Schlagwort-Archive: Urteil

OLG Hamm zur Geschwindigkeitsüberschreitung und Geständnis

Das OLG Hamm, Beschl. v. 15.02.2011 – III-3 RBs 30/11 bestätigt die Rechtsprechung des 3. Senats für Bußgeldsachen, wonach bei geständiger Einlassung eines Betroffenen Feststellungen zu Messverfahren und Toleranzabzug im Urteil unterbleiben dürfen; andere Senate und Gerichte sehen das ein wenig strenger.

Eine Verurteilung wegen fahrlässiger Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit sei nicht zu beanstanden, wenn im Urteil zwar Angaben zum Messverfahren und zum Toleranzabzug nicht enthalten sind, der Betroffene sich aber vollumfänglich geständig eingelassen hat. Die fraglichen Angaben seien kein Teil der den Schuldspruch wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung tragenden Feststellungen, sondern gehören zu der ihm zugrunde liegenden Beweiswürdigung. In deren Rahmen dürfen sie durch die Bezugnahme auf das Geständnis des Betroffenen unterbleiben. Es reiche aus, wenn der Tatrichter sich Gewissheit von der Richtigkeit des Geständnisses verschafft hat und dies in den Urteilsgründen eindeutig zum Ausdruck bringt.

Verleihe nie deinen Ausweis, denn das könnte fatale Folgen haben

Na, das habe ich bisher aber auch noch nicht gelesen bzw. der Sachverhalt, der der Entscheidung des BVerfG v. 10.09.2010 – 2 BvR 2242/09 zugrunde liegt, dürfte in der Praxis nicht so häufig vorkommen. Da wendet sich ein Verurteilter gegen die Ablehnung der Berichtigung eines Strafurteils. Er macht geltend: Er sei trotz übereinstimmender Personalien nicht die in der Hauptverhandlung erschienene und verurteilte Person und habe auch mit dem der Verurteilung zugrunde liegenden Sachverhalt nichts zu tun. Der wahre Täter und Verurteilte sei ein anderer. Er habe diesem zeitweise seinen Ausweis überlassen. Nachdem er, der Verurteilte, zur Hauptverhandlung geladen worden sei, habe ihm der wahre Täter versprochen, die Sache zu regeln. Weiterlesen

Warum tun Tatrichter das?, oder: Die geschriebene Lücke

Selbst auf die Gefahr hin, dass ich jetzt wieder böse Kommentare von Amstrichtern bekomme: Ich war gelinde gesagt sehr erstaunt, als ich den Beschl. des OLG Celle v. 02.02.2010 – 32 Ss 6/10, den mir ein Kollege im Anschluss an ein Seminar hat zukommen lassen, gelesen habe. Es geht um die Anforderungen an die Urteilsgründe bei einem nicht rechtskräftigen Urteil. Da scheint der Amtsrichter einiges in § 267 StPO gründlich missverstanden zu haben. Ist ja auch eine „lange“ Vorschrift mit sechs Absätzen, die auch noch aus mehreren Sätzen bestehen. Nicht gelesen (Kann ich mir nicht vorstellen)? Oder: Hatte der Tatrichter einfach keine Lust, mehr zu schreiben bzw. zu diktieren als „Einrücken Anklagesatz Klammer Blatt…..“. Denn mehr als den Anklagesatz hatte er hier zur Begründung einer Verurteilung wegen Straßenverkehrsgefährdung nicht gebracht, von den anderen Lücken des Urteils mal abgeshen 

Das führt dann beim OLG, dessen Verstimmung man im Beschl. deutlich spüren kann,  zu den Ausführungen:

„Die Feststellungen geben den (eingerückten) Anklagevorwurf, mit dem dem Angeklagten u.a. gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr vorgeworfen wor­den war, wieder und führen ergänzend aus, dass sich der diesem Anklagepunkt zugrunde gelegte Sachverhalt bestätigt hat. Unabhängig davon, dass Feststellungen zum inneren Tatbestand gänzlich fehlen und hier auch nicht auf der Hand liegen, tragen die Feststellungen auch nicht den objektiven Tat­bestand der ausgeurteilten Straßenverkehrsgefährdung. Es ist bereits fraglich, ob aufgrund der Feststellungen ein grob verkehrswidriges und rücksichtsloses Handeln des Angeklagten angenommen werden kann. Zumindest aber eine konkrete Gefahr lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen.“

