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Formenstrenge: Zweifel an der Unterschrift – Unwirksamkeit der Revisionsbegründung

Ich hatte erst am 12.02.2012 über einen Beschluss des OLG Hamm berichtet, in dem diese die Revisionsbegründungsschrift eines Rechtsanwalts als formungültig angesehen hatte, weil dieser „i.V.“ unterschrieben hatte. Ich kann an der Stelle nur zur Vorsicht raten, denn: Es gibt schon wieder einen Beschluss, der sich mit der Problematik auseinandersetzt und zum Ergebnis: Unwirksamkeit, kommt.

In OLG Hamm, Beschl. v. 12.04.2012 – III-5_RVs_91/11 heißt es dazu (noch einmal):

„Die Revision des Angeklagten ist unzulässig, da sie nicht formwirksam begründet worden ist.

 Nach § 345 Abs. 2 StPO kann die Revision – abgesehen vom Fall der Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle – formgerecht nur in einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift begründet werden. Die Unterschrift des Verteidigers oder Rechtsanwalts ist eine unverzichtbare Voraussetzung der Wirksamkeit. Dazu gehört, dass der Unterzeichnende die volle Verantwortung für den Inhalt der Schrift übernimmt. Bestehen daran auch nur Zweifel, so ist die Revisionsbegründung unzulässig (OLG Hamm NZV 2001, 314; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 345 Rdnr. 16;).

Die vorliegende Revisionsbegründungsschrift ist unterzeichnet von Rechtsanwalt X. und zwar mit dem Zusatz: „Rechtsanwalt F i.V. RA X.“. Diese Form der Unterschrift mit dem Zusatz „i.V.“ lässt darauf schließen, dass der unterzeichnende Rechtsanwalt nicht der eigenverantwortliche Verfasser der Revisionsbegründung gewesen ist, sondern lediglich als Vertreter den von einem anderen verfassten und verantworteten Schriftsatz unterschrieben hat (so auch der Beschluss des hiesigen 4. Strafsenats vom 14. Februar 2008 – 4 Ss 47/08; KG JR 1987, 217; BayObLG NJW 1991, 2095).

Hinzu kommt, dass Rechtsanwalt F dem Angeklagten als Pflichtverteidiger beigeordnet worden war, was eine Unterbevollmächtigung des Rechtsanwalts X. durch Rechtsanwalt F ausschließt (vgl. BGHR StPO § 141 Bestellung 1; OLG Hamm NStZ-RR 2009, 381; Beschluss des Senats vom 30. August 2011 in III-5 RVs 59/11). Es bestehen somit erhebliche Bedenken, dass Rechtsanwalt X. überhaupt wirksam bevollmächtigt war, die Revision für den Angeklagten zu begründen.

Die sich hieraus ergebenden Zweifel an der Eigenverantwortlichkeit des unterzeichnenden Rechtsanwalts führen zur Formunwirksamkeit der Revisionsbegründung und damit zur Unzulässigkeit der Revision.“

Also: Aufgepasst; selbst Zweifel reichen für die Annahme der Unwirksamkeit.

Unterschrift „Rechtsanwalt X i.V. RA Y“ – ist der Unterzeichner dann Verfasser?

Manchmal scheitern Rechtsmittel wie Revisionen oder Rechtsbeschwerden an Kleinigkeiten, an die man so gar nicht gedacht hat. Das zeigt mal wieder deutlich der OLG Hamm, Beschl. v. 24.11.2011 – III 5 RVs 91/11, in dem es um die Wirksamkeit der Unterzeichnung der Revisionsbegründung ging. Dazu das OLG:

Nach § 345 Abs. 2 StPO kann die Revision – abgesehen vom Fall der Erklärung zu Proto­koll der Geschäftsstelle – formgerecht nur in einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unter­zeichneten Schrift begründet werden. Die Unterschrift des Verteidigers oder Rechtsanwalts ist eine unverzichtbare Voraussetzung der Wirksamkeit. Dazu gehört, dass der Unterzeichnende die volle Verantwortung für den Inhalt der Schrift über­nimmt. Bestehen daran auch nur Zweifel, so ist die Revisionsbegründung unzulässig (OLG Hamm NZV 2001, 314; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 345 Rdnr. 16;).

Die vorliegende Revisionsbegründungsschrift ist unterzeichnet von Rechtsanwalt Y und zwar mit dem Zusatz: „Rechtsanwalt X i.V. RA Y“. Diese Form der Unterschrift mit dem Zusatz „i.V.“ lässt darauf schließen, dass der unterzeichnende Rechtsanwalt nicht der eigenverantwortliche Verfasser der Revisionsbegründung gewesen ist, sondern lediglich als Vertreter den von einem anderen verfassten und verantworteten Schriftsatz unterschrieben hat (so auch der Beschluss des hiesigen 4. Strafsenats vom 14. Februar 2008 – 4 Ss 47/08; KG JR 1987, 217; BayObLG NJW 1991, 2095).

Und: Das OLG weist auch noch einmal darauf hin, dass der Pflichtverteidiger nicht unterbevollmächtigen kann.

