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Bitte nicht hupen, sonst: „Gegner“ greift zur Streitaxt

von openclipart.org

In der morgendlichen Lektüre der Tageszeitung ist die Überschrift zu einer Kurzmeldung: „Autofahrer greift zur Streitaxt“ sicherlich ein Eyecatcher. Denn das interessiert dann doch. Und was kann man lesen?

Da hat sich in Büren-Wewelsburg – liegt im Paderborner Land – ein Autofahrer über das Hupen eines anderen Autofahrers geärgert. Hintergrund für das Hupen war eine Vorfahrtsverletzung. Der „Vorfahrtsverletzter“ verfolgt den „Huper“, der mit seiner Familie in seinem Pkw saß, bis zu einer Pizzeria. Dort holt er ein Streit- bzw. Kampfaxt aus dem Kofferraum seines Pkw und bedroht die Familie. Die kann in die Pizzeria flüchten und schließt sich dort mit anderen in der Küche ein. Der „Vorfahrtsverletzer“ fährt dann weg.

Wie weit er gekommen ist, ergibt sich aus der Meldung (vgl. u.a. auch hier bei RP-online) nicht. Jedenfalls wird er demnächst sicherlich eine Fahrt zum AG antreten dürfen. Eine Anklage wegen Bedrohung u.a. dürfte drin sein.

Man fragt sich: Warum in aller Welt transportiert man eine Streit-/Kampfakt im Pkw?

„Vergesst die verkehrs(straf)rechtlichen Grundbegriffe nicht“, oder: Zeitweilig öffentlich, zeitweilig nicht öffentlich…

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Wer schon mal bei mir im Fachanwaltskurs oder auf einer Fortbildung war, der weiß: Ein Standardspruch ist: „Vergessen/Übersehen Sie die verkehrsstrafrechtlichen Grundbegriffe nicht.“ Es sind sechs – Fahrzeug, Kraftfahrzeug, Führen, Verkehr, Straßenverkehr und die Öffentlichkeit. Vor allem die Öffentlichkeit ist wichtig und hier bieten sich m.E. nicht selten gute Verteidigungsansätze, die man nicht übersehen sollte. Das zeigen auch immer wieder obergerichtliche Entscheidungen, die sich mit der Problematik auseinander setzen. Zuletzt jetzt (gerade) der BGH, Beschl. v. 30.01.2013 – 4 StR 527/12, in dem der BGH die Rechtsprechung zum Begriff des „öffentlichen Verkehrsraums“ noch einmal schön zusammengefasst hat, nämlich:

„Tathandlung des § 316 Abs. 1 StGB ist das Führen eines Fahrzeugs im öffentlichen Verkehr. Nach § 2 Abs. 1 StVG bedarf der Fahrerlaubnis, wer auf öffentlichen Straßen ein Kraftfahrzeug führt. Der Begriff des Straßenverkehrs im Sinne der §§ 315 b ff. StGB entspricht dem des StVG und bezieht sich auf Vorgänge im öffentlichen Verkehrsraum. Erfasst werden zum einen alle Verkehrsflächen, die nach dem Wegerecht des Bundes und der Länder oder der Kommunen dem allgemeinen Verkehr gewidmet sind (z.B. Straßen, Plätze, Brücken, Fußwege). Ein Verkehrsraum ist darüber hinaus auch dann öffentlich,  wenn er ohne Rücksicht auf eine Widmung und ungeachtet der Eigentumsverhältnisse entweder ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten für jedermann oder aber zumindest für eine allgemein bestimmte größere Personengruppe zur Benutzung zugelassen ist und auch tat-sächlich so genutzt wird (Senatsurteil vom 4. März 2004 – 4 StR 377/03, BGHSt 49, 128, 129; Senatsbeschluss vom 8. Juni 2004 – 4 StR 160/04, NStZ 2004, 625; SSW-StGB/Ernemann, § 142 Rn. 9). Für die Frage, ob eine Duldung des Verfügungsberechtigten vorliegt, ist nicht auf dessen inneren Willen, sondern auf die für etwaige Besucher erkennbaren äußeren Umstände (Zufahrtssperren, Schranken, Ketten, Verbotsschilder etc.) abzustellen. Eine Verkehrsfläche kann zeitweilig „öffentlich“ und zu anderen Zeiten „nicht-öffentlich“ sein (Geppert in LK-StGB, 12. Aufl., § 142 Rn. 14). Die Zugehörigkeit einer Fläche zum öffentlichen Verkehrsraum endet mit einer eindeutigen, äußerlich manifestierten Handlung des Verfügungsberechtigten, die unmissverständlich erkennbar macht, dass ein öffentlicher Verkehr nicht (mehr) geduldet wird (vgl. Senatsurteil vom 4. März 2004 – 4 StR 377/03, BGHSt 49, 128, 129; OLG Düsseldorf, NZV 1992, 120; Pasker, NZV 1992, 120, 121).“

Und letzteres ist ganz wichtig und hat in der BGH-Entscheidung auch die entscheidende Rolle gespielt: Da hatte sich nämlich folgendes ereignet.

