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Vollzug III: Keine „Stütze“/kein Taschengeld in der Unterbringung….

© mpanch - Fotolia.com

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Und dann noch die dritte Entscheidung mit vollzugsrechtlichem Einschlag (zum heutigen Tagesthema dann schon der KG, Beschl. v. 19.01.2016 – 2 Ws 15/16 Vollz und dazu: Vollzug I: Pflichtverteidiger/Beiordnung in (Disziplinar)Vollzugssachen? – Nein und der KG, Beschl. v. 11.01.2016 – 2 Ws 303/15 Vollz und dazu:Vollzug II: Religionsfreiheit im Strafvollzug). Den Abschluss macht jetzt der OLG Braunschweig, Beschl. v. 09.02.2016 – 1 VAs 7/15 zur Frage: Hat ein (einstweilig) Untergebrachter einen Anspruch auf die Gewährung von Sozialleistungen durch die Vollzugsbehörde im Rahmen der einstweiligen Unterbringung nach § 126 a StPO?

Es geht um folgende Problematik: Der Antragsteller ist auf der Grundlage eines Unterbringungsbefehls einstweilig gem. § 126a StPO in einem Maßregelvollzugszentrum untergebracht. Er hat die Übernahme der nicht näher bezifferten Kosten seiner Mietwohnung sowie die Zahlung eines Barbetrages (§ 11 Nds. MVollzG) beantragt. Diesen Antrag hat das Maßregelvollzugszentrum abgelehnt. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. §§ 23 ff. EGGVG. Das OLG hat den Antrag als unzulässig angesehen, aber auch Ausführungen zur Begründetheit gemacht:

Darüber hinaus wäre der Antrag auch unbegründet. Dem Antragsteller steht gegen den Vollzugsträger kein auf die Gewährung von Sozialleistungen gerichteter Anspruch zu. Hierzu hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 04. Januar 2016 Folgendes ausgeführt:

„Er kann die begehrten Sozialleistungen im Hinblick auf den Gesetzesvorbehalt des § 31 SGB AT nur aufgrund einer gesetzlichen Regelung geltend machen, die die Antragsgegnerin zur Leistung verpflichtet hätte (vgl. OLG Stuttgart, ZfStrVo 1994, 247 (248), sowie Keck, ZfStrVo 1990, 18 (19) bei Fußn. 22). § 31 SGB AT selbst enthält keine Anspruchsgrundlage, sondern schreibt vor, dass Sozialleistungen nur gewährt werden können, wenn dafür eine gesetzliche Grundlage besteht. Übertragen auf den vorliegenden Fall heißt dies, dass eine Vollzugsbehörde nicht berechtigt ist, einem einstweilig nach § 126a StPO Untergebrachten Taschengeld zu gewähren, wenn auf ein solches kein Rechtsanspruch besteht. Hierdurch wird abgesichert, dass keine Willkürentscheidungen getroffen werden und die Ansprüche haushaltsrechtlich abgesichert werden können. Die für die Gewährung von Geldleistungen erforderliche, in einem Gesetz geregelte Anspruchsgrundlage existiert jedoch nicht (vgl. hierzu die ausführliche Begründung im Beschluss des OLG Celle vom 18.03.1997, NStZ-RR 1998, 89; OLG Hamm, NStZ 1993, 608; BverwG DVBl 1994, 425).

Das Nds. MVollzG enthält keine rechtliche Grundlage, die es der Vollzugseinrichtung erlaubt, dem Antragsteller in seinem gegenwärtigen Status die von ihm beantragten Sozialleistungen zu gewähren. § 11 Nds. MVollzG sieht zwar die Gewährung von Taschengeld als Sozialleistung vor. Diese Norm gilt allerdings nur für die Personen, die von dem Anwendungsbereich des Gesetzes erfasst sind. Nach § 1 Nds. MVollzG regelt das Gesetz den Vollzug der durch strafrichterliche Entscheidung angeordneten freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt (Unterbringung). Bei der Unterbringung nach § 126a StPO handelt es sich jedoch nicht um eine Maßregel der Besserung und Sicherung, sondern lediglich um eine Sicherungsmaßnahme, die dem Ziel dient, eine strafrichterliche Maßregelentscheidung in einem prozessordnungsgemäßen Verfahren erst zu ermöglichen. Eine Verweisungsnorm, die die ergänzende Heranziehung des Maßregelvollzugsgesetzes in Niedersachsen auch für einstweilig Untergebrachte vorsieht, fehlt.

