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„Wunderwaffe“ entlarvt Betrüger

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Mit „“Wunderwaffe“ entlarvt Betrüger“ war gestern in den „Westfälischen Nachrichten“ ein Bericht überschrieben, der mich dann doch nachdenklich gemacht hat. Bericht wird von einer neuen „Wunderwaffe“ der münsterischen Polizei. Die will nämlich jetzt mit drei USB-Mikroskopen  Versicherungsbetrügern auf die Schliche zu kommen; und zwar denjeinigen die ein Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort mit der Beschädigung ihres Fahrzeuges behaupten. Da setzt die Polizei die „Wunderwaffe“ ein und kann- wie an anderer Stelle in den „WN“ weiter ausgeführt wird – feststellen, ob Fremdlack vorhanden ist. Wenn nicht, wird es eng(er). Da kann/sollte man die Mandanten warnen

Nachdenklich hat mich die Passage gemacht:

„Seit November werden die Geräte eingesetzt – mit beeindruckendem Erfolg. Für jeden zweiten Lack-Kratzer, der angeblich von einem Unfallflüchtigen verursacht wurde, waren die Fahrzeughalter selbst verantwortlich, betont die Polizei.“

Dass in dem Bereich viel „geschummelt“ wird, war mir klar. Aber einen so hohen Satz hätte ich dann doch nicht vermutet.

Nach dem Unfall weggelaufen – kein Versicherungsschutz (mehr)?

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Jeder Verkehrsrechtler kennt das (versicherungsrechtliche) Problem: Der Mandant hat nach einem Verkehrsunfall den Unfallort unerlaubt verlassen (§ 142 StGB). Versicherungsrechtlich führte (bislang) allein dieser Umstand  als vorsätzliche Verletzung der dem Versicherungsrnehmer obliegenden Aufklärungsobliegenheit zur Leistungsfreiheit des Versicherers (§ 28 Abs. 2 VVG).

Formuliert habe ich mit „führte (bislang)“, denn: Entspannung kann das BGH, Urt. v. 21.11.2012 – IV ZR 97/11 – bringen, auf das der BGH in seiner PM v. 22.11.2012 hingewiesen hat. Danach stellt nicht jedes unerlaubte Entfernen vom Unfallort zugleich eine vorsätzliche Verletzung der Aufklärungsobliegenheit gegenüber dem Fahrzeugversicherer mit der Folge des Verlustes des Versicherungsschutzes dar. In der PM – der Volltext der BGH-Entscheidung liegt noch nicht vor – heißt es:

„Der für das Versicherungsrecht zuständige IV. Zivilsenat hat entschieden, dass ein Verstoß gegen § 142 Abs. 2 StGB (nicht unverzügliche Ermöglichung nachträglicher Feststellungen nach zunächst erlaubtem Entfernen vom Unfallort) nicht in jedem Falle zugleich eine vorsätzliche Verletzung der Aufklärungsobliegenheit gegenüber dem Fahrzeugversicherer beinhaltet, die zu dessen Leistungsfreiheit führt.

In dem entschiedenen Fall erlitt der Kläger mit seinem bei der Beklagten kaskoversicherten Fahrzeug gegen 1 Uhr morgens einen Unfall, als er – nach seiner Behauptung bei einem Ausweichmanöver wegen auf der Straße stehender Rehe – auf einer Landstraße in einer Rechtskurve nach links von der Fahrbahn abkam und mit dem Fahrzeugheck gegen einen Baum prallte, der ebenso wie sein Fahrzeug beschädigt wurde. Nach dem Unfall verständigte er den ADAC, der das Fahrzeug abschleppte, und ließ sich von einem herbeigerufenen Bekannten an der Unfallstelle abholen. Die Polizei und den Geschädigten (das zuständige Straßenbauamt) verständigte er nicht. Ein gegen ihn eingeleitetes Verfahren wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort wurde später eingestellt.

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Regulierung des Schadens an seinem Fahrzeug. Er behauptet, ihr den Schaden unverzüglich angezeigt zu haben. Die Beklagte lehnte die Regulierung wegen der Verletzung von Aufklärungsobliegenheiten (hier E.1.3. AKB 2008) durch unerlaubtes Entfernen vom Unfallort ab. Mit seiner Klage verlangt der Kläger den Ersatz des auf rund 27.000 € bezifferten Schadens.

Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, dass die Aufklärungsobliegenheit stets verletzt sei, wenn der Straftatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort verwirklicht werde. Das gelte auch in den Fällen des § 142 Abs. 2 StGB, gegen den der Kläger verstoßen habe.

