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So lange es den „Richtervorbehalt“ gibt, muss man sich dran halten

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Die mit der Missachtung des Richtervorbehalts bei der Blutentnahme bei Trunkenheits- und/oder Drogenfahrten (§§ 315c, 316 StGB; 24a StVG) zusammenhängenden Fragen haben vor einiger Zeit die Rechtsprechung und auch die Blogs intensiv beschäftigt. Der „Rechtsprechungsmarathon“ ist inzwischen abgeflaut. Ein OLG Naumburg, Beschl. v. 05.11.2015 – 2 Ws 201/15  – zeigt aber, dass es auch heute noch für den Verteidiger Sinn machen kann, sich mit den Fragen des § 81a Abs. 2 StPO zu befassen. In dem Beschluss hat das OLG die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den AG Zeitz, Beschl. v. 03.08.2015 – 13 OWi 723 Js 204201/15 – verworfen und das AG Zeitz bestätigt. Das AG hatte den Betroffenen vom Vorwurf der Drogenfahrt nach § 24a Abs. 2 StVG freigesprochen. Es hatte für das Untersuchungsergebnis einer dort durchgeführten Blutprobenentnahme wegen eines Verstoßes gegen den Richtervorbehalt des § 81 a Abs.2 StPO ein Beweisverwertungsverbot angenommen. Die Blutprobe war an einem Sonntag um 16.30 Uhr entnommen worden, obwohl zu der Zeit, was den Polizeibeamten bekannt war, ein richterlicher Eildienst eingerichtet war. Der Polizeibeamte hatte – so weit er sich überhaupt nocht erinnern konnte – nur den „Diensthabenden“ benachrichtigt, sich dann aber nicht mehr weiter um die Sache gekümmert und die Blutprobe veranlasst. Dazu das OLG:

„Das Amtsgericht hat zu Recht angenommen, dass hier der Richtervorbehalt willkürlich bewusst und gezielt umgangen worden ist. Dafür spricht bereits, dass der Zeuge pp. nicht, wie erforderlich, schriftlich Gründe dafür niedergelegt hat, weshalb er sich nicht bemüht hat, eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Information des Diensthabenden, wenn sie denn erfolgt sein sollte, reichte nicht aus, um dem Richtervorbehalt zu genügen. Die bloße Information des Diensthabenden ohne Rückfrage, ob der Richter erreicht wurde und wenn ja, wie er entschieden hat, würde nämlich den Richtervorbehalt in besonders deutlicher Weise missachten, nämlich dergestalt, dass der Richter zwar informiert werden soll, dem Polizeibeamten aber völlig egal ist, ob der Richter eine Blutentnahme anordnet oder diese ablehnt. Eine Respektierung des Richtervorbehalts setzt nicht nur die Information des Diensthabenden voraus, sondern auch eine Rückfrage dahingehend, ob der Richter erreicht wurde und wenn ja, ob er die Blutentnahme angeordnet oder eine solche Anordnung abgelehnt hat. All dies hat der Zeuge nicht getan, das erlaubt nur eine Schlussfolgerung: Es war ihm völlig gleichgültig, ob ein Richter erreichbar war und wenn ja, wie dieser entschied, auf jeden Fall wurde die Blutentnahme angeordnet.“

Treffend auch, wenn das OLG meint:

„Zuzustimmen ist der Generalstaatsanwaltschaft zwar, dass eine Blutentnahme einen minimalen Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt und es sinnvoll wäre, den Richtervorbehalt insoweit abzuschaffen. Solange der Gesetzgeber ihn indes vorsieht, haben sich Exekutive und Judikative daran zu halten, weil sie an das Gesetz gebunden sind.“

Leicht säuerlich reagiert das OVG Münster auf das BVerfG , oder: Kritik mögen wir nicht

