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Unfallflucht, oder: (Teil)Verzicht des Geschädigten auf Personalienfeststellung

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Bei der zweiten Entscheidung, die ich heute dann noch vorstellen möchte, handelt es sich um den OLG Hamburg, Beschl. v. 30.05.2017 – 2 Rev 35/17. Er behandelt eine Frage des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 StGB); und zwar auf der Grundlage folgender Feststellungen:

„Die Angeklagte befuhr am 28.01.2015 gegen 18.35 Uhr bei Dunkelheit und Regen mit ihrem dunkelgrünen Pkw in Hamburg die A-Straße. Vor der Hausnummer 26 bog die Angeklagte nach rechts schräg in eine Parklücke ab und brachte ihr Fahrzeug so zum Stillstand, dass es mit der hinteren Ecke der Fahrerseite an der Markierung zwischen Parkspur und Fahrbahn und mit der Front über die Bordsteinkante hinaus in Richtung des Gehweges stand. Zeitgleich befand sich die Zeugin G. mit ihrem weißen Pkw vor der Angeklagten auf der in Richtung B-Straße führenden Fahrspur der A-Straße. Die Zeugin setzte ihren Pkw zurück, um ebenfalls in die Parklücke einzufahren. Dabei kam es aufgrund einer Unachtsamkeit der Zeugin zu einer Kollision beider Fahrzeuge. Durch die Kollision wurde an dem Pkw der Zeugin die Heckstoßfängerverkleidung links im unteren Bereich geschrammt, wodurch wenige Zentimeter oberhalb der unteren Zierleiste eine fast runde Schrammspur entstand, die sich schwarz auf dem weißen Lack abhob. Zur Beseitigung dieser Schäden fallen Reparaturkosten von rund 1.400,– Euro netto an.

Die aus ihrem Pkw ausgestiegene Angeklagte betrachtete sowohl ihr eigenes Auto, an dem sie keine Unfallspuren feststellte, als auch den Pkw der Zeugin, an dem sie ebenfalls keine Unfallspur zu erkennen glaubte. Die Zeugin machte die Angeklagte unter Hinweis auf die sich schwarz abhebende Schrammspur im unteren Bereich der linken Heckstoßfängerverkleidung darauf aufmerksam, dass an ihrem Fahrzeug ein Schaden entstanden sei, und kündigte an, die Polizei zu rufen. Die Angeklagte erklärte, dies möge die Zeugin tun. Die Angeklagte erklärte aber auch, dass ihrer Meinung nach der von der Zeugin gezeigte Schaden nicht von dem Unfall stammen könne. In der Folgezeit rief die Zeugin entgegen ihrer Ankündigung nicht die Polizei. Sie fertigte mit ihrem Handy Lichtbilder von den in den Unfall verwickelten Fahrzeugen. Die Angeklagte setzte sich wieder in ihr Fahrzeug, um auf die Polizei zu warten.

Die Zeugin trat sodann an das Fahrzeug der Angeklagten heran, öffnete mehrfach die Fahrertür und verlangte von der Angeklagten die Herausgabe ihrer Personalien. Diese teilte die Angeklagte der Zeugin jedoch nicht mit. Ca. 15 Minuten nach der Kollision setzte die Angeklagte vielmehr ihr Fahrzeug in Betrieb und fuhr, obwohl die Zeugin sie weiter bedrängte, ihre persönlichen Daten zu nennen, aus der Parklücke heraus und auf der A-Straße davon. Die Zeugin erstattete erst am 30. Januar 2015 Anzeige bei der Polizei.“

Das OLG sagt: Das reicht nicht für den objektiven Tatbestand des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Die Feststellungen belegen schon nicht, dass die Angeklagte Unfallbeteiligte im Sinne des § 142 Abs. 5 StGB war. Und: Unabhängig davon, dass eine Unfallbeteiligung der Angeklagten nicht festgestellt ist, weist das Urteil einen weiteren durchgreifenden Rechtsfehler auf. Denn indem sich die Angeklagte gegen den Willen der Zeugin von der Unfallstelle entfernte, verstieß sie nicht in tatbestandsmäßiger Weise gegen die in § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB begründeten Pflichten. Dies ergibt nach Auffassung des OLG eine nach Maßgabe des Schutzzwecks von § 142 StGB vorzunehmende teleologische Reduktion des Tatbestandes. Dazu der Leitsatz der OLG-Entscheidung:

