Schlagwort-Archive: OLG Nürnberg

DVD mit „FSK 18“ in der Sicherungsverwahrung?

© cunaplus - Fotolia.com

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Vor Weihnachten will ich dann doch noch auf den OLG Nürnberg, Beschl. v. 04.07.2016 – 2 Ws 681/15 – hinweisen, in dem es um die Frage der Zulässigkeit des Besitzes von DVD bzw. Blue-ray mit der Alterfreigabe „FSK ab 18“ in der Sicherungsverwahrung geht: Das OLG hat dazu mit folgenden Leitsätzen Stellung genommen:

  1. „Der Besitz optischer Medien (DVD, Blue-ray) mit der Altersfreigabe „FSK ab 18“ bzw. „keine Jugendfreigabe“ gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 JuSchG durch Sicherungsverwahrte gefährdet grundsätzlich das Erreichen der Vollzugsziele.
  2. Wegen der nicht kontrollierbaren Weitergabe solcher Medien innerhalb der Anstalt kann deren Besitz generell untersagt werden, ohne dass es darauf ankommt, ob und inwieweit die Erreichung der Vollzugsziele hinsichtlich des einzelnen Sicherungsverwahrten in besonderem Maße vom Besitz derartiger Medien konkret gefährdet wird oder nicht.
  3. Das Verbot der Überlassung solcher Medien an Sicherungsverwahrte verstößt nicht gegen das sogenannte Abstandsgebot.“

Mehr will ich hier nicht einstellen und kann den Beschluss dann nur insgesamt zum Selbststudium empfehlen. Sind immerhin 20 Seiten.

Kleines Schmankerl: In die Abhilfeentscheidung gehört eine Kostenentscheidung

© Alex White _Fotolia.com

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Ein kleines Schmankerl ist der OLG Nürnberg, Beschl. v. 02.09.2016 – 1 Ws 299/16. Er behandelt eine kostenrechtliche Frage, nämlich: Wenn im Beschwerdeverfahren eine vollständige Abhilfe (§ 306 Abs. 2 StPO) erfolgt, was ist dann mit den Kosten des Beschwerdeverfahrens? M.E. eine Problematik, die  in der Praxis gar nicht so selten ist. Das zeigt mir auch eine Anfrage eines Kollegen, die mich gerade erst während meines Urlaubs erreicht hatte. Dem Kollegen konnte ich dann mit dem Beschluss des OLG Nürnberg (aus)helfen.

Im vom OLG Nürnberg entschiedenen Fall war der Beschwerde des Angeklagten vollständig abgeholfen worden. Eine Kostenentscheidung hatte die Strafkammer nicht getroffen worden. Das OLG hat dann die Kosten der Beschwerde des Angeklagten – einschließlich seiner dadurch bedingten notwendigen Auslagen – der Staatskasse auferlegt und führt dazu kurz aus:

„Die Staatskasse hat die Kosten der Beschwerde des Angeklagten – einschließlich seiner dadurch bedingten notwendigen Auslagen – zu tragen.

Die Strafkammer hat der Beschwerde in vollem Umfang abgeholfen und damit das Beschwerdever­fahren beendet, ohne eine Kostenentscheidung getroffen zu haben (zur Notwendigkeit einer Kosten­entscheidung bei vollständiger Abhilfeentscheidung vgl. Gieg in Karlsruher Kommentar zur StPO 7. Aufl. § 464 Rn. 3; Hilger in Löwe-Rosenberg 26. Aufl. § 473 StPO Rn. 14; jeweils. m.w.N.).

Der Senat hat damit nur noch gem. § 473 StPO eine Kostenentscheidung zu treffen.“

M.E. ist das zutreffend. Denn bei einer vollständigen Abhilfeentscheidung handelt es sich um eine verfahrensabschließende Entscheidung , bei der gem. § 464 Abs. 1 StPO eine Kostenentscheidung zu treffen ist. Als Verteidiger darf man das auf keinen Fall übersehen und muss ggf. eine Ergänzung der Abhilfeentscheidung beantragen. Denn nur mit einer Kostengrundentscheidung kann er, wenn überhaupt, für den Mandanten die diesem im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten erstattet verlangen.