Auch § 138 StVollzG trifft keine Regelung zum Vollzug der einstweiligen Unterbringung nach  § 126 a StPO, sondern setzt die rechtskräftige Anordnung einer Maßregelunterbringung voraus und bestimmt insoweit, dass sich der Vollzug nach Landesrecht richtet, soweit Bundesgesetze nichts anderes bestimmen. Ein Landesgesetz, welches über die StPO hinaus konkrete Regelungen zum Vollzug der einstweiligen Unterbringung nach § 126 a StPO trifft, existiert in Niedersachsen bis heute nicht, sodass insoweit ausnahmslos die Regelungen der StPO gelten. Diese Regelungen befassen sich allerdings nur mit der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Gefangenen bzw. einstweilig Untergebrachten Beschränkungen auferlegt werden können. Einen Anspruch auf Sozialleistungen sieht die StPO für einstweilig nach § 126 a StPO Untergebrachte nicht vor. Die vom Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen in seinem Beschluss vom 07.06.2006 – L 7 AS 423/05 ER (zitiert nach juris) vor Geltung des NJVollzG auch für Untersuchungsgefangene angesprochene Lücke ist bezogen auf einstweilig nach § 126 a StPO Untergebrachte bis heute nicht geschlossen. In jener Entscheidung vertrat das Landessozialgericht die auf das Maßregelvollzugsgesetz übertragbare Auffassung, dass § 46 StVollzG nur für rechtskräftig verurteilte Gefangene, nicht jedoch für Untersuchungsgefangene gilt und der Untersuchungsgefangene keinen Anspruch darauf hat, dass diese im Strafvollzugsrecht gegenwärtig bestehende Lücke durch ein Tätigwerden des (Landes-)Gesetzgebers geschlossen wird. Es war deshalb der Meinung, dass der Untersuchungsgefangene, der in jenem Fall einen Antrag auf Gewährung eines Taschengeldes gestellt hat, sich an den Sozialleistungsträger nach dem SGB II zu wenden hat. Die Lücke ist für Untersuchungsgefangene durch § 43 NJVollzG zwischenzeitlich geschlossen worden, besteht mangels einer vergleichbaren Regelung für einstweilig nach § 126a StPO Untergebrachte aber weiterhin fort.“

Also – ein wenig flapsig: Keine „Stütze“ in der Unterbringung….

Zwei Monate rechtswidrig in der „Psychiatrie“ – zumindest 25.000 € Schmerzensgeld

© chris52 - Fotolia.com

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Eine m.E. in der Praxis eher seltenere Fallgestaltung hat das OLG Karlsruhe mit dem OLG Karlsruhe, Urt. v. 12.11.2015 – 9 U 78/11 – entschieden. Es hat nämlich dem Kläger, der für rund zwei Monate (rechtswidrig) in einer psychiatrischen Klinik untergebracht war, u.a. 25.000 € Schmerzensgeld zugesprochen. Der Kläger war am 15.06.2007 von Polizeibeamten in eine von der Beklagten betriebene psychiatrische Klinik gebracht worden. Ärzte dieser Klinik beantragten beim zuständigen AG die Anordnung der Unterbringung des Klägers wegen einer „Psychose mit Verfolgungswahn“.  Es sei von „Fremd- und Eigengefährdung“ auszugehen. Das AG ordnete in mehreren Beschlüssen die Unterbringung des Klägers in der psychiatrischen Klinik an. Aufgrund dieser Entscheidungen blieb der Kläger bis zum 11.08.2007 gegen seinen Willen in der Klinik und wurde in dieser Zeit zwangsweise medikamentös behandelt. Nach Entlassung des Klägers wurde auf dessen Antrag im Beschwerdeverfahren dann festgestellt, dass die Unterbringung rechtswidrig gewesen sei. Die Voraussetzungen einer Unterbringung hätten nach den Vorschriften des Unterbringungsgesetzes nicht vorgelegen. Der Kläger verlangte dann Schmerzensgeld und Schadensersatz im Wege der Amtshaftung für die durch die Unterbringung erlittenen Beeinträchtigungen. Zu der rechtswidrigen Unterbringung sei es nur auf Grund fehlerhafter ärztlicher Zeugnisse der verantwortlichen  Ärzte gekommen. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen, weil eine Amtspflichtverletzung der Ärzte nicht erkennbar sei. Das Urteil hat das OLG Karlsruhe nunmehr aufgehoben und dem Kläger für die knapp zweimonatige Unterbringung und zwangsweise medikamentöse Behandlung ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 € zugesprochen.

