Schlagwort-Archiv: Vollzug

Vollzug II: Kopien von Gefangenenpost in der JVA, oder: Verhinderung des Einschleusens von Suchtmitteln?

Bild von Capri23auto auf Pixabay

Und die zweite Entscheidung kommt dann – wie angekündigt – auch aus Sachsen-Anhalt. Es handelt sich um den OLG Naumburg, Beschl. v. 14.08.2025 – 1 Ws 187/25 (RB-Vollzug). In dem gibt es für JVA und StVK einen Rüggel.

Es geht um Folgendes: In der JVA Burg gibt es eine Anstaltsverfügung vom 25.102024, die auch in der Praxis ausgeübt wird, wonach eingehende Post für Gefangene in deren Abwesenheit zur Verhinderung des Einschleusens von Suchtmitteln geöffnet und kopiert wird und den Gefangenen die Kopien auszuhändigen und das Original zur Habe zu nehmen. Die JVA hat diese Anordnung mit der Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt sowie Gesundheitsfürsorgeaspekten begründet. Hintergrund sei die massive Zunahme des Konsums neuer psychoaktiver Stoffe (npS) unter den Gefangenen. Diese würden in flüssiger Form auf Papier aufgebracht und dann über die gewöhnliche Gefangenenpost in die Haftanstalt eingeschleust. Der Konsum dieser Stoffe habe zuletzt vermehrt zu gesundheitsgefährdenden Ausfallerscheinungen sowie gesteigerter Aggressivität bei mehreren Gefangenen geführt.

Dagegen hat sich der Gefangene gewehrt. Damit hatte er weder bei der JVA noch bei der StVG Stendal Erfolg. Dann aber beim OLG Naumburg:

„2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Überprüfung auf die in zulässiger Form erhobene Sachrüge führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an die Strafvollstreckungskammer gemäß § 119 Abs. 4 Satz 3 StVollzG.

Die Gründe der angefochtenen Entscheidung werden den gesetzlichen Anforderungen nicht vollumfänglich gerecht.

In dem revisionsähnlich ausgestalteten Rechtsbeschwerdeverfahren nimmt das Rechtsbeschwerdegericht lediglich eine Rechtskontrolle auf der Grundlage der in der angefochtenen Entscheidung getroffenen Tatsachenfeststellungen vor. Ein Rückgriff auf weitere, ggf. neue Tatsachenbehauptungen der Verfahrensbeteiligten ist dem Senat nicht möglich. Aus diesem Grund muss das erstinstanzliche Gericht in dem Beschluss nach § 115 StVollzG die entscheidungserheblichen Tatsachen und rechtlichen Gesichtspunkte so vollständig wiedergeben, dass eine hinreichende Überprüfung des Beschlusses im Rechtsbeschwerdeverfahren möglich ist (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 6. Mai 2021, 3 Ws 89/21 (StrVollz), Rn. 11 m.w.N., zitiert nach juris). Dabei haben sich die notwendigen Feststellungen in ihrem Umfang insbesondere an den Voraussetzungen der zugrundeliegenden Rechtsgrundlagen zu orientieren (vgl. OLG Celle, a.a.O. Rn.13).

Nach diesen Maßgaben ist der angefochtene Beschluss nicht ausreichend begründet und lässt einige naheliegende Fragen bzw. Aspekte unerörtert.

Nach § 38 Abs. 1 JVollzGB I LSA haben Gefangene das Recht, grundsätzlich unbeschränkt Schreiben abzusenden und zu empfangen. Durch diese Norm soll der schriftliche Gedanken-austausch mit Personen außerhalb der Vollzugsanstalt gewährleistet werden.

Das Landgericht hat die Rechtmäßigkeit der Allgemeinverfügung zutreffenderweise an der Generalklausel des § 4 Abs. 3 Satz 2 JVollzGB I LSA gemessen und eine Anwendung der §§ 40 Abs. 2, 41, 42 JVollzGB I LSA zur Rechtfertigung der Maßnahme ausgeschlossen (vgl. für das Niedersächsische Justizvollzugsgesetz mit umfassender Begründung: OLG Celle, a.a.O. Rn.15 ff. sowie im Anschluss Patzak, NStZ 2023, 187, 188 f. und Bode, JR 2023, 219, 223).