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Im Februar 2015 hatte ich im Posting: Verkehrsrechtler aufgepasst – BVerfG: „erhebliche Bedenken”, wenn man den Richtervorbehalt „flächendeckend aushebelt…” über den BVerfG, Beschl. v. 28.06.2014 – 1 BvR 1837/12 berichtet. Nun, der hat – zumindest kleine – Kreise gezogen und ist jetzt auch beim OVG Münster angekommen, das allerdings im OVG Münster, Beschl. v. 04.05.2015 – 16 B 426/15 – m.E. -„leicht säuerlich“ zu in der in dem Beschluss des BVerfG enthaltenen Kritik an der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte reagiert/formuliert:

„Die Antragstellerin beruft sich ohne Erfolg auf ein Beweisverwertungsverbot wegen eines möglichen Verstoßes gegen den Richtervorbehalt nach § 81a StPO. Ein Verwertungsverbot im Straf? oder Ordnungswidrigkeitenverfahren führt jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht zur Unverwertbarkeit der jeweiligen Erkenntnisse auch im fahrerlaubnisrechtlichen Verfahren. Während nämlich Beweisverwertungsverbote im vorrangig repressiven Zwecken dienenden Strafprozess dem Spannungsverhältnis zwischen dem staatlichen Strafverfolgungsanspruch einerseits und dem Grundrechtsschutz des Betroffenen andererseits Rechnung tragen, sind im rein präventiven, auf keine Bestrafung gerichteten Fahrerlaubnisverfahren maßgeblich auch Rechtsgüter einer unbestimmten Zahl Dritter, namentlich Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer, zu beachten. Mit dem Schutz der Allgemeinheit vor ungeeigneten Fahrerlaubnisinhabern wäre es nicht zu vereinbaren, wenn die Fahrerlaubnisbehörden an der Berücksichtigung (eventuell) strafprozessual fehlerhaft gewonnener Erkenntnisse allgemein gehindert wären oder wegen eines außerhalb ihres Verantwortungsbereichs begangenen Verfahrensfehlers sehenden Auges die gravierenden Gefahren hinzunehmen hätten, die mit der Verkehrsteilnahme eines derzeit kraftfahrungeeigneten Fahrerlaubnisinhabers verbunden sind.

Vgl. zuletzt etwa OVG NRW, Beschluss vom 13. März 2014 ? 16 B 228/14 ?, juris, Rn. 2 f. (mit weiteren Nachw.).

Die in einem Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts BVerfG, Beschluss vom 28. Juni 2014 ? 1 BvR 1837/12 ?, NJW 2015, 1005 = juris, Rn. 13 geäußerten Zweifel an dieser Praxis können jedenfalls im auf summarischer tatsächlicher Grundlage ? d. h. insbesondere ohne nähere Kenntnis der genauen Umstände der Anordnung nach § 81a StPO ? geführten Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu keiner anderen Handhabung führen, zumal mit Blick auf die kurzen Nachweiszeiten für Drogen im Blut(serum) viel für das Vorliegen von Gefahr im Verzug wegen drohenden Beweismittelverlusts sprach.“

Verkehrsrechtler aufgepasst – BVerfG: „erhebliche Bedenken“, wenn man den Richtervorbehalt „flächendeckend aushebelt…“

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Der “Urteilsdealer des Vertrauens” – der Kollege Garcia von de legibus – hat mich mal wieder auf zwei interessante Entscheidungen hingewiesen. Ich bin für diese Hinweise immer echt dankbar, weil man nicht alles selbst finden kann.