„Die Pflicht des Unfallbeteiligten, durch seine Anwesenheit am Unfallort gemäß § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB Feststellungen zu ermöglichen, entfällt, wenn der Geschädigte darauf verzichtet, die Polizei herbeizurufen, obwohl der Unfallbeteiligte nur bereit ist, seine Personalien von der Polizei feststellen zu lassen und weitere nach § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu treffende Feststellungen nicht mehr erforderlich sind; bei dieser Sachlage hat der Geschädigte die Nichterfüllung seines Feststellungsinteresses selbst zu vertreten.“

Öffentlicher Verkehrsraum, oder: Die Unfallflucht auf einem Betriebsgelände

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Bevor es dann nachher noch das RVG-Rätsel gibt und dann alle ins Wochenende entschwinden, schnell noch eine verkehrsrechtliche Entscheidung, die mal wieder beweist: In der Verteidigung im Verkehrsstrafrecht kommt es ganz maßgeblich auch auf die sog. verkehrsstrafrechtlichen Grundbegriffe an. Bei denen sollte man als Verteidiger mal immer inne halten und prüfen, ob sie nicht einen Verteidigungsansatz bieten. Das hat offenbar der Verteidiger in einem Verfahren wegen unerlaubten Entfernens vom Ungallort (§ 142 StGB) getan und damit dann beim LG Arnsberg Erfolg gehabt. Denn das hat im LG Arnsberg, Beschl. v. 25.10.2016 – 2 Qs 71/16 – den amtsgerichtlichen § 111a-Beschluss aufgehoben. Begründung: „Tatort“ kein öffentlicher Verkehrsraum:

I.

Die Staatsanwaltschaft B legt dem Beschuldigten unerlaubtes Entfernen vom Unfallort zur Last. Er soll am Morgen des 12.08.2016 ein Rolltor der Fa. T in U beschädigt haben, an dem ein Sachschaden von ungefähr 2.800 Euro entstanden sein soll. Bei der Unfallörtlichkeit handelt es sich um den hinteren Teil des Betriebsgeländes der Fa. T, auf dem sich drei Anlieferungstore befinden. Der Zugang zu diesem Teil des Betriebsgeländes ist mit Ein- und Ausfahrtsschranken versehen. Der unmittelbare Bereich vor den Rolltoren ist abgesenkt, mit Betonoberfläche versehen und mit Fahrstreifen für die anliefernden Lastkraftwagen gekennzeichnet…………..

II……………..

Der Tatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort setzt voraus, dass die Tat im öffentlichen Straßenverkehr begangen worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Verkehrsraum öffentlich, wenn er entweder für jedermann ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten oder aber zumindest für eine allgemein bestimmbare größere Personengruppe zur Benutzung zugelassen und auch so benutzt wird (OLG Hamm, Beschluss vom 04.03.2008, 2 Ss 33/08, NZV 2008, 257; OLG Köln, Beschluss vom 06.06.2000, Ss 227/00). Umfasst werden zwar demnach nicht nur Verkehrsflächen, die nach dem Wegerecht des Bundes und der Länder dem allgemeinen Straßenverkehr gewidmet sind, sondern auch solche, deren Benutzung durch eine nach allgemeinen Merkmalen bestimmte größere Personengruppe ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse am Straßengrund oder auf eine verwaltungsrechtliche Widmung durch den Berechtigten ausdrücklich oder faktisch zugelassen wird. Bei der Prüfung der Frage, ob eine Duldung der Benutzung durch einen darüber hinausgehenden Personenkreis vorliegt, ist nicht auf den inneren Willen des Verfügungsberechtigten, sondern auf die für etwaige Benutzer erkennbaren äußeren Gegebenheiten abzustellen (BGH, Urteil vom 04.03. 2004, 4 StR 377/03, BGHSt 49, 128-130).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der hintere Teil des Betriebsgeländes der Fa. T, der allein der An- und Ablieferung von Waren dient, nach dem derzeitigen Ermittlungsstand nicht als öffentlicher Verkehrsgrund anzusehen:

Der Teil des Betriebsgeländes ist nur bei Durchfahren einer Schranke zugänglich. Auf die Skizze Bl. 6 d.A. und die Videographien Bl. 9 – 11 und 19/20 d.A., welche die räumliche Situation vor den Rolltoren und die Ein- und Ausfahrtsschranken verdeutlichen, wird Bezug genommen. Demnach ist der Zugang zur Betriebsfläche von dem Öffnen der Eingangsschranke abhängig. Gerade diese Zugangsbegrenzung zeigt, dass das Betriebsgelände nicht für jedermann zugänglich ist. Auch aufgrund der weiteren Örtlichkeit ist ersichtlich, dass der hintere Teil des Betriebsgeländes allein dem Warenverkehr dient und somit nur einem beschränkten Zuliefererkreis zugänglich gemacht wird. Eine für jedermann ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten für jedermann oder aber zumindest für eine allgemein bestimmbare größere Personengruppe zur Benutzung zugelassene und auch so benutzte Fläche kann die Kammer vor diesem Hintergrund nicht feststellen.“

Klein, aber fein 🙂 . Aber auch: Noch mal gut gegangen……

Verkehrsunfallflucht, oder: 5 Minuten Wartezeit sind auch nachts nicht genug

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Als zweite verkehrs(straf)rechtliche Entscheidung (zur ersten, dem AG Tiergarten, Urt. v. 03.11.2106 – (308 Cs) 3023 Js 3339/16 (155/16, siehe „Machen Sie eine Verkehrstherapie“, oder: Rettung der Fahrerlaubnis) bringe ich dann den OLG Karlsruhe, Beschl. v. 02.11.2016, 2 Ws 325/16. Der behandelt hauptsächlich eine verfahrensrechtliche Problematik, nämlich die Frage, ob auch noch im Revisionsverfahren eine Beschwerde gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis neben der gegen das Berufungsurteil eingelegten Revision zulässig ist. Das OLG hat die Frage – m.E. zutreffend – bejaht. Eine Einschränkung der Zulässigkeit einer solchen Beschwerde  ergibt sich an keiner Stelle aus der StPO. Das OLG weist jedoch – auch insoweit zutreffend – darauf hin, dass nur – eingeschränkt – überprüft werden kann, ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des § 69 StGB vorliegen und von dem nach § 111a Abs. 1 StPO eingeräumten Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht wurde. Anders gehe es im Revisionsverfahren nicht.

Hinzuweisen ist auf den Beschluss aber auch noch aus anderen Gründen: Und zwar nimmt das OLG inzidenter auch zu den Voraussetzungen des § 142 StGB Stellung, und zwar einmal zur Wartepflicht und dann letztlich auch zur Frage des Unfallortes. Ereignet hatte sich der Verkehrsunfall mit einem Sachschaden von rund 7.500 € an zwei anderen Pkw nachts gegen 01:45 Uhr innerorts. Der Angeklagte hatte dann „höchstens fünf Minuten“ gewartet  und war dann weiter gefahren. Nach etwas mehr als zwei Kilometern Entfernung von der Unfallstelle hat die Fahrt dann auf einem Parkplatz geendet, weil der PKW des Angeklagten im Motorbereich zu brennen begonnen hatte. Das OLG verliert ausdrücklich kein Wort zu den Voraussetzungen des § 142 StGB. Daraus kann man nur schließen: Fünf Minuten Wartezeit sind bei dem Sachschaden auch nachts um 01:45 Uhr zu kurz und zwei Kilometer Entfernung von der Unfallstelle sind nicht mehr „Unfallort“. Beides wohl richtig.

Zu den Fragen: „Wartezeit“ und „Unfallort“ gibt es sehr schöne Zusammenstellungen der Rechtsprechung im Ludovisy/Eggert/Burhoff, 6. Aufl., 2015. Zum Bestellformular dann hier. Das musste mal wieder sein 🙂 . <Werbemodus> aus 🙂

Regelentziehung der Fahrerlaubnis erst ab 1.500 € Sachschaden

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Und sie bewegt sich dann allmählich doch. Die Rechtsprechung zu § § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB und die Frage, wann denn nun ein bedeutender Sachschaden vorliegt, der dann die Regelentziehung der Fahrerlaubnis beim unerlaubten Entfernen vom Unfallort nach sich zieht. Bisher liegt die Grenze bei 1.300 €, nun bewegt sie sich endlich nach oben. Zu den neueren Entscheidungen gehört der LG Braunschweig, Beschl. v. 03.06.2016 – 8 Qs 113/16. Der zieht die Grenze dann jetzt ab 2016 bei 1.500 €:

„Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen sind keine dringenden Gründe für die Annahme vorhanden, dass dem Beschuldigten die Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen durch Urteil entzogen werden wird, § 69 Abs. 1 StGB. Nach § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ist ein Kraftfahrer in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen, wenn er sich eines Vergehens des unerlaubten Entfernens vom Unfallort schuldig macht, obwohl er weiß oder wissen kann, dass bei dem Unfall an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist.

Der Regelfall des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ist vorliegend nicht erfüllt, da es an einem bedeutenden Schaden an fremden Sachen im Sinne der Norm fehlt. Der hier entstandene Sachschaden in Höhe von 1.387,54 € überschreitet die maßgebliche Grenze von 1.500,00 € nicht.

Zwar lag die Grenze für einen bedeutenden Sachschaden nach § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ab dem Jahr 2002 nach ständiger Rechtsprechung der 8. großen Strafkammer des Landgerichts Braunschweig bei einem Sachschaden von 1.300,00 € (LG Braunschweig, 8 Qs 392/04, Beschluss vom 22.11.2004 – juris).

Auch verweist die Staatsanwaltschaft Braunschweig in ihrer Beschwerdebegründung zu Recht darauf, dass sämtliche führenden – auch aktuellen – strafrechtlichen Kommentierungen an dem bekannten Wert von 1.300,00 € festhalten (Fischer, StGB, 63. Aufl. 2016, § 69 Rn. 29; Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl. 2014, § 69 Rn. 7; Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, § 69 Rn. 39; Münchener Kommentar StGB, 2. Aufl. 2012, § 69 Rn. 71; Systematischer Kommentar zum StGB, 8. Aufl. 2012, § 69 Rn. 18 (Stand: Oktober 2014); von Heintschel-Heinegg, StGB, 2. Aufl. 2015, § 69 Rn. 40 (Grenze: 1.250,00 €); Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, 2. Aufl. 2014, § 69 Rn. 42; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. 2015, § 69 Rn. 17; Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 24. Aufl. 2016, § 69 Rn. 20).

Jedoch stützen sich sämtliche Kommentierungen zur Begründung dieses Wertes allein auf die dazu ergangene Rechtsprechung, die, wie das Amtsgericht Braunschweig in dem angegriffenen Beschluss zu Recht ausgeführt hat, überwiegend älteren Datums ist. Auch die soweit ersichtlich zuletzt den Wert von 1.300,00 € bestätigenden Entscheidungen sind  bereits nahezu 6 Jahre (OLG Hamm, Beschluss vom 30.09.2010, III 3 RVs 72/10, NZV 2011, 356) und 3 Jahre alt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.07.2013, III-3 Ws 225/13, juris). Die Grenze von 1.300,00 € ist bereits seit dem Jahr 2002 anerkannt (Fischer, StGB, 63. Aufl. 2016, § 69 Rn. 29; LG Braunschweig, 8 Qs 392/04, Beschluss vom 22.11.2004 – juris) und wird bis heute überwiegend als gegeben hingenommen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.07.2013, III-3 Ws 225/13, juris).

Jedoch kann bei der Interpretation ausfüllungsbedürftiger Tatbestandsmerkmale wie dem bedeutenden Schaden im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB die allgemeine Geldentwicklung nicht außer Betracht bleiben (Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, § 69 Rn. 39), sodass bei einem seit dem Jahre 2002 unveränderten Wert nunmehr nach 14 Jahren eine Anpassung vorzunehmen ist.

Einziger – wenn auch freilich für den zu entscheidenden Fall mit Einschränkungen und Vorbehalten – belastbarer, da auf Tatsachen gründender Anhaltspunkt für die durchschnittliche Preisentwicklung ist der Verbraucherpreisindex.

Nach dem aktuell geltenden Verbraucherpreisindex für Deutschland mit dem Basisjahr 2010 (2010 = 100) erreichte der Verbraucherpreisindex im Jahr 2002 einen Jahresdurchschnittsstand von 88,6. Im Jahre 2015 betrug dieser 106,9.