Nach der Generalklausel des § 4 Abs. 3 Satz 2 JVollzGB I LSA können dem Gefangenen, soweit das Gesetz keine besondere Regelung enthält, Beschränkungen auferlegt werden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Anstalt unerlässlich sind. Sie müssen in einem angemessenen Verhältnis zum Zweck der Anordnung stehen und dürfen den Gefangenen nicht mehr und nicht länger als notwendig beeinträchtigen, § 4 Abs. 3 Satz 3 JVollzGB I LSA.

Der Rückgriff auf die Generalklausel ist in der vorliegenden Konstellation nicht durch die Bestimmungen der §§ 38 ff. JVollzGB I LSA gesperrt.

Aus dem aus § 4 Abs. 3 Satz 1 JVollzGB I LSA folgenden Enumerationsprinzip ergibt sich, dass die Gefangenen ausschließlich den im JVollzGB I LSA ausdrücklich genannten Beschränkungen unterliegen. Eine Ausnahme dieses Grundsatzes enthält allein die Generalermächtigung in § 4 Abs. 3 S. 2 JVollzGB I LSA, wonach Beschränkungen, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Anstalt unerlässlich sind und nicht an späterer Stelle des JVollzGB I LSA spezialgesetzlich geregelt wurden (vgl. BeckOK Strafvollzug LSA/Gerhold, 21. Ed., JVollzGB I LSA § 4 Rn. 6). Da nicht alle Situationen, die in einer Anstalt zu Gefährdungen der Sicherheit oder Ordnung führen können, und auch nicht alle künftigen Inhalte verfahrenssichernder Anordnungen vorhersehbar sind, bedarf es dieser vollzugrechtlichen Generalklausel (LSALT-Drs. 6/3799, 158).

Insoweit stellt sich die Frage, ob die Behandlung der Eingangspost in den §§ 38 ff. JVollzGB I LSA abschließend geregelt ist – was einen Rückgriff auf die Generalklausel ausschlösse – oder ob eine planwidrige Regelungslücke vorliegt und die Anwendung möglich ist (vgl. zur entsprechenden Regelung des § 4 StVollzG: Arloth/Krä, a.a.O., § 4 Rn 5). Die Vorschriften zum Schriftverkehr der Gefangenen regeln den gedanklichen Austausch und stellen damit in erster Linie auf den gedanklichen Inhalt der jeweiligen Schreiben ab. Vorliegend geht es demgegenüber um Gefahrenstoffe, nämlich npS, die aller Wahrscheinlichkeit nach über das verwendete Briefpapier in die Anstalt eingebracht werden, ohne dass diese Stoffe in irgendeinem Zusammenhang mit dem gedanklich vermittelten Austausch steht (vgl. umfassend OLG Celle, a.a.O. Rn.17). Insoweit handelt es sich um eine von den § 38 ff. JVollzGB I LSA nicht erfasste Konstellation, die bei der Abfassung des Gesetzes bzw. seiner letztmaligen Änderung nicht mitgedacht wurde, so dass die angefochtene Maßnahme auf § 4 Abs. 3 Satz 2 JVollzGB I LSA gestützt werden könnte.

Soweit der Landesgesetzgeber im Rahmen der aktuell anstehenden Novellierung der Justizvollzugsgesetze beabsichtigt, durch eine entsprechende Absatzeinfügung in § 42 Abs. 1 Nr. 1a JVollzGB I LSA eine ausdrückliche gesetzliche Regelung für die Anordnung zum Kopieren der Gefangenenpost zu schaffen, streitet dieser Umstand gleichsam dafür, dass erst jetzt ein entsprechender Regelungsbedarf und damit eine Regelungslücke erkannt wurde, die zukünftig aus Klarstellungserwägungen durch eine ausdrückliche Eingriffsnorm geschlossen werden soll und die bis zum möglichen Inkrafttreten der Gesetzesänderung durch die Generalklausel des JVollzGB I LSA auszufüllen ist.

