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Unkenntnis des Verteidigers ist keine Verhinderung

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Wiedereinsetzung ist manchmal gar nicht so einfach. Jedenfalls stimmt auf den ersten Blick nicht immer der Satz, dass in Strafverfahren Wiedereinsetzung manchmal schneller zu gewähren ist als in anderen Verfahren, schon weil dem Angeklagten ein Verschulden seines Verteidigers nicht zugerechnet wird. Das zeigt mal wieder der BGH, Beschl. v. 31.07.2012 – 4 StR 238/12. In dem Verfahren hatte die Verteidigerin wohl nicht so ganz viel Ahnung von der Rechtsprechung des BGH, wie man den Ausführungen des BGH zum Wiedereinsetzungsantrag entnehmen kann:

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist jedenfalls unbegründet.
a) Allerdings hat der Angeklagte innerhalb der Frist des § 341 Abs. 1 StPO keine zulässige Revision eingelegt. Die Beschränkung des Rechtsmittels auf die Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist wirksam, führt aber zu dessen Unzulässigkeit (Senatsbeschlüsse vom 13. Juni 1991 – 4 StR 105/91, BGHSt 38, 4, 5, 7; vom 2. Dezember 2010 – 4 StR 459/10, NStZ-RR 2011, 255), und die Erweiterung einer beschränkt eingelegten Revision ist nur bis zum Ablauf der Revisionseinlegungsfrist wirk-sam möglich (BGH, Beschluss vom 27. Oktober 1992 – 5 StR 517/92, BGHSt 38, 366).
b) Der Angeklagte hatte sich jedoch zunächst – das zeigt auch die Begründung des Wiedereinsetzungsantrags, mit der er zum Ausdruck bringt, sich letztlich nach wie vor allein gegen die Nichtanordnung der Maßregel nach § 64 StGB zu wenden – bewusst dafür entschieden, den Urteilsspruch im Übrigenvon seinem Revisionsangriff auszunehmen; wer aber von einem befristeten Rechtsbehelf bewusst keinen Gebrauch macht, ist nicht im Sinne des § 44 Satz 1 StPO „verhindert, eine Frist einzuhalten“ (BGH, Beschluss vom 19. Juni 2012 – 3 StR 194/12 m.w.N.). Dies gilt auch dann, wenn die Verteidigerin we-gen Unkenntnis von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Zulässigkeit und damit die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels falsch ein-geschätzt hat; in einer solchen Unkenntnis liegt keine Verhinderung im Sinne des § 44 Satz 1 StPO (BGH, Beschlüsse vom 1. April 2010 – 4 StR 637/09, NStZ-RR 2010, 244; vom 20. September 2005 – 5 StR 354/05, wistra 2006, 28; vom 31. August 2005 – 2 StR 308/05, wistra 2005, 468; vom 10. August 2000 – 4 StR 304/00, NStZ 2001, 160).

Wie heißt es doch macnhmal noch: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht :-). Jedenfalls hier stimmt der Satz – im übertragenen Sinn.

Lang, lang ist´s her – aber was interessiert schon Rechtsprechung des BVerfG, oder?

Wahrscheinlich fange ich mir jetzt wieder böse Kommentare ein, aber: Wenn man die folgende Passage im Beschl. des BGH v. 22.07.2010 – 3 StR 169/10 – liest, fragt man sich dann doch, was soll das bzw. werden die obergerichtlichen Entscheidungen eigentlich gelesen? Da heißt es:

2. Die Maßregelanordnung nach § 64 StGB hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Das Landgericht hat die Unterbringung als „nicht von vorneherein aus-sichtslos“ bezeichnet und damit einen Maßstab angelegt, der vom Bundesverfassungsgericht im Jahr 1994 (BVerfG, Beschluss vom 16. März 1994 – 2 BvL 3/90 (u. a.), BVerfGE 91, 1 ff.) für verfassungswidrig erklärt worden ist. Seither war § 64 Abs. 2 aF StGB verfassungskonform dahin auszulegen, dass er die Feststellung einer konkreten Erfolgsaussicht der Maßregel voraussetzt. Hierauf hat der Bundesgerichtshof in zahlreichen Entscheidungen hingewiesen. Durch das am 20. Juli 2007 in Kraft getretene Gesetz vom 16. Juli 2007 (BGBI. I S. 1327) ist § 64 StGB entsprechend geändert worden und trägt dem Erfordernis einer konkreten Erfolgsaussicht nun auch im Wortlaut der Vorschrift ausdrücklich Rechnung (§ 64 Satz 2 StGB).

Also: Nur nochmal zur Klarstellung: Ein Urteil aus 2010, berücksichtigt nicht Rechtsprechung des BVerfG aus 1994 (!!) und übersieht Gesetzesänderungen aus 2007. Kein Kommentar, außer: Selbst wenn man die Rechtsprechung kennt, sollte man auch entsprechend den Vorgaben formulieren. So schwer kann das doch nicht sein.

Gibt es keine veröffentlichungswürdige Rechtsprechung des OLG Hamm mehr?

Nach meinem Ausscheiden aus dem richterlichen Dienst im Oktober 2008 ist es etwas schwieriger geworden, meine Homepage burhoff-online weiterhin mit Rechtsprechung des OLG Hamm in Straf- und Bußgeldsachen zu bestücken. Die Kollegen hatten mir zwar „weitere Belieferung“ zugesagt, aber das tröpfelt nur ganz, ganz leicht. Deshalb hatte ich mir vor einiger Zeit gedacht: Wende dich vertrauensvoll an den Präsidenten des OLG, vielleicht kann er ja etwas (nach)helfen?

