Schlagwort-Archive: BtM-Delikte

Strafe II: „Du bist kein Betäubungsmittelkonsument“, oder: „Keine finanzielle Notlage…“

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Im zweiten Posting dann zwei Entscheidungen zur Strafzumessung bei BtM-Delikten, und zwar:

„1. Der Strafausspruch kann nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht strafschärfend berücksichtigt hat, dass der Angeklagte selbst kein Betäubungsmittelkonsument und daher „nicht etwa durch eine Abhängigkeitsproblematik zur Finanzierung des eigenen Konsums zur Tatbegehung bewegt worden“ sei. Das Motiv, die Drogen erworben zu haben, um den eigenen Konsum zu finanzieren, kann Grund für die Milderung der Strafe sein, weil Suchtdruck oder Angst vor Entzugsfolgen das Handeln eines Täters beeinflussen können (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Februar 2022 – 2 StR 223/21, Rn. 3; Beschluss vom 5. März 2020 – 1 StR 42/20, Rn. 3; O?lakc?o?lu in MüKo-StGB, 4. Aufl., § 29a BtMG Rn. 142 mwN). Das Landgericht hat dagegen die fehlende Abhängigkeit des Angeklagten als strafschärfenden Umstand bewertet und damit rechtsfehlerhaft das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes zu seinen Lasten berücksichtigt.

Da die Strafzumessung schon unter diesem Gesichtspunkt rechtsfehlerhaft ist, kann der Senat offen lassen, ob die Strafkammer durch ihre weitere Erwägung, der Angeklagte habe „kühl wirtschaftlich kalkulierend aus reinem Gewinnstreben mit Betäubungsmitteln Handel getrieben“ ein noch im Rahmen der Tatbestandsmäßigkeit von § 29a Abs. 1 Nr. 2 Variante 1 BtMG liegendes Gewinnstreben strafschärfend herangezogen und damit gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB verstoßen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Februar 2020 – 2 StR 517/19 Rn. 4, NStZ-RR 2020, 146, 147; Beschluss vom 22. Mai 2018 – 4 StR 100/18, StV 2019, 325, 236; Maier in Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl., § 29a Rn. 266 mwN).“

„……

a) Zwar ist die Formulierung bedenklich, wonach dem Angeklagten angelastet wird, dass er nicht aus einer finanziellen Notlage heraus gehandelt hat; denn das Fehlen von Strafmilderungsgründen darf dem Angeklagten nicht angelastet werden (vgl. zu dieser Formulierung nur BGH, Beschluss vom 5. Februar 2020 – 2 StR 517/19, NStZ-RR 2020, 146 mwN). Damit hat das Landgericht nach dem Zusammenhang der Urteilsgründe aber lediglich das zuvor als Straferschwerungsgrund gewertete Handeln aus grobem Eigennutz im Sinne eines übersteigerten Gewinnstrebens weiter illustrieren wollen.“

Reichen BtM-Delikte für eine DNA-Analyse, und: Auftypisierung?

mineralsDer LG Paderborn, Beschl. v. 19.11.2014 – 1 Qs-22 Js 1365/13-56/14 – befasst sich mit der Frage der Entnahme von Körperzellen bei einem  Verurteilten gemäß den §§ 81g Abs. 3, Abs. 4, 81a Abs. 2, 81f StPO zwecks Durchführung molekulargenetischer Untersuchungen zur Speicherung des DNA Musters für künftige Verfahren in der DNA-Analyse-Datei (DAD). Und er entscheidet zwei Fragen, nämlich:

  1. Reichen BtM-Delikte für die Anordnung einer Entnahme aus?
  2. Ist eine Entnahme von Körperzellen zu einer molekulargenetischen Untersuchung noch erforderlich, wenn bereits Daten des Verurteilten in der DAD gespeichert sind, wenn auch nach altem Standard?

