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Die Handy-Videoaufnahme im Vergewaltigungsverfahren

In einem beim LG Weiden i. d. OPf.  anhängigen Vergewaltigungsverfahren hat eine Handy-Videoaufnahme eine Rolle als Beweismittel gespielt, das die Tochter des Angeklagten gefertigt hatte. Wovon bleibt im BGH, Beschl. v. 08.08.2013 – 1 StR 306/13 offen. Aus dem (knappen) BGH-Beschluss ergibt sich dann weiter, dass jedenfalls der Angeklagte in der Revision ein auf § 252 StPO beruhendes Beweisverwertungsverbot geltend gemacht hat. Und damit ist er dann mal wieder an § 344 Abs. 2 Satz StPO gescheitert. Dieses Mal m.E. aber nicht, weil der BGH flugs die Messlatte höher gelegt hat, sondern:

„Die Rüge eines Verstoßes gegen § 252 StPO im Hinblick auf eine Handy-Videoaufnahme ist schon unzulässig. So ist nicht vorgetragen, ob die Tochter des Angeklagten in der Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht oder Entsprechendes eindeutig und bestimmt vorher erklärt hat bzw. ihre zur Entscheidung über die Verweigerung des Zeugnisses befugten Vertreter solches für sie getan haben. Aus dem Vortrag, dass sie bei ihrer Vernehmung vor dem Ermittlungsrichter die „Aussage verweigert“ habe, ergibt sich dies nicht, da offen bleibt, in welchem Verfahren – wie der Senat den Urteilsausführungen entnehmen kann, gab es auch ein Verfahren we-gen der Vorwürfe zum Nachteil dieser Tochter – die ermittlungsrichterliche Vernehmung erfolgt ist. Zudem genügt der Vortrag der Revision auch insoweit nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, als offen bleibt, unter welchen Umständen die Handy-Videoaufnahme in den Besitz der Strafverfolgungsbehörden gelangt ist. Dies wäre indes erforderlich, um beurteilen zu können, ob sich das Verwertungsverbot des § 252 StPO überhaupt auf diese er-streckt (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2012 – 1 StR 137/12, NStZ 2013, 247 mwN).“

Gelegentlich lohnt sich ein Blick in die Rechtsprechung des BGH.

 

Ablehnung I: Vortätigkeit des Richters – sag mir die Umstände…

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Viele Ablehnungsgesuche werden mit einer sog. „Vortätigkeit“ des Richters, sei es in einem andern Verfahren, sei es im anhängigen Verfahren begründet. Eine solche Fallgestaltung behandelt der BGH, Beschl. v. 30.01.2013 – 2 StR 55/12. Das Ablehnungsgesuch hatte – wie häufig in diesen Fällen – keinen Erfolg, allerdings nicht wegen der 1.

„Die Verfahrensbeanstandungen der Revision des Angeklagten S. gehen fehl. Der Erörterung bedarf nur Folgendes:

Die Revision macht eine Verletzung von § 27 Abs. 1 StPO geltend, weil die Berufsrichter der Kammer wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt wurden und selbst über das Ablehnungsgesuch entschieden haben, das sie als unzulässig im Sinne von § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO angesehen haben. Diese Rüge ist nicht zulässig. Der Beschwerdeführer ist nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO gehalten, die den Verfahrensmangel begründenden Tatsachen so genau anzugeben, dass das Revisionsgericht allein aufgrund der Begründungsschriften prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn das tatsächliche Vorbringen der Revision zutrifft. Dies gilt auch für Rügen zur Richterablehnung (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Februar 2012 – 5 StR 432/11, StV 2012, 587). 

Die Richterablehnung des Angeklagten S. bezog sich auf Äußerungen der Richter in einer Entscheidung über die Fortdauer der Untersuchungshaft, die in der Revisionsbegründung nicht mit ihrem gesamten Inhalt mitgeteilt und innerhalb des – seinerseits zwar mehrfach, aber auch nur lückenhaft mitgeteilten – Ablehnungsgesuchs nur sinngemäß referiert wurden. Eine den Verfahrensgegenstand betreffende Vortätigkeit eines erkennenden Richters ist, soweit sie nicht den Tatbestand eines Ausschlussgrundes gemäß § 23 StPO erfüllt, nach ständiger Rechtsprechung regelmäßig nicht dazu geeignet, die Besorgnis der Befangenheit des Richters zu begründen, wenn nicht besondere Umstände hinzukommen, die diese Besorgnis rechtfertigen. Ob solche Umstände in Betracht kamen oder so fern lagen, dass die nach Ansicht des Landgerichts verfehlte Ablehnungsbegründung dem Fehlen einer Begründung im Sinne von § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO gleichzustellen war, kann vom Revisionsgericht nur geprüft werden, wenn die Revisionsbegründung auch die hierfür maßgeblichen Einzelheiten genau mitteilt. Daran fehlt es.“

Aus der Kiste: Begründung der Verfahrensrüge – Wo wohnt der Angeklagte im Inland?

