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Raub I: Gewahrsamsbruch/Gewahrsamsbegründung, oder: Wenn der „Beraubte“ die Wohnung verlassen hat

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Ich stelle – wie man aus der Überschrift ersehen kann – heute dann StGB-Entscheidungen vor. Da aber alle drei mit dem Raubtatbestand (§§ 249 ff. StGB) zu tun haben, heute mal nicht unter „StGB“, sondern unter „Raub“. Ist mal etwas anderes :-). Und: Alle drei stammen vom BGH.

Den Opener macht das BGH, Urt. v. 04.05.2022 – 6 StR 628/21. Die Angeklagten waren vom LG jeweils des versuchten besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Beihilfe zum versuchten Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen worden.

Grundlage waren folgende Feststellungen des LG:

„Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen berichtete eine unbekannte männliche Person den Angeklagten, dass der Geschädigte H. Betäubungsmittel verkaufe und diese sowie Bargeld fertig verpackt in einem Rucksack in seiner Wohnung vorrätig halte. Die Angeklagten kamen mit dem Unbekannten überein, in dessen Auftrag den Rucksack zu erbeuten und ihm auszuhändigen. Sie wussten, dass H. den Rucksack nicht widerstandslos herausgeben würde. Deshalb verabredeten sie mit dem Unbekannten, H. durch Schläge gefügig zu machen. Den Angeklagten war gleichgültig, wieviel Betäubungsmittel und Bargeld sie erbeuten würden. Ihre Vorstellung richtete sich allerdings auf eine erhebliche Menge an Betäubungsmitteln. Für die Durchführung der Tat erwarteten sie von dem Unbekannten eine Entlohnung.

Der Unbekannte fuhr die Angeklagten zu dem Mehrfamilienhaus, in dem H. wohnte, und beschrieb ihnen die Lage der Wohnung im zweiten Obergeschoss. Dem gemeinsamen Tatplan entsprechend sollte er im Auto warten und die Beute nach der Tat entgegennehmen. Die Angeklagten betraten das Haus und gingen zu der Wohnung des Geschädigten. G. trug schwarze Handschuhe, die auf der Oberseite mit Quarzsandeinlagen verstärkt waren, um die Wucht der Schläge zu verstärken. R. wusste dies und billigte deren Einsatz. Er selbst trug Lederhandschuhe und hatte unter anderem ein Klappmesser eingesteckt, was G. jedoch nicht bekannt war. Einer der Angeklagten hatte außerdem ein Bündel Kabelbinder dabei, um H. gegebenenfalls zu fesseln.

H. öffnete arglos seine Wohnungstür. G. drängte ihn in die Wohnung und schlug ihm zweimal mit der Faust ins Gesicht, wodurch er ins Taumeln geriet, aber nicht zu Boden ging. Währenddessen schloss R. die Tür mit dem innen im Schloss steckenden Schlüssel ab. Als H. um Hilfe rief, hielt ihm R. den Mund zu. Es kam zu einer Rangelei, in deren Verlauf H. zu Boden ging. R. versuchte, ihn dort zu fixieren. Währenddessen durchsuchte G. die Wohnung. In der Küche fand er zwei Rucksäcke der Marken Omexon und Adidas. Im OmexonRucksack befanden sich 2.218,50 Euro, 22 MDMA-Tabletten und 57,7 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 10 Gramm THC. G. nahm die Rucksäcke an sich und steckte den Omexon-Rucksack in den Adidas-Rucksack.

Währenddessen wurden die in der darunterliegenden Wohnung wohnende Schwester des Geschädigten S. und deren Freund C. auf H. s Hilferufe aufmerksam. Sie eilten zu dessen Wohnung und versuchten, die Tür mit einem Zweitschlüssel zu öffnen, was aber wegen des innen im Schloss steckenden Schlüssels nicht gelang. C. und S. begaben sich auf den Balkon der Wohnung des Geschädigten, von wo aus sie einen Teil des Geschehens in der Wohnung beobachten konnten. Als die Angeklagten bemerkten, dass C. auf den Balkon geklettert war, um H. zu Hilfe zu kommen, gelang es diesem, sich von R. loszureißen und die Balkontür zu öffnen. Daraufhin wollten die Angeklagten fliehen. G. lief aus der Wohnung nach unten. Er konnte das Gebäude aber nicht verlassen, weil die Mutter des Geschädigten die Hauseingangstür abgeschlossen hatte. Es kam zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen G. und dem Bruder des Geschädigten, der G. bis zum Eintreffen der Polizei festhielt. R. war noch in der Wohnung von C. ergriffen und zur Hauseingangstür gebracht worden.“

