Schlagwort-Archive: Provida

Bezugnahme im OWi-Urteil – geht nur ausnahmsweise

Der OLG Jena, Beschl. v. 22.08.2011 – 1 Ss 68/11 – weist (noch einmal) darauf hin, dass bei einer Geschwindigkeitsmessung mit Provida 2000 sich dem tatrichterlichen Urteil entnahmen lassen muss,  in welcher Weise die Videoüberwachungsanlage ProViDa 2000 zum Einsatz gekommen ist. Insoweit aber nichts Neues, weil die Aussage h.M. ist.

Interessant ist in dem Zusammenhang aber ein Hinweis in der Entscheidung des OLG Jena. Die GStA hatte die Auffassung vertreten, dass die nicht ausreichenden tatrichterlichen Feststellungen dadurch geheilt würden, dass das AG in den Urteilsgründen auf ein von ihm eingeholtes Sachverständigengutachten, welches die verwendete Messmethode beschrieb, in Bezug genommen worden ist. Das hat dem OLG aber nicht ausgereicht, was zutreffend ist. Denn Bezugnahmen sind nur im Rahmen des § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf Abbildungen zulässig. Pauschale Bezugnahmen auf den im Urteil nicht wiedergegebenen Inhalt in der Akte befindlicher Urkunden können dagegen das Fehlen wesentlicher Urteilsangaben nicht kompensieren.

 

 

Bei einer Geschwindigkeitsmessung mit Provida 2000 muss sich dem tatrichterlichen Urteil entnahmen lassen nämlich, in welcher Weise die Videoüberwachungsanlage ProViDa 2000 zum Einsatz gekommen ist.

Pauschale Bezugnahmen auf den im Urteil nicht wiedergegebenen Inhalt in der Akte befindlicher Urkunden können das Fehlen wesentlicher Urteilsangaben nicht kompensieren.

 

 

 

 

Sommer – Winter – Sommerreifen… Messung verwertbar?

Bei einer Geschwindigkeitsmessung wird ProViDA 2000 eingesetzt. Am Tag der Eichung im Mai 2009 war das bei der Messung eingesetzte Polizeifahrzeug mit Sommerreifen der Größe 225/55R16 ausgerüstet. Während der Wintermonate im Winter 2009/2010 war es mit Winterreifen der gleichen Reifendimension ausgerüstet worden. Nach dem Winter 2009/2010 sind dann wieder Sommerreifen der Größe 225/55R16  aufgezogen worden. Gemessen wurde im Oktober 2010. Das AG hat das Messergebnis für verwertbar gehalten. Das OLG Hamm, Beschl. v. 07.06.2011 – III – 1 RBs 75/11 stimmt dem zu:

Das Erfordernis der Neueichung bei Wechsel von Winter- auf Sommerreifen hängt nicht mit der eigentlichen Funktion des Messgerätes „ProVida 2000“ zusammen, sondern damit, dass aufgrund einer Eichung mit Winterreifen durch einen solchen  Wechsel die jeweiligen Messergebnisse im Vergleich zu dem geeichten Zustand zu Ungunsten des Betroffenen verändert werden, was bei anderen Reifenwechseln (Austausch gegen Reifen gleichen Typs, Wechsel von Sommer- auf Winterreifen) auszuschließen ist. Maßgeblich ist nach Ansicht des Senates allein die Frage, ob der Reifenzustand bei der Messung von dem zur Zeit der Eichung gegebenen Zustand zu Lasten des Betroffenen abweicht. Dies war hier nicht der Fall. Die zwischenzeit­liche nicht erneut eichpflichtige Nutzung von Winterreifen und die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes der Bereifung wie zur Zeit der Eichung zugrunde ge­legt erfordert damit keine Neueichung – sie ist damit nicht anders zu werten als ein Reifenwechsel von Sommer- auf Sommerreifen.“

Mal aus einer ganz anderen Ecke

kommt diese Entscheidung, nämlich aus dem hohen Norden. Das OLG Schleswig hat in seinem Beschl. v. 06.01.2011 – 1 Ss OWi 209/10 (214/10) zum erforderlichen Umfang der Feststellungen bei einer Messung mit Provida 2000 Stellung genommen. Ist ja schon seit längerem standardisiert, aber: Die OLG wollen wissen, welche der vier möglichen Einsatzmethoden gewählt worden ist.