 

Trau schau, wem… auch Richter können irren

Der Angeklagte hatte dem Richter und der von ihm gegebenen Auskunft zu Form und Frist der Revisionsbegründung geglaubt. Die war falsch – auch Richter können irren. Ergebnis: Die Revision war nicht rechtzeitig begründet worden.

Das OLG Oldenburg, Beschl. v. 31.01.2011 – 1 Ss 7/11 hat von Amts wegen Wiedereinsetzung gewährt. Wenn ein Angeklagter aufgrund einer falschen richterlichen Auskunft Form und Frist der Revisionsbegründung nicht eingehalten habe, so sei ihm zur Sicherung eines fairen Verfahrens Wiedereinsetzung zu gewähren. Dies gelte auch dann, wenn er die versäumte Handlung noch nicht nachgeholt habe. Denn der Angeklagte dürfe nach der falschen Auskunft des Richters darauf vertrauen, alles Erforderliche zur wirksamen Begründung seines Rechtsmittels getan zu haben.

Revisionsbegründung muss lesbar/überschaubar sein

So kan man die Ausführungen des BGH in einer umfangreichen Steuerhinterziehungssache überschreiben. Dort heißt es im Beschl. v. 02.11.2010 – 1 StR 544/09

„I. Bei der Erhebung einer Verfahrensrüge sind die den Mangel enthaltenden Tatsachen vollständig, zutreffend, schriftlich (in die Begründungsschrift eingefügte Kopien, die nicht hinreichend lesbar sind, genügen dem nicht, vgl. BGH, Urteil vom 3. Oktober 1984 – 2 StR 166/84, NJW 1985, 443) und insgesamt innerhalb der sich aus § 345 Abs. 1 StPO ergebenden Revisionsbegründungsfrist anzubringen.

Insbesondere dann, wenn sich der Verfahrensgang – wie hier – durch eine kaum zu überblickende Anzahl von Anträgen der Verteidigung auszeichnet, die sich auf umfangreiche Anlagen beziehen, sich teilweise wiederholen und zum Teil auf andere Anträge oder Beschlüsse Bezug nehmen, kann die Revision nicht von ihrer sich aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ergebenden Pflicht entbunden werden, die (und nur die) auf die jeweilige Angriffsrichtung bezogenen Verfahrenstatsachen so vorzutragen, dass das Revisionsgericht allein anhand der Revisionsbegründung die einzelnen Rügen darauf überprüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegen würde, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juni 2007 – 5 StR 383/06, NJW 2007, 3010, 3011; BGH, Beschluss vom 7. April 2005 – 5 StR 532/04, NStZ 2005, 463; BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2005, NJW 2005, 1999, 2001; Kuckein in KK-StPO 6. Aufl. § 344 Rn. 38 mwN).“

Muss wohl sehr unübersichtlich gewesen sein.

Schuster bleib bei deinen Leisten…

denkt man, wenn man die Entscheidung des 5. Strafsenats des BGH v. 14.10.2010 – 5 StR 418/10 liest. In der Sache hatte der Angeklagte in einem Missbrauchsprozess – dem 70-jährigen Angeklagten wurde der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs seiner Enkelin gemacht – einen Fachanwalt für Familienrecht mit seiner Verteidigung beauftragt (hatte seinen Grund sicherlich in dem familiären Hintergrund der Tat :-). Der Angeklagte wird dann zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Fachanwalt für Familienrecht legt Revision ein, die allerdings dann wegen fehlender Revisionsbegründung verworfen weil. Im Wiedereinsetzungsbeschluss des BGH heißt es zum Wiedereinsetzungsverfahren:

„Sein Pflichtverteidiger, Fachanwalt für Familienrecht N. , hat hiergegen am 1. April 2010 rechtzeitig das Rechtsmittel der Revision erhoben, „aber keine Revisionsbegründung zustande gebracht“ (eidesstattliche Versicherung vom 26. August 2010, S. 2). Der Pflichtverteidiger hat nach Verwerfung der Revision dem Angeklagten und dessen Ehefrau erklärt, dass es dabei nicht bleiben werde, weil die Verwerfung des Rechtsmittels nicht vom Angeklagten, sondern von ihm zu vertreten sei. In den folgenden Wochen hat der Pflichtverteidiger den Wiedereinsetzungsantrag nicht gestellt, weil es ihm aus persönlichen Gründen so schlecht gegangen ist, dass er kaum noch arbeiten konnte (eidesstattliche Versicherung aaO S. 3).“

Da ist also manches schief gelaufen. Der erste Fehler sicherlich der des Angeklagten, der es aber nicht wissen muss, dass man mit einer Strafverteidigung wohl i.d.R. keinen Fachanwalt für Familienrecht beauftragen sollte. Der zweite Fehler m.E. dann der, dass der Fachanwalt für Familienrecht das Mandat angenommen hat, obwohl er offenbar von Strafrecht keine Ahnung hatte. Er hätte es wissen müssen. Schuster bleib bei deinen Leisten, oder: Warum gibt es denn Fachanwaltschaften (womit natürlich nicht gesagt ist, dass jeder Fachanwalt eine „Revisionsbegründung zsutande bringt“.