG berechneten Vergütung um eine Abwicklervergütung in Anwendung von § 55 Abs. 3 S. 1 in Verbindung mit § 53 Abs. 10 BRAO handeln könnte. Nach § 55 Abs. 3 S. 1 in Verbindung mit § 53 Abs. 10 BRAO erhält ein Abwickler eine sogenannte „angemessene Vergütung“. Dass eine Abwicklervergütung auch dann angemessen ist, wenn die Vergütung nach auch dem RVG je gebührenrechtlicher Angelegenheiten berechnet wird, ist weder dargelegt noch sonstwie ersichtlich. Das gilt umso mehr, wenn es um die Fallkonstellation geht, dass der ehemalige Rechtsanwalt zum Abwickler seiner eigenen Kanzlei bestellt worden ist und der Abwickler für den ehemaligen Rechtsanwalt die ihm zustehende anwaltliche Vergütungsforderung gerichtlich geltend macht.“

Wann verjährt der Vergütungsanspruch des Pflichtverteidigers, oder: Augen auf, denn es geht um Ihr Geld….

© Stefan Rajewski Fotolia .com

Und als zweite nicht so erfreuliche Entscheidung habe ich dann den LG Cottbus, Beschl. v. 16.11.2017 – 21 Kls 5/10, schon etwas älter, abr ich habe ihn erst vor kurzem erhalten und stelle ihn als Warnung für Pflichtverteidiger online. Denn es geht um die Verjährung des Vergütungsanspruchs des Pflichtverteidigers. Der verjährt, sagt das LG gem. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB ab  Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist.

 

„Der vom Antragsteller mit Kostenfestsetzungsantrag vom 30. Dezember 2014 gestellte Antrag auf Vergütung der ihm im Strafverfahren entstandenen Pflichtverteidigergebühren nach § 55 RVG ist verjährt. Die Kammer tritt insoweit der Rechtsauffassung des Bezirksrevisors bei.

Nach 8 Abs. I RVG wird die Vergütung des Pflichtverteidigers für seine Tätigkeit in der ersten Instanz mit Abschluss dieser ersten Instanz fällig. Zum Abschluss gelangte diese vorliegend mit Verkündung des Urteils des Landgerichts Cottbus am 2. Dezember 2010.

Die Rechtskraft des Urteils braucht – für die Fälligkeit der Vergütung der Pflichtverteidigergebühren – nicht vorliegen (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 46. Aufl., Rn. 11 zu § 8 RVG).

Gemäß 199 Abs. 1 Nr. I BGB beginnt die Frist des Vergütungsanspruches des Pflichtverteidigers mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Mit Ende des erstinstanzlichen Verfahrens am 2. Dezember 2010 begann somit die in 195 BGB geregelte dreijährige Verjährungsfrist am 1. Januar 2011. Die ab diesem Zeitpunkt laufende Verjährung war gemäß 8 Abs. 2 §. 1, 2 RVG bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens gehemmt. Davon ausgehend, dass die Rechtskraft des Urteils seit dem 19. Juli 2011 besteht, setzte sich die dreijährige Verjährungsfrist ab dem 20. Juli 2011 fort und endete somit am 19. Juli 2014.

Nach alledem hat der Verteidiger seinen am 31. Dezember 2014 bei Gericht eingegangenen Kostenfestsetzungsantrag verspätet gestellt, da erst nach Ablauf der Verjährungsfrist erhoben.

Soweit sich der Antragsteller bezüglich der von ihm vertretenen Rechtsauffassung auf die Entscheidungen des KG Berlin und des OLG Braunschweig beruft, beziehen sich diese im Gegensatz zum vorliegenden Fail – auf die Frage der Verjährung des Anspruches auf Pauschvergütung. Beide Entscheidungen gehen explizit auf die Besonderheiten der Pauschvergütung ein und arbeiten die Unterschiede zur regulären Pflichtverteidigervergütung heraus. Die dortigen Überlegungen zur Frage der Verjährung des Anspruches auf Pauschvergütung sind gerade nicht auf die Pflichtverteidigervergütung übertragbar.

Im Gegensatz zu der der Höhe nach feststehenden Pflichtverteidigervergütung kann die Pauschvergütung erst nach Abschluss des Verfahrens und nicht schon mit Erlass des erstinstanzlichen Urteils oder Beendigung des Rechtszuges erfolgen. Denn von der für das gesamte Verfahren zustehenden Pauschgebühr werden auch solche Leistungen erfasst, die der Rechtsanwalt erst nach den in 8 Abs. 1 §. 2 RVG genannten Fälligkeitszeitpunkten erbracht hat; die hierfür entstehende Vergütung kann naturgemäß erst danach fällig werden. Daher sind für die Prüfung, ob und in welcher Höhe dem Rechtsanwalt eine Pauschgebühr zusteht, in einer Gesamtschau sämtliche Tätigkeiten des Verteidigers in allen Verfahrensabschnitten zu berücksichtigen. Ist der Anspruch aus § 51 RVG im Zeitpunkt der Fälligkeit einzelner gesetzlicher Gebühren jedoch noch gar nicht entstanden, verbietet sich auch in Bezug auf den Verjährungsbeginn eine Gleichbehandlung mit den gesetzlichen Regelgebühren (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 25. April 2016 – I ARS 9/16). Erst wenn in dieser Weise festgestellt ist, dass dem Antragsteller überhaupt ein Pauschgebührenanspruch zusteht, tritt dieser an die Stelle des Anspruches auf die gesetzlichen Gebühren.

Diese Unterschiede führen zu einer unterschiedlichen Beurteilung des Zeitpunktes des Verjährungsbeginns, weil der Zeitpunkt des Beginns der Verjährung aus Gründen der Rechtsicherheit von vornherein feststehen muss und nicht von dem ungewissen Ergebnis einer (nachträglichen) Prüfung abhängen darf, ob schon mit Beendigung des ersten Rechtszuges eine Pauschvergütung verdient war oder erst später infolge weiterer entfalteter anwaltlicher Tätigkeit entstanden ist. Aus diesem Grund stellt das KG Berlin ausdrücklich fest, dass der Anspruch aus § 51 RVG hinsichtlich des Verjährungsbeginns nicht mit dem Anspruch des Pflichtverteidigers nach § 55 RVG gleichbehandelt werden darf (NStZ-RR 2015, 296).

Im vorliegenden Fall geht es aber allein um den Anspruch des Pflichtverteidigers auf seine Regelvergütung, die mit Abschluss der ersten Instanz fällig wird, ohne dass es auf die Rechtskraft der Entscheidung ankommt.“

Also: Augen auf und sich nicht durch die Rechtsprechung der OLG zur Verjährung der Pauschvergütung verwirren lassen.