Zudem: Einiges, wie der Amtsrichter mit einem vom Verteidiger gestellten Beweisantrag umzugehen hat.

Schön gerade sitzen beim Messen, sonst ist Provida nicht standardisiert

Es gibt ja immer wieder mal überraschende Entscheidungen. So auch der Beschl. des OLG Hamm v. 26.08.2010 – III 3 RBS 226/10, in der das OLG zu Provida-Messungen Stellung nimmt und ausführt, dass derzeit bei Verkehrsüberwachungen mittels Messungen durch das ProViDa —System im Betrieb mit Motorrädern nur bei Geradeausfahrten mit aufrechter Position von einem standardisierten Messverfahren auszugehen ist..

Zur Begründung heißt es:

„Aufgrund gerichtsbekannter Mitteilungen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt vom 3. März 2010 und der dementsprechenden Verfügung des Landesamtes für Polizeiliche Dienste NRW vom 25. März 2010 darf das Videonachfahrsystem Provida 2000 im Betrieb mit Motorrädern zurzeit bei Messungen mit Schräglage nicht verwendet werden. Hintergrund dieser Mitteilung ist, dass es bei Kurvenfahrten in Situationen mit extremer Schräglage durch einen verringerten Reifenabrollumfang des messenden Fahrzeuges Messwerte für die Wegstrecke und die Geschwindigkeit systematisch zu groß berechnet werden, wobei zurzeit ungeklärt ist, ob die Verkehrsfehlergrenzen eingehalten werden.

Lediglich bei Messfahrten mit aufrechter Position, bei denen im Video keine offensichtliche Schräglage erkennbar ist, werden die Fehlergrenzen eingehalten. Nur derartige Messungen dürfen weiterhin durchgeführt bzw. ausgewertet werden. Ausgenommen hiervon sind lediglich Fahrten in Betriebsarten ohne Wegstreckenmessung durch das Motorrad (z.B. voreingestellte separat ausgemessene Wegstrecke ohne Schräglage).

Aufgrund dessen ist zurzeit bei Verkehrsüberwachungen mittels Messungen durch das ProViDa —System im Betrieb mit Motorrädern nur bei Geradeausfahrten mit aufrechter Position von einem standardisierten Messverfahren auszugehen.

Ausgehend hiervon sind die Urteilsfeststellungen lückenhaft, da diesen nicht zu entnehmen sind, ob die in Rede stehende Messung über die gesamte Messstrecke ausschließlich in Geradeausfahrt erfolgt ist (OLG Hamm, Beschluss vom 4. Mai 2010 – – 3 RBs 65/10- ).

Also, liebe Messbeamte: Schön gerade sitzen 🙂 und nur bei Geradeausfahrten, nicht in Kurven messen.

Technische Probleme bei Providamessfahrzeugen?- Nachfrage kann sich lohnen

Ein Kollege weist mich heute darauf hin, dass ihm ein Schreiben der Verkehrsdirektion Koblenz v. 17.02.2010 an „Alle Bußgeldstellen im Bereich Polizeipräsidium Koblenz“ vorliegt, in dem es heißt:

…auf Grund festgestellter technischer Problem mussten einige Providafahrzeuge vorübergehend stillgelegt werden, weil die PTB-Zulassung erloschen ist. … Bis zur endgültigen Klärung durch die PTB regen wir an, laufende Bußgeldverfahren, welche auf Messungen mit den genannten Fahrzeugen basieren, auszusetzen...“.

Um was für „technische Probleme“ es handelt, ergibt sich aus dem Schreiben nicht; es ist auch mir nicht bekannt. Aber: Was im Bereich der Verkehrsdirektion Koblenz der Fall zu sein scheint, kann doch auch in anderen Fällen auftreten bzw. aufgetreten sein (hat die PTB inzwischen etwas unternommen; wenn ja, was?). Vielleicht fragt man als Verteidiger in entsprechenden Verfahren ja mal nach. Kann sich ja ggf. lohnen.