„…Der Zeuge S. , der vom Vermieter des Parkplatzes mit dem regelmäßigen Öffnen und Schließen zweier dort befindlicher Schranken beauftragt war, erfasste die Situation zunächst nicht richtig und rief den Angeklagten zu, sie sollten den Parkplatz mit ihrem Pkw verlassen, damit er die Schranke schließen könne. Der Angeklagte R. antwortete sinngemäß, er solle sich keine Gedanken machen, sie kämen schon vom Parkplatz herunter. Daraufhin ging der Zeuge weiter und schloss die Schranke der Parkplatzzufahrt. Als der Zeuge wenig später sah, wie die Angeklagten R. und K. auf den am Boden liegenden Geschädigten mit voller Wucht eintraten, alarmierte er die Polizei (Fall II. 3 der Urteilsgründe). Im Anschluss an die Misshandlung des Geschädigten bestiegen die An-geklagten erneut den Pkw, wobei R. das Fahrzeug führte. Zunächst versuchte er, mit dem Pkw die Tankstelle zu umfahren und vorbei an einer be-nachbarten Diskothek auf die M. Straße zu gelangen, was an einer Begrenzung scheiterte. Anschließend fuhr er dieselbe Strecke zurück und lenkte das Fahrzeug an der geschlossenen Schranke vorbei. Er erreichte die M. Straße erneut nicht, da er nunmehr einen kleinen Erdwall vor sich hat- te. An dieser Stelle blieb er nach einer Fahrtstrecke von ungefähr 220 Metern endgültig stehen (Fall II. 4 der Urteilsgründe).

Dazu dann der BGH:

„c) Nachdem der Zeuge S. die Angeklagten zum Verlassen des Park- platzes aufgefordert und daraufhin die Schranke der Zufahrt geschlossen hatte, gehörte das Parkplatzgelände, auf dem der Pkw stand, nicht mehr zum öffent-lichen Verkehrsraum. Denn der Wille des Verfügungsberechtigten, den Park-platz ab diesem Zeitpunkt der Allgemeinheit nicht mehr zur Verfügung zu stel-len, war nach außen manifest geworden. Dies war für jedermann unmissverständlich erkennbar (vgl. OLG Düsseldorf, NZV 1992, 120). Die Fahrt des Angeklagten R. auf dem Parkplatzgelände (Fall II. 4 der Urteilsgründe) fand deshalb nicht im öffentlichen Straßenverkehr statt und war somit nicht tatbestandsmäßig im Sinne von § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG und § 316 Abs. 1 StGB.

Also nicht vergessen: Zeitweilig öffentlich, zeitweilig nicht öffentlich…..

 

Quo vadis: Smartphone usw.? – Darf ich demnächst im Pkw keine Musik mehr hören, sondern nur noch mit ihm fahren?

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Kleine (?) Dinge, große Wirkung, denkt man bzw. habe ich gedacht, als ich die hib (= Heute im Bundestag)-Meldung Nr. 100 v. 27.02.2012 gelesen habe, mit dem Titel: Rechtslage zur Smartphone-Benutzung während der Autofahrt soll nach Ansicht des Petitionsausschusses geändert werden“.

Berichtet wird über eine Petition, die den Petitionsausschuss des Bundestages beschäftigt hat und die teilweise an der Bundesverkehrsministerium überwiesen worden ist. Da ging es wohl um die Nutzung eines Smartphones, das im Straßenverkehr dazu in die Hand genommen wird, etwas um das Navigationssystem zu nutzen, was gegen § 23 Abs. 1a StVO verstößt. Dieselbe Nutzung bei einem Tablet-Computer bleibt hingegen bußgeldfrei, weil man mit dem eben nicht (auch) telefonieren kann. Dass das ungerecht ist, fand der Petitionsausschuss auch und hat deshalb an das Minsterium weiter geleitet. Dem Vorschlag/der Forderungen des Petenten Forderung, künftig zu erlauben, dass Mobiltelefone während der Fahrt in die Hand genommen werden dürfen, wenn sie denn nicht zum Telefonieren genutzt werden, teilt der Ausschuss jedoch nicht.

So weit schon ganz interessant. Noch interessanter fand ich, dass man auf diesem Wege erfährt, was im Bundesverkehrsministerium offenbar geplant ist bzw. in der Pipeline hängt. wenn man das zusammenfasst:

  • Ggf. Änderung des § 23 StVO, um den o.a. Widerspruch aufzulösen, und zwar durch eine Ergänzung dahin, „dass künftig Handlungen der Fahrzeugführer, die nicht dem Fahren dienen und unter denen die Verkehrssicherheit leidet, generell ausdrücklich verboten werden sollen. Es sei jedoch schwierig, hier klare rechtliche Abgrenzungen zu finden, heißt es weiter.
  • Ggf. Umsetzung eines Konzepts (?) der Bundesanstalt für Straßenwesen (BAS), das vorsieht, das Bedienen technischer Geräte im Fahrzeug zu verbieten. Bislang würden darunter auch Navigationssysteme fallen, heißt es weiter. Um deren Nutzung während der Fahrt zu gewährleisten, werde eine entsprechende weiterführende Regelung erarbeitet.“ Zu letzterem fällt mir spontan ein: So wie es da steht, fällt darunter auch das Einschalten des Radios, oder?