Aus der Kiste „ausreichende Begründung der Verfahrensrüge“ (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) – ich habe nicht geschrieben „Trickkiste“ 🙂 – stammt der KG, Beschl. v. 05.04.2013 – (4) 161 Ss 78/13 (71/13), der sich u.a. mit den Anforderungen an die Zulässigkeit der Verfahrensrüge befasst, wenn die Unzulässigkeit der öffentlichen Zustellung des Angeklagten zur Berufungshauptverhandlung, in der seine Berufung wegen unentschuldigten Ausbleibens verworfen worden ist, gerügt wird. Dazu der KG, Beschl.:

„…Will die Revision die fehlerhafte Ladung rügen, muss sie alle hierfür maßgeblichen Umstände schlüssig vortragen (vgl. KG NStZ 2009, 111; OLG Stuttgart Justiz 2006, 235; OLG Hamm NStZ-RR 2005, 114; Meyer-Goßner aaO). Dazu zählt auch die Anschrift, unter welcher der Angeklagte hätte geladen werden können, wo er also tatsächlich gewohnt hat, sowie  die Umstände, aufgrund derer das Gericht dies hätte erkennen oder ermitteln können (vgl. OLG Düsseldorf VRS 97, 132). Wenn die Ladung durch öffentliche Zustellung nach § 40 Abs. 2 StPO bewirkt worden ist, weil der Angeklagte bereits zu einer früheren Hauptverhandlung geladen werden konnte, muss die Revision den die Unzulässigkeit der öffentlichen Zustellung bewirkenden Umstand mitteilen, dass seine Ladung im Inland hätte bewirkt werden können. Die inländische Anschrift ist anzugeben.

 Diesen Anforderungen genügt die Revision nicht. Der Verteidiger teilt lediglich mit, die Angeklagte sei zur erstinstanzlichen Hauptverhandlung über die JVA geladen worden und nach der Verurteilung in ihr Heimatland abgeschoben worden. Weiter trägt er vor, die jetzige Wohnanschrift der Angeklagten (offenbar in Rumänien) sei bekannt, ein Versuch, sie hierüber zu laden, sei durch das Landgericht aber nicht unternommen worden.

Die Revision teilt hingegen schon nicht die (ausländische) Anschrift mit, unter der eine Ladung der Angeklagten möglich gewesen wäre. Insbesondere unterlässt sie die Erklärung, unter welcher inländischen Anschrift die Angeklagte hätte geladen werden können. Das wäre erforderlich gewesen, weil die öffentliche Zustellung der Ladung zur Berufungshauptverhandlung nur unzulässig gewesen wäre, wenn sie im Inland hätte bewirkt werden können. Denn die Angeklagte war zur Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht bereits wirksam über die JVA geladen worden. Nach § 40 Abs. 2 StPO kann der in erster Instanz zur Hauptverhandlung nach allgemeinen Vorschriften geladene Angeklagte durch öffentliche Zustellung geladen werden, wenn er nach Einlegung von Rechtsmitteln ins Ausland übersiedelt oder dorthin zurückkehrt (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2004, 48 mwN). Im diesem Falle erwartet der Gesetzgeber, dass der Betroffene sich um den weiteren Fortgang des Verfahrens kümmert und Vorsorge dafür trifft, dass ihn im Inland zu bewirkende Zustellungen fortan erreichen (vgl. KG aaO; OLG Frankfurt aaO). Dies kann durch die Erteilung einer schriftlichen Ladungsvollmacht nach § 145a Abs. 2 Satz 1 StPO gegenüber dem Verteidiger oder auf andere Weise geschehen (vgl. KG aaO). Die erforderliche Mitteilung einer derartigen inländischen Zustellungsmöglichkeit enthält das Revisionsvorbringen nicht.

Wie gehabt bei der Verfahrensrüge. Da ist also eine Menge zu recherchieren und vorzutragen, will man die Hürde des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO überspringen.