Und dazu dann das LG:

Zu 1: BtM-Delikte:

In dem Streit, ob Betäubungsmitteldelikte überhaupt geeignete Delikte für eine Körperzellenentnahme zum molekulargenetische Untersuchung sind (Nachweise zum Streitstand bei: Karlsruher Kommentar-Senge, StPO, § 81g, Rn. 8), ist die Kammer der Auffassung, dass dies zu bejahen ist. Aus den Erfahrungen der Kammer als große Strafkammer zeigt sich, dass auch in Verfahren wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz eine Beweisführung über DNA-Gutachten möglich und zielführend ist. Fallkonstellationen, bei denen der Täter mit den Drogen bzw. deren Verpackung in Berührung kommt und dabei auswertbare Körperspuren hinterlässt sind nicht nur vorstellbar (OLG Köln, NStZ-RR 2005, 56, sondern in der Praxis der Kammer auch vorgekommen.“

Zu 2: Auftypisierung, wo die Kammer ältere Rechtsprechung aufgibt

„Ob eine Entnahme von Körperzellen zu molekulargenetischen Untersuchung erforderlich ist, wenn bereits Daten des Verurteilten in der DAD gespeichert sind, wenn auch nach altem Standard, wird unterschiedlich beurteilt. Insbesondere wird eine Erforderlichkeit in diesen Fällen verneint (OLG Bremen, NStZ 2006, 653; LG Saarbrücken, StraFo 2012, 499).

Die Gegenauffassung hält eine Entnahme von Körperzellen zur Auftypisierung der bereits gespeicherten Daten für zulässig (LG Freiburg/Breisgau, Beschluss vom 30.07.2013, Az.: 2 Qs 12/12.). Dem schließt sich die Kammer an. Die bisherige, entgegenstehende Rechtsprechung der Kammer (LG Paderborn, StV 2013, 434) wird aufgegeben.

Eine Maßnahme ist erforderlich, wenn zur Erreichung des angestrebten Zieles keine andere mildere aber gleich wirksame Maßnahme zur Verfügung steht. Daraus folgt, dass die Alternative zur Entnahme von Körperzellen gleichwertig sein muss. Als Alternative kommt hier ein Rückgriff auf den bereits gespeicherten Datenbestand in Betracht. Diese Alternative ist aber nicht gleichwertig, weil die gespeicherten Daten qualitativ hinter den neu zu gewinnenden zurückstehen. Dies ist vorliegend aus zwei Gründen gegeben.

a) Zum einen muss die Qualität der gespeicherten Daten den gestiegenen Anforderungen bei der Datenauswertung genügen. Der Datenbestand in der DAD umfasste Ende 2009 insgesamt 835.275 DNA-Identifizierungsmuster. Erfasst waren bis dahin 66.8721 Personen und 166.554 nicht zugeordnete Spuren. Dieser Bestand steigt ständig an, was allerdings auch zwangsläufig das Risiko eines zufälligen Datenbank-Treffers erhöht (Schneider/Schneider/Fimmers/Brinkmann, NStZ 2010, 433 (434)). Eine größere Anzahl an gespeicherten Merkmalen ist auch in größerem Maße geeignet, Zufallsverfahren entgegenzuwirken.

b) Darüber hinaus kann der momentan gespeicherten Datensatz nicht im europäischen Ausland verwendet werden. Gemäß Abs. 8 der Erwägungen im Rahmenbeschluss 2009/905/JI des Rates der Europäischen Union vom 30. November 2009, treffen die Mitgliedstaaten die notwendigen Maßnahmen, um die Integrität der den anderen Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellten oder zum Abgleich übermittelten DNA-Profile zu garantieren. Hierzu ist mindestens eine Speicherung der Daten nach derzeit gültigem EU-Standard notwendig, welcher in Artikel 7 Absatz 4 des Beschlusses 2008/616/JI des Rates vom 23. Juni 2008 zur Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere der grenzüberschreitenden Kriminalität angegeben ist. Nach § 1 PrümVtrAG (BGBl. 2009 I, S. 2507) ist dieser Ratsbeschluss unmittelbar in Deutschland anwendbar.“

Reichen BtM-Delikte für den Vollzug der Sicherungsverwahrung?