An Eingriffe, die allein von der Generalklausel erfasst werden, sind indes hohe Anforderungen zu stellen und sie unterliegen einer „besonders strengen Prüfung der Mittel-Zweck-Relation“. Dieser Umstand findet seinen Ausdruck in dem Begriff der Unerlässlichkeit, der entsprechend eng zu interpretieren ist und nicht als bloße Erforderlichkeit verstanden werden darf. Soll eine Maßnahme auf die Generalermächtigung gestützt werden, ist zunächst eine „reale Gefähr-dung“ der Sicherheit bzw. eine schwerwiegende Störung der Ordnung der Anstalt von ausreichendem Gewicht Voraussetzung, die jeweils auf konkrete Tatsachen gestützt sein müssen (vgl. BeckOK Strafvollzug LSA/Gerhold, 21. Ed., JVollzGB I LSA § 4 Rn. 7 m.w.N.).

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 2 JVollzGB I LSA unterliegen uneingeschränkter gerichtlicher Nachprüfung. Es besteht kein Beurteilungsspielraum der Vollzugsbehörde. Auf der Rechtsfolgenseite hingegen obliegt ihr eine Ermessensentscheidung, bei der sie die Anforderungen an die Sicherheit und Ordnung in der Anstalt mit den Interessen des Gefangenen abzuwägen hat. Diese Ermessensentscheidung ist im gerichtlichen Verfahren nur eingeschränkt überprüfbar, namentlich dahingehend, ob die Vollzugsbehörde von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, die richtigen Wertungsmaßstäbe angewendet hat, ob sie ihrer Entscheidung den richtigen Begriff des Versagungsgrundes zugrunde gelegt und ob sie die Grenzen ihres Ermessen eingehalten hat (vgl. Arloth/Krä, a.a.O., § 115 StVollzG Rn. 15 f. m.w.N.).

Der Sachverhalt ist daher von Amts wegen soweit aufzuklären, dass das Gericht in die Lage versetzt wird, diese Voraussetzungen zu prüfen. Im Verfahren nach §§ 109 ff. StVollzG gilt der Untersuchungsgrundsatz (vgl. OLG Celle, a.a.O., Rn. 19).

Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit hat die Strafvollstreckungskammer den verfassungs-rechtlichen Schutz des Briefverkehrs durch Art. 10 GG nicht ausreichend gewürdigt, zumal dieser eine wichtige Form der Kontakthaltung für den Gefangenen darstellt und auch für seine Resozialisierung von besonderer Bedeutung ist.

Dies gilt umso mehr, als die in Frage stehende Allgemeinverfügung keine konkreten Verdachtsmomente gegen einen Gefangenen bzw. eine umgrenzte Gruppe verlangt und kein Rückgriff auf eine spezielle, bereichsspezifische Eingriffsgrundlage möglich ist, sondern ledig-lich auf die Generalklausel des § 4 Abs. 3 Satz 2 JVollzGB I LSA abgestellt werden kann (so für § 3 NJVollzG: OLG Celle, a.a.O., Rn. 23). Die erforderliche Prüfung der Verhältnismäßigkeit ist hier im Lichte der besonderen Bedeutung des Brief- und Postgeheimnisses nach Art. 10 GG vorzunehmen. Gleichsam ist zu beachten, dass Eingriffe gegenüber Nichtstörern als Adressaten nur ausnahmsweise, als ultima ratio erfolgen dürfen (vgl. zu § 4 StVollzG: OLG Hamm, Beschluss vom 10. Januar 2013, III-1 Vollz (Ws) 695/12, Rn. 8, zitiert nach juris).

