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Wollte sich der Angeklagte selber stechen?

Die Frage stellt man sich beim ersten Lesen des BGH, Beschl. v. 22.06.2011 -2 StR 135/11, in dem es um einen bewaffneten Raubüberfall auf eine Spielhalle geht. In dem Zusammenhang spielte ein Messer, das der Angeklagte beim Raub in der Hand hielt, eine Rolle, und zwar  hielt „er das Messer in der linken Hand, wobei die Messerklinge nach hinten herausragte„. Dieses etwas „unbeholfene“ 🙂 Halten des Messers hat dem Angeklagten dann aber geholfen und zur Annahme eines minder schweren Falles des Raube beigetragen. Dazu schreibt der BGH:

„Dafür ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich, bei der alle Umstände heranzuziehen und zu würdigen sind, die für die Wertung der Tat und des jeweiligen Täters in Betracht kommen, gleich, ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen. Das Landgericht hat dabei nicht übersehen, dass der Tatbegehung durch drei Mittäter, dem Einsatz von zwei Drohmitteln, der nicht unerheblichen Beute und den Folgen der Tat für die Zeugin N. erhebliches Gewicht zukommt. Dem hat es aber erhebliche Milderungsgründe entgegengesetzt und insgesamt angenommen, dass die Tat vom Normalfall erheblich abweiche. Hiergegen ist nichts zu erinnern.

Erhebliche Bedeutung kam dem Nachtatverhalten zu. Der Angeklagte A. A. hatte sich selbst der Polizei gestellt, dort auch sogleich die Tat ein-geräumt und zudem den Angeklagten Ad. als Mittäter bezeichnet; insoweit hat er wichtige Aufklärungshilfe geleistet. Der Angeklagte A. A. hat sich ferner in der Hauptverhandlung gegenüber der psychisch nachhaltig beeinträchtigten Zeugin N. entschuldigt, nachdem er auch dort die Tat eingeräumt hatte. Aus allem konnte das Landgericht auf das Vorliegen eines minderschweren Falles des besonders schweren Raubes durch den jungen Täter schließen.

Die Annahme der Jugendkammer, dem Einsatz des Messers im Sinne von § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB komme im Rahmen des Gesamtgeschehens nur untergeordnete Bedeutung zu, unterliegt gleichfalls keinen rechtlichen Bedenken. Der Angeklagte S. A. hielt das Messer in der linken Hand, wobei die Messerklinge nach hinten herausragte; eine unmittelbare Drohung gegen eine der Personen in der Spielhalle wurde damit – im Gegensatz zum Einsatz der ungeladenen Schreckschusspistole als Scheinwaffe, der für sich genommen nur den Tatbestand des § 250 Abs. 1 Nr. 1b StGB erfüllt (vgl. BGHR StGB § 250 Abs. 1 Nr. 1b [i.d.F. d. 6. StrRG] Werkzeug/Mittel 1) – nicht bewirkt. Die Tatsache, dass der Zeuge H. das Messer erkannte, führt zwar dazu, dass der Qualifikationstatbestand des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB erfüllt ist (vgl. BGHR StGB § 250 Abs. 2 Nr. 1 Verwenden 6). Dies ist jedoch innerhalb des so eröffneten Rahmens nicht in besonders schwerwiegender Weise geschehen.“

Schöne Abwägung des LG.

 

 

Glasklar eine gefährliche Körperverletzung

Man ist ja immer wieder erstaunt, welche Mittel eingesetzt werden, um einen anderen zu verletzten. So auch im Beschl. des BGH v. 17.10.2010 – 3 StR 10/10, wo in Zusammenhang mit einem Raubdelikt Glasreinigungssspray verwendet worden ist. Der BGH dazu:

„Die Feststellungen tragen aber die zum schweren Raub in Tateinheit stehende Verurteilung wegen des Versuchs der gefährlichen Körperverletzung. Das von dem Angeklagten verwendete Glasreinigungsspray war nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung im Einzelfall – Sprühen ins Gesicht – geeignet, erhebliche Körperverletzungen zumindest an den Augen der Opfer herbeizuführen. Dies zeigt der Umstand, dass die der Zeugin R. im Fall II. 2. der Urteilsgründe zugefügte Augenverletzung eine Einlieferung in die Augenklinik und anschließend eine dreimonatige Behandlung mit Augentropfen erforderlich machte.“

Ist doch glasklar, oder?

Urteil im Prozess gegen zwei Bundespolizisten – keine U-Haft

Das LG Berlin meldet mit PM 34/2010 v. 06.07.2010 folgendes:

„LG Berlin: Urteil im Prozess gegen zwei Bundespolizisten Das LG Berlin hat zwei 27 und 42 Jahre alte Angeklagte unter anderem wegen schweren Raubes in acht Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von drei Jahren und neun Monaten und vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Des Weiteren wurden die Angeklagten von dem Vollzug der Untersuchungshaft verschont.