Zur Begründung dazu – zusammengefasst aus der PM des OLG – Rest bitte selbst lesen:

„Eine Amtspflichtverletzung der Ärzte liege vor. Bei der Ausstellung der für die Unterbringung notwendigen ärztlichen Zeugnisse seien von den Ärzten grundlegende fachliche Standards missachtet worden. Für eine Gefährdungsprognose im Sinne einer Eigen- und Fremdgefährdung habe es keine Grundlage gegeben. Unter diesen Umständen komme es nicht darauf an, ob bei dem Kläger zum Zeitpunkt der Unterbringung eine psychische Erkrankung vorgelegen habe, da eine psychische Erkrankung für sich allein – ohne Eigen- oder Fremdgefährdung – keine zwangsweise Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik rechtfertigen könne.  Schadensersatz für materielle Schäden wurde dem Kläger nur insoweit zugesprochen, als eine Verursachung der behaupteten finanziellen Einbußen durch die rechtswidrige Unterbringung nachzuweisen war.“

Nun  ja, 25.000 € ist ja schon mal was, aber „Bäume kann man damit nicht ausreißen“. Und: Wenn man liest, was der Kläger alles nicht im Wege des Schadensersatzes ersetzt bekommt ……

P.S. Dies hier eingestellte Entscheidung war dann übrigens die Nr. 3333.

Vollzug: Es gibt kein „Zimmer“ mit Telefon….

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Ganz gut zum gestern vorgestellten OLG Hamm, Beschl. v. 15.09.2015 – 1 Vollz (Ws) 401/15 (vgl. dazu Der Gefangene darf mit seinem Verteidiger telefonieren, oder: Es geht nicht um das Ob, sondern um das Wie) passt dann der KG, Beschl. v. 10.11.2015 – 5 Ws 120/15 Vollz -, den ich gestern übersandt bekommen habe. Es geht um die Rechtsbeschwerde eines Untergebrachten, der in der Unterbringung (im KrankenhausI ein Mobiltelefon besitzen und benutzen wollte. Die StVK hatte das abgelehnt, das KG hat sich dem angeschlossen.

Dazu dann folgende (amtlichen) Leitsätze:

  1. Der Besitz und die dadurch mögliche Benutzung eines Mobiltelefons gefährden sowohl in einer geschlossenen als auch in einer offenen Justizvollzugsanstalt generell die Sicherheit und Ordnung der Anstalt in einem Maße, das es ausschließt, einzelnen Gefangenen aufgrund einer auf deren Persönlichkeit zugeschnittenen individuellen Prüfung die Verwendung eines Handys innerhalb der Anstalt zu erlauben.
  1. Es ist kein sachlicher Grund dafür erkennbar, diese abstrakte Gefahr unterschiedlich zu beurteilen, je nach dem, ob sich der Betroffene in Untersuchungshaft oder im Straf- oder Maßregelvollzug befindet.

 

Genug ist genug: 26 Fernsehprogramme reichen in der Unterbringung

© Martina Berg - Fotolia.com

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Im Verfahren, das zu dem OLG Hamm, Beschl. v. 07.10.2014 – 1 Vollz(Ws) 404/14 – geführt hat, war der Antragsteller im Maßregelvollzug nach § 63 StGB untergebracht. Er hatte einen Antrag gestellt, in dem er beantragt hatte, die LWL-Maßregelvollzugsklinik X zu verpflichten, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die es ihm ermöglichen würden, alle frei empfangbaren digitalen TV- und Radiosendungen zu empfangen, sowie die Zwischenschaltung eines Konvertierungsgeräts – zur Umwandlung digitaler in analoge Signale – zu unterlassen. Damit ist er gescheitert. Das OLG Hamm sagt: Du kannst 26 Programme empfangen und das reicht.

Der Betroffene kann nicht beanspruchen, dass ihm durch entsprechende technische Maßnahmen der Zugang zu weiteren Fernsehprogrammen ermöglicht wird.

1. Zunächst fehlt es auf der Ebene des einfachen (Landes-)Rechts bereits an einer Norm, aus der sich ein entsprechender Anspruch ergeben könnte, denn das Maßregelvollzugsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen enthält keine dem § 69 StVollzG vergleichbare Norm, die den Zugang zu Medien ausgestaltet. Ausdrücklich heißt es lediglich in § 10 Abs. 1 MRVG NW, den Patientinnen und Patienten solle bei der Gestaltung ihrer Freizeit durch Angebote zur Fortbildung, sportlicher und gesellschaftlicher Betätigung geholfen werden. Ein subjektiv-öffentliches Recht auf Teilhabe am Fernsehempfang wird hierdurch nicht begründet.

