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Gebühren im selbständigen Einziehungsverfahren, oder: Inkonsequentes LG Freiburg

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Heute am „Gebührentag“ zwei Postings zur zusätzlichen Verfahrensgebühr, das eine zu einer nicht ganz so schönen Entscheidung des LG Freiburg, und das andere zu einer Entscheidung des LG Chemnitz und der dazu ergangenen Beschwerdentscheidung des OLG Dresden.

Zunächst also der LG Freiburg, Beschl. v. 29.10.2019 – 16 Qs 30/19 – der zu folgendem Sachverhalt ergangen ist: Gegen den Betroffenen war am 30.8.2017 wegen eines Verstoßes gegen die SpielV und die GewO ein selbstständiger Einziehungsbescheid gem. § 29a Abs. 1, Abs. 5, § 87 Abs. 6 OWiG über 31.299,99 EUR nebst Auslagen ergangen. Ein Bußgeldbescheid wurde nicht erlassen. Nach Anzeige der Vertretung des Betroffenen durch den Rechtsanwalt und Einspruch gegen den Einziehungsbescheid durch diesen wurde das gerichtliche Verfahren im ersten Rechtszug am AG durchgeführt und mit Urteil eine Einziehung in Höhe von 20.000,00 EUR angeordnet. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen ordnete das OLG Karlsruhe wegen Verfolgungsverjährung die endgültige Einstellung des Verfahrens an und legte die Kosten und notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse zur Last.

Mit seinem Kostenfestsetzungsantrag begehrt der Verteidiger aus einem Gegenstandswert von 31.303,49 EUR die Festsetzung der Gebühren Nr. 5100, 5103, 5109, 5113 und 5116 VV RVG sowie Auslagen in Höhe von insgesamt 2.080,12 EUR. Das AG hat nur die Gebühren Nrn. 5116, 7002 VV RVG festgesetzt und den Antrag des Verteidigers im Übrigen zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Verteidiger mit der sofortigen Beschwerde. Er verfolgt seinen Kostenfestsetzungsantrag weiter. Er Beschwerdeführer geht nunmehr davon aus, dass neben den Gebühren Nrn. 5100, 5103, 5109 und 5113 VV RVG die Gebühr Nr. 5116 VV RVG zweimal – für die Tätigkeit im ersten Rechtszug und in der Rechtsbeschwerde – angefallen sei. Das Rechtsmittel hatte (nur) teilweise Erfolg.

Das LG führt aus, dass der Bevollmächtigte des Betroffenen im Einziehungsverfahren vor dem Gericht des ersten Rechtzugs, also dem AG, tätig. Daher sei die Gebühr Nr. 5116 Abs. 1 VV RVG entstanden. Da der Bevollmächtigte zudem im Rechtsbeschwerdeverfahren tätig gewesen sei, sei insoweit nach Nr. 5116 Abs. 3 Satz 2 VV RVG die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 5116 VV RVG noch einmal entstanden. Die 1,0 Verfahrensgebühr betrage hier im ersten Rechtszug 938,00 EUR (Gegenstandswert in Höhe von 31.303,49 EUR) und im zweiten Rechtszug 742,00 EUR (Gegenstandswert in Höhe von 20.000,00 EUR).

