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Der Poller – besondere Verkehrssicherungspflichten??

Wir kennen sie alle: Sog „Polleranlage“, bestehend aus elektronisch absenkbaren Pollern, die im Straßenverkehr bestimmte Bereiche schützen bzw. Ein- und Zufahrt regeln. Mit den Verkehrssicherungspflichten bei solchen Polleranlagen befasst sich das OLG Saarland, Urt. v. 15.05.2012 – 4 U 54/11-16. Danach gilt:

Eine elektronisch zu steuernde Sperrvorrichtung in Form absenkbarer Poller stellt eine besondere Gefahrenquelle im Straßenraum dar, die vor allem daraus resultiert, dass der Poller in abgesenktem Zustand für die Benutzer der Straße nicht immer leicht zu erkennen ist. Von einem sich mitten auf der Fahrbahn befindlichen Poller, der unbemerkt ausfährt, geht ein erhebliches Gefahrenpotenzial für den fließenden Verkehr aus. Diese Gefahren rechtfertigen es, an die Verkehrssicherungspflicht besondere Anforderungen zu stellen. In einem solchen Fall muss der Verkehrssicherungspflichtige die Verkehrsteilnehmer nachhaltig davor warnen, dass die Polleranlage nur einzeln passiert werden darf. Genügt der Verkehrssicherungspflichtige dieser Warnpflicht, ist es zur Verkehrssicherung aber nicht erforderlich, die Polleranalge so zu konstruieren, dass sich der Poller auch dann wieder absenkt, wenn sich ein Fahrzeug dem ausfahrenden Poller nähert.

Also Vorsicht bei den Pollern.

 

Kraftprobe im Straßenverkehr

© Stefan Rajewski - Fotolia.com

Das OLG Celle, Urt. v. 25.04. 2012 – 31 Ss 7/12 – behandelt den Fall eine „Kraftprobe im Straßenverkehr mit tragischem Ausgang.

Folgender Sachverhalt:  Der Angeklagte fuhr mit seinem Pkw auf einer Bundesstraße. Er befand sich in einer Fahrzeugkolonne, an deren Spitze der später geschädigte A mit seinem Pkw fuhr, besetzt mit vier Mitfahrern. Nach Erreichen eines Ortsausgangsschildes beschleunigten der Angeklagte und die vor ihm fahrenden Fahrzeuge. Dem Angeklagten, dem die Geschwindigkeit der Kolonne zu gering war, gelang es, das Fahrzeug vor sich zu überholen und befand sich nunmehr direkt hinter dem Fahrzeug des A. Er scherte mit seinem Pkw aus, um A zu überholen. A, der dies im Rückspiegel bemerkt hatte, wollte es sich aber nicht bieten lassen, vom Angeklagten überholt zu werden und beschleunigte seinen Wagen ebenfalls. Der Angeklagte erkannte das Fahrmanöver des A, wollte aber unbedingt auch noch diesen Überholvorgang zu Ende bringen und beschleunigte deshalb weiter, um A noch vor der nächsten Linkskurve zu überholen. Da A im Kurvenbereich nicht rechtzeitig nach links lenkte, fuhr er mit seinem Pkw weiter geradeaus, sodass er mit seiner rechten Fahrzeughälfte mit einer Geschwindigkeit von 100 – 110 km/h gegen einen Baum stieß und diese komplett aufriss. Drei der Insassen starben sofort, A und ein weiterer Insasse wurden verletzt.

Das AG hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung verurteilt. Auf seine Berufung hat das LG ihn lediglich wegen Straßenverkehrsgefährdung verurteilt. Auf die Revision der Nebenkläger hat das OLG den Schuldspruch dahin angeändert, dass der Angeklagte der vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen schuldig ist, außerdem den Rechtsfolgenausspruch aufgehoben und insoweit an das LG zurückverwiesen.

Entscheidend für den Ausgang des Verfahrens war die Frage der Zurechnung. Damit hatte das OLG keine Probleme. Diese könne allenfalls dann zweifelhaft sein, wenn eine Selbstgefährdung oder eine dieser ausnahmsweise gleichzustellende Fremdgefährdung vorliegen würde. Das sei nicht der Fall. Denn – so der Leitsatz der Entscheidung:

Verhalten sich bei einem Überholvorgang sowohl der überholende als auch der überholte Fahrzeugführer pflichtwidrig und veranstalten spontan eine einem illegalen Rennen zumindest vergleichbare „Kraftprobe“, so wird die Zurechnung der Folgen eines hierdurch verursachten Unfalls an den mittelbaren Verursacher nicht durch das sog. Verantwortungsprinzip ausgeschlossen, wenn die geschädigten Beifahrer des unmittelbaren Verursachers keinen beherrschenden Einfluss auf das Geschehen hatten.

Weiterführend zu dem Problem: BGHSt 53, 55.


Das Kühlhandy – was es nicht alles gibt… oder: So kann man dem Mandanten helfen

Der ein oder andere wird sich noch an OLG Hamm, Beschl. v. 13.09.2007 – 2 Ss OWi 606/07 (mein Gott, was ist das schon lange her) erinnern. Da ging es um die „interessante Frage“, ob die Benutzung eines Mobiltelefons/Handy als Wärmeakku „Benutzung“ i.S. des § 23 Abs. 1a StVO  ist. Der 2. Bußgeldsenat des OLG Hamm musste diese Frage letztlich nicht entscheiden, da nach den Feststellungen aus anderen Gründen von „Benutzung“ ausgegangen werden konnte.