Der Bundesgerichtshof hat einen solchen Automatismus verneint. Er hat entschieden, dass dem Aufklärungsinteresse des Versicherers trotz eines Verstoßes gegen § 142 Abs. 2 StGB dann in ausreichender Weise genügt ist, wenn der Versicherungsnehmer zu dem Zeitpunkt, in dem eine nachträgliche Information des Geschädigten noch „unverzüglich“ im Sinne von § 142 Abs. 2 StGB gewesen wäre und eine Strafbarkeit nach dieser Vorschrift vermieden hätte, zwar nicht den Geschädigten, aber unmittelbar seinen Versicherer oder dessen Agenten informiert hat. Dies hatte der Kläger behauptet. Der Bundesgerichtshof hat deshalb das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur Aufklärung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.“

Die positiven Folgen einer Meldung bei der Polizei…

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Ich hatte gerade erst bei der Recherche für einen Aufsatz zu den Fragen des Regelbesipiels i.S. des § 69 Abs. 2 StGB festgestellt, dass man bei genauer Suche und genauem Hinsehen doch eine ganze Menge Entscheidungen findet, in denen von der „Regelentziehung“ nach § 69 StGB absieht. Das passte es ganz gut, dass mit gestern – quasi als Beweis für diese „These“ der LG Aurich, Beschl. v. 06.07.2012 – 12 Qs 81/12 – auf den Schreibtisch – na ja, ins Email-Postfach – flatterte.

Das LG hat darin die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis bei einem Beschuldigten, der sich zwar zunächst von der Unfallstelle entfernt hatte, dann aber 40 Minuten später den Unfall persönlich bei der Polizei meldete, abgesehen:

„Gleichwohl fällt die vorliegende Tat selbst trotz Erfüllung aller Tatbestandsmerkmale so sehr aus dem Rahmen der typischen Begehungsweises heraus, dass sie nicht mehr als der Regelfall anzusehen ist, dem der Gesetzgeber durch Vorwegnahme der Prognose eine den Eignungsmangel indizierende Wirkung im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB beilegen wollte (vgl. Stree, in: Schönke/Schröder, StGB, § 69 Rz. 42). Der einzige, dem Beschuldigten im vorliegenden Verfahren zu machende Vorwurf ist – wie schon die vorstehenden Ausführungen zeigen – lediglich darin begründet, dass er sich nicht unverzüglich, sondern erst mit 40 minütiger Verzögerung bei der Polizei gemeldet hat. Mit anderen Worten: Das Verhalten des Beschuldigten erfüllt „gerade noch“ den Tatbestand der Verkehrsunfallflucht; sein Verhalten bewegt sich am untersten Rand der Strafwürdigkeit. Dem Feststellungsinteresse der geschädigten Deutschen Bahn AG ist nicht zuletzt auch durch seine nachträglichen Aufklärungsbemühungen hinreichend Rechnung getragen worden, sodass der Schutzzweck, um dessentwillen § 142 StGB normiert worden ist, hinreichend Rechnung getragen wurde. So lässt der Umstand, dass der Täter entschlossen war, sich beim Geschädigten zu melden und den Schaden zu ersetzen, regelmäßig die Indizwirkung im Rahmen des § 69 StGB entfallen (ausdrücklich Stree, in: Schönke/Schröder, StGB, § 69 Rz. 42 m.w.N.). Auch in der Person des Beschuldigten selbst – sein Verkehrszentralregisterauszug weist keine Eintragungen auf – ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, den Regelfall des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB als erfüllt anzusehen. Vor dem Hintergrund der geringen Strafwürdigkeit des Verhaltens des Beschuldigten mag nach derzeitigem Erkenntnis- und Verfahrensstand allenfalls ein Fahrverbot gemäß § 44 StGB in Betracht kommen.“

Es kann sich also lohnen, mal genauer hinzusehen und die Umstände, die den eigenen Fall vom „Normalfall“ unterscheiden, herauszustellen.

 

Über die Entscheidung habe ich mich besonders gefreut

Ich freue mich ja immer über Entscheidungen, die mir Kollegen für den VRR bzw. den StRR zusenden. Über den mir zugesandten Beschluss des LG Kaiserslautern v. 25.06.2012 – 5 Qs 72/12 habe ich mich aber besonders gefreut. Nicht wegen der Materie – Aufhebung eines § 111a-Beschlusses -sondern wegen des „Begleittextes“. Der übersendende Kollege hat nämlich darauf hingewiesen, dass ihm bei seinem Rechtsmittel einer der von stammenden Beiträge, die im Volltext auf meiner Homepage Burhoff-online stehen, geholfen hat und hat sich ausdrücklich für die Hilfestellung bedankt. Das erste ist sicherlich/hoffentlich häufiger der Fall, das zweite ist schon seltener. Da macht die Arbeit mit der HP dann wieder besondere Freude.

