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In der letzten Zeit hat es eine ganz Reihe berufsrechtlicher Entscheidungen gegeben, die auch für den Verkehrs- und Strafrechtler von Interesse sind. Eine davon will ich heute in meinem „Kessel Buntes“ bringen. Es ist das BGH, Urt. v. 20.06.2016 – AnwZ (Brfg) 26/14. In ihm geht es um die Frage: Darf der Rechtsanwalt bei der Abwicklung von Verkehrsunfällen auch die Vorfinanzierung von Schadensaufwendungen anbieten? Sicherlich eine Frage, die im doch hart umkämpften Anwaltsmarkt für den ein oder anderen Kollegen von Interesse sein könnte.
Gegenstand des Verfahrens beim BGH war ein nach § 73 Abs. 2 Nr. 1 BRAO erteilter belehrender Hinweis einer Rechtsanwaltskammer an zwei Rechtsanwälte, die gemeinsam eine Rechtsanwaltskanzlei betrieben, die sich auf die Abwicklung von Verkehrsunfällen spezialisiert hatte. Die Kanzlei bot ihren Mandanten die Verauslagung von Reparatur- und/oder Sachverständigen – sowie Abschleppkosten in Höhe der geschätzten Haftungsquote an. In der Vollmacht zur außergerichtlichen Vertretung ermächtigen die Mandanten die Rechtsanwälte der Kanzlei u.a. „zur Zahlung aller mit dem Unfall in Zusammenhang stehender Rechnungen aus Eigen- oder Fremdmitteln“. Nach Erhalt der Rechnungen der Kraftfahrzeugwerkstätten, Sachverständigen und Abschleppunternehmer wurden die Rechnungen jeweils in Höhe der geschätzten Haftungsquote von der Rechtsanwaltskanzlei ausgeglichen. Die zuständige Rechtsanwaltskammer hat den klagenden Rechtsanwälten einen belehrenden Hinweis dahingehend erteilt, dass die Verauslagung von Reparatur- und/oder Sachverständigen- und/oder Abschleppkosten für Mandanten im Rahmen der Bearbeitung von Verkehrsunfallangelegenheiten gegen § 49 b Abs. 2 S. 2 BRAO sowie gegen § 49 b Abs. 3 S. 1 BRAO verstoße. Dagegen richtete sich die Klage, die weder beim AnwGH Bayern noch beim BGH Erfolg hatte. Der BGH hat zwar einen Verstoß gegen § 49b Abs. 2 Satz 2 BRAO verneint, einen Verstoß gegen § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO hingegen bejaht:
b) Zutreffend haben der Anwaltsgerichtshof und die Beklagte in der be-anstandeten Verfahrensweise jedoch einen Verstoß gegen § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO gesehen. § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO untersagt dem Rechtsanwalt, für die Vermittlung von Aufträgen einen Teil der Gebühren zu zahlen oder sonstige Vorteile zu gewähren. Es soll vermieden werden, dass Rechtsanwälte in einen Wettbewerb um den Ankauf von Mandaten treten, die Anwaltschaft ist kein Gewerbe, in dem Mandate „gekauft“ und „verkauft“ werden (BT-Drucks. 12/4993 S. 31; Kilian, aaO Rn. 159). Ein Rechtsanwalt, dem ein Mandat vermittelt wird, darf hierfür den Vermittler nicht belohnen (Kilian, aaO Rn. 161; vgl. auch OLG Thüringen, DStRE 2003, 700, 702 zum Steuerberater). Unter sonstigem Vorteil ist auch die Erbringung von berufsfremden Dienstleistungen zu verstehen, wie hier die sofortige Bezahlung der Rechnungen von Kraftfahrzeugwerkstätten und Abschleppunternehmern für den Mandanten. Die betroffenen Kraftfahrzeug-werkstätten, Sachverständigen und Abschleppunternehmer erhalten als Geld-zahlung zwar nur ihre Leistungen im Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall-ereignis vergütet. Sie haben aber den sonstigen Vorteil einer sofortigen, sicheren Zahlung und sind deshalb an der von der Kanzlei der Kläger angebotenen Verfahrensweise interessiert, wie auch die von den Klägern geschilderten Kontaktaufnahmen mit der Bitte um Erläuterung des Vorgehens zeigen. Immerhin stammt nach den eigenen Angaben der Kläger etwa die Hälfte der Mandate aus diesem Geschäftsmodell.