Die StA hatte dagegen Revision eingelegt und geltend gemacht, dass die Angeklagten aufgrund dieser Feststellungen nicht des vollendeten besonders schweren Raubes ( § 249 Abs. 1 , § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB ) und des bewaffneten Sichverschaffens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ( § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG ) schuldig gesprochen worden sind.

Dem ist der BGH gefolgt:

„a) Die zur Vollendung eines Raubes führende Wegnahme ist vollzogen, wenn fremder Gewahrsam gebrochen und neuer Gewahrsam begründet ist. Das ist der Fall, wenn der Täter die tatsächliche Sachherrschaft derart erlangt, dass er sie ohne Behinderung durch den alten Gewahrsamsinhaber ausüben und dieser über die Sache nicht mehr verfügen kann, ohne seinerseits die Verfügungsgewalt des Täters zu brechen. Maßgeblich sind insoweit die Anschauungen des täglichen Lebens. Danach genügt bei leicht beweglichen Sachen regelmäßig schon ein Ergreifen und Festhalten bzw. das offene Wegtragen als Wegnahmehandlung. Hat der Täter einen solchen Gegenstand an sich gebracht, erlangt er jedenfalls dann die ausschließliche Sachherrschaft darüber, wenn er den umschlossenen Herrschaftsbereich des bisherigen Gewahrsamsinhabers verlassen hat. Die Beobachtung des Tathergangs bzw. alsbaldige Entdeckung des Täters und seine Festnahme stehen der Tatvollendung nicht entgegen. Dadurch wird lediglich die Rückgabe der Sache an den bisherigen Gewahrsamsinhaber ermöglicht; bereits gesicherter Gewahrsam des Täters ist für die Vollendung der Wegnahme nicht erforderlich (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 26. Juni 2008 – 3 StR 182/08 , BGHR StGB § 242 Abs. 1 Wegnahme 12 ; vom 18. Februar 2010 – 3 StR 556/09 , NStZ 2011, 158).

Danach hatten die als Mittäter handelnden Angeklagten den Gewahrsam des Geschädigten H. an den beiden Rucksäcken sowie den darin befindlichen Betäubungsmitteln und dem Bargeld spätestens zu dem Zeitpunkt gebrochen und neuen Gewahrsam begründet, als der Angeklagte G. die Wohnung H. s verlassen hatte und zur Hauseingangstür hinuntergelaufen war. Dass die Angeklagten auf frischer Tat betroffen wurden und G. das Haus wegen der verschlossenen Haustür nicht verlassen konnte, hinderte nicht die Vollendung der Tat, sondern lediglich deren Beendigung durch die Sicherung der Beute.

b) Aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen erlangten die Angeklagten durch die Tat zugleich die Verfügungsgewalt über die Betäubungsmittel in nicht geringer Menge, wobei sie mit den Quarzhandschuhen, der Angeklagte R. darüber hinaus mit dem Klappmesser, bewusst Gegenstände mit sich führten, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt waren ( § 30a 2 Nr. 2 BtMG ).“

Der BGH hat deshalb die Schuldsprüche geändert und die Strafaussprüche aufgehoben. Insoweit: Auf ein Neues.

StGB I: Wenn die „Druckgaswaffe“ nicht funktioniert, oder: Das Opfer wehrt sich mit einem Wischmopp

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Heute stelle ich dann mal wieder StGB-Entscheidungen vor, und zwar einen BGH-Beschluss und dann zwei landgerichtliche Entscheidungen zu Tatbeständen, mit denen man nicht so häufig zu tun hat.

Ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 09.12.2021 – 4 StR 366/21. Dem Beschluss lag folgender Sachverhalt zugrunde:

„Der Angeklagte plante einen Überfall auf einen Imbiss. Hierbei wollte er seiner Forderung, die Tageseinnahmen ausgehändigt zu erhalten, mithilfe einer geladenen Druckgaswaffe – die einer scharfen Schusswaffe vom Typ „Glock 17“ täuschend echt nachempfunden war und die er für funktionsfähig hielt – Nachdruck verleihen.

