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Keine Terminsverlegung, schließlich hat der Amtsrichter noch 10 Wochen Urlaub abzuwickeln

Da verschlägt es einem schon die Sprache, wenn man den Beschluss des LG Lüneburg in 26 Qs 4/10 liest. Hintergrund: Der Verteidiger beantragt Terminsverlegung. Das Amtsgericht lehnt ab. Das LG verwirft die Beschwerde als unzulässig (!). Soweit, so gut? Mitnichten, wenn man die Begründung liest:

„Die Ablehnung eines Terminsverlegungsantrags ist nach § 305 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG grundsätzlich unanfechtbar (vgl. Göhler, § 71 OWiG, Randnummer 25 a). Ob etwas anderes dann gilt, wenn die Entscheidung des Vorsitzenden auf einem evidenten Ermessensfehler beruht (vgl. OLG Stuttgart, Justiz 2006, 8), kann hier dahingestellt bleiben, weil ein solcher Ermessensfehler nicht ersichtlich ist. Die Erwägung des Amtsgerichts, wonach die Vielzahl der gerichtlich anhängigen Ordnungswidrigkeitenverfahren bei der Prüfung von Verlegungsanträgen die Anregung eines strengen Maßstabs rechtfertigt, ist jedenfalls dann, wenn es sich, wie vorliegend, bei dem Vorwurf verbotenerweise mit einem Handy telefoniert zu haben, um einen einfach gelagerten Sachverhalt handelt, durchaus nachvollziehbar (vgl. auch insoweit Göhler, § 71 OWiG, Randnummer 25 a, wonach in Bußgeldverfahren regelmäßig ein strengerer Maßstab anzulegen ist). Diese Überlegung ist im Übrigen auch angesichts der kurzen Verjährungsfrist des § 26 Abs. 3 StVG sachgerecht, weil anderenfalls bei einer Vielzahl von Ordnungswidrigkeitenverfahren im Falle massiver Abstimmungsprobleme mit der Verteidigung der Verjährungseintritt drohen würde. Nach der ergänzenden Begründung in der Nichtabhilfeentscheidung des Amtsgerichts reicht die Terminierung bereits in den März 2010. Infolge Urlaubs des Richters in 2010 über insgesamt 10 Wochen bis Oktober fallen ca. 16 Terminswochen weg, so dass sich die dortige Terminierungssituation weiter verschlechtern wird.“

Also: Zum Anwalt des Vertrauens kein Wort und auch kein Wort dazu, dass OLGs die Frage teilweise anders sehen. Auch kein Wort dazu, was der Amtsrichter eigentlich unternommen hat, um die Terminschwierigkeiten zu beseitigen: warum kann man den Termin nicht aufheben und ggf. kurzfristig eine andere Sache ansetzen. Und dann: Verjährung droht: Wieso denn, wenn die Verjährungsfrist jetzt immerhin sechs Monate beträgt. Und in der Zeit sollte man doch wohl einen Termin auf die Reihe bekommen, auch wenn der Amtsrichter noch 10 Wochen in Urlaub in 2010 abwicklen muss. Was das allerdings mit dem Recht des Betroffenen auf den Anwalt des Vertrauens zu tun hat, erschließt sich nun nicht so richtig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 S. 1 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG.

Immer „Theater“ um Terminsverlegung. Aber wohl nicht beim erkrankten Verteidiger

Der Sachverhalt der Entscheidung des OLG Koblenz im Beschl. v. 10.09.09 – 2 Ss Rs 54/09 ist schon erstaunlich. Der Betroffene wird auf seinen Antrag von der Anwesenheitspflicht entbunden (§ 73 Abs. 2 OWiG). Der Verteidiger, der für ihn zur Hauptverhandlung kommen soll, erkrankt und teilt das dem Amtsgericht rechtzeitig mit und beantragt Terminsverlegung. Der Antrag wird abgelehnt, u.a. mit dem Hinweis auf das Beschleunigungsgebot und den einfach gelagerten Sachverhalt, und der Betroffene wird verurteilt.

