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Strafzumessung III: Die Impfausweisfälschung …., oder: …. die Allgemeinheit gefährdende Urkundenfälschung

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Und als dritte Entscheidung dann noch OLG Karlsruhe, Beschl. v. 24.11.2022 – 3 Rv 32 Ss 675/22 – zur Bemessung einer Geldstrafe. Verurteilt worden ist der Angeklagtre offenabr wegen einer Impfausweisfälschung (durch einen Heranwachsenden [?]). Das OLG hat gegen die Strafzumessung des LG keine Bedenken:

„Ergänzend weist der Senat in Hinblick auf das Revisionsvorbringen auf Folgendes hin:

1. Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Seine Aufgabe ist es, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und die belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Das Revisionsgericht darf die Gesamtwürdigung nicht selbst vornehmen, sondern nur nachprüfen, ob dem Tatrichter bei seiner Entscheidung ein Rechtsfehler unterlaufen ist. Ein Eingriff des Revisionsgerichts ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung gelöst hat, gerechter Schuldausgleich zu sein. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle der Strafbemessung ist dagegen ausgeschlossen. In Zweifelsfällen muss das Revisionsgericht die vom Tatrichter vorgenommene Bewertung bis an die Grenze des Vertretbaren hinnehmen (BeckOK-von Heintschel-Heinegg, StGB, Stand 1.8.2022, Rdn. 167 zu § 46).

2. Unter Berücksichtigung dieses Maßstabes ist gegen die Höhe der Geldstrafe im vorliegenden Fall nichts zu bemerken. Das Landgericht hat eine individuelle Abwägung der Strafzumessungsgesichtspunkte vorgenommen. Die Höhe der Geldstrafe ist auch nicht unverhältnismäßig, denn die verhängte Strafe hat sich weder nach oben noch nach unten von ihrer Bestimmung gelöst, gerechter Schuldausgleich zu sein, sondern liegt immer noch am unteren Ende des Strafrahmens. Entgegen der Auffassung des Verteidigers hat das Landgericht nicht pauschal „ohne Rücksicht auf die jeweilige Person“ eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen verhängt, sondern eine Strafzumessung im Einzelfall durchgeführt.

Soweit das Landgericht bei der Strafzumessung die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind (§ 46 Abs. 1 Satz 2 StGB), nicht als bestimmende Strafzumessungserwägung erörtert hat, ist auch dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Zwar sind strafmildernd in der Regel besondere berufliche Folgen zu berücksichtigen, die sich aus der Verurteilung für den Angeklagten ergeben, allerdings sind diese nur dann ausdrücklich anzuführen, wenn der Täter durch die beruflichen Nebenwirkungen einer strafrechtlichen Verurteilung seine berufliche oder wirtschaftliche Basis verliert, insbesondere bei drohender standesrechtlicher Ahndung, beamtenrechtlichen Nebenfolgen, drohender Untersagung der Berufsausübung, drohendem Widerruf der Approbation oder Verlust des Pensionsanspruchs (BeckOK-von Heintschel-Heinegg, a.a.O., Rdn. 71 zu § 46; BGH, NStZ 2013, 522; BeckRS 2015, 17563; NStZ-RR 2022, 133; OLG Frankfurt, StraFo 2018, 161). Entsprechende berufliche Folgen sind vorliegend für den Angeklagten nicht zu erwarten.

Auch die Entscheidung des OLG Nürnberg (StV 2006, 694), wonach bei einem sich noch in der Berufsausbildung befindlichen Heranwachsenden eine Auseinandersetzung mit den Auswirkungen einer strafrechtlichen Eintragung im Führungszeugnis auf zukünftige Bewerbungen erforderlich ist, führt vorliegend zu keiner anderen Bewertung. Ausweislich des angefochtenen Urteils hat der Angeklagte bereits eine Berufsausbildung zum Friseur mit anschließender Meisterprüfung absolviert. Für die seit einem Jahr – nach einer beruflichen Umorientierung – ausgeübte Tätigkeit als ungelernter Verkäufer erscheint eine eintragungsfähige Verurteilung ebenfalls nicht ausschlaggebend.