Wie geplant betrat der maskierte Angeklagte spät abends mit der Waffe, die mit Stahlkugelmunition vom Kaliber 4,5 mm bestückt war, das Ladenlokal, in dem er nur einen mit Reinigungsarbeiten beschäftigten Mitarbeiter ausmachen konnte. Diesen forderte der Angeklagte unter Vorhalt der Waffe mehrfach auf, ihm Geld herauszugeben, sonst werde er schießen. Der unbeeindruckte Mitarbeiter entgegnete ihm, er solle dies doch tun. Daraufhin betätigte der Angeklagte den Abzug der Waffe. Ob eine Kugel aus dem Lauf austrat und welche Geschwindigkeit sie erreichte, war nicht festzustellen. Möglicherweise enthielt die in der Waffe installierte Gaskartusche zu wenig Treibgas für eine (druckvolle) Schussabgabe.

Nachdem der Mitarbeiter keine Schusswirkung bei sich festgestellt hatte, schlug er den Angeklagten mit einem Wischmopp in das Gesicht. Sodann entriss er ihm die Waffe und schlug sie ihm wiederholt auf den Kopf. Nunmehr ging der Inhaber des Imbisses den Angeklagten ebenfalls an, nahm ihn von hinten in den „Schwitzkasten“ und zog ihm die Maske vom Gesicht. Der Angeklagte ergriff aus einem Getränkekasten eine Bierflasche und schlug hiermit den Inhaber, der ihn infolgedessen aus seinem Griff entweichen ließ. Der Angeklagte floh daraufhin ohne Beute.“

Das LG hat den im Übrigen freigesprochenen Angeklagten wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Dagegen die Revision des Angeklagtem, die der BGH verworfen hat:

„Die Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

1. Insbesondere ist auch die Verurteilung wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung ( §§ 253 , 255 , 250 Abs. 2 Nr. 1 , § 22 StGB ) – entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts – rechtsfehlerfrei.

a) Die Qualifikation des Verwendens einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeugs im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB umfasst jeden zweckgerichteten Gebrauch eines objektiv gefährlichen Tatmittels. Nach der Konzeption der Raubdelikte zielt das Verwenden auf den Einsatz als Nötigungsmittel bei der Verwirklichung des Grundtatbestands des Raubes. Es liegt sonach vor, wenn der Täter eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug gerade als Mittel entweder der Ausübung von Gewalt gegen eine Person oder der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben gebraucht, um die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache zu ermöglichen (vgl. BGH, Urteile vom 10. Januar 2018 – 2 StR 200/17 Rn. 14; vom 18. Februar 2010 – 3 StR 556/09 Rn. 8 und vom 8. Mai 2008 – 3 StR 102/08 Rn. 5). Bei einer räuberischen Erpressung muss der Täter ein solches Tatmittel in dieser Weise einsetzen, um die Herausgabe der angestrebten Beute zu erzwingen.

Nach diesen Maßgaben stand der im Zweifel unzureichende Gasdruck und die darin begründete Funktionsuntüchtigkeit der verwendeten Druckgaswaffe zwar einer vollendeten Tat nach §§ 253 , 255 , 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB von vorneherein entgegen, nicht aber deren (untauglichem) Versuch. Der Angeklagte wollte nach seinem gemäß § 22 StGB maßgeblichen konkreten Tatplan (vgl. BGH, Urteile vom 6. Februar 2020 – 3 StR 305/19 Rn. 11 und vom 9. Juli 1954 – 1 StR 677/53 , BGHSt 6, 251, 256 ; Fischer, StGB, 68. Aufl., § 22 Rn. 2a, 8 mwN) eine objektiv gefährliche Waffe als Nötigungsmittel einsetzen, um die Tageseinnahmen des Imbisses zu erhalten. Zu dieser Tat unter den vorgestellten Voraussetzungen des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB setzte er unmittelbar an, indem er das Ladenlokal betrat und die nach seinem Vorstellungsbild geladene Druckgaswaffe als Drohmittel benutzte.

b) Ein „Teilrücktritt“ von dem qualifizierenden Umstand (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 6. März 2019 – 5 StR 526/18 Rn. 12 und vom 4. April 2007 – 2 StR 34/07 Rn. 9), d. h. dem Verwenden der Waffe bei der Tat, scheidet nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen aus.“

StGB I: Raub in (sukzessiver) Mittäterschaft, oder: Nicht mehr nach Beendigung der Tat

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Heute dann Entscheidungen zum StGB, also materielles Recht.