Eine Einschränkung im Rahmen einer Allgemeinverfügung erfordert mithin wegen der von ihr ausgehenden, tiefgreifenden Eingriffe in die Rechte aller in der Anstalt untergebrachten Gefangenen neben dem Vorliegen einer – von der Strafvollstreckungskammer nachvollziehbar angenommenen – schwerwiegende Gefahr für die Sicherheit und Ordnung in der Anstalt auch die Feststellung, dass dieser mit milderen, ggf. auch personal- oder kostenintensiven Mitteln, nicht begegnet werden kann und dass sie in ihrer konkreten Durchführung auf das notwendige Maß beschränkt wird.

Der Senat verkennt nicht, dass sich in der angefochtenen Entscheidung nachvollziehbare und umfangreiche Ausführungen, anhand deren das Vorliegen einer Gefahr für die Sicherheit und/oder schwerwiegende Störung der Ordnung der Anstalt nachvollzogen werden kann, fin-den. Indes mangelt es an ausreichenden Feststellungen, um die Geeignetheit und die Verhält-nismäßigkeit der Maßnahme (Kopieren der gesamten Eingangspost und Übergabe der Ablichtungen bei Verwahrung der Originalschreiben bis zur Haftentlassung) prüfen zu können.

Es fehlen vor allem vertiefende Ausführungen zur Möglichkeit des flächendeckenden Einsatzes des Drogendetektors IONSCAN 600 auch in der Justizvollzugsanstalt Burg. Dies wäre indes vor dem Hintergrund des Eingriffs in den durch Art. 10 GG verfassungsrechtlich geschützten Briefverkehr unbedingt erforderlich gewesen, um eine umfassende Prüfung der Ver-hältnismäßigkeit der Maßnahme zu ermöglichen. Insoweit ist von besonderer Bedeutung, dass die Kontrolle der Eingangspost mittels dieses, auch an Flughäfen zum Erkennen von Spreng-stoffen und Betäubungsmitteln eingesetzten Gerätes das Postgeheimnis weniger tangieren dürfte, da der Inhalt der Briefsendung nicht zwangsläufig der Wahrnehmung Dritter ausgesetzt wird, weil die Probenentnahme auch ohne direkten Blick bzw. Zugriff auf den schriftlichen Inhalt möglich erscheint.

Zudem könnte dabei auch die in anderen Bundesländern angewandte Methode der Proben-entnahme mittels eines Lochentwertungsgerätes in Betracht gezogen werden, was die Beprobung jeglichen Schriftwechsels gänzlich ohne Inhaltswahrnehmung erlauben würde.

Soweit sich die Strafvollstreckungskammer hinsichtlich der Möglichkeit der Erfassung des In-halts der Briefe durch die mit dem Kopieren betrauten Bediensteten darauf zurückgezogen, dass diese überhaupt kein Interesse an eben jenem Inhalt hätten, trägt diese Argumentation der Bedeutung des Briefgeheimnisses nicht ausreichend Rechnung.

Die Verhältnismäßigkeitsprüfung sollte – wenn auch in untergeordneter Bedeutung – den konkreten finanziellen Beschaffungsaufwand für eine notwendige Anzahl von IONSCAN-Geräten in Relation zum derzeitigen Personal- und Materialaufwand für das obligatorische Kopieren der Originalpost berücksichtigen.

Auch sind der konkrete Reinigungsaufwand nach jeder Beprobung und die damit unter Um-ständen verbundenen Verzögerungen der Postweiterleitung – deren Umfang nicht zuletzt in die Abwägung miteinzubeziehen sind – in den Blick zu nehmen.

Gleiches gilt für mögliche Erfahrungen in anderen Bundesländern zum Einsatz des vorgenannten Gerätes, wobei auch die Anzahl der bislang in allen Justizvollzugseinrichtungen Sachsen-Anhalts dokumentierten npS-Vorfälle und die dort mittels IONSCAN erfolgten Positivtestungen in den Überlegungen zum Tragen kommen sollten.