Entgegen der Auffassung der Verteidigung ist die Fälschung eines Impfausweises auch nicht zwangsläufig mit anderen, mit einer niedrigeren Geldstrafe geahndeten Fällen der Urkundenfälschung vergleichbar. Vielmehr handelt es sich um eine die Allgemeinheit in der Corona-Pandemie gefährdende Urkundenfälschung, weil mittels eines gefälschten Impfpasses für Nichtgeimpfte geltende Kontaktbeschränkungen umgangen werden konnten, obwohl ein – mit höherer Wahrscheinlichkeit infolge der Impfungen – bestehender Schutz vor schweren Verläufen bei einer Covid-19-Erkrankung nicht gegeben war und damit eine erheblich höheres Risiko bestand, dass im Falle einer Erkrankung eine intensivmedizinische Behandlung – mit der weiteren Folge einer Überlastung der gesamten stationären Gesundheitsversorgung – notwendig werden würde.

Corona I: Vorlage eines gefälschten Impfpasses, oder: Strafbarkeit nach altem Recht?

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Und heute dann mal wieder ein paar Entscheidungen zu Corona und drum herum.

Zunächst noch einmal etwas zur Strafbarkeit der Vorlage eines gefäschlten Impfpasses in einer Apotheke (nach altem Recht). Das ist hinzuweisen auf:

    1. Der Tatbestand der Urkundenfälschung nach § 267 StGB wird bei der Vorlage eines gefälschten Impfpasses in einer Apotheke zwecks Erlangung eines COVID-19-impfzertifikats nicht durch die Vorschriften der §§ 277 bis 279 StGB in der bis zum 23. November 2021 geltenden Fassung verdrängt (Anschluss an Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 27. Januar 2022 – 1 Ws 114/21 –, juris; OLG Stuttgart, Beschluss vom 8. März 2022 – 1 Ws 33/22 ; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 31. März 2022 – 1 Ws 19/22; entgegen OLG Bamberg, Beschluss vom 17. Januar 2022 – 1 Ws 732/21).
    2. Bei § 75a Abs. 2 Nr. 1 IfSG in der Fassung vom 28. Mai 2021 handelt es sich um ein Allgemeindelikt, wonach sich derjenige strafbar machen kann, der in der Apotheke einen Impfausweis vorlegt, in welchem die Impfung durch einen Arzt unrichtig eingetragen worden ist (obiter dictum).

Zwar handel es sich bei einem Impfbuch um eine Urkunde i.S.d. § 267 StGB und darüber hinaus um ein Gesundheitszeugnis i.S.d. § 277 StGB a.F., bei Vorlage eines gefälschten Impfbuches zur Erlangung eines Impfpasses ist jedoch ein Rückgriff auf § 267 StGB durch die Privilegierungswirkung der §§ 277, 279 StGB a.F. gesperrt.

Die Sperrwirkung der §§ 271 ff StGB besteht in sog. Altfällen nur dann, wenn von dem unrichtigen Gesundheitszeugnis zum Zweck Gebrauch gemacht wurde, eine Behörde oder Versicherungsgesellschaft zu täuschen (Anschluss an OLG Stuttgart 1 Ws 33/22 und OLG Hamburg 1 Ws 114/21).

StGB III: Digitale Fälschung eines Verrechnungsschecks, oder: Strafbar?

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Und zum Schluss dann noch etwas vom AG, nämlich der AG Karlsruhe, Beschl. v. 18.01.2022 – 17 Ds 640 Js 41134/18, den mir der Kollege Just aus Karlsruhe geschickt hat.

Die StA wirft dem Angeschuldigten vor, am 27.08.2018 der pp.-Bank Karlsruhe eG, per E-Mail einen Scan eines gefälschten Verrechnungsschecks der pp.-Bank mit Datum vom 11.04.2018 über 25.000,00 EUR übersandt und angekündigt zu haben, diesen einzureichen, um die pp.-Bank eG zur Gutschrift dieses Betrages auf das Konto der Fa. pp. GmbH zu veranlassen und sich dadurch eine Einnahmequelle von einiger Dauer und gewissem Umfang zu verschaffen. Dabei soll er jedenfalls billigend in Kauf genommen haben, dass der Verrechnungsscheck gefälscht gewesen sei.