2. Ferner trägt auch das Grundrecht der Informationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) i.V.m. dem auch im Maßregelvollzugsrecht geltenden Angleichungsgrundsatz (§ 1 Abs. 1 S. 3 MRVG NW) das Begehren des Betroffenen nicht. Das Grundrecht der Informationsfreiheit schützt das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Wenngleich dabei regelmäßig der abwehrrechtliche Charakter des Grundrechts im Vordergrund stehen dürfte (siehe Bethge in: Sachs (Hrsg.], Grundgesetz, 6. Auflage, Art. 5 RN 57b), kann in Anbetracht der Bedeutung des Grundrechts für den demokratischen Meinungsbildungsprozess kein Zweifel daran bestehen, dass das Grundrecht der Informationsfreiheit im Rahmen von Anstaltsverhältnissen auch ein Recht auf Zugang zu den Rundfunkmedien umfasst, zumal Hörfunk und Fernsehen als „Ersatzkommunikationsmittel“, die auch dazu dienen, der Isolation in der Haft bzw. Unterbringung und den sich daraus ergebenden Folgen entgegenzuwirken, für den Gefangenen bzw. Untergebrachten sogar von besonderer Bedeutung sind (Boetticher, in Feest [Hrsg.], AK-StVollzG, 6. Auflage, § 69 RN 1).
Ein Anspruch auf eine bestmögliche Versorgung ergibt sich hieraus aber nicht, vielmehr ist im Rahmen einer Gesamtschau zu ermitteln, ob sich die vorhandenen Informationsquellen als ausreichend und angemessen erweisen. Eine Verletzung des Grundrechts der Informationsfreiheit wäre insoweit allenfalls dann anzunehmen, wenn die vorhandenen Informationsquellen sich als lückenhaft darstellen und der Betroffene in der Folge von wesentlichen Teilen des gesellschaftlichen Informationsflusses faktisch ausgeschlossen ist. In diesem Sinne ist beispielsweise für den Bereich des Strafvollzuges bereits entschieden worden, dass ein Anspruch auf bestimmte Sender, die über den üblichen Empfang hinausgehen, nicht besteht (vgl. KG Berlin, a.a.O.; Boetticher, in: Feest [Hrsg.], AK-StVollzG, 6. Auflage, § 69 RN 22). Auch steht es grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Anstaltsleiters, in welcher Weise er den Empfang durch eigene Fernsehgeräte der Gefangenen organisiert und ausgestaltet (KG Berlin, a.a.O.).

Ausgehend von dieser rechtlichen Maßgabe ist dem Grundrecht des Rechtsbeschwerdeführers auf Informationsfreiheit mit der Bereitstellung des vorliegend vorhandenen Programmangebots, an dessen Auswahl die Untergebrachten zudem beteiligt waren, entsprochen worden, denn in Anbetracht von (unstreitig) immerhin 26 Fernsehsendern ist ein nur lückenhaftes Informationsangebot nicht zu besorgen, zumal auch der Betroffene selbst nicht geltend gemacht hat, dass das vorhandene Angebot sich als besonders einseitig darstellt und wesentliche Belange ausgeklammert wären.

Ferner vermag der Senat nicht zu erkennen, dass die vorhandene Auswahl an TV-Sendern erheblich von den Auswahlmöglichkeiten weiter Teile der Gesamtbevölkerung abweicht. Auch der Angleichungsgrundsatz gebietet deshalb keine weitergehende Versorgung innerhalb des Maßregelvollzuges. Gegenteiliges folgt auch nicht daraus, dass der der Betroffene als Untergebrachter ein Sonderopfer zugunsten der Rechtsgemeinschaft aufbringt.

Mit dem Mofa in die Entziehungsanstalt?

entnommen wikimedia.org Urheber Max Schwalbe

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Urheber Max Schwalbe

Das LG Hannover hat den alkoholkranken Angeklagten, der in der Vergangenheit bereits fünfmal wegen verschiedender Verkehrdelikte in Erscheinung getreten ist, nach einer weiteren Trunkenheitsfahrt mit einem Mofa wegen fahrlässiger Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB) zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Dagegen die Revision des Angeklagten. Das OLG Celle hebt im OLG Celle, Beschl. v. 23.06.2014 – 32 Ss 83/14 auf und verweist zurück. Es beanstandet die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das LG.

