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Da staunt der Angeklagte nach einem weitgehenden Freispruch aber…

denn: Auch bei überwiegendem Freispruch können dem Angeklagten alle Verfahrenskosten aufgelegt werden. So hat das OLG Köln entschieden (Beschl. v. 09.07.2010 – 2 Ws 325/10).

Der Angeklagte war in 20 von 21 angeklagten Fällen des sexuellen Missbrauchs eines Kindes frei gesprochen worden. Das LG hatte von einer nach § 464d StPO zulässigen Bruchteilsentscheidung abgesehen und entschieden, die Feststellung von bezogen auf die Freisprechungsfälle ausscheidbaren Kosten dem Kostenfestsetzungsverfahren nach § 464b StPO zu überlassen. Mangels ausscheidbarer Kosten traf den Angeklagten dann die volle Kostenlast.

Bei der Entscheidung ist – so das OLG – nach der Differenztheorie zu prüfen, welche Kosten und Gebühren entstanden wären, wenn die Anklage von vornherein so gelautet hätte wie das Urteil. Eine Kostenquotelung im Verhältnis der angeklagten Fälle zur letztendlichen Verurteilung komme nicht in Betracht.

Ein äußerst missliches Ergebnis für den Angeklagten :-(.

OLG Köln: Keine Aufhebung der Sicherungsverwahrung in einem Altfall

Mit Beschl. v. 14.07.2010 – 2 Ws 428/10 hat das OLG Köln zur Anwendung der Entscheidung des EGMR v. 17.12.2009 auf Altfälle Stellung genommen. Es sieht die Frage anders, als z.B. das OLG Hamm (vgl. dazu den gerade geposteten Beschl. v. 22.07.2010 – 4 Ws 180/10 m.w.N.)

Das OLG Köln meint: Das Urteil des EGMR stehe der Anordnung der Fortdauer einer Unterbringung in der Sicherungsverwahrung durch die Vollstreckungsgerichte nicht entgegen. Durch Auslegung des geltenden Rechts könne dem Urteil keine Geltung verschafft werden, da die einfachgesetzlichen Regelungen ein derartiges Vorgehen eindeutig zulassen. Für eine Transformierung des Urteils in innerstaatliches Recht bedürfe es eines Eingreifens durch den Gesetzgeber. Dass der nichts tut bzw. noch nichts getan hat, hat ja auch das OLG Hamm beanstandet

Sage mir, wie er aussieht, und ich sage dir, ob der „dickere Ast“ ein „Werkzeug“ ist

Nach § 250 Abs. 1 Nr. 1b StGB ist ein Raub ein „schwerer Raub, wenn er unter Verwendung eines Werkzeuges i.S. dieser Vorschrift begangen worden ist. Dazu hat das OLG Köln jetzt ausgeführt, dass allein die Feststellung „dickerer Ast“ im tatrichterlichen Urteil nicht ausreicht, um diese Qualifikation ausreichend zu belegen.  Die Eignung, ein Mittel zu sein, das bei entsprechender Verwendungsabsicht geeignet ist, möglichem Widerstand gewaltsam zu begegnen „kann bei einem „dickeren Ast“ nicht ohne weiteres und ohne nähere Beschreibung seiner Beschaffenheit unterstellt werden, sondern hängt vielmehr u.a. von dessen Länge, der Stärke und der Konsistenz (hart oder [erkennbar] morsch?) ab.“

Stimmt. Nachzulesen im Beschl. v. 15.12.2009 – 83 Ss 87/09.

Dinglicher Arrest im Steuerstrafverfahren – kein Automatismus

Anfang des Jahres hat das OLG Köln in seinem Beschl. v. 06.01.2010 – 2 Ws 636/09 zum dinglichen Arrest Stellung genommen. Danach begründet der Vorwurf der Steuerhinterziehung für sich genommen noch keinen Arrestgrund. Etwas anderes könne gelten, wenn besondere Umstände der Tatbegehung vorliegen oder die gesamte Lebensführung des Beschuldigten auf Verschleierung oder Verschiebung von Vermögen durch manipulatives und betrügerisches Verhalten ausgerichtet ist.

Das ist zutreffend. Denn würde man allein vom Verdacht einer Steuerhinterziehung auf den Arrestgrund schließen können, dann wäre mit der Bejahung des Verdachts immer zugleich auch der Arrestgrund bejaht. Diesen Automatismus sieht das Gesetz aber nicht vor. Die Argumentation läuft also ähnlich wie beim Haftgrund der Verdunkelungsgefahr nach § 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO. Auch da kann nach h.M. nicht allein mit dem Vorliegen eines auf Verschleierung angelegten Delikts der Haftgrund bejaht werden (vgl. dazu Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 5. Aufl., 2010, Rn. 1707 m.w.N.).

Wie sicher muss der Aufklärungserfolg bei § 31 BtMG sein? OLG Köln gibt die Antwort

In BtM-Verfahren spielt die Vorschrift des § 31 BtMG häufig eine große Rolle. Nach dieser Vorschrift kann sich der Täter Strafmilderung verschaffen, wenn er die Tat über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus offen legt und die Offenbarung zu einem Aufklärungserfolg führt (BGH NStZ-RR 2009, 320 mit Nachweisen). Ein solcher Erfolg ist dann gegeben, wenn der Aufklärungsgehilfe durch die Mitteilung seines Wissens die Voraussetzungen dafür geschaffen hat, dass gegen den von ihm Belasteten voraussichtlich mit Erfolg ein Strafverfahren geführt werden kann (BGH a.a.O.; BGH NStZ-RR 2009, 58; BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung 11; § 30 II Strafrahmenwahl 4).

Dazu hat jetzt das OLG Köln noch einmal darauf hingewiesen, dass § 31 Nr. 1 BtMG eben nicht erfordert, dass ein Aufklärungserfolg „sichergestellt“ ist. Und: Nennt der Angeklagte Namen und Anschriften seiner Hintermänner, muss das Tatgericht die Verneinung eines Aufklärungserfolgs nachvollziehbar begründen.

Nachzulesen bei OLG Köln, Beschl. v. 13.04.2010, III – 1 RVs 58/10.