Jedenfalls: Es bleibt spannend an der Stelle und hinter den Kulissen bewegt sich was. Warum auch nicht? Dann haben die Fachzeitschriften wenigstens etwas zu berichten.

Die elterliche Aufsichtspflicht im Straßenverkehr

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Die Frage Haftung der Eltern wegen Verletzung der Aufsichtspflicht bzgl. der Teilnahme des Kindes am Straßenverkehr kann – sowohl für das Kind und die Eltern als auch für einen Geschädigten – erhebliche Bedeutung haben. Mit der Problematik hat sich vor einiger Zeit das OLG Karlsruhe, Urt. v. 03.05.2012 – 1 U 186/11 – befasst, das zu folgenden Leitsätzen gekommen ist:

1. Es wird daran festgehalten, dass § 1664 BGB auch anzuwenden ist, wenn ein Anspruch aus einer Verletzung der elterlichen Aufsichtspflicht hergeleitet wird und es um die Teilnahme des Kindes am Straßenverkehr geht (Senatsurteil NZV 2008, 511).
2. Ein Anspruch wegen Aufsichtspflichtverletzung ist nach § 277 BGB nicht schon dann ausgeschlossen, wenn den Eltern grobe Fahrlässigkeit nicht vorzuwerfen ist. Für die eigenübliche Sorgfalt kommt es nicht darauf an, wie die Eltern der Aufsichtspflicht über ihre am Straßenverkehr teilnehmenden Kinder ansonsten nachkommen, sondern darauf, welche Sorgfalt sie in eigenen Angelegenheiten an den Tag legen.

Hilfe von Privaten – Beweisverwertungsverbot für Messergebnisse im Straßenverkehr

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Wann wird im Straf-/Bußgeldverfahren schon mal ein Beweisverwertungsverbot angenommen? Das ist mehr als selten. Daher überrascht das OLG Naumburg schon ein wenig mit seiner Entscheidung, wonach in der Regel ein Beweisverwertungsverbot begründet ist, wenn die die Ordnungsbehörde im Bußgeldverfahren entgegen einem Runderlass des Innenministeriums eine private Firma mit der Auswertung von Messergebnissen beauftragt hat (s. der OLG Naumburg, Beschl. v.07.05.2012 – 2 Ss Bz 25/12).

Im Fall hatte die Ordnugsbehörde hat die Auswertung der Messdaten, insbesondere die Filmentwicklung und -auswertung, der privaten Firma überlassen, die das Messgerät hergestellt hat, Dies widersprach dem Runderlass des Ministeriums des Innern des Landes Sachsen-Anhalt vom 18. Juni 1998, in dem es  unter Ziffer 4.1.  wörtlich lautet: „Die Filmentwicklung und -auswertung ist Aufgabe der Kommunen. Im Rahmen vorhandener Kapazitäten können Teilaufgaben oder auch die Gesamtaufgabe gegen Kostenerstattung durch die ZBS (Anmerkung des Senats: Zentrale Bußgeldstelle) wahrgenommen werden; …“.

Das OLG sieht auf der Grundlage ein Beweisverwertungsverbot:

Gegen diese ihn bindende Vorschrift hat der Landkreis H. durch die Beauftragung der Firma V. GmbH mit der Auswertung verstoßen. Das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. hat entschieden, dass ein Beweisverwertungsverbot entsteht, wenn die Ordnungsbehörde bewusst und willkürlich die Auswertung der Messergebnisse von Privaten vornehmen lässt, obwohl ein Erlass des zuständigen Innenministeriums dies untersagt (NStZ-RR 2003, 342 f. [OLG Frankfurt am Main 21.07.2003 – 2 Ss Owi 388/02]) . Dem stimmt der Senat zu. Die Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft, ein Verwertungsverbot werde nicht anzunehmen sein, weil das Interesse des Staates an der Tataufklärung zum Schutze der Allgemeinheit und zur Gewährleistung der Verkehrssicherung das Individualinteresse des Betroffenen überwiege, folgt er nicht. Der Senat geht davon aus, dass die beweiserheblichen Unterlagen (Film) nicht – was schlimm wäre – bereits vor Rechtskraft des Verfahrens vernichtet worden sind und somit für eine Auswertung durch Befugte zur Verfügung stehen.

Für die Annahme eines Beweisverwertungsverbotes bedarf es auch nicht der Klärung der Frage, ob den zuständigen Beamten des Landkreises H. der einschlägige Runderlass des Innenministeriums bekannt war und sie bewusst dagegen verstoßen haben. Soweit ihnen zum Zeitpunkt der Auswertung die seit fast dreizehn Jahren unverändert geltende einschlägige Vorschrift unbekannt gewesen sein sollte, würde dies eine völlige Gleichgültigkeit gegenüber den einschlägigen bindenden Normen dokumentieren, die ebenfalls ein Beweisverwertungsverbot nach sich zieht.“

In der Hauptverhandlung sollte/muss m.E. der Verteidiger der Verwertung dieser Messergebnisse widersprchen.