Das AG hat aus rechtlichen Gründen nicht eröffnet werden (§§ 204 Abs. 1, 210 Abs. 2 StPO).:

§ 152a Abs. 1 Nr. 2 StGB sieht eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahre oder Geldstrafe vor, wenn jemand zur Täuschung im Rechtsverkehr oder, um eine solche Täuschung zu ermöglichen, solche falschen Karten, Schecks, Wechsel oder anderen körperlichen unbaren Zahlungsinstrumente sich oder einem anderen verschafft, freihält, einem anderen überlässt oder gebraucht.

Eine tatbestandsmäßige Handlung liegt hier nicht vor. Für Gebrauchen im Sinne des § 267 StGB genügt das Vorlegen einer als solche erkennbaren Abschrift in der Regel nicht. Zwar ist ein Gebrauchen im Sinne des § 267 StGB anzunehmen, wenn die Fotokopie einer unechten Originalurkunde verwendet wird und die Kopie als solche erscheinen soll (Fischer, StGB, 69. Aufl. 2022, § 267 Rn. 37 m.w.N.). Das Vorlegen der Kopie einer falschen Urkunde kann aber nur Gebrauchen der gefälschten Urkunde sein, wenn überhaupt jemals eine (falsche) Urkunde vorgelegen hat (vgl. Fischer, a.a.O., § 267 Rn. 19). Hieran fehlt es. Dass der eingescannte gefälschte Scheck vorliegend jemals verkörpert Vorgelegen hat, lässt sich der Akte nicht zweifelsfrei entnehmen.

Zwar führt die Staatsanwaltschaft aus, es sei unerheblich, ob die Fälschung verkörpert sei oder lediglich in digitaler Form existiere, da der Tatbestand des § 152a StGB auch die Fälle des § 269 StGB umfasse und verdränge (MüKoStGB/Erb, 4. Auf!. 2021, StGB § 152a Rn. 16). § 269 StGB umfasse dabei auch Datenurkunden (BeckOK StGB/Veidemann, 51. Ed. 1.11.2021, StGB § 269 Rn. 9).

Ein Verrechnungsscheck wird allerdings ausschließlich in Papierform ausgestellt und durch physische Vorlage bei einer Bank verwendet. Dies bestätigte auch die PP. Karlsruhe mit Schreiben vom 16.08.2021 (AS 671). Digitale Daten sind auf der Urkunde nicht gespeichert. Die digitale Fälschung einer solchen Papierurkunde mittels Bildbearbeitungsprogramms unterfällt nicht § 269 StGB, da es sich bei der durch Scan oder rein digital am PC erstellten Grafik- bzw. PDF-Datei nicht um „beweiserhebliche“ Daten handelt, die sodann manipuliert werden.

Auch bestehen Zweifel an der Erfüllung des subjektiven Tatbestands. Insofern wird auf die Ausführungen des Verteidigers des Angeklagten (AS 655) Bezug genommen. Im Raum steht auch ein etwaiger Verbotsirrtum des Angeschuldigten.

Eine Versuchsstrafbarkeit nach § 152a Abs. 1, Abs. 2, 22, 23 StGB ist nicht Gegenstand der Anklageschrift vom 09.12.2019.“

Corona I: Vorlage eines gefälschten Impfbuchs, oder: Sperrwirkung in Altfällen vom OLG Stuttgart verneint

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Und in die 11. KW. starte ich dann mal wieder mit Entscheidungen zu Corona. Dazu habe ich länger nichts gebracht. Aber – die Zahlen zeigen es ja auch – der Mist ist lange noch nicht vorbei.