Und dann zur weiteren Vergütung: Insoweit ist ja umstritten, ob im selbständigen Einziehungsverfahren – hier nach § 29a OWiG – neben der Nr. 5116 VV RVG noch weitere Gebühren entstehen. Das wird in Literatur und Rechtsprechung uneinheitlich beurteilt.  Teilweise wird dies verneint (Mayer/Kroiß/Krumm, RVG, Vorbemerkung 5, Rn 38; OLG Karlsruhe RVGreport 2012, 301 = StRR 2012, 279 = VRR 2012, 319 m. jew. abl. Anm. Burhoff = AGS 2013, 173; LG Koblenz RVGreport 2018, 386 = AGS 2018, 494; LG Kassel RVGreport 2019, 343), nach anderer Auffassung bejaht (Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 24. Aufl.; 5116 VV Rn 1; Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Nr. 5116 VV Rn 5; LG Karlsruhe RVGreport 2013, 234 = AGS 2013, 230 = VRR 2013, 238 = RVGprofessionell 2013, 119 = StRR 2013, 310; LG Oldenburg JurBüro 2013, 135 = RVGreport 2013, 62 = VRR 2013, 159 = StRR 2013, 314 = RVGprofessionell 2013, 153 = AGS 2014, 65; LG Trier RVGreport 2016, 385 = VRR 10/2016, 20 = RVGprofessionell 2017, 102).

Das LG ist davon ausgegangen, dass neben der Verfahrensgebühr bei Einziehung Nr. 5116 VV RVG – auch die Grundgebühr Nr. 5100 VV RVG als allgemeine Gebühr entstehen könne. Weitere Vergütung nach den Nrn. 5101 bis KV Nr. 5114 VV RVG falle jedoch nicht an. Das verneint das LG im Wesentlichen damit, dass dDie Gebührentatbestände für das Verwaltungsverfahren und für den ersten Rechtszug an die Höhe der verhängten Geldbuße anknüppfen. Daran werde deutlich, dass diese systematisch dem Bußgeldverfahren zugehörig seien. Im gerichtlichen Verfahren könnten daher Verfahrens- und Termingebühr gem. Nrn. 5107 bis 5112 VV RVG bereits deshalb nicht entstehen, da diese nach dem Vergütungsverzeichnis jeweils zwingend von der Höhe des im Verfahren verhängten Bußgeldes abhängig seien und durch die Höhe des Bußgeldes überhaupt erst bestimmbar werden.

Ich habe mit der Entscheidung erhebliche Probleme. Zutreffend ist die Festsetzung der zwei zusätzlichen Verfahrensgebühren Nr. 5116 VV RVG. Zutreffend ist es auch, dass das Ag dem Verteidiger des Betroffenen die Grundgebühr Nr. 5100 VV RVG gewährt. Nicht nachzuvollziehen ist hingegen, warum nicht auch die vom Verteidiger geltend gemachten Gebühren Nrn. 5103, 5109 und 5113 VV RVG festgesetzt worden sind. Die für die Nichtgewährung vom LG angeführte Begründung trägt die Entscheidung nicht. Das LG verhält sich widersprüchlich, wenn es einerseits die Grundgebühr Nr. 5100 VV RVG gewährt, weitere Gebühren aber nicht. Denn die Argumentation, mit der die Grundgebühr festgesetzt worden ist, hätte auch die Festsetzung der anderen Gebühren getragen. bzw.: Mit der Begründung, mit der die Gebühren Nrn. 5103, 5109 und 5113 VV RVG nicht festgesetzt worden sind, hätte auch die Grundgebühr Nr. 5100 VV RVG nicht festgesetzt werden können.

Das LG hat die weitere Beschwerde gegen seine Entscheidung nicht zugelassen. Das wäre aber vielleicht angesichts der Unklarheiten in der Entscheidung und dem Umstand, dass man von der Rechtsprechung des OLG Karlsruhe (a.a.O.) zumindest teilweise abgewichen ist – das OLG Karlsruhe (a.a.O.) gewährt noch nicht einmal die Grundgebühr Nr. 5100 VV RVG, ratsam gewesen. So steht also nun neben den beiden oben dargestellten Auffassungen eine dritte im Raum. Dieses Durcheinander zeigt, dass der Gesetzgeber die Streitfrage allmählich durch eine gesetzliche Neuregelung klarstellen sollte.

Selbstständiges Einziehungsverfahren, oder: Entscheidung durch Beschlus oder aufgrund Hauptverhandlung?

