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Richtervorbehalt bei der Blutentnahme? Nein: „Bei OWis sind wir die anordnende Behörde.“

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Nach der Entscheidung des BVerfG vom 12. 2. 2007 (2 BvR 273/06) hatte ein wahrer Rechtsprechungsmarathon zu den mit dem Richtervorbehalt bei einer Blutentnahme zusammenhängenden Fragen (§ 81a StPO) eingesetzt. Die Flut von Rechtsprechung ist inzwischen, vor allem nach der Entscheidung des BVerfG v. 24. 2. 2011 (Beschl. v. 24.02.2011 – 2 BvR 1596/10 und 2 BvR 2346/10) erheblich zurückgegangen. Es finden sich aber auch jetzt immer noch wieder Entscheidungen der Instanzgerichte, die sich mit den Fragen auseinander setzen und zu einem Beweisverwertungsverbot kommen (vgl. zuletzt auch AG Nördlingen, Urt. v.28.12.2011 – 5 OWi 605 Js 109117/11). I.d.R. wird das Beweisverwertungsverbot dann damit begründet, dass die Einsatzbeamten keine Einzelfallentscheidung getroffen haben , sondern von generellen Anweisungen und allgemeinen Übungen ausgegangen sind.

So auch in einem vom AG Kempten entschiedenen Fall (AG Kempten, Urt. v. 12. 7.2012 – 25 OWi 144 Js 4384/12). In dem ging es es um eine Trunkenheitsfahrt nach § 24a StVG. Die Polizeibeamten hatten die Anordnung der Blutentnahme durch sie mit den Worten: „Bei OWis sind wir die anordnende Behörde“ begründet. Das AG hat das als grobe Verkennung der Zuständigkeitsvorschriften angesehen, was zur Annahme eines besonders schwerwiegender Fehler führe, der ein Beweisverwertungsverbot nach sich ziehe.

Objektive Willkür liegt dann vor, wenn die Entscheidung, die der Beweiserhebungsmaßnahme zu Grunde liegt, unter keinem denkbaren Aspekt mehr rechtlich vertretbar ist und daher der Schluss nahe liegt, dass sie auf sachfremden willkürlichen Erwägungen beruht. So liegt der Fall hier. Zwar sieht das Gericht bei der vorzunehmenden Interessenabwägung durchaus, dass die Durchführung einer Blutentnahme lediglich eine geringfügige Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit darstellt und auf der anderen Seite ein erhebliches öffentliche Interesse an der Abwendung von Gefahren besteht, die von alkoholisierten Kraftfahrzeugführern ausgeht. Dieses erhebliches öffentliches Interesse spiegelt sich in der scharfen Sanktionierung von alkoholisierten Kraftfahrzeugführen durch den Verordnungsgeber in der Bußgeldkatalogverordnung wieder. Auch waren die Eingriffsvoraussetzungen für die Durchführung der Blutentnahme zweifellos gegeben, so dass aller Voraussicht nach ein richterlicher Anordnungsbeschluss ergangen wäre. Allerdings ist der Vorrang des Richtervorbehalts auch bei der Durchführung von Blutentnahmen insbesondere seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12.02.2007 (Az.: 2 BA 273/06) in einer Vielzahl von obergerichtlichen Entscheidungen hervorgehoben worden, wenngleich die Frage des Vorliegens eines Beweisverwertungsverbots unterschiedlich bewertet wird. Es ist jedenfalls durch die obergerichtliche Rechtsprechung hinlänglich geklärt, dass Polizeibeamte während Zeiten, in denen ein richterlicher Bereitschaftsdienst besteht jedenfalls versuchen müssen, eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Vorliegend wurde noch nicht einmal dieser Versuch unternommen.

 Angesicht der mittlerweile klaren Rechtslage ist die Anordnung der Blutentnahme ohne Einholung einer richterlichen Entscheidung unter keinem Gesichtspunkt mehr rechtlich vertretbar. Auch wenn das strafrechtliche Ermittlungsverfahren bzw. vorliegend das Ordnungswidrigkeitsverfahren primär der Erforschung der Wahrheit dient, hat dies in einem ge-ordneten Verfahren nach rechtsstaatlichen Grundsätzen abzulaufen. Mit diesen rechts-staatlichen Grundsätzen ist es jedoch unvereinbar, wenn im Rahmen der Ermittlungen durch die Rechtsprechung ausreichend geklärte Rechtsfragen – hier der Vorrang des Richtervorbehalts- schlicht nicht beachtet werden. Das Primat der Wahrheitsfindung hat daher vorliegend zurückzutreten.

Den Betroffenen wird dieses Sicht des AG freuen. Das Urteil des AG ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Vielleicht werden wir dazu dann demnächst etwas aus Bamberg lesen.

Blutentnahme – immer ohne Richter – Beweisverwertungsverbot

Die mit der Blutentnahme und einem Beweisverwertungsverbot bei Verletzung des sich aus § 81a Abs. 2 StPO ergebenden Richtervorbehalts zusammenhängenden Fragen beschäftigen die Rechtsprechung längst nicht mehr in dem Maße wie sie es eine in den vergangenen Jahren zunächst getan haben.