BtM: Die „nicht geringe Menge“ bei JWH-210 und bei MDPV

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Jeder Rechtsanwalt, der im BtM-Bereich verteidigt, weiß: Auf die „nicht geringe“ Menge kommt es an bzw. die ist für die Höhe der ggf. zu verhängenden Strafe von erheblicher Bedeutung. Daher sind Entscheidungen der Obergerichte, die sich zu „Grenzwerten“ äußern, für die Praxis von erheblicher Bedeutung. Daher dann auch der OLG Nürnberg, Beschl. v. 04.04.2016 – 2 OLG 8 Ss 173/15, der Aussagen zu den Grenzwerten bei JWH-210 und MDPV macht, und zwar nach den Leitsätzen wie folgt:

  1. Der Grenzwert zur nicht geringen Menge JWH-210 liegt bei 2 Gramm Wirkstoffgehalt.
  2. Der Grenzwert zur nicht geringen Menge MDPV liegt bei 10 Gramm Wirkstoffgehalt.

Für den Grentwert bei JWH-210 bezieht sich das OLG auf den BGH, Beschl. v. 05.11.2015 -4 StR 124/14. Für den Grenzwert zu 2 ist im Verfahren ein Sachverständiger gehört worden.

Das OLG Nürnberg traut sich: BGH-Vorlage zum Fahren ohne Fahrerlaubnis

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Heute dann nur noch leichte Kost 🙂 . Den Auftakt macht der OLG Nürnberg, Beschl. v. 21. 10. 2015 – 1 OLG 2 Ss 182/15. Mit dem traut sich das OLG 🙂 und legt dem BGH folgende (Rechts)Frage zur Entscheidung vor:

Kann ein Angeklagter seine Berufung wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränken, wenn er wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt worden ist (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG) und sich die Feststellungen darin erschöpfen, dass er wissentlich an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit ein Fahrzeug bestimmter Marke und mit einem bestimmten Kennzeichen geführt habe, ohne die dazu erforderliche Fahrerlaubnis zu besitzen?

OLG-Vorlagen nach § 121 GVG sind im Strafrecht ja verhältnismäßig selten, aus welchen Gründen auch immer. Hier traut sich mal ein OLG, den BGH „um Rat zu fragen“. Es geht um den Umfang der tatsächlichen Feststellungen bei einer Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis nach § 21 StVG. Dazu vertreten u.a. das OLG München (StraFo 2008, 210; zfs 2012, 472) und das OLG Bamberg (VRR 2013, 429) die Auffassung, dass das Amtsgericht zu der fraglichen Fahrt – oder den fraglichen Fahrten – Feststellungen treffen muss, die über Ort und Zeit der Fahrt, die Identität des Fahrzeugs sowie jenen Umstand hinausgehen, dass der Angeklagte nicht im Besitz der nötigen Fahrerlaubnis gewesen ist und vorsätzlich gehandelt hat. Das OLG Nürnberg will das im Hinblick auf die Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung großzügiger handhaben. Mal sehen, was der BGH daraus macht.

Anhörung: Der (Pflicht)Verteidiger muss dabei sein, oder: Wenn das Anwesenheitsrecht zur Farce wird

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Machen wir heute noch einmal einen „Strafvollstreckungstag“, also Entscheidungen, die aus dem Vollstreckungsverfahren stammen. Zunächst zwei Beschlüsse, die sich mit der nicht erfolgten Teilnahme des Verteidigers an der Anhörung des Verurteilten im Verfahren über die Reststrafenaussetzung (§§ 57 ff. StGB; 454, 463 StPO) befassen. In beiden Fällen haben die OLG (mal wieder) das Recht auf eine faires Verfahren für den Verurteilten betonen müssen.

Das ist zunächst der OLG Nürnberg, Beschl. v. 02.12.2015 – 1 Ws 546/15. Da ist es ein wenig (zu) schnell gegangen bei der StVK. Anberaumung des Anhörungstermins am 14.10.2015 auf den 16.10.2015. Ladung des Verteidigers nicht per Fax, sondern auf normalem Weg, allerdings zunächst Eingang als Irrläufer bei einer anderen Anwaltskanzlei. Der Anhörungstermin findet dennoch statt, Strafaussetzung wird abgelehnt. Das OLG Nürnberg meint: So nicht. Denn:

„1. Der auf dem Rechtsstaatsprinzip basierende Grundsatz des fairen Verfahrens gibt dem Verurteilten das Recht, zu, seiner mündlichen Anhörung im Verfahren über die Aussetzung eines Strafrestes einen Rechtsbeistand seines Vertrauens hinzuzuziehen. Das Recht auf ein faires Verfahren gibt dem Verurteilten jedoch nicht schlechthin ein allgemeines Recht auf einen Rechtsbeistand, sondern gewährleistet dies lediglich in den Grenzen einer am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierten Abwägung zwischen den Verfahrensrechten des Verurteilten einerseits und dem öffentlichen Interesse an der Effizienz des Verfahrens andererseits. So gehört es grundsätzlich nicht zu den Aufgaben des Gerichts, den Verteidiger von dem Termin zur mündlichen Anhörung zu benachrichtigen, sondern es obliegt dem Verurteilten, selbst dafür Sorge zu treffen, dass sein Rechtsbeistand zur mündlichen Anhörung erscheint und seine Interessen vertritt. Erfolgt die Anhörung jedoch kurzfristig, so hat das Gericht den Verteidiger zu benachrichtigen, da anders der Anspruch auf eine faire Verfahrensgestaltung nicht durchsetzbar ist (vgl. OLG Saarbrücken, NStZ 2011, 478, 479 m.w.N.).