In der Sache hat das LG aufgehoben, weil die Voraussetzungen des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB nicht vorgelegen habe, der Beschuldigte habe nicht wissen können, bei dem Unfall einen bedeutenden Fremdschaden verursacht zu haben.

„Die Voraussetzungen für die Regelvermutung des § 69 Abs. 2 S. 3 StGB sind zumindest nach derzeitigem Sachstand nicht gegeben. Zwar wird ein „bedeutender Schaden“ im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB immer dann angenommen, wenn die Schadenssumme 1.300,- Euro beträgt, jedoch ist es hier fraglich, ob die Beschuldigte wissen konnte, bei dem Unfall einen solchen Sachschaden verursacht zu haben. Die Zeugin S. gab an, die beiden Fahrzeuge haben sich nur mit den Außenspiegeln berührt (Spiegel an Spiegel). Dabei sei die Beschwerdeführerin nicht besonders schnell gefahren (BI. 12, 23 d.A,). Auch der den Unfall aufnehmende Polizist hat den Führerschein am Unfallort nicht sichergestellt, da ihm die Schadenshöhe nicht so hoch erschien (BI. 35 d.A.). Diese Einschätzung kann als Indiz für die Erkennbarkeit der Erheblichkeit eines Schadens herangezogen werden. Dass die Beschuldigte mit einem höheren Sachschaden rechnen musste, ist daher nicht erkennbar. Abzustellen ist dabei auf den Zeitpunkt, an dem sie die Unfallstelle verließ. Dass sich nachträglich ein höherer Schaden herausstelle, ist insoweit nicht entscheidend.“

 

„Unfallflucht“ – schwere Folgen führen zu höherer Strafe

Strafzumessung beim unerlaubten Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB). Damit befasst sich der OLG Frankfurt, Beschl. v. 22.11.2011 – 3 Ss 356/11, der ja auch schon verschiedene andere Blos zu einem Posting veranlasst hat. Das LG hatte in seinem Urteil die Schwere des Unfalles und seine Folgen bei der Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt. Das OLG hat das nicht beanstandet, was m.E. zutreffend ist, wenn der Angeklagte die schweren Folgen erkannt hat. Und: Das OLG weist darauf hin, dass die frühere Rechtsprechung, wonach, wenn bei dem Unfall ein Mensch schwer oder gar tödlich verletzt worden war, regelmäßig ein besonders schwerer Fall i. S. des § 142 Abs. 3 StGB a.F. vorlag, für die Strafzumessung auch nach der Neufassung des § 142  StGB durch das 13. Strafrechtsänderungsgesetz vom 13.6.1975 (BGBl I, S. 1349) weiterhin von Bedeutung ist

Dazu: Bis zur Neufassung des § 142 StGB aufgrund des 13. Strafrechtsänderungsgesetzes vom 13. Juni 1975 (BGBl. I 1975 S. 1349) war zudem anerkannt, dass in Fällen wie hier, in denen der Täter erkannte, dass bei dem Unfall ein Mensch schwer oder gar tödlich verletzt worden war, regelmäßig ein besonders schwerer Fall im Sinne des § 142 Abs. 3 StGB a.F. vorlag (vgl. BGHSt 12, 253, 256; 18, 9, 12; BGH VRS 17, 185; 22, 271, 273; 22, 276, 278; 27, 105; 28, 359, 361; 33, 108). Diese Rechtsprechung ist für die Strafzumessung weiterhin von Bedeutung (vgl. Sternberg-Lieben aaO Rn. 87; Kudlich aaO; Burmann in Burmann/Heß/Jahnke/Janker Straßenverkehrsrecht 21. Aufl. § 142 StGB Rn. 38; a.A. Zopfs in MünchKomm-StGB § 142 Rn. 134). Gerade wegen des Wegfalls des § 142 Abs. 3 StGB, der eine Strafdrohung von sechs Monaten bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe vorsah, hielt es der Gesetzgeber für Fälle besonders verwerflicher Handlungsweise und deren sozialethischer Einordnung – wobei nach dem Kontext der Gesetzesmaterialen diejenigen Fälle gemeint sind, in denen der Täter die Verkehrsunfallflucht gegenüber einem schwerverletzten Unfallbeteiligten begeht – für angezeigt, das Höchstmaß der Strafdrohung des § 142 Abs. 1 StGB von zwei auf drei Jahre anzuheben (vgl. BT-Drs. 7/2424 S. 9 unter 6. a.E.; dies übersieht Zopfs aaO, dort Fußn. 534, mit insoweit unzutreffendem Hinweis auf die Gesetzesmaterialien). Danach hat er für diese besonders schwerwiegenden Fälle des unerlaubten Entfernens vom Unfallort bewusst einen Bereich eröffnet, in dem eine etwa zu verhängende Freiheitsstrafe nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden kann.