Zunächst hier dann der OLG Stuttgart, Beschl. v. 08.03.2022 – 1 Ws 33/22 – noch einmal zur Frage der Verdrängung des Straftatbestandes der Urkundenfälschung gemäß § 267 Abs. 1 StGB durch § 279 StGB a.F. in den Fällen der sog. Impfausweisfälschung. Die Frage ist ja in Rechtsprechung und Literatur umstritten; Nachweise findet man in der Entscheidung des OLG. Das OLG Stuttgart hat sich der Auffassung angeschlossen, die eine Sperrwirkung verneint, und das umfassend begründet:

„3. Die Anwendung des Straftatbestandes der Urkundenfälschung gemäß § 267 Abs. 1 StGB wird im vorliegenden Fall nicht durch § 279 StGB verdrängt.

a) Gemäß § 279 StGB in der bis zum 23. November 2021 geltenden Fassung wird bestraft, wer, um eine Behörde oder eine Versicherungsgesellschaft über seinen oder eines anderen Gesundheitszustand zu täuschen, von einem Zeugnis der in den §§ 277 oder 278 StGB bezeichneten Art Gebrauch macht. § 279 StGB stellt mithin den Gebrauch gefälschter Gesundheitszeugnisse im Sinne des § 277 StGB oder unrichtiger Gesundheitszeugnisse im Sinne des § 278 StGB unter Strafe.

b) Nach zutreffender herrschender Meinung verdrängt § 279 StGB a.F. jedenfalls bei Vorliegen sämtlicher Tatbestandsvoraussetzungen – als Privilegierungstat-bestand nach den Grundsätzen der Spezialität einen gleichzeitigen Verstoß gegen § 267 StGB (MüKoStGB/Erb, 3. Auflage 2019, § 279 StGB, Rn. 5; NK-StGB/ Puppe/Schumann, 5. Auflage 2017, § 279 StGB, Rn. 9; vgl. auch Schönke/Schröder/Heine/Schuster, 30. Auflage 2019, § 277 StGB, Rn. 12; Lack-ner/Kühl/Heger, 29. Auflage 2018, § 277 StGB, Rn. 5; so auch bereits das Reichsgericht, Urteil vom 1. Dezember 1881 – 2112/81, RGSt 6, 1 f.). Während § 267 StGB mit Geldstrafe oder mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren geahndet werden kann, sehen die Straftatbestände der §§ 277 bis 279 StGB nur Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem (§§ 277, 279 StGB) bzw. bis zu zwei Jahren (§ 278 StGB) vor. Zudem besteht in den Fällen der §§ 277 bis 279 StGB keine Versuchsstrafbarkeit.

c) Nach derzeitigem Ermittlungsstand handelt es sich bei dem durch den Ange-klagten vorgelegten Impfpass um ein objektiv unrichtiges Gesundheitszeugnis gemäß den §§ 277 ff. StGB. Gesundheitszeugnisse sind Urkunden, die Erklä-rungen zum Gesundheitszustand eines Menschen enthalten (vgl. Fischer, StGB, 68. Auflage 2021, § 277 Rn. 3; MüKoStGB/Erb, 3. Auflage 2019, § 277, Rn. 2). Hierunter fällt auch der Impfnachweis, da die Impfung eine Information über die voraussichtlich gesteigerte Immunabwehrkraft als Aspekt des Gesundheitszustandes impliziert (Gaede/Krüger, NJW 2021, 2159, 2163; siehe auch RGSt 24, 284; OLG Hamburg, Beschluss vom 27. Januar 2022 – 1 Ws 114/21, juris, Rn. 16; OLG Bamberg, Beschluss vom 17. Januar 2022 – 1 Ws 732/21, juris, Rn. 14).

Eine Strafbarkeit nach § 279 StGB a.F. setzt jedoch das Gebrauchen des Gesundheitszeugnisses zur Täuschung einer Behörde (oder einer Versicherungsgesellschaft) voraus. Dabei ist eine Behörde ein ständiges, von der Person des Inhabers unabhängiges, in das Gefüge der öffentlichen Verwaltung eingeordnetes Organ der Staatsgewalt mit der Aufgabe, unter öffentlicher Autorität nach eigener Entschließung für Staatszwecke tätig zu sein (Fischer, StGB, 69. Auflage 2022, § 11, Rn. 29 mwN).