Und aus dem Bereich stelle ich zunächst den BGH, Beschl. v. 18.02.2021 – 4 StR 314/20 – vor.

Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen Raubes verurteilt. Dagegen die Revision, die insoweit Erfolg hatte. Nach Auffassung des BGH tragen die Feststellungen des LG nicht die Annahme eines mittäterschaftlichen Handelns des Angeklagten:

„a) Das Landgericht hat insoweit festgestellt, dass sich der Angeklagte mit vier weiteren Männern auf einer Autofahrt befand, als seine Mitfahrer den Entschluss fassten, gemeinsam den Geschädigten in dessen Wohnung zu überfallen und unter Anwendung von Gewalt und Drohungen Geld und andere Wertgegenstände zu erbeuten. Bei dem Wohnhaus des Geschädigten angekommen, begaben sich die vier Männer zu der Wohnung, während der Angeklagte im Fahrzeug blieb. Nachdem der Geschädigte seine Wohnungstür geöffnet hatte, betraten die Täter die Wohnung und brachten ihn mit Schlägen und Tritten zu Boden. Sie durchsuchten die Wohnung, in der sich auch die Lebensgefährtin des Geschädigten, die Zeugin W. , aufhielt, und nahmen Bargeld und Schmuck an sich. Einer der Täter entnahm aus der Hosentasche des Geschädigten dessen Portemonnaie, welchem er Bargeld und eine ec-Karte entnahm. Auf Verlangen gab der Geschädigte aus Angst vor weiteren körperlichen Übergriffen die zu der Karte gehörende PIN-Nummer preis. Danach wurde auch die Zeugin W. zur Herausgabe ihrer ec-Karte samt PIN-Nummer aufgefordert und kam der Aufforderung aus Angst ebenfalls nach. Der gesondert Verfolgte J. begab sich sodann zu dem Angeklagten, der sich noch immer in dem Fahrzeug aufhielt, und übergab ihm die ec-Karte des Geschädigten sowie einen Zettel, auf dem die PIN-Nummer notiert war. Dem Angeklagten war bewusst, dass die ec-Karte und die PIN-Nummer durch Gewalt und Drohungen erlangt worden waren; dies war ihm gleichgültig. Er wollte sich spätestens jetzt den übrigen Tätern bei der Tatausführung anschließen und einen Teil der Beute zueignen. Auf Geheiß J. s hob der Angeklagte an einem Geldautomaten 1.000,00 € vom Girokonto des Geschädigten ab. Er gab das Geld dem J. und erhielt von diesem nun die ec-Karte samt PIN-Nummer der Geschädigten W. . Damit hob er am Geldautomaten 740,00 € ab. Auch diesen Betrag übergab er J. . Die Täter verließen schließlich nach mehr als einer Stunde die Wohnung des Geschädigten. Der Angeklagte erhielt für seinen Tatbeitrag 200,00 €.

b) Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten als mittäterschaftlich begangenen Raub gemäß § 249, § 25 2 StGB bewertet. Der ebenfalls verwirklichte Computerbetrug gemäß § 263a StGB trete als mitbestrafte Nachtat dahinter zurück.