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Die zweite Entscheidung des Tages, der OLG Dresden, Beschl. v. 27.09.2019 – 2 Ws 212 u. 213/19 – hat eine verfahrensrechtliche Problematik in Zusammenhang mit Einziehung zum Gegenstand. Es geht nämlich um die Frage, ob und wann im selbstständigen Einziehungsverfahren aufgrund mündlicher Verhandlung durch Urteil zu entscheiden ist. Das OLG Dresden sagt – anders als zuvor das LG: Wenn ein Verfahrensbeteiligter einschließlich des Einziehungsbeteiligten dies beantragt, muss aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden werden. Daran hat sich durch die Refomr nichts geändert:

„1. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im selbständigen Einziehungsverfahren und Entscheidung durch Urteil nach entsprechendem Antrag eines Einziehungsbeteiligten waren bereits gemäß dem vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. Teil I, S. 872) geltenden Verfahrensrecht obligatorisch. Nach § 441 Abs. 3 Satz 1 StPO in der vom 01. Oktober 1968 bis zum 30. Juni 2017 geltenden Fassung (a.F.) hatte das zuständige Gericht über einen zulässigen Antrag auf selbständige Einziehung (§ 440 StPO a.F.) aufgrund mündlicher Verhandlung durch Urteil zu entscheiden, wenn die Staatsanwaltschaft oder „sonst ein Beteiligter“ es beantragt hatte oder das Gericht es anordnete. Diese Regelung sollte der bis zum 30. Juni 1968 geltenden Regelung des § 431 Abs. 1 StPO entsprechen, wonach aufgrund mündlicher Verhandlung durch Urteil zu entscheiden war, wenn „ein Beteiligter“ es beantragt oder das Gericht es angeordnet hatte (siehe BT-Drs. V/1319, S. 82). Mithin war die mündliche Verhandlung zwingend geboten, wenn auch nur einer der Beteiligten am selbständigen Einziehungsverfahren, also die Staatsanwaltschaft, der antragstellende Privatkläger oder ein Einziehungsbeteiligter es beantragten (siehe Löwe-Rosenberg/Gössel, StPO, 26. Aufl. [2009], § 441 Rn. 10; Karlsruher Kommentar zur StPOISchmidt,7. Aufl. [2013), § 441 Rn. 6: „die StA, der antragstellende Privatkläger oder ein Nebenbeteiligter“). Hiervon geht ausweislich der Beschlussgründe – im Ausgangspunkt zutreffend – auch das Landgericht aus (S. 17 des angefochtenen Beschlusses, Bi. 467 (JA).

2. An der oben dargestellten Rechtslage hat sich entgegen der Auffassung des Landgerichts auch nach der Gesetzesreform (jetzt §§ 436 Abs. 2, 434 Abs. 3 Satz 1 StPO) nichts geändert.

a) Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte die Aufhebung des § 441 StPO a.F. und die neue Verfahrensregelung durch einen Verweis in § 436 Abs 2 StPO auf eine entsprechende Anwendung des § 434 Abs. 3 Satz 1 StPO nicht dazu führen, dass der Einziehungsbeteiligte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht mehr durch Antrag erzwingen kann. Dies ergibt sich aus der Begründung des Entwurfs zum Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung. Darin heißt es zum Entwurf des § 436 StPO: „Die Vorschrift regelt die Zuständigkeit, die Entscheidungsform und das Rechtsmittel für das selbständige Einziehungsverfahren. Sie entspricht in somit dem bisherigen § 441 StPO.“ (BT-Drs. 18/9525, S. 92). Auch in der hier entsprechend anwendbaren, unmittelbar nur für das Nachverfahren geltenden Vorschrift des § 434 Abs. 3 Satz 1 StPO hat der Reformgesetzgeber entgegen der Darstellung des Landgerichts nicht „bewusst“ den Begriff „Antragsteller“ statt „Beteiligter“ gewählt, um zum Ausdruck zu bringen, dass nur der jeweilige Antragsteller, der das Verfahren einleitet, eine mündliche Verhandlung erzwingen können soll. Denn in der Gesetzesbegründung zu § 434 StPO-E heißt es ebenfalls, dass diese Vorschrift im Hinblick auf die Entscheidungsform dem bisherigen § 441 StPO entspreche (BT-Drs. 18/9525, S. 91). § 441 Abs. 1 StPO a.F. sah aber auch für das Nachverfahren eine obligatorische mündliche Verhandlung nach Antrag der Staatsanwaltschaft oder eines sonstigen „Beteiligten“ vor.

