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Langes Verfahren – Vollstreckungslösung im Jugendrecht?

Die Frage, ob bei einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung auch im Jugendrecht die sog. „Vollstreckungslösung“ des BGH Anwendung findet und damit die Verfahrensverzögerung kompensiert werden kann, ist in der Rechtsprechung des BGH nicht ganz unbestritten. Während der Große Senat für Strafsachen das wohl bejaht, haben die Strafsenate das m.E. teilweise anders gesehen.

In der Diskussion hat sich jetzt das OLG Hamm zu Wort gemeldet und im OLG Hamm, Beschl. v.08.12.2011 – III-3 RVs 102/11 die Anwendung jedenfalls bei der Verhängung eines Jugendarrestes verneint.

„… Dass die „Vollstreckungslösung“ auch bei der Verhängung von Jugendarrest Anwendung finden kann, vertritt — soweit ersichtlich — niemand. Ohnehin ist dieser Weg der Kompensation rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen für den Jugendarrest, der im Falle des Dauerarrestes höchstens vier Wochen betragen darf (§ 16 Abs. 4 Satz 1 JGG), nicht geeignet. Eine Anwendung der „Vollstreckungslösung“ würde angesichts dieser Höchstdauer nicht mehr zu sinnvollen Rechtsfolgenaussprüchen führen.

Die Verfahrensverzögerung ist bei der Verhängung von Jugendarrest vielmehr als Gesichtspunkt im Rahmen der Zuchtmittelbemessung zu berücksichtigen.“

OLG Köln: Keine Aufhebung der Sicherungsverwahrung in einem Altfall

Mit Beschl. v. 14.07.2010 – 2 Ws 428/10 hat das OLG Köln zur Anwendung der Entscheidung des EGMR v. 17.12.2009 auf Altfälle Stellung genommen. Es sieht die Frage anders, als z.B. das OLG Hamm (vgl. dazu den gerade geposteten Beschl. v. 22.07.2010 – 4 Ws 180/10 m.w.N.)

Das OLG Köln meint: Das Urteil des EGMR stehe der Anordnung der Fortdauer einer Unterbringung in der Sicherungsverwahrung durch die Vollstreckungsgerichte nicht entgegen. Durch Auslegung des geltenden Rechts könne dem Urteil keine Geltung verschafft werden, da die einfachgesetzlichen Regelungen ein derartiges Vorgehen eindeutig zulassen. Für eine Transformierung des Urteils in innerstaatliches Recht bedürfe es eines Eingreifens durch den Gesetzgeber. Dass der nichts tut bzw. noch nichts getan hat, hat ja auch das OLG Hamm beanstandet