An die Entscheidung habe ich mich (auch) erinnert, als ich vor einigen Tagen von einem Kollegen auf das „Kühlhandy“ hingewiesen worden bin. Wer unter dem Link mal nachschaut, wird sicherlich auch denken: Was es nicht alles gibt. Ich darf mit Erlaubnis des Betreibers der HP zitieren:

Bei dem „Kuehlhandy” handelt es sich um ein sog. hot-and-cold pack.
Man kann es sowohl zum Kühlen als auch zum Wärmen verwenden.
Sowohl beim Erwärmen als auch beim Abkühlen des „Kuehlhandys“ darauf achten, das es nicht zu Beschädigungen der Außenhaut des „Kuehlhandys“ kommt.
Zur Kühlung:
Das „Kuehlhandy“ kann im Kühlschrank, im Eisfach (bis – 18° C) oder im Kühlfach des Autos abgekühlt und danach zur Kühlung verwandt werden. Bei Abkühlung im Eisfach unbedingt darauf achten, das es nicht zu Erfrierungen auf der Haut kommt.
Zum Wärmen:
Das „Kuehlhandy“ im Wasserbad (am besten in einem Waschlappen) maximal 3 Minuten in kochendem Wasser erhitzen. Vor Hautkontakt vorsichtig die Temperatur des „kuehlhandys“ testen, um Verbrühungen zu vermeiden.
Es gibt jährlich 300.000 Betroffene (allein in Deutschland) von Bußgeldbescheiden wegen des Vorwurfs der Nutzung eines Handys am Steuer. Es drohen ein Bußgeld von 40,- Euro und ein Punkt in Flensburg. Nach Umfragen nutzt jede(r) zweite Autofahrer(in) regelmäßig ein Handy beim Autofahren.
Das neue Kuehlhandy sieht aus wie ein Smartphone, ist jedoch ein hot-and-cold-pack. Man kann es abkühlen oder erwärmen. Es kann zum Kühlen bei Zahnschmerzen, zum Wärmen bei Ohrenschmerzen oder einfach zur Steigerung des Wohlbefindens und zur Entspannung genutzt werden.
Die Nutzung des Kuehlhandys am Steuer ist bußgeldfrei und belastet nicht das Punktekonto. Bei Nutzung des Kuehlhandys am Steuer kann man nicht wegen verbotener Handynutzung am Steuer belangt werden. Das Kuehlhandy kann bei jeder Polizeikontrolle vorgezeigt werden.“

Na, ist das nicht eine Idee, mit der man dem ein oder anderen Mandanten vorbeugende helfen kann – der Griff zum Kühlhandy ist bußgeldfrei 🙂

Handysünder – auf dem Vormarsch – die Älteren sind es…

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Mich haben die Berichte in der Tagespresse über die Zunahme der Verstöße gegen das Verbot des Telefonierens im Straßenverkehr (§ 24 Abs. 1a StVO – ich weiß Formulierung ist etwas unscharf) nicht wirklich überrascht.

Nachdem es inzwischen ja üblich ist, überall zu telefonieren, warum dann nicht auch bei Autofahren – und die ggf. fälligen 40 € und der Punkt in Flensburg scheinen nicht abzuschrecken. Ich hatte eher noch höhere Zahlen erwartet – nun, die Dunkelziffer wird sehr hoch sein, denn viele der Verstöße gegen den § 23 Abs. 1a StVO bleiben unentdeckt und damit ungeahndet. In umgekehrter Relation dazu steht die Entwicklung, dass die Zahl der Entscheidungen von Obergerichten zu § 23 Abs. 1a StVO deutlich zurückgegangen ist. Was mich allerdings überrascht hat, das war die Altersstruktur der Betroffenen. Ich hatte einen höheren Anteil bei den Jüngeren vermutet.

Was ich nicht wusste, war, dass die verbotene Handynutzung zu den OWi gehört, die grenzüberschreitend verfolgt werden. Das wird wegen der bei uns nur fälligen 40 € für die anderen EU-Länder nicht so interessant sein. Aber für die deutschen Autofahrer schon. Denn im Ausland werden schnell mal 100 € und mehr für den Verstoß fällig, wie man hier nachlesen kann. 155 € in Italien – das ist doch was.

Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr – Zusammenfassung beim BGH

So häufig sind verkehrsrechtliche Entscheidungen des in dem Bereich allein zuständigen 4. Strafsenat des BGH nicht. Daher freue ich mich immer, wenn ich mal wieder eine entdecke.

So den BGH-Beschl. v. 12.04.2011 – 4 StR 22/11. Die Entscheidung bringt allerdings an sich zum gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315b StGB) aus Karlsruhe nichts Neues. Sie ist aber dennoch berichtenswert, weil der BGH in der Entscheidung sehr schön seine Rechtsprechung der letzten Jahre zur Problematik – konkrete Gefährdung von Leib und Leben eines anderen bzw. einer Sache von bedeutendem Wert – zusammenfasst.

Zudem wird nochmals deutlich, worauf man als Verteidiger im Rahmen der Sachrüge achten muss. Denn die landgerichtliche Entscheidung beweist/zeigt: Die Rechtsprechung des BGH zu diesen Fragen scheint bei den LG immer noch nicht angekommen zu sein. Anders lassen sich solche landgerichtlichen Feststellungen, wie sie hier der BGH zu beurteilen hatte, nicht erklären.