b) Im Gegensatz zur Ansicht des Landgerichts kann ein dem Antragsrecht des Einziehungsbeteiligten entgegenstehender Wille des Reformgesetzgebers schon deswegen nicht dem Wortlaut des § 434 Abs. 3 Satz 1 StPO entnommen werden, weil die Verweisungsvorschrift des § 436 Abs. 2 StPO diese Regelung nicht für unmittelbar, sondern lediglich für entsprechend anwendbar erklärt. Zu Recht weist der Verfahrensbevollmächtigte des Einziehungsbeteiligten zu 1. darüber hinaus darauf hin, dass die systematische Auslegung der genannten Vorschriften sowie deren ratio legis ebenfalls für ein eigenes Antragsrecht des Antragstellers sprechen. Denn auch in dem dem selbständigen Einziehungsverfahren vergleichbaren Verfahren nach Abtrennung der Einziehung (§§ 422, 423 StPO) hat jeder, „gegen den sich die Einziehung richtet“ (§ 423 Abs. 4 Satz 2 StPO), also jeder Einziehungsadressat einschließlich des Angeklagten im rechtskräftig abgeschlossenen Hauptverfahren, das Recht, durch seinen Antrag eine mündliche Verhandlung zu erzwingen. Weder aus den Gesetzesmaterialien noch sonst ist ein sachlicher Grund ersichtlich, dass und warum man einem ehemals beschuldigten Einziehungsadressaten, dessen Schuld gegebenenfalls sogar im Rahmen einer vorangehenden mündlichen Verhandlung festgestellt worden ist, im Verfahren der Einziehung nach Abtrennung ein eigenes Recht auf Erzwingung einer mündlichen Verhandlung einräumen sollte, dem ehemals beschuldigten Einziehungsadressaten im selbständigen Einziehungsverfahren aber nicht, obwohl dieser möglicherweise gar nicht Gelegenheit hatte, sich in einer vorangegangenen mündlichen Verhandlung gegen den der Einziehung zugrundeliegenden Tatvorwurf zu verteidigen.

c) Mithin ist auch nach der Gesetzesreform von einem eigenen Antragsrecht jedes Verfahrensbeteiligten einschließlich der Einziehungsbeteiligten auszugehen  (siehe Meyer-Goßner/Köhler, StPO, 62. Aufl., § 436 Rn. 10; Karlsruher Kommentar zur StPO/Schmidt, 8. Aufl., § 436 Rn. 9; Graf, StPO, 3. Aufl. § 436 Rn. 6; Köhler/Burkhard, Die Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung, NStZ 2017, 665).“

Selbständiges Einziehungsverfahren nach dem OWiG, oder: Welche Gebühren?

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Am heutigen „Gebührenfreitag“ dann zwei Entscheidungen in Zusammenhang mit der zuästzlichen Verfahrensgebühr bei Einziehung, also die Nr. 4142, 5116 VV RVG.

Ich eröffne mit dem LG Kassel, Beschl. v. 15.05.2019 – 8 Qs 4/19. Es geht um den Anfall der Gebühr Nr. 5116 VV RVg im selbständigen Einziehungsverfahren nach § 29a Abs. 5 OWiG. Die Frage löst das LG Kassel falsch, wenn es meint:

Der Rechtsanwalt, der im selbstständigen Einziehungsverfahren nach § 29a Abs. 5 OWiG einen Einziehungsbeteiligten vertritt, erhält für das gerichtliche Verfahren lediglich die Verfahrensgebühr Nr. 5116 VV RVG.