Die Kammer kam unter anderem zu folgenden Feststellungen: Die beiden Angeklagten waren bei der Bundespolizei tätig. Im Rahmen ihres Dienstes kontrollierten sie ohne Grund vietnamesische Staatsangehörige, nahmen ihnen in acht Fällen Geldbeträge in Höhe von 3 Euro bis zu 300 Euro ab und zerstörten teilweise die SIM-Karten, damit die Geschädigten keine Hilfe holen konnten. In einem Fall schlug der 42 Jahre alte Angeklagte einen vietnamesischen Staatsangehörigen. Teilweise veranlassten die Angeklagten, dass die Geschädigten in das Polizeifahrzeug einsteigen sollten. Anschließend fuhren die Angeklagten die Geschädigten zu Orten, die diese nicht kannten, und ließen sie dort aussteigen. Die Feststellungen beruhen auf den umfassenden Geständnissen der Angeklagten. Die Angeklagten hätten ihr Amt missbraucht, führte der Vorsitzende in der mündlichen Urteilsbegründung an. Die Taten habe der 42 Jahre alte Angeklagte nur begangen, da er unzufrieden gewesen sei.

Das Gericht ging bei allen Fällen von einem „minder schweren Fall“ im Sinne des StGB aus, da die Taten von dem Regelfall des schweren Raubes abweichen würden. Die Angeklagten hätten nämlich umfassende Geständnisse abgelegt und im Wesentlichen seien die Drohungen gegenüber den Geschädigten durch das äußere Erscheinungsbild – nämlich das Tragen der Polizeiuniform- ausgegangen. Des Weiteren sei zu berücksichtigen, dass beide Angeklagte ihre Arbeitsplätze verlieren würden. Allerdings sei zu Lasten der Angeklagten anzuführen, dass sie die Straftaten im Dienst begangen und damit dem Ansehen der Polizei schweren Schaden zugefügt hätten. Es sei keine einmalige Entgleisung gewesen. Vielmehr seien alle Taten nach demselben Muster ausgeführt worden. Die Angeklagten hätten sich wehrlose Opfer gesucht und die Taten seien aus nichtigem Anlass begangen worden, erklärte der Vorsitzende in der Urteilsbegründung weiter.

Urteil des LG Berlin vom 06.07.2010 Az.: (532) 34 Js 125/10 KLs (8/10)

Quelle: Pressemitteilung Nr. 34/2010 des LG Berlin vom 06.07.2010″

Natürlich ist die Entscheidung interessant; besonders interessant ist aber, dass die Angeklagten vom weiteren Vollzug der U-Haft verschont worden sind. Und das bei den „hohen Freiheitsstrafen“.

Sage mir, wie er aussieht, und ich sage dir, ob der „dickere Ast“ ein „Werkzeug“ ist

Nach § 250 Abs. 1 Nr. 1b StGB ist ein Raub ein „schwerer Raub, wenn er unter Verwendung eines Werkzeuges i.S. dieser Vorschrift begangen worden ist. Dazu hat das OLG Köln jetzt ausgeführt, dass allein die Feststellung „dickerer Ast“ im tatrichterlichen Urteil nicht ausreicht, um diese Qualifikation ausreichend zu belegen.  Die Eignung, ein Mittel zu sein, das bei entsprechender Verwendungsabsicht geeignet ist, möglichem Widerstand gewaltsam zu begegnen „kann bei einem „dickeren Ast“ nicht ohne weiteres und ohne nähere Beschreibung seiner Beschaffenheit unterstellt werden, sondern hängt vielmehr u.a. von dessen Länge, der Stärke und der Konsistenz (hart oder [erkennbar] morsch?) ab.“

Stimmt. Nachzulesen im Beschl. v. 15.12.2009 – 83 Ss 87/09.

Beim Stöbern gefunden: BGH zum qualifizierten Raub

Wenn man die Homepage des BGH häufig besucht, um nach neuen Entscheidungen Ausschau zu halten, hat man im straf(verfahrens)rechtlichen Teil den Eindruck, dass der BGH dort nur noch BtM-Verfahren und Missbrauchsfälle entscheidet. Delikte aus diesem Bereich stellen m.E. den Löwenanteil an den Entscheidungen/Vorwürfen.

Da ist dann eine Entscheidung zum Raub schon berichtenswert, zumal, wenn sie für BGHSt vorgesehen ist. So der Beschl. des BGH v. 08.04.2010 – 2 StR 17/10, mit dem die Rechtsprechung aus BGHSt 53, 234 fortgesetzt wird. Dort ging es darum, ob schwere Misshandlungen nach Vollendung einer Raubtat noch den Qualifikationstatbestand des § 250 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a StGB erfüllen können. Der BGH hat das nur für den Fall bejaht, dass die Misshandlungshandlungen noch weiterhin von Zueignungs- oder Bereicherungsabsicht getragen sind, insbesondere der Beutesicherung oder der Erlangung weiterer Beute dienen. Im Beschl. v. 08.04.2010 geht es um die Alternative des § 250 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b, also um die qualifizierende Wirkung einer konkreten Lebensgefährdung des Raubopfers. Der 2. Strafsenat hat auch hier gesagt – folgerichtig –  die qualifizierende Wirkung nach Vollendung der Tat oder Scheitern ihres Versuchs sei ausgeschlossen, wenn die die Lebensgefahr verursachende Handlung nicht mit der Motivation der Beutesicherung vorgenommen werde; eben im Anschluss an BGHSt 53, 234.

Da bieten sich sicherlich Verteidigungsansätze, die angesichts der hohen Strafdrohung erhebliche Bedeutung haben können.