2. Die rechtliche Würdigung des Landgerichts hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Nach den bisher getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte den Tatbestand des Computerbetrugs in zwei Fällen verwirklicht. Eine Beteiligung des Angeklagten an einem durch die anderen Täter begangenen Raub ist durch die Feststellungen hingegen nicht belegt. Hiernach wurde der gemeinsame Tatentschluss auf der Fahrt zur Wohnung des Geschädigten ohne Beteiligung des Angeklagten durch die anderen vier Insassen des Fahrzeugs gefasst. Der Angeklagte beteiligte sich nicht an der Erlangung der ec-Karten. Die Feststellungen tragen auch nicht die Annahme einer sukzessiven Beteiligung des Angeklagten an der Raubtat. Dies gilt ebenso, soweit die Herausgabeverlangen hinsichtlich der PIN-Nummern sowie der ec-Karte der Geschädigten W. – was naheliegt – rechtlich als räuberische Erpressungen gemäß § 253, § 255 StGB bewertet werden (vgl. BGH, Beschluss vom 17. August 2004 – 5 StR 197/04, NStZ-RR 2004, 333, 334 f.).

a) Sukzessive Mittäterschaft liegt vor, wenn in Kenntnis und mit Billigung des bisher Geschehenen – auch wenn dies von einem ursprünglichen gemeinsamen Tatplan abweicht – in eine bereits begonnene Ausführungshandlung als Mittäter eingetreten wird. Das Einverständnis bezieht sich dann auf die Gesamttat mit der Folge, dass diese strafrechtlich zugerechnet wird. Ein die Mittäterschaft begründender Eintritt ist auch noch nach der strafrechtlichen Tatvollendung möglich, solange noch keine Beendigung eingetreten ist (vgl. BGH, Urteil vom 10. September 2020 – 4 StR 14/20; Beschluss vom 18. Juli 2000 ‒ 5 StR 245/00; krit. dazu Murmann in SSW-StGB, 5. Aufl., § 25 Rn. 39 f. mwN). Entsprechendes gilt für eine Beteiligung in Form der Beihilfe (§ 27 StGB); auch sie kann nur geleistet werden, solange das Haupttatgeschehen noch nicht vollständig abgeschlossen ist (BGH, Beschluss vom 8. November 2011 – 3 StR 310/11, NStZ 2012, 264 mwN).

b) Danach konnte sich der Angeklagte durch die Entgegennahme der ecKarten weder als Täter noch als Gehilfe an dem Raub bzw. der räuberischen Erpressung beteiligen.

aa) Ein Raub und ebenso eine räuberische Erpressung sind beendet, wenn der Täter ausreichend sichere Verfügungsgewalt über die Beute erlangt hat. Wann dies der Fall ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (BGH, Beschlüsse vom 17. Juni 2015 – 2 StR 139/14, juris Rn. 28 [zum Raub]; vom 12. November 2003 – 2 StR 294/03, juris Rn. 4 [zur räuberischen Erpressung]).

bb) Als der gesondert Verfolgte J. dem Angeklagten die ec-Karte des Geschädigten außerhalb des Wohnhauses des Geschädigten übergab, war der Raub bzw. die räuberische Erpressung beendet. Die ec-Karte war dem Zugriff des Berechtigten zu diesem Zeitpunkt endgültig entzogen und der durch die Wegnahme erlangte Gewahrsam der Täter bereits gesichert. Entsprechendes gilt für die ec-Karte der Geschädigten W. und die PIN-Nummern. Eine Beteiligung des Angeklagten an einer auf die Erlangung der Karte bzw. der PIN-Nummern gerichteten Tat nach § 249 StGB bzw. nach § 253, § 255 StGB kam deshalb nicht mehr in Betracht.“

Versuch I: Wenn aus Betrug Raub wird, oder: Kein vollendeter Betrug

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Heute gibt es hier dann einen „Versuchstag“ – also drei Entscheidungen – des BGH – zum Versuch und allem,w as damit zusammenhängt.

Ich beginne mit dem schon etwas älteren BGH, Beschl. v. 05.12.2019 – 1 StR 540/19. Es geht gewerbs- und bandenmäßigen Betrug. Das LG hatte die Angeklagten, die nach der „Masche“ der  sogenannten „falschen Polizeibeamten“ unterwegs warn wegen vier Fällen des vollendeten Betruges verurteilt, davon in einem Fall wegen Versuchs. Dem BGH gefällt ein weiterer Fall der Vollendung nicht:

1. Die Verurteilung des Angeklagten im Fall 2 der Urteilsgründe wegen vollendeten gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts ist der Angeklagte Mitglied einer Gruppierung, die sich zur fortgesetzten Begehung von Betrugsstraftaten als „falsche Polizeibeamte“ zum Nachteil älterer Personen zusammengeschlossen hatte, um sich so eine nicht nur vorübergehende ganz erhebliche Einnahmequelle zu verschaffen (UA S. 6). Die Aufgabe des Angeklagten bestand insbesondere darin, die Übergabe der Tatbeute durch die in Deutschland tätigen Bandenmitglieder an die Hintermänner zu organisieren. Im Fall 2 der Urteilsgründe entriss der zur Abholung der Wertsachen erschienene „Polizist“ – abweichend vom gemeinsamen Tatplan und ohne Billigung des Angeklagten und der restlichen Bandenmitglieder – der auf einen Rollator angewiesenen Geschädigten ein fest zwischen Oberkörper und Arm eingeklemmtes Täschchen mit Bargeld sowie einem Sparbuch, nachdem diese misstrauisch geworden war und die Täuschung erkannt hatte (UA S. 8).

b) Insoweit kann dem Angeklagten entsprechend dem zuvor vereinbarten Tatplan nur die Verwirklichung eines versuchten gewerbsmäßigen Bandenbetrugs gemäß § 263 Abs. 1, Abs. 5, §§ 22, 23, 25 Abs. 2 StGB als Handlung seiner Mittäter zugerechnet werden.

Für die Annahme eines vollendeten Betrugs fehlt es – in Abgrenzung zum hier vorliegenden Fremdschädigungsdelikt – an einer irrtumsbedingten Verfügung der Geschädigten. Das Entreißen der Tasche der Geschädigten mit den Wertsachen ist dem Angeklagten als wesentliche Abweichung vom Tatplan nicht zuzurechnen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2009 – 1 StR 205/09 Rn. 101; Beschlüsse vom 8. August 2019 – 1 StR 204/19 Rn. 12 und vom 3. März 2011 – 4 StR 52/11 Rn. 11). Auch eine sukzessive Mittäterschaft des Angeklagten am vollendeten Fremdschädigungsdelikt durch die Beteiligung an der Weiterleitung der Tatbeute an die Hintermänner ist nach Beendigung der Tat ausgeschlossen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2012 – 1 StR 569/12 Rn. 4). Dass der Angeklagte jemals von der Gewaltanwendung erfuhr, ist nicht festgestellt. Bereits deswegen kommt eine Beteiligung am Fremdschädigungsdelikt auch für den Zeitraum nach Vollendung und vor Beendigung nach den Grundsätzen der sukzessiven Mittäterschaft nicht in Betracht. Weitere Feststellungen hierzu sind nicht zu erwarten.

2. Der Senat ändert daher den Schuldspruch im Fall 2 der Urteilsgründe entsprechend auf versuchten gewerbsmäßigen Bandenbetrug gemäß § 263 Abs. 1, Abs. 5, §§ 22, 23, 25 Abs. 2 StGB ab. § 265 StPO steht der Änderung des Schuldspruchs nicht entgegen, da auszuschließen ist, dass sich der Angeklagte, der seine Tatbeteiligung an den Taten insgesamt bestritten hat (UA S. 10 ff.), erfolgreicher als geschehen hätte verteidigen können.“

StGB II: Beihilfe zum Raub, oder: Allein „Vor Ort sein“ reicht nicht

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Die zweite Entscheidung hat dann auch mit Raub zu tun. Es handelt sich um den BGH, Beschl. v. 22.04.2020 – 2 StR 17/20. Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen Beihilfe zum Raub verurteilt.

Grundlage waren folgende Feststellungen:

„a) Nach den Feststellungen des Landgerichts kam es am 3. März 2018 zwischen dem Mitangeklagten S. und dem Geschädigten A. zu Streitigkeiten, in deren Folge S. auf ihn mit Fäusten einschlug. „Spätes- tens im Laufe der Gewalttätigkeiten entschloss sich“ S. die Gewaltan- wendung auszunutzen, um an die Geldbörse und die Mobiltelefone des Geschädigten zu gelangen. Den Angeklagten, der wegen des Lärms zur Auseinandersetzung hinzugekommen war, forderte S. auf, „das Geschehen mit seinem Handy zu filmen, um den Zeugen A. hierdurch weiter einzu- schüchtern und zu demütigen“. Der Angeklagte kam dieser Aufforderung nach; er ging „bereits zu diesem Zeitpunkt […] davon aus, dass der Angeklagte S. beabsichtigen könnte, sich von dem Zeugen A. Wertgegenstände zu verschaffen, was er aber billigte“. S. schlug u. a. noch mehrfach mit der Faust gegen den Kopf des Geschädigten. Zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Laufe des Geschehens nahm S. unter Ausnutzung der Gewaltanwendung Geldbörse und Mobiltelefone des Geschädigten an sich. Zu diesem Zeitpunkt war der Angeklagte noch anwesend.“