Dass das falsch ist, habe ich bereits mehrfach dargelegt. Dabei bleibe ich, auch wenn das LG das – wortreich – anders meint. Das, was es schreibt, ist m.E. nicht überzeugend.

Polizeibeamter unterschlägt 100.000 €, oder: Durchsuchung auch bei verjährter Tat?

entnommen openclipart.org

Die 9. KW. eröffne ich mit zwei Entscheidungen zur Durchsuchung. Beide m.E. ganz interessant.

Ich starte mit dem LG Düsseldorf, Beschl. v. 07.02.2018 – 8 Qs 2/18. Ist schon etwas älter, ich bin auf ihn aber erst jetzt in anderem Zusammenhang bei beck-online gestoßen. Die Entscheidung hat einen ganz interessanten Ausgangssachverhalt:

„Mit Verfügung vom 12.12.2017 beantragte die Staatsanwaltschaft beim Ermittlungsrichter den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses für die Wohnräume, Nebengelasse, Fahrzeuge und Person des Betroffenen. Es bestehe der Verdacht, dass der Betroffene, der Polizeibeamter ist, am 12.01.2012 im Rahmen einer Leichenschau aus der Wohnung des Verstorbenen 100.000,00 Euro Bargeld an sich genommen habe. Da die Tat, rechtlich eingeordnet als Unterschlagung, inzwischen verjährt sei, werde der Antrag auf §§ 102, 105 StPO i.V.m. § 76a Abs. 2 S. 1, 73 StGB gestützt mit dem Ziel im Rahmen der Durchsuchung weitere Anhaltspunkte zu dem möglichen Verbleib der 100.000,00 Euro zu finden und gegebenenfalls eine selbstständige Einziehung des Wertes von Tatbeiträgen zu betreiben.

 Das Amtsgericht – Ermittlungsrichter – hat den Erlass auf Anordnung einer Durchsuchung mit Beschluss vom 20.12.2017 zurückgewiesen mit der Begründung, dass der Strafverfolgung aufgrund der Verjährung nicht behebbare Verfahrenshindernisse entgegenstünden und eine Durchsuchung gemäß § 102 StPO daher unstatthaft sei. Auch eine Durchsuchung nach § 103 StPO scheide aus, da keine bewiesenen Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass die Durchsuchung zur Auffindung eines konkreten Beweismittels führen wird.

 Unter Hinweis auf § 76a Abs. 2 StGB hat die Staatsanwaltschaft am 02.01.2018 Beschwerde gegen den amtsgerichtlichen Beschluss eingelegt. Das Amtsgericht hat dieser nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt mit der Begründung, die Staatsanwaltschaft könne einen Antrag auf selbstständige Einziehung nach § 435 StPO stellen und (erst) im Rahmen dieses Verfahrens könne das Gericht gemäß § 202 StPO Nachermittlungen anordnen.“

Das LG hat anders als das AG die Durchsuchung angeordnet und meint:

„Gemäß § 76a Abs. 2 StGB kann unter den Voraussetzungen der §§ 73, 73b und 73c StGB auch in den Fällen, in denen die Tat verjährt ist, eine selbstständige Anordnung der Einziehung des Tatertrages bzw. des Wertes des Tatertrages erfolgen. § 76a Abs. 2 StGB soll danach nach dem Willen des Gesetzgebers die rechtliche Möglichkeit einer nachträglichen Vermögensabschöpfung schaffen, um so zu verhindern, dass materielle Nutzen der Tat beim Täter oder Teilnehmer auch nach Verjährung der Straftat verbleiben (siehe dazu auch Gesetzentwurf Drucks. 18/11640, S. 82).