Bei einer Apotheke handelt es sich nicht um eine Behörde in diesem Sinne, sondern um ein privates Unternehmen (LG Osnabrück, Beschluss vom 26. Oktober 2021 – 3 Qs 38/21, juris, Rn. 9). Auch die Tatsache, dass gemäß § 22 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 VSG die Durchführung einer Schutzimpfung gegen das Coronavirus in einem digitalen Impfzertifikat auch von Apotheken zu bescheinigen ist, führt nicht dazu, dass diese als Behörden im Sinne des § 279 StGB a.F. anzusehen sind.

Der Umstand, dass gemäß § 22 Abs. 5 Satz 3 IfSG eine zur Bescheinigung der Schutzimpfung verpflichtete Apotheke bestimmte personenbezogene Daten an das Robert-Koch-Institut als Bundesbehörde übermittelt, welches das COVID-19-Impfzertifikat technisch generiert, führt vorliegend ebenfalls nicht zu einer Strafbarkeit nach §§ 277 ff. StGB. Zwar erfordert ein „Gebrauch machen“ im Sinne des § 279 StGB keine eigenhändige Vorlage, es setzt jedoch ein – wenn auch nur mittelbares – Verbringen in den Machtbereich der Behörde mit der Möglichkeit jederzeitiger sinnlicher Wahrnehmung bzw. Kenntnisnahme voraus (OLG Stuttgart, Urteil vom 25. September 2013 – 2 Ss 519/13, juris, Rn. 21). Gemäß § 22 Abs. 5 IfSG werden dem Robert-Koch-Institut lediglich die personenbezogenen Daten aus dem vorgelegten Impfpass in elektronischer Form übermittelt, nicht jedoch der vorgelegte Impfpass selbst, so dass das Robert-Koch-Institut diesbezüglich keine eigene Möglichkeit der Kenntnisnahme hat (vgl. LG Osnabrück, Beschluss vom 26. Oktober 2021 – 3 Qs 38/21, juris, Rn. 12; OLG Bamberg, Beschluss vom 17. Januar 2022 – 1 Ws 732/21, juris, Rn. 52).

d) Da das Impfbuch im vorliegenden Fall nicht gebraucht wurde, um eine Behörde bzw. Versicherungsgesellschaft zu täuschen, vermag die zur Tatzeit geltende Fassung der §§ 277, 279 StGB nach Auffassung des Senats gegenüber dem Delikt der Urkundenfälschung keine Sperrwirkung zu entfalten.

In der Literatur wird überwiegend vertreten, dass die §§ 277 ff. StGB in der bis zum 23. November 2021 geltenden Fassung gegenüber dem Delikt der Urkundenfälschung eine umfassende Privilegierung des Umgangs mit gefälschten bzw. unrichtigen Gesundheitszeugnissen darstellten (vgl. MüKoStGB/Erb, 3. Auflage 2019, § 277, Rn, 11; Hoyer, SK-StGB, 9. Auflage 2017, § 277 Rn. 5; Zieschang in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Auflage 2009, § 277, Rn. 16). Dieser Ansicht haben sich mittlerweile auch mehrere Gerichte angeschlossen (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 17. Januar 2022 – 1 Ws 732/21, juris; LG Osnabrück, Beschluss vom 26. Oktober 2021 – 3 Qs 38/21, juris; LG Karlsruhe, Beschluss vom 26. November 2021 -19 Qs 90/21; LG Kaiserslautern, Beschluss vom 23. Dezember 2021 – 5 Qs 107/21, juris; LG Landau, Beschluss vorn 13. Dezember 2021 – 5 Qs 93/21; zweifelnd hingegen LG Heilbronn, Beschluss vom 11. Januar 2022 – 1 Qs 95/21, juris). Nach der ebenfalls vertretenen Gegenauffassung (OLG Hamburg, Beschluss vom 27. Januar 2022 – 1 Ws 114/21, juris) sollte jedoch lediglich die Vorlage gefälschter bzw, unrichtiger Gesundheitszeugnisse gegenüber Behörden und Versicherungen privilegiert werden.

e) Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an.

