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Regelentziehung der Fahrerlaubnis erst ab 1.500 € Sachschaden

© mpanch - Fotolia.com

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Und sie bewegt sich dann allmählich doch. Die Rechtsprechung zu § § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB und die Frage, wann denn nun ein bedeutender Sachschaden vorliegt, der dann die Regelentziehung der Fahrerlaubnis beim unerlaubten Entfernen vom Unfallort nach sich zieht. Bisher liegt die Grenze bei 1.300 €, nun bewegt sie sich endlich nach oben. Zu den neueren Entscheidungen gehört der LG Braunschweig, Beschl. v. 03.06.2016 – 8 Qs 113/16. Der zieht die Grenze dann jetzt ab 2016 bei 1.500 €:

„Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen sind keine dringenden Gründe für die Annahme vorhanden, dass dem Beschuldigten die Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen durch Urteil entzogen werden wird, § 69 Abs. 1 StGB. Nach § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ist ein Kraftfahrer in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen, wenn er sich eines Vergehens des unerlaubten Entfernens vom Unfallort schuldig macht, obwohl er weiß oder wissen kann, dass bei dem Unfall an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist.

Der Regelfall des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ist vorliegend nicht erfüllt, da es an einem bedeutenden Schaden an fremden Sachen im Sinne der Norm fehlt. Der hier entstandene Sachschaden in Höhe von 1.387,54 € überschreitet die maßgebliche Grenze von 1.500,00 € nicht.

Zwar lag die Grenze für einen bedeutenden Sachschaden nach § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ab dem Jahr 2002 nach ständiger Rechtsprechung der 8. großen Strafkammer des Landgerichts Braunschweig bei einem Sachschaden von 1.300,00 € (LG Braunschweig, 8 Qs 392/04, Beschluss vom 22.11.2004 – juris).

Auch verweist die Staatsanwaltschaft Braunschweig in ihrer Beschwerdebegründung zu Recht darauf, dass sämtliche führenden – auch aktuellen – strafrechtlichen Kommentierungen an dem bekannten Wert von 1.300,00 € festhalten (Fischer, StGB, 63. Aufl. 2016, § 69 Rn. 29; Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl. 2014, § 69 Rn. 7; Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, § 69 Rn. 39; Münchener Kommentar StGB, 2. Aufl. 2012, § 69 Rn. 71; Systematischer Kommentar zum StGB, 8. Aufl. 2012, § 69 Rn. 18 (Stand: Oktober 2014); von Heintschel-Heinegg, StGB, 2. Aufl. 2015, § 69 Rn. 40 (Grenze: 1.250,00 €); Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, 2. Aufl. 2014, § 69 Rn. 42; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. 2015, § 69 Rn. 17; Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 24. Aufl. 2016, § 69 Rn. 20).

Jedoch stützen sich sämtliche Kommentierungen zur Begründung dieses Wertes allein auf die dazu ergangene Rechtsprechung, die, wie das Amtsgericht Braunschweig in dem angegriffenen Beschluss zu Recht ausgeführt hat, überwiegend älteren Datums ist. Auch die soweit ersichtlich zuletzt den Wert von 1.300,00 € bestätigenden Entscheidungen sind  bereits nahezu 6 Jahre (OLG Hamm, Beschluss vom 30.09.2010, III 3 RVs 72/10, NZV 2011, 356) und 3 Jahre alt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.07.2013, III-3 Ws 225/13, juris). Die Grenze von 1.300,00 € ist bereits seit dem Jahr 2002 anerkannt (Fischer, StGB, 63. Aufl. 2016, § 69 Rn. 29; LG Braunschweig, 8 Qs 392/04, Beschluss vom 22.11.2004 – juris) und wird bis heute überwiegend als gegeben hingenommen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.07.2013, III-3 Ws 225/13, juris).

Jedoch kann bei der Interpretation ausfüllungsbedürftiger Tatbestandsmerkmale wie dem bedeutenden Schaden im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB die allgemeine Geldentwicklung nicht außer Betracht bleiben (Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, § 69 Rn. 39), sodass bei einem seit dem Jahre 2002 unveränderten Wert nunmehr nach 14 Jahren eine Anpassung vorzunehmen ist.

Einziger – wenn auch freilich für den zu entscheidenden Fall mit Einschränkungen und Vorbehalten – belastbarer, da auf Tatsachen gründender Anhaltspunkt für die durchschnittliche Preisentwicklung ist der Verbraucherpreisindex.

Nach dem aktuell geltenden Verbraucherpreisindex für Deutschland mit dem Basisjahr 2010 (2010 = 100) erreichte der Verbraucherpreisindex im Jahr 2002 einen Jahresdurchschnittsstand von 88,6. Im Jahre 2015 betrug dieser 106,9.

Die Veränderungsrate in Prozent zwischen diesen beiden Jahren berechnet sich folgendermaßen: 106,9 / 88,6 x 100 – 100 = 20,65 %.

Der Wert von 1.300,00 € aus dem Jahr 2002 wäre daher unter Zugrundelegung einer Preissteigerungsrate von 20,65 % im Vergleichszeitraum auf exakt 1.568,45 € gestiegen.

Es erscheint daher angemessen, den Wert für einen bedeutenden Schaden im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ab dem Jahr 2016 auf mindestens 1.500,00 € festzusetzen.“