Die Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB setzt die Gefahr voraus, dass der Angeklagte infolge seines Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Einigkeit besteht darüber, dass wegen des Erfordernisses der Erheblichkeit die Gefahr der Begehung reiner Bagatelltaten in der Regel nicht ausreichend ist. Als Bagatelltaten werden in diesem Zusammenhang z. B. Gewalt und drohungsfreie Beleidigungen, Hausfriedensbruch in öffentlichen Gebäuden, geringfügige Diebstähle oder der Erwerb kleiner Rauschgiftmengen zum Eigenkonsum angesehen (vgl. dazu Senat, a. a. O.; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 64 Rdnr. 16 m. w. N.).

Bei der Trunkenheitsfahrt des Angeklagten mit einem Fahrrad mit Hilfsmotor handelt es sich bereits um eine erhebliche Straftat im Sinne dieser Vorschrift. Während der Senat dazu neigt, Trunkenheitsfahrten mit einem Fahrrad wegen der damit in erster Linie verbundenen Selbstgefährdungen nicht als „erheblich“ i. S. des § 64 StGB anzusehen, ist die Erheblichkeitsschwelle bei einer Trunkenheitsfahrt mit einem Mofa jedenfalls im vorliegenden Fall überschritten gewesen. Der Angeklagte ist zu einem Zeitpunkt, zu dem die Straßen vorhersehbar nicht menschenleer sind, mit seinem Mofa im Innenstadtbereich H. gefahren und war dabei derart alkoholisiert, dass er sich an das Tatgeschehen im Nachhinein nicht mehr erinnern konnte. Ein solches Verhalten kann für andere Verkehrsteilnehmer mit erheblichen Gefahren verbunden sein, denn aufgrund der erheblichen Alkoholisierung war hier zu befürchten, dass der Angeklagte sein Mofa überhaupt nicht mehr unter Kontrolle hatte.

Im Übrigen ist die Kammer selbst im Rahmen der Entscheidung zur Verhängung der isolierten Sperre davon ausgegangen, dass von dem Angeklagten weitere verkehrsspezifische Gefahren für die Rechtsgüter anderer Verkehrsteilnehmer drohen. Insoweit kommt auch dem Umstand, dass der Angeklagte sein Mofa verkauft hat, kein entscheidendes Gewicht zu, da ein Verkauf einer Neuanschaffung nicht im Wege steht.

Eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist hier auch nach § 62 StGB nicht ausgeschlossen. Zwar ist gegen den Angeklagten nur eine Freiheitsstrafe von 5 Monaten verhängt worden. Bei der Abwägung, ob die Vollstreckung einer Maßregel nach § 64 StGB gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt, ist aber auch zu berücksichtigen, ob neben den Vollzug der Freiheitsstrafe auch ein zu erwartender Widerruf von Bewährungsstrafen tritt (OLG Celle, NStZ?RR 2012, 108; OLG Celle, Beschluss vom 20. März 2013, 32 Ss 53/13). Die erfolgreiche Absolvierung einer Maßregel kann nämlich auch bei den anstehenden Entscheidungen über einen Bewährungswiderruf von Relevanz sein. Zum anderen hat das Bundesverfassungsgericht § 67 Abs. 4 StGB für verfassungswidrig erklärt, soweit er die Anrechnung einer im Maßregelvollzug verbrachten Zeit auf sogenannte verfahrensfremde Freiheitsstrafen auch in Härtefällen ausschließt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.03.2012, 2 BvR 2258/09).

Auch im Übrigen, also insbesondere unter dem Gesichtspunkt der für die Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB erforderlichen Erfolgsaussichten, erscheint eine solche Maßregel hier nach den übrigen Feststellungen der Kammer zu bisherigen Therapieversuchen nicht von vornherein aussichtslos.

Die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt wird daher in einer neuen Hauptverhandlung unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246 a StPO) zu prüfen sein.“

Also: Das LG muss nun die Frage des § 64 StGB prüfen. Im Übrigen: Hätte der Verteidiger vermeiden können, wenn er die Nichtanwendung des § 64 StGB von der Revision ausgenommen hätte. Das ist möglich/zulässig und sollte man ggf. immer überlegen, um solche Ergebnisse wie das vorliegende zu vermeiden.