Schließlich lässt der angefochtene Beschluss Ausführungen zur Effektivität der ergriffenen Maßnahme für die Verhinderung des Einschleusens von Suchtstoffen in die Vollzugseinrichtung im Verhältnis zum flächendeckenden Einsatz von Drogenscannern, da letztere im Gegensatz zum generellen Zurückhalten der Originalpost eine eindeutige Zuordnung von Absendern und Empfängern inkriminierter Briefsendungen ermöglichen, vermissen. Die Abwägung kann jedenfalls nicht mit der Begründung zugunsten der bisher ergriffenen Maßnahmen aus-fallen, dass in der Justizvollzugsanstalt Burg nicht ausreichend Scanner und Personal zur Verfügung stehen.“

Vollzug III: Keine „Stütze“/kein Taschengeld in der Unterbringung….

© mpanch - Fotolia.com

© mpanch – Fotolia.com

Und dann noch die dritte Entscheidung mit vollzugsrechtlichem Einschlag (zum heutigen Tagesthema dann schon der KG, Beschl. v. 19.01.2016 – 2 Ws 15/16 Vollz und dazu: Vollzug I: Pflichtverteidiger/Beiordnung in (Disziplinar)Vollzugssachen? – Nein und der KG, Beschl. v. 11.01.2016 – 2 Ws 303/15 Vollz und dazu:Vollzug II: Religionsfreiheit im Strafvollzug). Den Abschluss macht jetzt der OLG Braunschweig, Beschl. v. 09.02.2016 – 1 VAs 7/15 zur Frage: Hat ein (einstweilig) Untergebrachter einen Anspruch auf die Gewährung von Sozialleistungen durch die Vollzugsbehörde im Rahmen der einstweiligen Unterbringung nach § 126 a StPO?

Es geht um folgende Problematik: Der Antragsteller ist auf der Grundlage eines Unterbringungsbefehls einstweilig gem. § 126a StPO in einem Maßregelvollzugszentrum untergebracht. Er hat die Übernahme der nicht näher bezifferten Kosten seiner Mietwohnung sowie die Zahlung eines Barbetrages (§ 11 Nds. MVollzG) beantragt. Diesen Antrag hat das Maßregelvollzugszentrum abgelehnt. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. §§ 23 ff. EGGVG. Das OLG hat den Antrag als unzulässig angesehen, aber auch Ausführungen zur Begründetheit gemacht:

Darüber hinaus wäre der Antrag auch unbegründet. Dem Antragsteller steht gegen den Vollzugsträger kein auf die Gewährung von Sozialleistungen gerichteter Anspruch zu. Hierzu hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 04. Januar 2016 Folgendes ausgeführt:

„Er kann die begehrten Sozialleistungen im Hinblick auf den Gesetzesvorbehalt des § 31 SGB AT nur aufgrund einer gesetzlichen Regelung geltend machen, die die Antragsgegnerin zur Leistung verpflichtet hätte (vgl. OLG Stuttgart, ZfStrVo 1994, 247 (248), sowie Keck, ZfStrVo 1990, 18 (19) bei Fußn. 22). § 31 SGB AT selbst enthält keine Anspruchsgrundlage, sondern schreibt vor, dass Sozialleistungen nur gewährt werden können, wenn dafür eine gesetzliche Grundlage besteht. Übertragen auf den vorliegenden Fall heißt dies, dass eine Vollzugsbehörde nicht berechtigt ist, einem einstweilig nach § 126a StPO Untergebrachten Taschengeld zu gewähren, wenn auf ein solches kein Rechtsanspruch besteht. Hierdurch wird abgesichert, dass keine Willkürentscheidungen getroffen werden und die Ansprüche haushaltsrechtlich abgesichert werden können. Die für die Gewährung von Geldleistungen erforderliche, in einem Gesetz geregelte Anspruchsgrundlage existiert jedoch nicht (vgl. hierzu die ausführliche Begründung im Beschluss des OLG Celle vom 18.03.1997, NStZ-RR 1998, 89; OLG Hamm, NStZ 1993, 608; BverwG DVBl 1994, 425).

