Ein gebührenrechtlicher Streitpunkt ist noch immer die Frage, welche Gebühren für den sog. Terminsvertreter des (verhinderten) Pflichtverteidiger im Strafverfahren entstehen. Einig ist man sich in der Rechtsprechung, dass nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG abgerechnet wird. Nur: Welche Gebühren werden verdient. Die wohl noch h.M. gibt nur die Terminsgebühr, was m.E., wenn man den Terminsvertreter als „Vollverteidiger“ i.S. von Teil 4 Abschnitt 1 ansieht, falsch ist. Es mehren sich jetzt allerdings die Stimmen, die auch die Grundgebühr festsetzen. Nach OLG Karlsruhe, OLG Köln und OLG München nun auch das LG Köln, so dass man zumindest im Rheinland als Terminsvertreter ganz gut dasteht (vgl. Beschl. v. 07.12.2011 – 105 Qs 343/10).
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Das Verhandeln im Gebührenrecht…
Ich habe länger nichts mehr zum Gebührenrecht mehr gebracht, daher heute hier der Hinweis auf den Beschl. des LG Berlin v. 08.11.2010 – 524 – 58/09, der sich mit der immer interessanten Frage befasst, wann ein Verhandeln i.S. der Nr. 4102 Ziff. 3 VV RVG – Stichwort: Hafttermin – vorliegt. Allein die Verkündung des Haftbefehls reicht ja bekanntlich nicht aus. Da muss schon mehr passieren.
Und das LG Berlin nimmt zu einem Haftprüfungstermin Stellung, in dem es um einen auf § 230 Abs. 2 StPO gestützten Haftbefehl ging. Dazu heißt es:
„In den Fällen eines Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 StPO wird bei dessen Verkündung eine Verhandlung zur Sache i.S. der Nr. 4012 Ziff. 3 VV RVG in der Regel sehr nahe liegen.“
Begründung: Beim 230er-Haftbefehl ergeben sich die Haftgründe nicht unbedingt aus der Akte, so dass in den Fällen im Verkündungstermin häufig viel erörtert werden muss. Und das reicht für die Gebühr Nr. 4102 Ziff. 3 VV RVG.
Einen Verteidiger bekommt man nicht zum „Schnäppchenpreis“, oder: Warum sollte der Rechtsanwalt den „billigen Jakob“ machen?
Vor einigen Tagen berichtete die Kollegin Rueber über die Suche eines Kollegen nach einem „billigen Jakob (vgl. hier), die – zumindest bei der Kollegin – ergebnislos war; der Beck-Blog möchte im Anschluss daran gern wissen, was denn so üblich ist (das werden die Kollegen kaum offen legen).
Der Beitrag der Kollegin Rueber hat mich allerdings zu der Frage gebracht, ob die dort von dem Kollegen angebotenen 100 € eigentlich gebührenrechtlich falsch waren. Nur zu Klarstellung: Ich will hier keine Diskussion darüber anfangen, dass 100 € für einen Termin zu wenig sind und auch die von der Kollegin angeführten 215 € kaum ausreichend die anwaltliche Tätigkeit honorieren.
Die Antwort auf die Frage „Billiger Jakob“ ja oder nein, richtet sich gebührenrechtlich danach, wonach ich die Tätigkeit abrechne: Handelt es sich um eine Einzeltätigkeit, dann erfolgt die Abrechnung nach Teil 5 Abschnitt 2 VV RVG und es greift die Nr. 5200 VV RVG und dann sind die ins Spiel gebrachten 100 € die Höchstgebühr. Handelt es sich nicht um eine Einzeltätigkeit, dann wird nach Teil 5 Abschnitt 1 VV RVG abgerechnet und es fallen m.E. Grundgebühr, Verfahrensgebühr und Terminsgebühr an. Letzteres ist allerdings streitig, einige OLG geben für dieselbe Problematik beim Terminsvertreter des Pflichtverteidigers nur die Terminsgebühr, andere zumindest Grundgebühr und Terminsgebühr, was m.E. zutreffend ist.
Ob nun im „Fall Rueber“ 🙂 Teil 5 Abschnitt 1 VV RVG oder Teil 5 Abschnitt 2 VV RVG anwendbar ist, hängt vom Inhalt des erteilten Auftrages ab. Nur dann, wenn die Kollegin tatsächlich nur eine Einzeltätigkeit erbringen sollte, greift die Nr. 5200 VV RVG. Ist m.E. im Straf- und OWi-Verfahren aber eher die Ausnahme, denn dann wäre der Terminsvertreter nicht „Verteidiger“ Und das ist m.E. nicht der Fall (so übrigens auch die h.M. zum „Terminsvertreter des Pflichtverteidigers). Also fallen die Gebühren nach Teil 5 Abschnitt 1 V RVG an, also Grundgebühr, denn der RA muss sich ja auch einarbeiten – wie will er sonst im Termin verteidigen können? – und auf jeden Fall für die Teilnahme am Termin die Terminsgebühr. Und da dürften die ins Spiel gebrachten 215 € als Mittelgebühr in einer Vielzahl von Fällen angemessen sein (Rechtspfleger sehen das meist anders; bei denen gibt es häufig kein durchschnittliches Verfahren).
Also: Die Kollegin hatte Recht. Die 100 € wären für den anfragenden Kollegen ein Schnäppchen gewesen. Und wer will schon ein Schnäppchen sein? 🙂
Lesetipp: Vernehmungsterminsgebühr
Machen wir mal ein wenig Eigenwerbung 🙂 und weisen auf den im Volltext auf meiner Homepage www.burhoff.de eingestellten Beitrag aus RVGreport 2010, 282 hin: „Die Vernehmungsterminsgebühr nach Nr. 4102, 4103 VV RVG„.
Könnte Verteidiger interessieren…
LG Berlin: Sind die Kassen so leer?
Die öffentlichen Kassen müssen ja doch recht leer sein. Jedenfalls hat man den Eindruck, wenn man die der Entscheidung des LG Berlin vom 27.10.2009 – 510 Qs 153/09 zugrundeliegende amtsgerichtliche Entscheidung liest. Da erscheint der Verteidiger zum Hauptverhandlungstermin, führt mit den Verfahrensbeteiligten ein Rechtsgespräch, benennt eine Zeugin, was dazu führt, dass es nicht mehr zum Aufruf kommt, und dann sagt der Rechtspfleger: Zwar geplatzter Termin, aber Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG greift nicht ein, da du das Nichstattfinden des Termins zu vertreten hast. Zum Glück hat das LG das anders gesehen und auf § 246 Abs. 1 StPO hingewiesen und darauf, dass im Verfahren bis dahin auch die Einlassung des Angeklagten nicht überprüft worden war.