Die Veränderungsrate in Prozent zwischen diesen beiden Jahren berechnet sich folgendermaßen: 106,9 / 88,6 x 100 – 100 = 20,65 %.

Der Wert von 1.300,00 € aus dem Jahr 2002 wäre daher unter Zugrundelegung einer Preissteigerungsrate von 20,65 % im Vergleichszeitraum auf exakt 1.568,45 € gestiegen.

Es erscheint daher angemessen, den Wert für einen bedeutenden Schaden im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ab dem Jahr 2016 auf mindestens 1.500,00 € festzusetzen.“

Unfallflucht: Vorsätzlich muss sie sein

entnommen wikimedia.org Urheber Opihuck

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Der KG, Beschl. v. 08.07. 2015 – (3) 121 Ss 69/15 (47/15) – betritt kein Neuland, sondern zurrt nur noch einmal fest, was in der obergerichtlichen Rechtsprechung zu § 142 StPO Konsens ist: Der Vorsatz nach § 142 Abs. 1 StGB muss sich auf alle Merkmale des äußeren Tatbestandes erstrecken, wozu eben auch gehört, dass der Täter weiß, dass es zu einem Unfall i. S. d. § 142 StGB (vgl. dazu Burhoff in: Ludovisy/Eggert/Burhoff, Praxis des Straßenverkehrsrechts, 6. Aufl., 2015, § 4 Rn 392 ff.. m.w.N.) gekommen sei. Dass er es hätte erkennen können und müssen, reicht eben nicht (vgl. dazu auch OLG Düsseldorf VRS 95, 254, 255 = zfs 1998, 312; OLG Hamm VRS 93, 166 = zfs 1997, 73; OLG Jena VRS 110, 15, 16, 17 = StV 2006, 529; OLG Köln DAR 2002, 88). Und das gilt vor allem, wenn es sich um einen Bagatellschaden handelt. Gerade dann werden von den AG häufig Fehler gemacht bzw. Formulierungen verwendet, die zur Darstellung des Vorsatzes nicht ausreichen. Aus dem Beschluss dazu:

„Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Es legt zwar noch ausreichend dar und belegt auch hinsichtlich der inneren Tatseite, dass die Angeklagte, bemerkt hatte, dass es zu einem Anstoß der Fahrzeuge gekommen war. Weder aus den ausdrücklichen Sachverhaltsfeststellungen noch aus der Beweiswürdigung, der rechtlichen Bewertung oder einer Gesamtschau des Urteils ergibt sich jedoch, dass sich die Angeklagte einen aus der Berührung der Fahrzeuge herrührenden nicht ganz belanglosen Schaden zumindest als möglich vorgestellt hat. Dies versteht sich auch nicht von selbst, da nach den Feststellungen an beiden Fahrzeugen auf den ersten Blick lediglich ein Farbaufrieb erkennbar war.

Das Amtsgericht gelangt zwar zu dem Schluss, dass die Angeklagte davon ausging, dass ein nicht unerheblicher Sachschaden am Fahrzeug der Geschädigten Lange entstanden war (UA S. 5). Es vermag aber hinsichtlich der subjektiven Tatseite nicht durch Rückschlüsse vom äußeren Tatgeschehen auf die inneren Tatsachen (vgl. BGH NStZ 1991, 400) nachvollziehbar zu machen, welche Vorstellungen die Angeklagte hinsichtlich eines möglicherweise angerichteten Schadens tatsächlich hatte, als sie die Unfallstelle verließ. Die Urteilsgründe weisen lediglich aus, dass „für die Angeklagte erkennbar“ war (UA S. 5), dass die Beschädigung die Grenze eines Bagatellschadens überschreitet. Dies reicht zur Begründung allein strafbaren vorsätzlichen Handelns nicht aus, weil offen bleibt, ob die Angeklagte diese Möglichkeit auch tatsächlich erkannt hat. Zumal nach den Feststellungen des Amtsgerichts (UA S.4) die Angeklagte lediglich einen länglichen weißen Strich an der Stoßstange des geschädigten Fahrzeuges festgestellt habe und damit nicht von relevanten Schäden ausgegangen sei (UA S.3).“