Die §§ 277 bis 279 StGB in der bis zum 23. November 2021 gültigen Fassung befinden sich bereits seit dem Jahr 1871 im Kern unverändert im deutschen Strafgesetzbuch (vgl. RGBI. 1871, 127 [180]). Angesichts des Alters der Normen und des seither erfolgten vielfältigen allgemeinen Bedeutungswandels des Strafrechts erscheint bei der Auslegung des Gesetzes der historische Wille des damaligen Gesetzgebers in seinem Gewicht vermindert (OLG Hamburg, Beschluss vom 27. Januar 2022 – 1 Ws 114/21, juris, Rn. 22 mwN). So erscheint es zwar durchaus möglich, dass der Gesetzgeber zur damaligen Zeit dem Inhalt eines Gesundheitszeugnisses nur eingeschränkte Aussagekraft zumessen und aus diesem Grund nicht die gleiche Bedeutung beimessen wollte wie einer sonstigen Urkunde (so OLG Bamberg, Beschluss vom 17. Januar 2022 – 1 Ws 732/21, juris, Rn. 19). Aus hiesiger Sicht ist es jedoch auch vorstellbar, dass der Gesetzgeber die Privilegierung der Vorlage von Gesundheitszeugnissen gegenüber Versicherungen und Behörden im Gegensatz zur Vorlage gegenüber Privaten deshalb eingeführt hat, weil er davon ausging, dass Versicherungen und Behörden die Fälschungen leichter zu erkennen vermögen als Privatpersonen (so LG Heilbronn, Beschluss vom 11. Januar 2022 – 1 Qs 95/21, juris, Rn. 12), oder weil gegenüber Versicherungen und Behörden häufig ein zumindest faktischer Zwang zur Einreichung von gesundheitlichen Zeugnissen besteht (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 27. Januar 2022 – 1 Ws 114/21, juris, Rn. 34).

Das Verhältnis zwischen § 267 StGB und den §§ 277 ff. StGB in der bis zum 23. November 2021 geltenden Fassung ist gesetzlich nicht ausdrücklich bestimmt. Das Gesetz enthielt insbesondere keine ausdrücklichen Hinweise auf einen Anwendungsvorrang der §§ 277 StGB (LG Heilbronn, Beschluss vom 11. Januar 2022 – 1 Qs 95/21, juris, Rn. 11). Ein solcher drängte sich unmittelbar nur in Fällen auf, in denen die Voraussetzungen der §§ 277 ff. StGB auch tatsächlich vorlagen (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 27. Januar 2022 – 1 Ws 114/21, juris, Rn. 38).

Aus einer systematischen Gesamtbetrachtung lässt sich entgegen der überwiegend vertretenen Auffassung gerade nicht zwingend entnehmen, dass der Gesetzgeber Gesundheitszeugnisse grundsätzlich anders behandeln wollte als sonstige Urkunden, so dass jene aus dem Anwendungsbereich der Urkundenfälschung herausfallen sollten (so auch OLG Hamburg, Beschluss vom 27. Januar 2022 – 1 Ws 114/21, juris, Rn. 27 ff.). Der Tatbestand der Urkundenfälschung schützt den Rechtsverkehr umfassend vor der Herstellung und dem Gebrauch unechter bzw. gefälschter Urkunden, wobei eine Beschränkung auf Bereiche, die als besonders schützenswert oder bedeutsam angesehen werden, gerade nicht stattfindet. Eine generelle Herausnahme von Gesundheitszeugnissen aus dem Anwendungsbereich der Urkundendelikte stünde in einem überraschenden Gegensatz zur grundsätzlich weitreichenden Regelung der Urkundendelikte, die auch eine Vielzahl von Lebenssachverhalten erfassen, deren Bedeutung für den Rechtsverkehr geringer ist als derjenige von Gesundheitszeugnissen (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 27. Januar 2022 – 1 Ws 114/21, juris, Rn. 27). Gegen die Annahme, dass der Gesetzgeber Täuschungen mit Gesundheitszeugnissen als generell weniger strafwürdig einstufte als Täuschungen mit sonstigen Urkunden, spricht vielmehr die erste Handlungsalternative des § 277 StGB in der bis zum 23. November 2021 geltenden Fassung, welche eine – nach den Urkundendelikten nicht strafbare – schriftliche Lüge beschreibt (NK-StGB/ Puppe/Schumann, 5. Auflage 2017, § 277 StGB, Rn. 7), womit die Strafbarkeit im Verhältnis zu sonstigen Urkundendelikten sogar erweitert wurde (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 27. Januar 2022 – 1 Ws 114/21, juris, Rn. 28). Dar-über hinaus ist gegen eine gewollte generelle Sonderstellung von Gesundheitszeugnissen anzuführen, dass diese aufgrund des Fehlens diesbezüglicher Regelungen in den §§ 277 ff. StGB a.F. – ebenso wie sämtliche anderen Urkunden – auch der Urkundenunterdrückung des § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB unterfielen (OLG Hamburg, Beschluss vom 27. Januar 2022 – 1 Ws 114/21, juris, Rn. 29).