Das Verbot des § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO erfasst nur Provisionszahlungen bzw. die Gewährung von Vorteilen für ein konkret vermitteltes Mandat (vgl. BVerfG, NJW 2008, 1298 Rn. 24). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Kläger bieten zwar allen Mandanten die Bezahlung der Rechnungen der Kraft-fahrzeugwerkstätten, Sachverständigen und Abschleppunternehmern in Höhe der geschätzten Haftungsquote an, unabhängig davon, ob und gegebenenfalls auf wessen Empfehlung die Mandanten den Anwaltsvertrag mit ihnen ge-schlossen haben. Wenn die Mandanten jedoch auf Empfehlung der Kraftfahrzeugwerkstätten, Sachverständigen und Abschleppunternehmer die Kanzlei der Kläger mit der Abwicklung der Verkehrsunfallsache beauftragt haben, ist in diesen konkreten Fällen die Ursächlichkeit gegeben. Die Kläger streben mit ihrer Vorgehensweise gerade an, dass die Kraftfahrzeugwerkstätten, Sachverständi-gen und Abschleppunternehmer, die den ersten Kontakt mit Verkehrsunfall-opfern mit spezifischem Beratungsbedarf haben, ihre Kanzlei empfehlen. Die Kraftfahrzeugwerkstätten, Sachverständigen und Abschleppunternehmer erhalten den sonstigen Vorteil jeweils in einem konkreten Fall, in dem entweder ihre Empfehlung zur Mandatierung der Kläger geführt hat oder der Mandant aus sonstigen Gründen die Kläger beauftragt hat. Der Vorteil wird hingegen nicht allgemein und unabhängig vom konkreten Mandat gewährt. Dass mindestens in einem Fall eine Mandantin auf Empfehlung der Werkstatt die Kanzlei der Kläger beauftragt hat, ergibt sich aus der Beschwerdesache C. K. , die auf Empfehlung ihres Autohauses dem Kläger zu 1 das Mandat erteilt hatte.
c) Es kann dahinstehen, ob die Kläger durch die Zahlungen auf die Zah-lungspflichten ihrer Mandanten deren Geschäft besorgen und sie lediglich einen Aufwendungsersatzanspruch (§ 670 BGB) geltend machen oder ob es sich möglicherweise um erlaubnispflichtige Kreditgeschäfte des Rechtsanwalts im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 KWG handelt. Das Verhalten der Kläger gegenüber den Mandanten widerspricht auch dann den §§ 43, 43b BRAO, wenn eine Genehmigungspflicht nach den Kreditwesengesetz für diese Tätig-keit nicht besteht. Durch die Zusage, Werkstatt-, Abschlepp- und Sachverstän-digenkosten zu verauslagen, werden auch die Mandanten mit einer unentgeltlichen Leistung geworben, die in deren Situation keinen geringen Wert hat. Diese Werbung ist nicht berufsbezogen und zudem auf die Erteilung des Mandats im Einzelfall gerichtet. Die Verauslagung der Kosten des Mandanten wird in Aussicht gestellt, um diese nach Verkehrsunfällen, also bei bestehendem Beratungsbedarf, konkret zum Abschluss des Anwaltsvertrags zu bewegen. Dies ist unzulässig.“
Nach dieser mehr als deutlichen Entscheidung des BGH sollte man als Rechtsanwalt von der Art der Akquise auf jeden Fall die Finger davon lassen. Solche Vorfinanzierungen sind auch nicht ungefährlich. Der nach der Rechtsprechung vorliegende berufsrechtliche Verstoß kann über § 134 BGB Auswirkungen auf die Wirksamkeit des Mandatsvertrags zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Mandanten haben. Der BGH hat schon in der Vergangenheit in verschiedenen Entscheidungen die Nichtigkeit von Mandatsverträgen angenommen, wenn diese gegen eine gesetzliche Regelung verstoßen (vgl. BGH NJW 2001, 1569; ZIP 2016, 1443). Begründung: Die gesetzlichen Regelungen bleiben weitgehend wirkungslos, wenn der Rechtsanwalt auch aus einer ihm untersagten Tätigkeit einen Honoraranspruch erwerben könnte. Das bedeutet, dass dem Rechtsanwalt nach der Rechtsprechung des BGH in diesen Fällen sein anwaltliches Honorar verloren gehen kann.