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Die Niederkunft der Freundin des Verteidigers…

ist – zumindest nach dem OLG Celle, Beschl. v. 03.11.2011 -1 Ws 434/11 kein Grund, einen Hauptverhandlungstermin zu verlegen. Das begründet das OLG Celle wie folgt:

„Der Antragsteller selbst hat jedoch im Rahmen seines erneuten, mit der Beschwerde verbundenen Verlegungsantrags erklärt, er befinde sich wegen der erwarteten Niederkunft seiner Freundin am Terminstag – sozusagen auf Abruf – in seinen Kanzleiräumen. Weshalb er dann nicht auch an der Hauptverhandlung soll teilnehmen können, erschließt sich nicht. Der Senat geht hierbei davon aus, dass im Falle der Niederkunft der Lebensgefährtin des Verteidigers am anberaumten Verhandlungstag der Termin selbstredend noch kurzfristig aufgehoben oder die bereits begonnene Hauptverhandlung unterbrochen worden wäre. Im Übrigen ist es zumindest senatsbekannt, dass auch Richterkollegen am Tag der Niederkunft ihrer Ehefrau den Kreißsaal zumindest vorübergehend verlassen haben, um an einer notwendigen Hauptverhandlung teilzunehmen. Weshalb dies nicht auch für Verteidiger gelten soll, erschließt sich ebenfalls nicht.“

Ein in Sachen „richterlicher Niederkunft“ offenbar sehr erfahrener Senat. Über die ablehnende Begründung wird man sicherlich diskutieren können. Was vergibt sich das Gericht eigentlich, wenn man die Hauptverhandlung verlegt. Und: Ist/wäre dem Gericht damit nicht mehr gedient, als mit einem Verteidiger, der ggf. mitten in einer wichtigen Zeugenaussage o.Ä., den Finger hebt und fragt, ob er denn jetzt wohl bitte die Sitzung verlassen dürfe, um zum Krankenhaus zu eilen? Nun ja, mit Niederkünften tun sich die Gerichte schwer. Ich erinnere an AG Bonn und LG Bonn.

Im Übrigen: Das OLG Celle kündigt wohl eine Rechtsprechungsänderung an. Denn der Leitsatz der Entscheidung lautet:

Der Senat neigt dazu, sich entgegen OLG Celle, NStZ 1984, 72 der im Vordringen befindlichen Auffassung anzuschließen, nach der eine Beschwerde gegen den einen Verlegungsantrag ablehnenden Beschluss jedenfalls in Einzelfällen statthaft sein kann, etwa bei rechtswidriger, weil ermessenfehlerhafter Ablehnung.

Das liest man natürlich gerne.

Ablehnung des Entbindungsantrags: Rechtsbeschwerdebegründung

Einmal mehr befasst sich das OLG Bamberg, Beschl. v. 20.10.2011 – 3 Ss OWi 1364/11 mit den Anforderungen an die Begründung der Rechtsbeschwerde nach Ablehnung eines Entbindungsantrags. Im Leitsatz heißt es:

„Wird die rechtfehlerhafte Ermessensausübung bei der Ablehnung eines Termins­ver­legungsantrags wegen Verhinderung des Verteidigers beanstandet, ist nach § 344 II 2 StPO der Inhalt des Verlegungsgesuchs grundsätzlich vollständig wiederzugeben. Dies gilt erst recht dann, wenn mit dem Antrag zugleich hilfsweise für den Fall seiner Ableh­nung konkrete Sacheinlassungen zur Schuld- oder Rechtsfolgenfrage abgegeben werden.“

Wochenspiegel für die 33. KW – mal wieder etwas Kachelmann, einen Akteneinsichtsdiscount und die „Buttonlösung

Wir berichten heute über:

  1. Kachelmann, mal wieder,
  2. einen Akteneinsichtsdiscounter,
  3. die Button-Lösung des BMJ, vgl. auch hier und hier.
  4. Terminsverlegung,
  5. Unschuldig im Sinne der Anklage,
  6. Wichtiges für die Verteidigung von Filesharern,
  7. Verspätung dank Untersuchungshaft,
  8. Justiz mit Preisschild,
  9. Irrsinn: Essen im Stehen 7 %, im Sitzen 19 %, jedenfalls bei der Currywurst 🙂
  10. und dann war da noch die Seite: smsvongesternacht.

Die schwangere Verteidigerin und das AG Bonn – Termin dann doch verlegt

Ich hatte ja bereits über die schwangere Kollegin und ihren Terminsverlegungsantrag berichtet, der vom AG Bonn abgelehnt worden war, was das LG Bonn in der Beschwerde gehalten hatte. Nun hatte ihr Vertreter noch einmal einen Verlegungsantrag gestellt :-), nachdem die Kollegin komplikationslos entbunden hatte.  Das AG Bonn hat nun doch verlegt – Terminsverfügung und Begründung:

„Die Verlegung ist nunmehr möglich, da das Gericht der anwaltlichen Versicherung, es lägen keine Komplikationen vor und eine Terminswahrnehmung in ca. 4 Wochen sei möglich, Glauben schenkt. Lediglich die bisher – faktisch – beantragte Verlegung auf unbestimmte Zeit kam und kommt nicht in Betracht. Zudem ist ein maßgeblicher Zeuge verhindert“.