Der BGH hat aufgehoben:

„b) Die Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen Beihilfe (auch) zum Raub nicht.

aa) Strafbare Beihilfe ist die vorsätzliche Hilfeleistung zu einer vorsätzlich begangenen Straftat eines anderen (§ 27 Abs. 1 StGB). Als Hilfeleistung im Sinne des § 27 StGB ist dabei grundsätzlich jede Handlung anzusehen, welche die Herbeiführung des Taterfolgs des Haupttäters objektiv fördert, ohne dass sie für den Erfolg selbst ursächlich sein muss (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 1. August 2000 – 5 StR 624/99, BGHSt 46, 107, 109 mwN). In subjektiver Hinsicht genügt für eine Strafbarkeit als Gehilfe bedingter Vorsatz, d.h. der Gehilfe muss seinen eigenen Tatbeitrag sowie die wesentlichen Merkmale der Haupttat, insbesondere deren Unrechts- und Angriffsrichtung, zumindest für möglich halten und billigen. Einzelheiten der Haupttat braucht der Gehilfe hingegen nicht zu kennen und auch keine bestimmte Vorstellung von ihr zu haben (BGH, Beschluss vom 20. Januar 2011 – 3 StR 420/10, NStZ 2011, 399, 400 mwN).

bb) Angesichts des festgestellten spontanen Entschlusses des Haupttäters lassen die Feststellungen des Landgerichts nicht den Schluss zu, dass der Angeklagte einen Raub zum Nachteil des A. für möglich hielt und billigte.

Bereits nicht nachvollziehbar ist, dass der die Tat insoweit bestreitende Angeklagte zum maßgebenden Zeitpunkt seiner (psychischen) Hilfeleistung Kenntnis von der vom Haupttäter beabsichtigten Haupttat des Raubes gehabt hat. Allein der Umstand, dass der Angeklagte zu der körperlichen Auseinandersetzung zwischen dem Mitangeklagten S. und dem Geschädigten hinzu- getreten ist, vermag eine solche Kenntnis nicht zu belegen.

Entsprechende Feststellungen lassen sich auch nicht dem – nur rudimentär wiedergegebenen – vom Angeklagten gefertigten und von der Strafkammer in Augenschein genommenen Video entnehmen. Die „erheblichen Gewalttaten“, die der Angeklagte filmte, belegen nicht, dass der Haupttäter über die Körperverletzung hinaus die Wegnahme von Geld und Wertgegenständen beabsichtigt hat und der Angeklagte dieses für möglich hielt. Das Landgericht stellt zwar fest, dass der Mitangeklagte S. während dieser Gewalttaten „nach der durch den Sachverständigen erfolgten Übersetzung über das Geld des Zeugen A. gesprochen“ habe; es bleibt aber offen, in welchem Kontext und mit welchem genauen Inhalt dieses geschah, zumal das Landgericht schon den Anlass der Streitigkeiten zwischen S. und A. nicht aufklären konnte.

Dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der späteren Wegnahmehandlung vor Ort „anwesend war“, bedeutet zunächst lediglich, dass er bei diesem – spontanen – Teilakt des Haupttäters zugegen war. Selbst wenn dem Angeklagten aber zu diesem Zeitpunkt die wesentlichen Merkmale der Haupttat bewusst gewesen sein sollten, hätte es weiterer ausdrücklicher Feststellungen dazu bedurft, dass er – was ausreichend wäre – die Haupttat auch noch zu diesem Zeitpunkt erleichtert oder gefördert hätte (vgl. auch BGH, Urteil vom 1. August 2000 – 5 StR 624/99, BGHSt 46, 107, 109; Senat, Urteil vom 16. Januar 2008 – 2 StR 535/07, NStZ 2008, 284).“