StGB II: Beihilfe zum Raub, oder: Allein „Vor Ort sein“ reicht nicht

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Die zweite Entscheidung hat dann auch mit Raub zu tun. Es handelt sich um den BGH, Beschl. v. 22.04.2020 – 2 StR 17/20. Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen Beihilfe zum Raub verurteilt.

Grundlage waren folgende Feststellungen:

„a) Nach den Feststellungen des Landgerichts kam es am 3. März 2018 zwischen dem Mitangeklagten S. und dem Geschädigten A. zu Streitigkeiten, in deren Folge S. auf ihn mit Fäusten einschlug. „Spätes- tens im Laufe der Gewalttätigkeiten entschloss sich“ S. die Gewaltan- wendung auszunutzen, um an die Geldbörse und die Mobiltelefone des Geschädigten zu gelangen. Den Angeklagten, der wegen des Lärms zur Auseinandersetzung hinzugekommen war, forderte S. auf, „das Geschehen mit seinem Handy zu filmen, um den Zeugen A. hierdurch weiter einzu- schüchtern und zu demütigen“. Der Angeklagte kam dieser Aufforderung nach; er ging „bereits zu diesem Zeitpunkt […] davon aus, dass der Angeklagte S. beabsichtigen könnte, sich von dem Zeugen A. Wertgegenstände zu verschaffen, was er aber billigte“. S. schlug u. a. noch mehrfach mit der Faust gegen den Kopf des Geschädigten. Zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Laufe des Geschehens nahm S. unter Ausnutzung der Gewaltanwendung Geldbörse und Mobiltelefone des Geschädigten an sich. Zu diesem Zeitpunkt war der Angeklagte noch anwesend.“

Der BGH hat aufgehoben:

„b) Die Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen Beihilfe (auch) zum Raub nicht.

aa) Strafbare Beihilfe ist die vorsätzliche Hilfeleistung zu einer vorsätzlich begangenen Straftat eines anderen (§ 27 Abs. 1 StGB). Als Hilfeleistung im Sinne des § 27 StGB ist dabei grundsätzlich jede Handlung anzusehen, welche die Herbeiführung des Taterfolgs des Haupttäters objektiv fördert, ohne dass sie für den Erfolg selbst ursächlich sein muss (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 1. August 2000 – 5 StR 624/99, BGHSt 46, 107, 109 mwN). In subjektiver Hinsicht genügt für eine Strafbarkeit als Gehilfe bedingter Vorsatz, d.h. der Gehilfe muss seinen eigenen Tatbeitrag sowie die wesentlichen Merkmale der Haupttat, insbesondere deren Unrechts- und Angriffsrichtung, zumindest für möglich halten und billigen. Einzelheiten der Haupttat braucht der Gehilfe hingegen nicht zu kennen und auch keine bestimmte Vorstellung von ihr zu haben (BGH, Beschluss vom 20. Januar 2011 – 3 StR 420/10, NStZ 2011, 399, 400 mwN).

bb) Angesichts des festgestellten spontanen Entschlusses des Haupttäters lassen die Feststellungen des Landgerichts nicht den Schluss zu, dass der Angeklagte einen Raub zum Nachteil des A. für möglich hielt und billigte.

Bereits nicht nachvollziehbar ist, dass der die Tat insoweit bestreitende Angeklagte zum maßgebenden Zeitpunkt seiner (psychischen) Hilfeleistung Kenntnis von der vom Haupttäter beabsichtigten Haupttat des Raubes gehabt hat. Allein der Umstand, dass der Angeklagte zu der körperlichen Auseinandersetzung zwischen dem Mitangeklagten S. und dem Geschädigten hinzu- getreten ist, vermag eine solche Kenntnis nicht zu belegen.

Entsprechende Feststellungen lassen sich auch nicht dem – nur rudimentär wiedergegebenen – vom Angeklagten gefertigten und von der Strafkammer in Augenschein genommenen Video entnehmen. Die „erheblichen Gewalttaten“, die der Angeklagte filmte, belegen nicht, dass der Haupttäter über die Körperverletzung hinaus die Wegnahme von Geld und Wertgegenständen beabsichtigt hat und der Angeklagte dieses für möglich hielt. Das Landgericht stellt zwar fest, dass der Mitangeklagte S. während dieser Gewalttaten „nach der durch den Sachverständigen erfolgten Übersetzung über das Geld des Zeugen A. gesprochen“ habe; es bleibt aber offen, in welchem Kontext und mit welchem genauen Inhalt dieses geschah, zumal das Landgericht schon den Anlass der Streitigkeiten zwischen S. und A. nicht aufklären konnte.

Dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der späteren Wegnahmehandlung vor Ort „anwesend war“, bedeutet zunächst lediglich, dass er bei diesem – spontanen – Teilakt des Haupttäters zugegen war. Selbst wenn dem Angeklagten aber zu diesem Zeitpunkt die wesentlichen Merkmale der Haupttat bewusst gewesen sein sollten, hätte es weiterer ausdrücklicher Feststellungen dazu bedurft, dass er – was ausreichend wäre – die Haupttat auch noch zu diesem Zeitpunkt erleichtert oder gefördert hätte (vgl. auch BGH, Urteil vom 1. August 2000 – 5 StR 624/99, BGHSt 46, 107, 109; Senat, Urteil vom 16. Januar 2008 – 2 StR 535/07, NStZ 2008, 284).“

Ein Gedanke zu „StGB II: Beihilfe zum Raub, oder: Allein „Vor Ort sein“ reicht nicht

  1. RichterimOLGBezirkMuenchen

    Andernorts reicht „vor Ort sein“ dem OLG Senat für U-Haft … bis böse Post vom Schloßlatz kommt 😉

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