Es ist zudem nicht ersichtlich, dass das Strafgesetzbuch seiner Systematik nach den Gebrauch falscher Gesundheitszeugnisse gerade gegenüber Behörden und Versicherungen als unrechtserhöhend einstufte; vielmehr enthält das Gesetz angesichts der weitreichenden Erfassung von Fälschungen durch § 267 StGB keine Hinweise darauf, die rechtserheblichen Auswirkungen der Vorlage von Zeugnissen gegenüber Privatleuten oder privaten Unternehmen generalisierend geringer einzustufen als die Vorlage bei Behörden oder Versicherungen (OLG Hamburg, Beschluss vom 27. Januar 2022 1 Ws 114/21, juris, Rn. 32 ff.).

Nach alledem erscheint es richtig, die zur Tatzeit geltende Fassung des § 279 StGB gegenüber dem Delikt der Urkundenfälschung nur dann als ver-drängenden Privilegierungstatbestand anzusehen, wenn von dem unrichtigen Gesundheitszeugnis zum Zweck Gebrauch gemacht wurde, eine Behörde oder Versicherungsgesellschaft zu täuschen.

Dieser Auffassung steht nicht entgegen, dass ohne eine umfassende Sperrwirkung der §§ 277 ff. StGB das bloße Fälschen eines Gesundheitszeugnisses, welches lediglich gemäß § 267 StGB strafbar war, schwerer bestraft würde als das Fälschen und die anschließende Vorlage im Sinne des § 277 StGB (so OLG Bamberg, Beschluss vom 17. Januar 2021 – 1 Ws 732/21, juris, Rn. 20). Dieser Problematik kann dadurch Rechnung getragen werden, die bloße Fälschung von Gesundheitszeugnissen dann unter die – § 267 StGB verdrängende Vorschrift des § 277 StGB in der bis zum 23. November 2021 geltenden Fassung fallen zu lassen, wenn deren Zweckbestimmung zur Täuschung im Rechtsverkehr sich lediglich auf Behörden und Versicherungen bezieht (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 27. Januar 2022 – 1 Ws 114/21, juris, Rn. 37).

Die vom Senat vertretene Auffassung verstößt aus den dargelegten Gründen auch nicht gegen Art. 103 Abs. 2 GG. Der Straftatbestand des § 267 StGB erfasst die Vorlage unrichtiger Gesundheitszeugnisse gegenüber Apotheken. Ausdrückliche Hinweise auf einen § 267 StGB verdrängenden Anwendungsvorrang des § 279 StGB enthält das Gesetz gerade nicht.“

Corona II: Nochmals Fälschung von Impfausweisen pp, oder: Doch keine Sperrwirkung zu § 267 StGB

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Und als zweites Posting dann hier der Hinweis auf den OLG Hamburg, Beschl. v. 27.01.2022 – 1 Ws 114/21. Ein sog. Abrundungsposting, das OLG behandelt nämlich eine Frage, mit der wir es aufgrund der Gesetzesänderungen im StGB am 24.11.2021 nicht mehr lange zu tun haben, nämlich Strafbarkeit der Impfpassfälschung nach altem Recht.