Man ist geneigt zu sagen: Geht doch (die Kollegin hatte schon im ersten Antrag um Verlegung um etwa einen Monat gebeten). Aber wahrscheinlich lag es eh am verhinderten Zeugen.

Die schwangere Verteidigerin und (nun) das LG Bonn – oder „Arroganz der Macht“?

Die Geschichte „Die schwangere Verteidigerin und das AG Bonn“ hat nun ein (unrühmliches) Ende beim LG Bonn gefunden. Dieses hat in LG Bonn, Beschl. v. 19.04.2011 – 22 Qs 31/11 die Beschwerde der Kollegin gegen die Ablehnung ihres Terminsverlegungsantrags durch das AG Bonn zurückgewiesen, um nicht zu sagen: Abgebügelt. Die Beschwerde sei unzulässig, jedenfalls sei die Ablehnung des Terminsverlegungsantrages der Kollegin nicht so „evident fehlerhaft“, dass das zum Erfolg der Beschwerde = zur Terminsverlegung führe.

Wenn man es liest, dann hat man schon den Eindruck, dass der Kommentar des Kollegen Melchior zur Entscheidung des AG „ekelhafte richterliche Arroganz“ nicht so ganz von der Hand zu weisen ist. Das „ekelhaft“ ist vielleicht ein bißchen dick, aber m.E. schon berechtigt ist der darin liegende Vorwurf der „Arroganz der Macht“. Denn im Beschluss setzt man sich wieder nicht konkret mit der Frage auseinander, dass die Kollegin eine Verschiebung um etwas einen Monat erbeten hatte. Er lässt m.E. auch nicht erkennen, ob man sich eigentlich der Schwierirgkeiten bewusst ist, die in solchen Situationen außerhalb des öffentlichen Dienstes bestehen. Dafür wird aber mit „denkbar“, also mit Vermutungen und Annahmen, argumentiert, wenn es heißt:

Abschließend entscheiden braucht die Kammer diese Frage jedoch nicht, da es an einer solchen evidenten Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verfügung fehlt und zudem die Nachteile für den Betroffenen nicht von erheblichem Gewicht sind. Aus der vom Amtsgericht gegebenen Begründung für die Nichtverlegung des Termins ergibt sich, dass von einer Verlegung des Hauptverhandlungstermins deshalb abgelehnt wurde, weil für eine absehbare Zeit nicht sichergestellt sei, dass die Verteidigerin für einen Termin zur Verfügung stehe. Dies ist nicht falsch: Die Verteidigerin kann naturgemäß nur den errechneten Entbindungstermin angeben, der tatsächliche Entbindungstermin kann aber unter Umstän­den deutlich später liegen. Zudem ist es denkbar, dass es bei der Geburt zu Komplikationen kommt und/ oder zu gesundheitlichen Problemen beim Kind oder der Verteidigerin, welche letztendlich — eventuell kumuliert — die Teilnah­me an einem Hauptverhandlungstermin auch einige Wochen nach dem avisier­ten Termin nicht zulassen. Vor diesem Hintergrund besteht ein grundsätzlich anerkennenswertes Interesse des Amtsgerichts daran, den Termin bestehen zu lassen, um das bereits lange andauernde Verfahren, in dem es zudem um kei­ne besonders gewichtige Verkehrsordnungswidrigkeit geht und zudem die Ver­tretung durch einen anderen Verteidiger möglich ist, zeitnah abschließen zu können.“

Denkbar ist alles/vieles und mit der Begründung kann man jeden Terminsverlegungsantrag zurückweisen. Kein Wort zur obergerichtlichen Rechtsprechung, die die Frage bei dem vergleichbaren Fall der Erkrankung und auch sonst bei Verhinderung des Verteidigers in einigen Fällen anders gesehen hat. Ich bin gespannt, was das OLG Köln demnächst dazu sagen wird. Denn was bleibt denn jetzt noch anders, als den Betroffenen für die HV vorzubereiten, dort einen Aussetzungsantrag zu stellen, um dann dessen zu erwartende Ablehnung in der HV mit der Rechtsbeschwerde zu rügen.

Abschließend: Wenn man den Beschluss des AG Bonn und auch jetzt den des LG Bonn liest, fragt man sich: Was hätte man sich eigentlich damit vergeben, wenn man dem Antrag des Betroffenen gefolgt wäre?

Und: Die Kollegin befindet sich seit Samstag stationär im Krankenhaus, weil Wehen künstlich eingeleitet werden. Anhaltspunkte für weitere Komplikationen  sind derzeit nicht bekannt, so dass man jedenfalls derzeit davon ausgehen muss, dass ihr  eine Terminwahrnehmung in vier bis sechs Wochen möglich sein dürfte. Es ist allerdings naturgemäß nicht damit zu rechnen, dass sie am kommenden Montag in dieser Angelegenheit einen Termin wahrnehmen kann.