Ich habe bisher nur selten zu Fragen der Sicherungsverwahrung gepostet. Das liegt daran, dass die damit zusammenhängenden Fragen häufig sehr kompliziert und hier nicht so einfach darzustellen sind. Mit diesem Posting greife ich aber mal eine Frage zur Sicherungsverwahrung auf, die das OLG Nürnberg im OLG Nürnberg, Beschl. v. 18.09.2014 –  1 Ws 318/14 – entschieden hat. Nämlich die Fragen, ob und wann Betäubungsmittelstraftaten die Anordnung der Sicherungsverwahrung rechtfertigen. Ergangen in einem Strafvollstreckungsverfahren, in dem die StVK nach Aufhebung des Vollzugs der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt den Vollzug der in einem Urteil des LG Augsburg angeordneten Sicherungsverwahrung angeordnet hat.

„b) Vom Verurteilten sind als zukünftige Delikte nur Drogenhandel und Drogenbesitz zu erwarten (siehe nachfolgend unter (1)), was unter verfassungsrechtlichen Aspekten für die Anordnung von Sicherungsverwahrung nicht ausreicht (siehe nachfolgend unter (2)). ……

(2) Nach der neueren, den Vorgaben der Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 04.05.2011 folgenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 07.07.2011, Az. 2 StR 184/11, NStZ 2012, 32 f.; Rn. 14 nach juris) reicht bei Betäubungsmittelstraftaten allein die Verletzung oder Gefährdung des Rechtsguts der Volksgesundheit nicht zur Anordnung der Sicherungsverwahrung aus. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, die den Betäubungsmittelhandel für Leib oder Leben Anderer im Einzelfall konkret gefährlich erscheinen lassen. Solche besonderen Umstände, wie etwa Verleitung von Jugendlichen zum Rauschgiftkonsum, sind vorliegend nach den oben getroffenen Feststellungen aber gerade nicht ersichtlich.

Dabei spielt es keine Rolle, dass die zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs noch zum Übergangsrecht ergangen ist, nachdem das Bundesverfassungsgericht das Recht der Sicherungsverwahrung in weiten Teilen für verfassungswidrig erklärt hatte. Denn auch nach der jetzt geltenden Rechtslage ist bei der Anordnung von Sicherungsverwahrung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in besonderer Weise Rechnung zu tragen. Die Neufassung der Vorschriften betreffend die Sicherungsverwahrung setzt inhaltsgleich die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts um, so dass aufgrund der neuen gesetzlichen Vorschriften keine geringeren Anforderungen an die Anordnung einer Sicherungsverwahrung gestellt werden dürfen als unter der unmittelbaren Geltung der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze. Unter einer „erheblichen“ Straftat im Sinne von § 66 Abs. 1 Ziffer 4. StGB sind deshalb nur solche Delikte zu verstehen, die eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben Anderer darstellen. Der Drogenbesitz mit Eigengefährdung oder der Drogenhandel mit eigenverantwortlich handelnden erwachsenen Personen fallen jedenfalls nicht darunter (zutreffend Ullenbruch/Drenkhahn/Morgenstern in: Münchener Kommentar, 2. Aufl. § 66 Rn. 64: Der Wille des Konsumenten, der mit der Überlassung und dem Gebrauch der Betäubungsmittel einverstanden ist, wird nicht gebeugt; Fischer, StGB, 61. Aufl. § 66 Rn. 61, schließt pauschal jegliche Straftat nach dem BtMG aus). Die bloße, nicht durch ausreichend konkrete Umstände belegte Möglichkeit die Drogendelikte begleitender Beschaffungskriminalität genügt ebenfalls nicht.“

Übrigens: Auch der besitzt einer „Soft-Air-Pistole in Form einer Uzi-Nachbildung mit 70 zum Verschuss geeigneten gelben Plastikkugeln“ hat dann nicht gereicht.