Ergangen ist der OLG-Beschluss auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen eine teilweise Nichteröffnung einer Anklage in Bezug auf zehn dem zur Last gelegte Taten.

Den Angeschuldigten wird in dem zugrunde liegenden Verfahren vorgeworfen, zwischen Juli und September 2021 gemeinschaftlich unerlaubt mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben zu haben (Fall 1 der Anklage vom 22. November 2021). Darüber hinaus wird dem Angeschuldigten pp. zur Last gelegt, in zehn Fällen gewerbsmäßig Urkundenfälschung begangen zu haben. Zur Begehung dieser Taten soll der Angeklagte jeweils in der Absicht, sich aus dem wiederholten Verkauf von gefälschten Impfpässen eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen, entweder an seiner Wohnanschrift in der pp., 22111 Hamburg, oder in einer Wohnung in der pp., 22147 Hamburg (Blanko-) Impfpässe mit den Namen seiner jeweiligen Kunden versehen, Eintragungen über angeblich erfolgte Erst- und Zweitimpfungen gegen das Sars-CoV-2-Virus mit Daten der beiden Impfungen, dem Impfstoff „Comirnaty“ und jeweils einer Chargennummer eingetragen, das Dokument mit einem Stempel mit dem Aufdruck „Landkreis Harburg, Impfzentrum Buchholz, Richard-Schmidt-Straße 27, 21244 Buchholz i.d.N.“ versehen und die Eintragungen mit einer nachgeahmten bzw. erfundenen Unterschrift des angeblichen Impfarztes abgezeichnet und die so hergestellten Impfzertifikate für zumeist je 200,- € je Stück an seine – wie er wusste – nicht gegen das Sars-CoV-2-Virus geimpften Kunden übergeben haben, damit diese die Möglichkeit hatten, sich gegenüber Dritten, z.B. in Apotheken, bei Veranstaltungen, in der Gastronomie, beim Reisen oder beim Arbeitgeber als geimpfte Personen auszugeben (Fälle 2 bis 11 der Anklage vom 22. November 2021). In Fall 10 der Anklage enthielt der Impfausweis allerdings noch keine Angaben zu der angeblich geimpften Person. In Fall 9 soll die Abnehmerin den manipulierten Impfpass in einer Apotheke vorgezeigt haben, um sich auch ohne tatsächlich durchgeführte Vakzination ein digitales Impfzertifikat ausstellen zu lassen, was aber nicht gelang, weil die Fälschung erkannt wurde.

Mit Beschluss vom 22. Dezember 2021 hat das Landgericht Hamburg das Hauptverfahren nur hinsichtlich der BTM-Delikte eröffnet und die Eröffnung hinsichtlich der übrigen Fälle der Anklage aus rechtlichen Gründen abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es sich zwar bei einem Impfausweis um ein Gesundheitszeugnis i.S.d. § 277 StGB a.F. handele, es jedoch an einem Gebrauchmachen des Gesundheitszeugnisses fehle. Auch eine Strafbarkeit nach § 267 StGB scheide aus, da die Anwendung dieser Vorschrift durch § 277 StGB a.F. als speziellere Regelung gesperrt werde, obschon die weiteren Voraussetzungen der Strafbarkeit nach § 277 StGB a.F. nicht gegeben seien.

Dagegen die sofortige Beschwerde der StA, die weitgehend Erfolg hatte. Das OLG Hamburg sieht die Rechtslage betreffend §§ 277StGB/§ 267 StGB anders als die wohl herrschende Meinung und begründet das umfangreich. Ich stelle hier aber mal nur (meinen) Leitsatz ein, und zwar:

„Die Anwendung des Straftatbestandes der Urkundenfälschung (§ 267 StGB) wird auch nach altem Recht nicht durch § 277 StGB in der zur bis zum 23.11.2021 geltenden Fassung ausgeschlossen.“

Rest dann bitte selbst lesen.