Das Nds. MVollzG enthält keine rechtliche Grundlage, die es der Vollzugseinrichtung erlaubt, dem Antragsteller in seinem gegenwärtigen Status die von ihm beantragten Sozialleistungen zu gewähren. § 11 Nds. MVollzG sieht zwar die Gewährung von Taschengeld als Sozialleistung vor. Diese Norm gilt allerdings nur für die Personen, die von dem Anwendungsbereich des Gesetzes erfasst sind. Nach § 1 Nds. MVollzG regelt das Gesetz den Vollzug der durch strafrichterliche Entscheidung angeordneten freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt (Unterbringung). Bei der Unterbringung nach § 126a StPO handelt es sich jedoch nicht um eine Maßregel der Besserung und Sicherung, sondern lediglich um eine Sicherungsmaßnahme, die dem Ziel dient, eine strafrichterliche Maßregelentscheidung in einem prozessordnungsgemäßen Verfahren erst zu ermöglichen. Eine Verweisungsnorm, die die ergänzende Heranziehung des Maßregelvollzugsgesetzes in Niedersachsen auch für einstweilig Untergebrachte vorsieht, fehlt.

Auch § 138 StVollzG trifft keine Regelung zum Vollzug der einstweiligen Unterbringung nach  § 126 a StPO, sondern setzt die rechtskräftige Anordnung einer Maßregelunterbringung voraus und bestimmt insoweit, dass sich der Vollzug nach Landesrecht richtet, soweit Bundesgesetze nichts anderes bestimmen. Ein Landesgesetz, welches über die StPO hinaus konkrete Regelungen zum Vollzug der einstweiligen Unterbringung nach § 126 a StPO trifft, existiert in Niedersachsen bis heute nicht, sodass insoweit ausnahmslos die Regelungen der StPO gelten. Diese Regelungen befassen sich allerdings nur mit der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Gefangenen bzw. einstweilig Untergebrachten Beschränkungen auferlegt werden können. Einen Anspruch auf Sozialleistungen sieht die StPO für einstweilig nach § 126 a StPO Untergebrachte nicht vor. Die vom Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen in seinem Beschluss vom 07.06.2006 – L 7 AS 423/05 ER (zitiert nach juris) vor Geltung des NJVollzG auch für Untersuchungsgefangene angesprochene Lücke ist bezogen auf einstweilig nach § 126 a StPO Untergebrachte bis heute nicht geschlossen. In jener Entscheidung vertrat das Landessozialgericht die auf das Maßregelvollzugsgesetz übertragbare Auffassung, dass § 46 StVollzG nur für rechtskräftig verurteilte Gefangene, nicht jedoch für Untersuchungsgefangene gilt und der Untersuchungsgefangene keinen Anspruch darauf hat, dass diese im Strafvollzugsrecht gegenwärtig bestehende Lücke durch ein Tätigwerden des (Landes-)Gesetzgebers geschlossen wird. Es war deshalb der Meinung, dass der Untersuchungsgefangene, der in jenem Fall einen Antrag auf Gewährung eines Taschengeldes gestellt hat, sich an den Sozialleistungsträger nach dem SGB II zu wenden hat. Die Lücke ist für Untersuchungsgefangene durch § 43 NJVollzG zwischenzeitlich geschlossen worden, besteht mangels einer vergleichbaren Regelung für einstweilig nach § 126a StPO Untergebrachte aber weiterhin fort.“

Also – ein wenig flapsig: Keine „Stütze“ in der Unterbringung….

Vollzug: Es gibt kein „Zimmer“ mit Telefon….