Wenn schon (nachgeholte) Verfahrensrüge, denn schon = dann muss es aber auch passen…

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Das Urteil des BVerfG v. 19.03.2013 zur Verständigung (vgl. hier: Da ist die Entscheidung aus Karlsruhe: Die genehmigte Verständigung, der verbotene Deal ) wirft allmählich Wellen in der Rechtsprechung des BGH (vgl. dazu schon hier: Gedanken des BGH nach dem Absprache-Urteil des BVerfG: Der “Sonderstrafrahmen”). Der BGH, Beschl. v. 22.05.2013 – 4 StR 121/13 – behandelt in dem Zusammenhang einen interessanten Nebenaspekt:

Der Verteidiger des u.a. wegen versuchten Mordes verurteilten Angeklagten hatte gegen das Urteil des LG Passau v. 23.11.2012 Revision eingelegt. Über die war bei Erlass des Urteils des BVerfG vom 19.03.2013 noch nicht entschieden. Der Verteidiger hat dann einen Wiedereinsetzungsantrag zur Nachholung einer Verfahrensrüge gestellt, und zwar wollte er die Rüge des fehlenden Negativattestes (§ 273 Abs. 1a Satz 3 StPO) erheben (vgl. dazu das BVerfG, Urteil, a.a.O.).

Das ist beim BGH aus zwei Gründen gescheitert:

Grund 1: Die Rüge scheitert schon aus formalen Gründen, weil sie nicht den strengen Anforderungen des BGH an diese Rügen entsprochen hat. Schon das irritiert im Hinblick auf die erhobene Rüge. Wenn schon, denn schon..

Grund 2: Der vom BGH angeführte Grund 2 irritiert mich noch mehr. Der BGH führt aus:

„2. Auch bei Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bliebe die Rüge ohne Erfolg; denn sie wäre unbegründet. Aus dem Rügevorbringen ergibt sich, dass Verständigungsgespräche zu keinem Zeitpunkt stattgefunden haben (Schriftsatz vom 24. April 2013, S. 5 f.). Es kann somit sicher ausgeschlossen werden, dass das Urteil auf eine gesetzwidrige „informelle“ Absprache oder diesbezügliche Gesprächsbemühungen zurückgeht (BVerfG, NJW 2013, 1058, 1067).“

Man fragt sich danach schon: Was soll dann mit der Rüge eigentlich  erreicht werden?

Und wieder „Verteidigerfehler“ Verfahrensrüge – was ist daran denn so schwer?

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Ich habe ja schon öfters über die Begründung der revisionsrechtlichen Verfahrensrüge berichtet, über der das scharfe Schwert des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO hängt. Beklagt wird häufig, dass die Revisionsgerichte, diese Vorschrift viel zu streng auslegen und man sich manchmal nicht des Eindrucks erwehren kann, dass über den Weg der nicht ausreichenden, den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht genügenden Begründung der formale Weg zur Verwerfung der Revision gesucht (und gefunden) wird. Das mag alles sein und darüber kann man an dieser Stelle sicherlich nicht diskutieren. Andererseits kann/darf man aber auch nicht übersehen, dass von Verteidigern bei der Begründung der Revision häufig „Steilvorlagen“ gegeben werden, um das Rechtsmittel unter Berufung auf den § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO zu verwerfen.

Ein schönes (?) Beispiel ist da mal wieder der BGH, Beschl. v. 07.05.2013 – 4 StR 475/12. Gerügt wird mit der Verfahrensrüge, dass ein Ablehnungsgesuch des Verteidigers gegen eine Richterin der Strafkammer zu Unrecht verworfen worden sei, also § 338 Nr. 3 StPO. Zur Begründung dieser Rüge muss nach der Rechtsprechung alles vorgetragen werden, was mit dem Ablehungsgesuch zusammenhängt, also der Ablehnungsantrag, ggf. abgegebene dienstliche Äußerungen, der vom Gericht erlassene Beschluss. Aus dem Revisionsvortrag muss sich (natürlich) auch ergeben, was denn Anlass zu dem Verhalten des Richters gewesen ist, das den Ablehnungsantrag und die Besorgnis der Befangenheit begründen soll. Und an letzterem hat es im vom BGH entschiedenen Fall gehapert, so dass der BGH nur ganz knapp zur Verfahrensrüge Stellung nehmen konnte.

„1. Die Verfahrensrüge, das Ablehnungsgesuch des Verteidigers K. vom 20. Januar 2011 gegen Richterin am Landgericht S. sei zu Unrecht verworfen worden, entspricht nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. In der Revisionsbegründung wird der Inhalt des von Rechtsanwalt T. verlesenen Antrags, der zu der beanstandeten Reaktion der Richterin geführt haben soll, nicht mitgeteilt.“

Ich frage mich bei solchen Entscheidungen immer: Ist es denn wirklich so schwer, das Verfahrensgeschehen umfassend und für eine Verfahrensrüge ausreichend darzustellen? Manchmal liegen die Hürden sicherlich hoch, wenn nicht gar zu hoch. In diesem Fall aber m.E. nicht. Das sollte man können.