Er hat nun geantwortet, und zwar wie folgt:

Ihre Zuschrift vom 14. Juni 2010 habe ich mit Interesse gelesen. Ich freue mich darüber, dass Sie als ehemaliger Richter am Oberlandesge­richt Hamm die Rechtsprechung der Strafsenate nunmehr auch als Rechtsanwalt offensichtlich wertschätzen.
Im kollegialen Gespräch mit Richterin am Oberlandesgericht Kxxxxx ha­ben einige Mitglieder verschiedener Strafsenate betont, dass Ihre Da­tenbank gut aufbereitet sei und gern darauf zugegriffen werde. Sie ha­ben ebenfalls bestätigt, dass Entscheidungen übermittelt würden, wenn sich diese für eine Veröffentlichung anböten.
Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich mich schon aus Gründen der Gleichbehandlung der Veröffentlichungsträger aber auch wegen der Unabhängigkeit der Richterinnen und Richter nicht dafür einsetzen kann, Ihrem Wunsch auf Belieferung mit Entscheidungen durch die hie­sigen Strafsenate Nachdruck zu verleihen.“

Das muss man zweimal lesen, damit es sich einem ganz erschließt.

  1. Vorab: Zutreffend ist der dritte Absatz. Das kann/darf er nicht, ok.
  2. Aber der erste Absatz: In meinen Augen die pure Hilflosigkeit, wie man mit der Anfrage eines „ehemaligen Richters am OLG Hamm“ – darauf hatte ich in meinem Schreiben hingewiesen, umgeht. „Nunmehr auch als Rechtsanwalt offensichtlich wertschätzen“. Was soll das denn heißen? Warum sollte ich nicht? Nur, weil ich ausgeschieden bin? Das wäre doch mehr als kleingeistig?
  3. Und der 2. Absatz: Ist man sich eigentlich klar darüber, was der Satz bedeutet: „Sie ha­ben ebenfalls bestätigt, dass Entscheidungen übermittelt würden, wenn sich diese für eine Veröffentlichung anböten“? Muss/soll ich jetzt aus dem Umstand, dass mir praktisch in den letzten rund 20 Monaten nichts übersandt worden ist, schließen, dass die Straf- und Bußgeldsenate keine veröffentlichungswürdigen Entscheidungen erlassen haben? Anders kann man das doch wohl nicht verstehen. Dazu würde allerdings passen, dass z.B. – wie ich gerade gecheckt habe – in Band 118 der VRS nur eine Entscheidung des OLG Hamm (von einem Zivilsenat) enthalten ist und in Band 117 gar keine. Andererseits sind ja in der Zwischenzeit in anderen Zeitschriften Entscheidungen veröffentlicht worden – allerdings wohl weitgehend von Verteidigern eingesandte. Das macht mich ein wenig ratlos. Ob ich dem Präsidenten noch einmal schreibe?

An alle Leser der Aufruf: Wenn Sie Entscheidungen des OLG Hamm aus dem strafverfahrensrechtlichen und owi-rechtlichen Bereich erstritten haben: Ich würde mich über eine Übersendung sehr freuen und stelle die Entscheidungen gern auf meiner HP ein.

„Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung“ jetzt in 6. Auflage bei Heymanns Strafrecht online

Endlich ist es soweit: Nach dem „Ermittlungsverfahren“ ist nun auch der zweite Burhoff-Klassiker in der umfassend überarbeiteten und erweiterten 6. Auflage online!

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In der umfassend überarbeiteten und erweiterten 6. Auflage des Handbuchs sind sämtliche aktuellen Reformen (2. Opferrechtsreformgesetz, Gesetz zur Änderung des Untersuchungshaftrechts, Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren usw.) berücksichtigt. Des Weiteren ist sowohl die seit der 5. Auflage veröffentlichte Literatur als auch die ergangene maßgebliche Rechtsprechung ausgewertet und eingearbeitet – allein aus der Rechtsprechung sind rund 650 neue Entscheidungen aufgenommen worden.

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Präklusion im Strafprozess, oder: Das Basta in der Rechtsprechung des BGH

Einen interessanten Tagungsbericht vom 13. Strafverteidiger-Frühjahrssymposium am vergangenen Wochenende in Karlsruhe berichtet RA Flauaus in seinem Blogbeitrag „Präklusion im Strafprozeß„. Zu der dort angesprochenen „Obiter-dictum-Gesetzgebung“ des 1. Strafsenat des BGH hatte ich ja auch schon in der ZAP Stellung genommen (vgl. hier und hier). Die Wortmeldungen in Karlsruhe lassen eins sicher erscheinen: Letztlich wird der Große Senat für Strafsachen des BGH die Frage entscheiden müssen. Denn, wenn der 2. Strafsenat die Frage anders sieht als der 1. Strafsenat – wovon man nach den Äußerungen der Vorsitzenden und ihres Stellvertreters wohl ausgehen kann -, dann geht am Großen Senat für Strafsachen kein Weg vorbei. Denn eins ist auch sicher: Der 1. Strafsenat wird unter seinem derzeitigen Vorsitzenden Nack von seiner Rechtsprechung nicht abrücken und – gestützt vom BVerfG – „basta“ sagen :-). Damit ist das „basta“ auch in der Rechtsprechung angekommen. Unverständlich ist für mich die Auffassung des BVerfG, die die Rechtsprechung des 1. Strafsenats stützt. Deutlicher als dieser kann man m.E. nicht gegen § 246 StPO verstoßen. Das BVerfG sieht das aber noch als zulässige richterliche Rechtsfortbildung.