Aber man trifft immer wieder noch auf Entscheidungen, die sich mit der Problematik befassen. Dazu gehört AG Nördlingen, Urt. v.28.12.2011 – 5 OWi 605 Js 109117/11, das mir der Verteidiger übersandt hat. Das AG ist dort von einem Beweisverwertungsverbot ausgegangen. Begründung: Der Polizeibeamte sei pauschal davon ausgegangen, bei Verdacht von Alkohol- und Drogendelikten stets zur Anordnung einer Blutprobe berechtigt zu sein. Dies begründet die Besorgnis einer dauerhaften und ständigen Umgehung des Richtervorbehalts und führe zur Annahme eines Beweisverwertungsverbotes.

Der Ansatz wird im Übrigen auch in der Rechtsprechung der OLG vertreten, so z.B. das OLG Köln und das OLG Oldenburg.

Und nochmals: Blutentnahme beim OLG Jena

Auf ein weitere Entscheidung des OLG Jena zum Richtervorbehalt bei der Blutentnahme (§ 81 Abs. 2 StPO) will ich hier hinweisen. Es ist der Beschl. des OLG Jena v.07.11.2011 – 1 Ss 90/11, in dem das OLG noch einmal zu „Gefahr im Verzug“ Stellung genommen hat, und zwar wie folgt:

„Nicht ausreichend ist die bei Nachweis von Alkohol typischerweise bestehende abstrakte Gefahr, dass durch den körpereigenen Abbau der Stoffe der Nachweis erschwert oder gar verhindert wird. So wird gerade bei einem höheren Alkoholisierungsgrad, der durch körperliche Ausfallerscheinungen und das Ergebnis einer Atemalkoholmessung zu Tage tritt, der mögliche Abbau in aller Regel so gering sein, dass kurzfristige Verzögerungen, bedingt durch die Einschaltung des Gerichts, mittels Rückrechnung ohne weiteres ausgeglichen werden können. Je unklarer aber das Ermittlungsbild in der Situation oder je komplexer der Sachverhalt als solcher ist und je genauer deswegen die Analyse der Blutwerte sein muss, desto eher werden die Ermittlungsbehörden Gefahr in Verzug annehmen und nötigenfalls ohne richterliche Entscheidung handeln dürfen (Senatsbeschluss, a.a.O, Hamburg a.a.O, 2598).

Danach lag eine Gefährdung des Untersuchungserfolgs im Sinne von § 81a Abs. 2 StPO vor.

Aufgrund der Schwere seiner Verletzungen konnte der Angeklagte – der Polizeibeamte K hatte, obwohl die Türen des Unfallfahrzeuges bereits geöffnet worden waren, leichten Alkoholgeruch im Fahrzeug festgestellt – bei einem Atemalkoholtest nicht mitwirken. Der Grad seiner Alkoholisierung war demnach zunächst unklar. Zudem stand die notärztliche Versorgung des Angeklagten unmittelbar bevor und bestand damit die Gefahr, dass dem Angeklagten Medikamente verabreicht werden, von denen einerseits nicht auszuschließen ist, dass sie sich auf das Ergebnis einer Blutalkoholuntersuchung auswirken können, und sich andererseits im Nachhinein dann nicht mehr feststellen lässt, ob der Angeklagte vor Behandlung durch den Notarzt bewußtseinsbeeinflussende Stoffe konsumiert hat. Eine schnellstmögliche Blutentnahme war deshalb erforderlich, die bei dem Versuch an einem Sonntagmorgen um 06.50 Uhr – dem für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Anordnungszeitpunkt- eine richterliche Anordnung herbeizuführen, nicht gesichert war.

Dem wird man sich wohl nicht verschließen können :-).

Blutentnahme: Mit 4,02 Promille noch einwilligungsfähig…? jedenfalls beim OLG Jena

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Die Flut der Entscheidungen zum Richtervorbehalt und zum Beweisverwertungsverbot bei dessen Verletzung ist abgeebbt, aber hin und wieder gibt es dann doch noch Entscheidungen, über die man berichten kann/sollte/muss. So das OLG Jena, Beschl. v. 06.10.2011 – 1 Ss 82/11, in dem das OLG (auch) zur Frage der Einwilligungsfähigkeit des Angeklagten Stellung genommen hat, und zwar auf folgender Grundlage:

„Nachdem die Polizeibeamten in Person der Zeugen POM S und POM D vor Ort erschienen waren, begaben sie sich zu dem Fahrzeug des Angeklagten, wo sie ihn sitzend und rauchend antrafen. Sie machten sich an der Fahrertür ihm bemerkbar, stellten sich ihm sodann vor und forderten ihn auf, die Zigarette zu löschen sowie seine Fahrzeugpapiere und Personaldokument vorzulegen. Dieser Aufforderung kam der Angeklagte nach, wobei seine Reaktion sehr verlangsamt und zuweilen unkoodiniert wirkten, seine Augäpfel sahen zudem glasig aus und aus dem Fahrzeug selbst sowie aus seinem Mund war deutlich Alkoholgeruch wahrnehmbar. Sie entschlossen sich, einen Atemalkoholtest durchzuführen, zu dem der Angeklagte auch bereit war und zu dem er einwilligte. Der um 17.45 Uhr durchgeführte Atemalkoholtest ergab einen Wert von 4.02 Promille. Daraufhin belehrten die Polizeibeamten den Angeklagten, dass gegen ihn wegen Trunkenheit im Verkehr ermittelt werde und unterrichteten ihn über seine Rechte. Der Angeklagte entgegnete daraufhin, nicht unter Alkoholeinfluss gefahren zu sein, sondern danach den Alkohol zu sich genommen zu haben. Da der Zeuge POM D im Fahrzeug des Angeklagten eine halb gelehrte Flasche Bier auf der Mittelkonsole stehen sah, ordnete er zwei Blutproben an, worauf der Angeklagte zur Polizeistation Bad L zur Durchführung der Blutentnahme verbracht wurde, nachdem sein Fahrzeug verschlossen wurde. Als sich der Angeklagte zum Polizeifahrzeug begab, hatte er Schwierigkeiten beim Laufen, wie sein schwankender Gang den Polizeibeamten zeigte, er konnte sich aber ohne fremde Hilfe ins Fahrzeug setzen und diesem auch wieder entsteigen, wobei er ebenfalls etwas schwankend in das Polizeigebäude in Bad L ging. Auf der Fahrt zur Polizeidienststelle in Bad L hatten die Polizeibeamten mit dem Angeklagten gesprochen und ihm das nun folgende Procedere erklärt, wobei eine sinnvolle Unterhaltung mit ihm möglich war. In der Polizeistation angekommen, hatten die Polizeibeamten daher keine Zweifel, dass der Angeklagte trotz des Grades seiner Alkoholisierung einwilligungsfähig war und legten ihm zu den zwei von POM D angeordneten Blutentnahmen die Einwilligungserklärung vor, die er daraufhin unterschrieb, wobei sie den Eindruck hatten, dass der Angeklagte orientiert war und wusste, was er unterschrieb.“

Das OLG geht von einer ausreichenden Einwilligung aus. Es hat keine „durchgreifenden Zweifel“. Also Zweifel hat es, oder wie? Kann man m.E. auch haben bei 4,02 Promille. In einem Mordverfahren würde das sicherlich für Schuldunfähigkeit i.S. des § 20 StGB reichen.

Nur zur Abrundung: Pflichtverteidiger bei § 81a StPO im Bußgeldverfahren

Nur zur Abrundung weise ich auf den OLG Köln, Beschl. v.27.10.2011 – III – 1 RBs 253/11 hin. Danach ist auch im Bußgeldverfahren, wenn die mit der Verwertung einer Blutentnahme zusammenhängenden Fragen streitig werden., ein Pflichtverteidiger beizuordnen.

Der Senat folgt insoweit der Auffassung des OLG Bremen (NStZ-RR 2009, 353 = StV 2011, 83 = DAR 2009, 710) und des OLG Brandenburg (NJW 2009, 1287), wonach von einem Fall notwendiger Verteidigung auszugehen ist, wenn in der Hauptverhandlung eine Auseinandersetzung mit der Frage erforderlich ist, ob das Ergebnis eines Blutalkoholgutachtens wegen Verletzung des Richtervorbehalts einem Verwertungsverbot unterliegt (vgl. a. OLG Hamm NStZ-RR 2009, 353 Ls = DAR 2009, 710). Dazu mag in der obergerichtlichen Rechtsprechung mittlerweile zu den Grundzügen eine weitgehende Klärung herbeigeführt worden sein (vgl. aber etwa Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl. 2011, § 81a Rdnr. 25b: „uneinheitliche Rspr. kaum noch überschaubar“; Ludovisy/Eggert/Burhoff, Praxis des Straßenverkehrsrechts, 5. Aufl. 2011, Rdnr. 635: „Die zu der gesamten Problematik nach nunmehr mehr als drei Jahren vorliegende Rechtsprechung ist inzwischen unüberschaubar geworden.“). Dennoch sind in einem solchen Fall umfangreiche und komplizierte Erwägungen anzustellen (OLG Hamm a. a. O.), zu denen die Verteidigungsfähigkeit eines 23-jährigen Betroffenen im Regelfall nicht ausreichen wird. Dass es sich hier ausnahmsweise anders verhalten haben sollte, ist durch nichts belegt.“

Was ist darüber hinaus anzumerken:

  1. Die vom OLG angeführte Entscheidung des OLG Brandenburg betrifft nicht das Bußgeldverfahren, sondern ist im Strafverfaharen ergangen.
  2. In den Segelanweisungen dann das Bekannte: Ein Beweiserhebungsverbot hat zwar ggf. vorgelegen, aber darauf folgt dann ein Beweisverwertungsverbot. Da macht die neue Hauptverhandlung dann doch gleich Freude :-).