Voraussetzung der §§ 73, 73b und 73c StGB ist allerdings, dass der sichere Nachweis der Begehung der Anknüpfungsstraftat geführt werden kann. Um diesen zu führen, muss die Staatsanwaltschaft die Möglichkeit haben, Ermittlungen durchzuführen, um gegebenenfalls später ein selbstständiges Einziehungsverfahren gemäß § 435 StPO anzuordnen. Könnte man den staatsanwaltlichen Ermittlungen nun den Einwand der Verjährung vorhalten, würde die Vorschrift des § 76a Abs. 2 StPO im Ergebnis leerlaufen. Dementsprechend eröffnet § 435 StPO die Möglichkeit eines selbständigen Einziehungsverfahrens dann, wenn die Anordnung nach dem Ergebnis der Ermittlungen zu erwarten ist. Bereits aus dieser Formulierung ergibt sich die Zulässigkeit von Ermittlungen nach den Vorschriften der StPO – zu denen auch die Durchsuchung gehört – auch im selbständigen Einziehungsverfahren.

 Die Durchführung eines selbstständigen Einziehungsverfahrens ist gemäß § 435 StPO zurzeit auch noch nicht zielführend, da die Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft noch nicht abgeschlossen sind. Der Gang über § 202 StPO, wonach das Gericht dann (erst im gerichtlichen selbstständigen Einziehungsverfahren) gegebenenfalls ergänzende Beweiserhebungen anordnen kann, ist nicht weiterführend, da – wie das Amtsgericht zutreffend bemerkt – eine möglicherweise gebotene Nachholung wesentlicher Teil des Ermittlungsverfahrens nicht in Betracht kommt.

III.

Die Voraussetzungen für eine Durchsuchung gemäß §§ 102, 105 StPO liegen vor.

Voraussetzung jeder Durchsuchung ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Straftat begangen und nicht nur straflos vorbereitet ist, wobei tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen müssen (vgl. Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO; 60. Auflage 2017, § 102 Rn. 2 m.w.N.).

Gegen den Betroffenen besteht der Verdacht am 12.01.2012 Bargeld in Höhe von 100.000,00 Euro aus dem Nachlass des Verstorbenen X2, N-Straße in M-Stadt, unterschlagen zu haben. Der Betroffene war am Tattag als Polizeibeamter mit der Leichenschau des Verstorbenen befasst. Nach Abschluss der polizeilichen Arbeiten des Betroffenen vor Ort sollen aus der Wohnung 100.000,00 Euro, die der Verstorbene nach Angaben der Hinterbliebenen an einem bestimmten Ablageort deponiert haben soll, gefehlt haben. Eine durchgeführte Kontoverdichtung für den tatrelevanten Zeitraum hat ergeben, dass der Betroffene ab Ende Januar 2012 regelmäßig hohe Bargeldbeträge einbezahlt hat, deren Herkunft nicht ermittelt werden konnte. Insgesamt wurden nahezu 88.000,00 Euro eingezahlt.

 Der Betroffene ist ins Visier der Ermittlungen geraten, nachdem er bei einer Leichenschau am 06.05.2017 die Unterschlagung von 320,00 Euro aus dem Nachlass der Verstorbenen zugegeben hat.

 Es ist zu vermuten, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln, die für die Ermittlungen von Bedeutung sind, führen wird wie z.B. Bargeld, Einzahlungsbelege über Bargeld, Kontoauszüge, Unterlagen über größere Ausgaben oder Finaztransaktionen und weitere Anhaltspunkte für den möglichen Verbleib der 100.000,00 Euro.

Es fehlt trotz des Vorliegens des nicht behebbaren Verfahrenshindernisses der Verjährung auch nicht an einer Beweisbedeutung der aufzufindenden Gegenstände, da § 76a Abs. 2 StGB gerade ermöglichen soll, auch bei verjährten Verfahren eine selbstständige Einziehung anzuordnen. Dementsprechend ist es auch zulässig, Ermittlungen durchzuführen.“