2. Dies zu Grunde gelegt ist im vorliegenden Fall die unterbliebene Hinzuziehung des Verteidigers zum Termin zur mündlichen Anhörung als schwerwiegender Verfahrensfehler zu werten, der die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses notwendig macht. Zwischen der Terminsverfügung vom 14.10.2015 und dem Anhörungstermin vom 16.10.2015 um. 8.30 Uhr lag nur ein Tag. Nachdem die Terminsnachricht nicht per Fax erfolgte und überdies als Irrläufer am 15.10.2015 zunächst eine verfahrensfremde Anwaltskanzlei erreichte, erhielt der Verteidiger erst Nachricht vom Anhörungstermin, als dieser bereits stattgefunden hatte.“

Und der zweite Beschluss ist der OLG Hamm, Beschl. v. 16.06.2015 – 4 Ws 200/15. Da hatte die Anhörung über die Aussetzung einer Maßregel ohne den erkrankten Pflichtverteidiger statt gefunden. Hat dem OLG nicht gefallen:

„…. Jedoch gebietet es der im Rechtsstaatsprinzip verwurzelte Grundsatz des fairen Verfahrens, dem Verteidiger in entsprechender Anwendung der §§ 163, 168 c StPO auch bei der mündlichen Anhörung im Vollstreckungsverfahren die Teilnahme zu gestatten (zu vgl. OLG Köln, Beschluss vom 16.01.2006 – 2 Ws 23/06 -).

Dieses Recht hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Paderborn vorliegend verletzt. Angesichts der plötzlichen Erkrankung des Pflichtverteidigers hätte, was auch ohne weiteres möglich gewesen wäre, eine neue Anhörung anberaumt werden müssen. Davon war die Strafvollstreckungskammer auch nicht deswegen entbunden, weil die Untergebrachte bei der Anhörung geäußert hat, sie sei damit einverstanden, dass diese ohne ihren Pflichtverteidiger stattfinde. Denn die Rechtsprechung misst einem ausdrücklichen Verzicht eines Verurteilten nur insoweit rechtliche Bedeutung bei, als er selbst auf eine Anhörung verzichtet. Einem Verurteilten, der an der zu treffenden Entscheidung kein Interesse zeigt, wird die mündliche Anhörung nicht aufgedrängt (zu vgl. OLG Köln, a.a.O.). So liegt der Fall hier jedoch nicht. Vielmehr wird das Anwesenheitsrecht des Pflichtverteidigers durch Erklärungen, wie sie die Untergebrachte hier abgegeben hat, nicht berührt. Der Pflichtverteidiger ist Beistand, nicht Vertreter des Untergebrachten. Seine Aufgabe verlangt von ihm, das Verfahren in eigener Verantwortung und unabhängig von dem Untergebrachten zu dessen Schutz mitzugestalten (zu vgl. OLG Köln, a.a.O.). Die dem Pflichtverteidiger gebotene Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme genügte ebenfalls nicht zur sachgerechten Wahrnehmung des Rechts der Untergebrachten. Vielmehr stellt dies eine Verkürzung ihrer Rechte dar. Denn nur die mündliche Anhörung bietet die ausreichende Gewähr für eine sachgerechte Stellungnahme durch den Verteidiger, insbesondere vor dem Hintergrund, insoweit die Sache mit dem Gericht und den weiteren Beteiligten – hier insbesondere den Betreuern und Bezugstherapeuten der Untergebrachten – zu erörtern.“

In beiden Fällen: Bitte noch einmal…. Und man fragt sich, warum man eigentlich einen Termin innerhalb von zwei Tagen anberaumt und dann, wenn der Verteidiger nicht da ist, auch durchzieht. Da wird das Anwesenheitsrecht des Verteidigers zur Farce. Dasselbe gilt letztlich, wenn ich den Anhörungstermin durchführe, obwohl der von der Kammer selbst beigeordnete Rechtsanwalt wegen Erkrankung nicht erschienen ist.