Da fragt man sich ja dann doch schon, welche Vorstellung das Amtsgericht vom Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör hat. Jedenfalls hatte das OLG Koblenz einen anderen und hat – zutreffend – das Urteil des AG aufgehoben. Die Fürsorgepflicht des Gerichts gebiete grds. zwar nur unter besonderen Umständen eine Vertagung der Hauptverhandlung wegen Verhinderung des Verteidigers. Maßgeblich seien die Umstände des Einzelfalls. Eine beantragte Terminsverlegung dürfe nach einem rechtzeitig eingegangen Verlegungsantrag aber nicht abgelehnt werden, wenn der Angeklagte auf Antrag seines Verteidigers vom persönlichen Erscheinen entbunden worden war und deshalb darauf vertrauen konnte, in der Hauptverhandlung von diesem vertreten zu werden, der Verteidiger an der Hauptverhandlung aber wegen einer Erkrankung nicht teilnehmen könne.

Und: Das OLG weist das AG darauf hin, dass der Verteidiger im Übrigen nicht verpflichtet sei, die Erkrankung über die anwaltliche Versicherung hinaus glaubhaft zu machen.

BGH: Terminsnöte des Verteidigers, Gericht muss wirklich helfen wollen

Manchmal überrascht der BGH ja auch (na ja, der 5. Strafsenat sieht das ein oder andere doch anders). Hier eine für den Verteidiger schöne Entscheidung (Beschl. v. 24.06.2009 – 5 StR 181/09), wenn er in den Kampf zieht wegen einer Terminierung/Terminsverlegung. Der BGH verlangt vom Tatrichter den „ernsthaften Versuch“, dem Recht auf den Anwalt des Vertrauens Geltung zu verschaffen. Er formuliert:

„Der Senat weist darauf hin, dass es bei der grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Vorsitzenden stehenden Terminierung nicht bloß darum geht, Terminswünsche des Wahlverteidigers zu bedenken, sondern das Recht des Angeklagten, sich von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen, in Frage steht. Es muss seitens des Gerichts bei der Planung der Hauptverhandlung wenigstens ernsthaft versucht werden, diesem Recht Geltung zu verschaffen (vgl. BGHR StPO § 137 Satz 1 Beschränkung 2; Brause  Kriminalistik 1995, 349, 351). Dies verbietet es in der Regel, Terminsnöte zumal, wie hier, kompromissbereiter Wahlverteidiger ohne weiteres zu übergehen.“

Die legt man – nicht nur im OWi-Verfahren – dem (Amts)Richter am besten gleich mit zum Terminsverlegungsantrag.

Für Fehler des Gerichts muss der Angeklagte büßen?

Man ist je doch erstaunt, was es so alles gibt:
Der Angeklagte hat einen Pflichtverteidiger, der zunächst Wahlverteidiger war. Die Beiordnung erfolgt (erst) in der Beschwerdeinstanz. Am 1. HV-Tag, einem Freitag, stellt sich heraus, dass der Vorsitende den falschen Polizeibeamten als Zeugen geladen hat, so dass ein zweiter HV-Tag notwendig ist. Der Vorsitzende stellt ausdrücklich fest, dass das Gericht schon so weit austerminiert sei, dass nur noch der Freitag in drei Wochen – also der letzte Tag innerhalb der Frist des § 229 I StPO – für die Weiterverhandlung zur Verfügung steht. Angeklagte und Verteidiger nehmen an; Ladung Statt Kenntnis vom Termin.
Etwa 10 Tage vor dem 2. HV-Tag verlegt der Vorsitzende den 2. HV-Termin um einen Tag nach vorne. Der Pflichtverteidiger weist darauf hin, dass er da bereits als Pflichtverteidiger in einem anderen Verfahren zu einem Fortsetzungstermin geladen sei. Der Vorsitzende gibt als Begründung für die Verschiebung an, dass er am ursprünglichen vorgesehen Tag schon länger seine Teilnahme an einer Richter-Tagung angemeldet habe und ihm dies damals entfallen gewesen sei; er bestellt nunmehr einen zweiten PV für die Hauptverhandlung. Tatvorwurf ist § 224 StGB mit 5 Angeklagtenund extrem widersprüchlichen Zeugenaussagen am 1. HV-Tag.

Da ist man doch sehr erstaunt: Kann es denn richtig sein, dass der Vorsitzende seinen Fehler = Übersehen des Termins jetzt einfach auf Kosten des Angeklagten (um den geht es!!!!!!!!!) ausbügelt und ihm seinen Anwalt des Vertrauens entzieht? M.E. NICHT.