Hier also die dann die erste Entscheidung, und zwar der BVerfG, Beschl. v. 28.06.2014 – 1 BvR 1837/12, mit einem – vor allem für Verkehrsrechtler – interessanten obiter dictum. Es geht um die Auswirkungen einer Problematik, die uns seit – auf den Tag genau heute acht Jahre (!!!) – beschäftigt, nämlich die mit dem Richtervorbehalt bei  § 81a StPO zusammenhängenden Fragen (vgl. dazu zunächst der BVerfG, Beschl. v. 12.02.2007 – 2 BvR 273/06). Im Anschluss an diese Entscheidungen und die daran anschließende Rechtsprechung hatte die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung die Auffassung vertreten: Die Fragen interessieren uns nun weniger. Selbst wenn ggf. ein Verstoß gegen den Richtervorbehalt des § 81a Abs. 2 StPO vorliegt und sich darauf – im Strafverfahren – ein Beweisverwertungsverbot gründen sollte, gilt das nicht für Verwaltungsverfahren, insbesondere nicht für die Entziehung der Fahrerlaubnis. In den Verfahren können die Blutentnahmen etc verwendet werden. Nun, ob das so richtig ist, habe ich bezweifelt, aber: der Zug ist in die andere Richtung gefahren.

Nun aber das BVerfG im Beschluss vom 24.06.2014:

„Mangels zulässiger Rüge besteht daher kein Anlass, der Frage nachzugehen, ob es mit der Verfassung vereinbar ist, dass nicht nur im Einzelfall sondern nach gefestigter Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 28. Januar 2010 – 11 CS 09.1443 -, juris, Rn. 27; Beschluss vom 21. November 2011 – 11 CS 11.2247 -, juris, Rn. 11; Beschluss vom 9. Mai 2012 – 11 ZB 12.614 -, juris, Rn. 4) wie auch anderer Oberverwaltungsgerichte (vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 21. Juni 2010 – 10 S 4/10 -, juris, Rn. 11; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3. November 2009 – OVG 1 S 205.09 -, juris, Rn. 3; Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 20. März 2008 – 1 M 12/08 -, juris, Rn. 7; Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 14. August 2008 – 12 ME 183/08 -, juris, Rn. 6; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 3. September 2010 – 16 B 382/10 -, juris, Rn. 2; Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29. Januar 2010 – 10 B 11226/09 -, juris, Rn. 8; Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 1. November 2012 – 3 O 141/12 -, juris, Rn. 7; Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 1. Februar 2010 – 3 B 161/08 -, juris, Rn. 7; Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, Beschluss vom 9. Dezember 2009 – 4 MB 121/09 -, juris, Rn. 3 f.) bei der Entziehung von Führerscheinen offenbar generell die Verwertung von Erkenntnissen akzeptiert wird, die auf Blutentnahmen beruhen, welche unter Verstoß gegen den einfachgesetzlichen Richtervorbehalt in § 81a Abs. 2 StPO gewonnen wurden. Auch wenn der in § 81a Abs. 2 StPO gesetzlich angeordnete Richtervorbehalt nicht auf einer zwingenden verfassungsrechtlichen Vorgabe beruhen mag (vgl. BVerfGK 14, 107 <113>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 24. Februar 2011 – 2 BvR 1596/10 -, EuGRZ 2011, S. 183 <185>), bestehen doch aus rechtsstaatlicher (Art. 20 Abs. 3 GG) wie auch grundrechtlicher (Art. 2 Abs. 2 GG) Sicht erhebliche Bedenken gegen eine Praxis, die den gesetzlichen Richtervorbehalt für den Bereich verwaltungsbehördlicher Eingriffsmaßnahmen durch eine großzügige Verwertung rechtswidrig erlangter Beweismittel (vgl. zu Beweisverwertungsverboten BVerfGE 65, 1 <43 ff.>; 106, 28 <48 ff.>; 113, 29 <61>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 16. März 2006 – 2 BvR 954/02 -, NJW 2006, S. 2684 <2686>; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 9. November 2010 – 2 BvR 2101/09 -, NJW 2011, S. 2417 <2419>; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 24. Februar 2011 – 2 BvR 1596/10 und 2 BvR 2346/10 -, juris, Rn. 18) flächendeckend aushebelt.“

Und: Die Mahnung scheint beim BayVGH – um eine Entscheidung von ihm ging es beim BVerfG – angekommen zu sein. Denn im VGH Bayern, Beschl. v. 31.120.2014 – 11 CS 14.1627 – heißt es: „Die Frage eines Verwertungsverbots (vgl. hierzu BVerfG, B.v. 28.6.2014 – 1 BvR 1837/12 – juris) stellt sich insoweit im Fahrerlaubnisverfahren wohl nicht.“ „wohl nicht“ – das ist doch schon mal was 🙂 .