© scusi - Fotolia.com

© scusi – Fotolia.com

Ganz gut zum gestern vorgestellten OLG Hamm, Beschl. v. 15.09.2015 – 1 Vollz (Ws) 401/15 (vgl. dazu Der Gefangene darf mit seinem Verteidiger telefonieren, oder: Es geht nicht um das Ob, sondern um das Wie) passt dann der KG, Beschl. v. 10.11.2015 – 5 Ws 120/15 Vollz -, den ich gestern übersandt bekommen habe. Es geht um die Rechtsbeschwerde eines Untergebrachten, der in der Unterbringung (im KrankenhausI ein Mobiltelefon besitzen und benutzen wollte. Die StVK hatte das abgelehnt, das KG hat sich dem angeschlossen.

Dazu dann folgende (amtlichen) Leitsätze:

  1. Der Besitz und die dadurch mögliche Benutzung eines Mobiltelefons gefährden sowohl in einer geschlossenen als auch in einer offenen Justizvollzugsanstalt generell die Sicherheit und Ordnung der Anstalt in einem Maße, das es ausschließt, einzelnen Gefangenen aufgrund einer auf deren Persönlichkeit zugeschnittenen individuellen Prüfung die Verwendung eines Handys innerhalb der Anstalt zu erlauben.
  1. Es ist kein sachlicher Grund dafür erkennbar, diese abstrakte Gefahr unterschiedlich zu beurteilen, je nach dem, ob sich der Betroffene in Untersuchungshaft oder im Straf- oder Maßregelvollzug befindet.

 

Reichen BtM-Delikte für den Vollzug der Sicherungsverwahrung?

Ich habe bisher nur selten zu Fragen der Sicherungsverwahrung gepostet. Das liegt daran, dass die damit zusammenhängenden Fragen häufig sehr kompliziert und hier nicht so einfach darzustellen sind. Mit diesem Posting greife ich aber mal eine Frage zur Sicherungsverwahrung auf, die das OLG Nürnberg im OLG Nürnberg, Beschl. v. 18.09.2014 –  1 Ws 318/14 – entschieden hat. Nämlich die Fragen, ob und wann Betäubungsmittelstraftaten die Anordnung der Sicherungsverwahrung rechtfertigen. Ergangen in einem Strafvollstreckungsverfahren, in dem die StVK nach Aufhebung des Vollzugs der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt den Vollzug der in einem Urteil des LG Augsburg angeordneten Sicherungsverwahrung angeordnet hat.

„b) Vom Verurteilten sind als zukünftige Delikte nur Drogenhandel und Drogenbesitz zu erwarten (siehe nachfolgend unter (1)), was unter verfassungsrechtlichen Aspekten für die Anordnung von Sicherungsverwahrung nicht ausreicht (siehe nachfolgend unter (2)). ……

(2) Nach der neueren, den Vorgaben der Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 04.05.2011 folgenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 07.07.2011, Az. 2 StR 184/11, NStZ 2012, 32 f.; Rn. 14 nach juris) reicht bei Betäubungsmittelstraftaten allein die Verletzung oder Gefährdung des Rechtsguts der Volksgesundheit nicht zur Anordnung der Sicherungsverwahrung aus. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, die den Betäubungsmittelhandel für Leib oder Leben Anderer im Einzelfall konkret gefährlich erscheinen lassen. Solche besonderen Umstände, wie etwa Verleitung von Jugendlichen zum Rauschgiftkonsum, sind vorliegend nach den oben getroffenen Feststellungen aber gerade nicht ersichtlich.