Das ist ein „satter“ Verstoß gegen § 267 StPO und führt  zur Aufhebung. Das Urteil des Tatrichters ist m.E. ein Lehrstück, wie man es nicht macht: Lücke bei den tatsächlichen Feststellungen, Lücke bei der Beweiswürdigung, Lücke bei der Strafzumessung, alles in allem: Ein großes Loch.  Man fragt sich, warum tun Tatrichter das? Bringt doch nur Mehrarbeit, da ein anderer Kollege die Sache jetzt noch mal verhandeln darf/muss. Der freut sich natürlich.

Wer müht sich nach Rechtskraft im Strafverfahren um den dinglichen Arrest?

Verfall, Einziehung, dingliche Arreste nehmen im Strafverfahren zu und die damit zusammenhängenden Fragen gewinnen immer mehr an Bedeutung. Da sind dann schon zivilrechtliche und vollstreckungsrechtliche Kenntnisse gefragt, die Strafrichter häufig nicht mehr haben (ich denke da auch an mich…:-)). Deshalb kann man ja mal suchen, ob man die Sache nicht los wird. Das OLG Düsseldorf hat dazu in einem Beschluss vom 10.11.2008 (StV 2009, 233 f. die Auffassung vertreten, dass nach Rechtskraft des Urteils im Hauptsacheverfahren § 459g StPO der Anwendung von § 111f Abs. 5 StPO entgegenstünde, und deshalb ein Zivilgericht zur Entscheidung berufen sei. Das OLG Celle sieht das jetzt im Beschl. v. Beschl. v. 06.07.2010 – 2 Ws 236/10 – anders und meint:

Bereits der Wortlaut legt eine Anwendbarkeit des § 111f Abs. 5 StPO auch noch nach Rechtskraft des Urteils im zugrundeliegenden Strafverfahren nahe, wonach der Betroffen jederzeit die gerichtliche Entscheidung gegen Maßnahmen in Vollziehung einer Beschlagnahme oder des Arrestes beantragen kann (vgl. dazu auch MeyerGoßner StPO, 52. Aufl., § 111f Rn. 15. Karlsruher Kommentar, StPO, 6. Aufl., § 111f Rn. 7). Daneben spricht gegen die Auffassung des OLG Düsseldorf auch die Gesetzesbegründung zur Einführung von § 111f Abs. 5 StPO. Dort ist ausdrücklich erwähnt, dass nach Rechtskraft das Gericht des ersten Rechtszuges für die Entscheidung nach § 111f Abs. 5 StPO zuständig sein sollte (BTDrucks. 16/700 S. 13). Demnach wollte der historische Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 111f Abs. 5 StPO auch noch nach Rechtskraft eines Urteils in der Hauptsache die Möglichkeit der gerichtlichen Entscheidung durch ein Strafgericht und nicht die Zuständigkeit eines Zivilgerichtes herbeiführen.“ 

Tapfer, tapfer, denn damit bleibt es auf den zivilrechtlichen Fragen hängen.

Auch der BGH muss mal…

und zwar sich berichtigen :-).

Dazu: Als OLG-Richter war es mir immer peinlich/unangenehm, wenn in einem Beschluss/Urteil nach seiner Veröffentlichung = Versendung an die Verfahrensbeteiligten dann noch noch Schreibfehler entdeckt wurden. Und das, obwohl ja drei Richter gelesen haben (hoffentlich) und auf der Geschäftsstelle auch immer noch zwei Kanzleiangestellte gelesen haben (jedenfalls früher). Dennoch sind immer wieder noch Fehler aufgetreten, die dann auch berichtigt werden mussten. Es beruhigt mich dann nachträglich, wenn ich sehe, dass sich auch der BGH mal berichtigen muss. Ein „schönes“ Beispiel ist der Beschluss des 2. Strafsenats vom 18.08.2010 in 2 StR 454/09. Peinlich ist das schon, und dann auch noch in der Sache, vgl. hier die Ausgangsentscheidung.