Ein fast vergessenes Problem: Richtervorbehalt bei der Blutentnahme

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Im Strafverfahren gibt es – von mir – so genannte „Wellenbewegungen/Wellenprobleme“. Das sind Probleme und Fragen, die kommen, die die Praxis eine Zeitlang beschäftigen und dann wieder zurückgehen, weil sich die Rechtsprechung der Obergerichte auf die Problematik „eingeschossen“ = sie (vermeintlich) gelöst hat. Meist ist das spätestens dann der Fall, wenn einige Obergerichte Stellung genommen haben und sich eine h.M. gebildet hat. Dann macht es häufig nur noch wenig Sinn, dagegen anzurennen, weil das dann ggf. betroffene OLG eh nur noch von den Beschlüssen anderer OLG abschreibt. Das haben wir z.B. bei der sog. „Verjährungsfalle“ erlebt, das haben wir im Bußgeldverfahren bei der Problematik der Akteneinsicht in die Bedienungsanleitung und/oder andere Unterlagen erlebt.

Und zu diesen „vergesssenen“ oder auch „überholten Problemen gehören auch die mit dem Richtervorbehalt bei der Blutentnahme (§ 81a Abs. 2 StPO) zusammenhängenden Fragen. Da haben wir nach der Entscheidungen des BVerfG aus Februar 2007 – ja, so lange ich das her –  eine Riesenwelle von Entscheidungen gehabt, die inzwischen aber abgeebbt ist. Aber: Hin und wieder gibt es dann doch noch einen Nachzügler, wie jetzt z.B. den KG, Beschl. v. 09.10.2014 – 3 Ws (B) 507/14 – 122 Ss 147/14. Nicht Neues, sondern obergerichtlicher Mainstream, der sich in folgenden Leitsätzen zusammen fassen lässt:

  1. Allein der Umstand, dass auf den Betroffenen Alkohol oder illegale Drogen einwirken, stellt seine Einwilligungsfähigkeit in eine Blutentnahme nicht grundsätzlich in Frage. Denn es reicht aus, dass der Tatrichter davon überzeugt ist, dass der Betroffene den mit der Blutentnahme verbundenen körperlichen Eingriff und dessen Risiken überblicken konnte.
  2. Ein Erfordernis, dass die Einwilligung des Betroffenen schriftlich zu erfolgen hat, ist weder § 81a StPO noch allgemeinen Grundsätzen des Strafprozessrechts zu entnehmen. Ob eine solche vorliegt, unterliegt der freien Beweiswürdigung.
  3. Ein Verstoß der Ermittlungsbehörden gegen die Dokumentations- und Begründungspflicht im Falle der Anordnung einer Blutentnahme unter der Annahme von Gefahr im Verzuge nach § 81a Abs. 2 StPO begründet kein Beweisverwertungsverbot.

„Time is money“, oder: Halbes Stündchen warten muss der Polizeibeamte nicht

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Es gibt sie noch: Die Problematik der Blutentnahme und die Frage des Richtervorbehalts? Zwar ist es verhältnismäßig ruhig geworden, aber es tauchen doch immer mal wieder Entscheidungen auf. So  das AG Oldenburg i.H, Urt. v. 07.03.2013 – 7 Cs 752 Js 28302/12 (504/12), das den Angeklagten wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung verurteilt hat. Dabei ging es auch um die Verwertbarkeit der entnommenen Blutprobe. Das AG hat sie als verwertbar angesehen:

„Entgegen der Auffassung des Verteidigers sind sowohl das Protokoll und der Antrag zur Feststellung der Alkoholkonzentration im Blut als auch der ärztliche Untersuchungsbericht und das Gutachten der staatlichen Blutalkoholuntersuchungsstelle am Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein. Campus Kiel, verwertbar. Die Anordnung der Entnahme einer Blutprobe durch den Polizeibeamten.. ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Zeuge X. hat bekundet, dass er aufgrund der Weigerung des Angeklagten, einen freiwilligen Alkoholtest zu absolvieren, nach Rückkehr zu der Dienststelle ge gen 13:30 Uhr bei dem Amtsgericht Lübeck angerufen habe, um bei dem zuständigen Rich ter einen Beschluss für die Entnahme der Blutprobe zu erwirken. Ihm sei von der Geschäftsstelle mitgeteilt worden, dass der zuständige Richter X. frühestens in einer halben Stunde wieder erreichbar sei. Daraufhin habe der Polizeibeamte die Entnahme einer Blutprobe wegen „Gefahr im Verzuge“ angeordnet. Mit dem Zuwarten auf eine gerichtliche Entscheidung wäre eine konkrete Gefährdung des Untersuchungserfolges und der Verlust entscheidender Beweismittel durch Abbau von Alkohol im Blut zu erwarten gewesen. Überdies habe der Zeuge nicht gewusst, ob der Angeklagte stationär aufgenommen würde und ob die Entnahme einer Blutprobe im Falle einer raschen Entlassung aus dem Krankenhaus überhaupt noch möglich gewesen sei.

Vorliegend kann es letztlich dahinstehen. ob – wofür einiges spricht – die Voraussetzungen der Annahme einer Gefahr im Verzuge i. S. des § 81a Abs. 2 StPO tatsächlich vorlagen oder ob der Polizeibeamte vor der Entnahme der Blutprobe durch den Arzt einen erneuten Versuch hätte unternehmen müssen, den zuständigen Richter oder die Staatsanwaltschaft zu erreichen und eine staatsanwaltschaftliche Anordnung oder einen gerichtlichen Beschluss gem. § 81a StPO zu erwirken. Letzteres erscheint zweifelhaft, weil die Blutprobe dem Angeklagten um 13:50 Uhr entnommen wurde und dem Zeugen gegen 13:30 Uhr telefonisch mitgeteilt worden war, dass der zuständige Richter mindestens eine halbe Stunde lang nicht erreichbar sein würde.

Selbst, wenn man dazu käme, in dieser Situation die Voraussetzungen für die Annahme einer „Gefahr im Verzuge“ zu verneinen, hätte der Zeuge jedenfalls nicht willkürlich gehandelt. Dieser hat vor seiner Anordnung versucht, den zuständigen Richter telefonisch zu erreichen und einen Beschluss herbeizuführen. Nachdem dieser Versuch fehlgeschlagen ist, hat er sich Gedanken darüber gemacht, ob die Voraussetzungen einer „Gefahr im Verzuge“ vorliegen. Hier hat er nachvollziehbare Argumente abgewogen: eine Gefährdung des Untersuchungserfolges dadurch, dass der Angeklagte nach einer möglichen raschen Entlassung aus dem Krankenhaus nicht mehr greifbar sein könnte und das es aufgrund von weiteren zeitlichen Verzögerungen zu einer Verfälschung des Blutalkoholwertes kommen könnte. Das Verhalten des Zeugen stellt sich vor diesem Hintergrund auch nicht als eine bewusste und zielgerichtete Umgehung des Richtervorbehalts dar. Ebenso wenig liegt ein gleichwertiger schwerer Fehler des Polizeibeamten vor. Vielmehr handelt es sich um eine konkrete Einzelfallentscheidung, die der Polizeibeamte getroffen hat, nachdem er keinen Richter erreichen konnte.“

Also: Halbes Stündchen warten, ist nicht drin. Was das OLG Schleswig dazu sagt? Dazu dann heute Nachmittag.