Dabei spielt es keine Rolle, dass die zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs noch zum Übergangsrecht ergangen ist, nachdem das Bundesverfassungsgericht das Recht der Sicherungsverwahrung in weiten Teilen für verfassungswidrig erklärt hatte. Denn auch nach der jetzt geltenden Rechtslage ist bei der Anordnung von Sicherungsverwahrung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in besonderer Weise Rechnung zu tragen. Die Neufassung der Vorschriften betreffend die Sicherungsverwahrung setzt inhaltsgleich die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts um, so dass aufgrund der neuen gesetzlichen Vorschriften keine geringeren Anforderungen an die Anordnung einer Sicherungsverwahrung gestellt werden dürfen als unter der unmittelbaren Geltung der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze. Unter einer „erheblichen“ Straftat im Sinne von § 66 Abs. 1 Ziffer 4. StGB sind deshalb nur solche Delikte zu verstehen, die eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben Anderer darstellen. Der Drogenbesitz mit Eigengefährdung oder der Drogenhandel mit eigenverantwortlich handelnden erwachsenen Personen fallen jedenfalls nicht darunter (zutreffend Ullenbruch/Drenkhahn/Morgenstern in: Münchener Kommentar, 2. Aufl. § 66 Rn. 64: Der Wille des Konsumenten, der mit der Überlassung und dem Gebrauch der Betäubungsmittel einverstanden ist, wird nicht gebeugt; Fischer, StGB, 61. Aufl. § 66 Rn. 61, schließt pauschal jegliche Straftat nach dem BtMG aus). Die bloße, nicht durch ausreichend konkrete Umstände belegte Möglichkeit die Drogendelikte begleitender Beschaffungskriminalität genügt ebenfalls nicht.“

Übrigens: Auch der besitzt einer „Soft-Air-Pistole in Form einer Uzi-Nachbildung mit 70 zum Verschuss geeigneten gelben Plastikkugeln“ hat dann nicht gereicht.

Untersuchungshaftvollzugsgesetz Nordrhein-Westfalen verkündet

Das am 12.11.2009 als Artikel 1 des Gesetz zur Regelung des Vollzuges der Untersuchungshaft und zur Verbesserung der Sicherheit in Justizvollzugsanstalten in Nordrhein-Westfalen (GVUVS NRW) verkündete (GV. NRW. S. 540) Gesetz zur Regelung des Vollzuges der Untersuchungshaft in Nordrhein-Westfalen (Untersuchungshaftvollzugsgesetz Nordrhein-Westfalen – UVollzG NRW) vom 27.10.2009 tritt am 01.03.2010 in Kraft.

Mit dem verkündeten Gesetz zur Regelung des Vollzuges der Untersuchungshaft in Nordrhein-Westfalen (Untersuchungshaftvollzugsgesetz Nordrhein-Westfalen – UVollzG NRW) hat das Land Nordrhein-Westfalen die den Bundesländern im Zuge der Föderalismusreform I übertragene Gesetzgebungskompetenz wahrgenommen. Dem Bund verblieb in Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 des Grundgesetzes als Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung das Recht zur Regelung des gerichtlichen Verfahrens ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzuges.

Das Untersuchungshaftvollzugsgesetz gliedert sich in 14 Abschnitte:

  1. Grundsätze (u. a. Stellung der Untersuchungsgefangenen, Gestaltung des Vollzuges)
  2. Vollzugsverlauf (u. a. Aufnahme in die Anstalt, Verlegung, Beendigung der Untersuchungshaft)
  3. Gestaltung des Lebens in der Anstalt (u. a. Unterbringung, Beschäftigung, Bildungsmaßnahmen, Freizeit)
  4. Religionsausübung
  5. Verkehr mit der Außenwelt
  6. Gesundheitliche und soziale Betreuung
  7. Sicherheit und Ordnung
  8. Unmittelbarer Zwang
  9. Besondere Maßnahmen (u. a. besondere Sicherungsmaßnahmen, Disziplinarmaßnahmen)
  10. Vorschriften für junge Untersuchungsgefangene
  11. Beschwerderecht
  12. Vollzugsbehörden und Beiräte (u. a. Verbot der Überbelegung)
  13. Datenschutz
  14. Sonstige Vorschriften (u. a. Inkrafttreten).

Dieses Gesetz tritt gemäß seinem § 79 Absatz 1 am ersten Tag des vierten auf die Verkündung folgenden Kalendermonats in Kraft. Zudem hat die Landesregierung dem Landtag bis zum 31.12.2015 und danach alle fünf Jahre über die mit diesem Gesetz gemachten Erfahrungen zu berichten.