Schlagwort-Archive: OLG Hamm

Voraussetzungen für eine ordnungswidrige Abstandsunterschreitung

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Das OLG Hamm hat im OLG Hamm, Beschl. v. 22.12.2014 – 3 RBs 264/14 – vor einiger Zeit noch einmal zu den Voraussetzungen für die Tatbestandsmäßigkeit einer im Sinne einer vorwerfbaren Abstandsunterschreitung gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 StVO Stellung genommen. Danach verstößt gegen § 4 Abs. 1 StVO bereits, wer zu irgendeinem Zeitpunkt seiner Fahrt objektiv pflichtwidrig und subjektiv vorwerfbar den im einschlägigen Bußgeld-Tatbestand gewährten Abstand unterschreitet. Auf das Vorliegen einer nicht nur ganz vorübergehenden Abstandsunterschreitung kommt es dagegen nur dann an, wenn Verkehrssituationen in Frage stehen, wie etwa das plötzliche Abbremsen des Vorausfahrenden oder der abstandsverkürzende Spurwechsel eines dritten Fahrzeugs, die kurzzeitig zu einem sehr geringen Abstand führen, ohne dass dem Nachfahrenden allein deshalb eine schuldhafte Pflichtverletzung angelastet werden könne.

Mit der Entscheidung stellt der 3. Senat für Bußgeldsachen des OLG Hamm die Rechtsprechung des OLG Hamm zum Abstandsverstoß klar. Insoweit war es teilweise durch zwei Entscheidungen des 1. Senats für Bußgeldsachen des OLG Hamm (vgl. u.a. OLG Hamm, Beschl. v. 09.07.2013 – 1 RBs 78/13) zu Irritationen gekommen. Der 3. Senat verweist darauf, dass eine Einschränkung des Tatbestandes oder der Rechtsfolgen der vorwerfbaren Unterschreitung des zulässigen Sicherheitsabstandes (§ 4 StVO) in dem Sinne, dass stets eine nicht nur ganz vorübergehende Abstandsunterschreitung vorliegen müsse, auch der Rechtsprechung des 1. Senats nicht entnommen werden könne. Es werde vielmehr betont, dass es auf das Vorliegen einer nicht nur ganz vorübergehenden Abstandsunterschreitung nur dann ankomme, wenn Verkehrssituationen in Frage stünden, wie etwa das plötzliche Abbremsen des Vorausfahrenden oder der abstandsverkürzende Spurwechsel eines dritten Fahrzeugs, die kurzzeitig zu einem sehr geringen Abstand führen, ohne dass dem Nachfahrenden allein deshalb eine schuldhafte Pflichtverletzung angelastet werden könne (OLG Hamm, a.a.O. m.w.N.; so auch OLG Rostock, Beschl. v. 18.08.2014 – 21 Ss OWi 144/14 ). Auf diese „Sondersituationen“ ist also zu achten.

Die zerschnittene Collage – aus religiösen Gründen gerechtfertigt?

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Der OLG Hamm, Beschl. v. 26.02.2015 – 5 RVs 7/15 enthält die Antwort auf die Frage, ob die in Art. 4 GG garantierte Glaubens- und Gewissensfreiheit (auch) eine Sachbeschädigung erlaubt. Zugrunde liegt der Entscheidung ein Vorfall in der Bibliothek der Universität Duisburg-Essen. Dort hatte sich eine aus Marokko stammende Promotionsstudentin an einer ausgestellten Collage gestört. Die Collage zeigte unter anderem eine Straßenszene, bei der im Vordergrund eine Gruppe von Personen stand. Zwei hielten Schilder mit hebräischen Schriftzeichen. Auf einem weiteren Schild war „Stop the occupation“ zu lesen. Ein 4. Schild mit arabischen Schriftzeichen wurde in einen Sack gesteckt. Die Angeklagte meinte, dieses Schild zeige nicht – wie bei flüchtigem Lesen denkbar – die Worte „Beendet die Besatzung“, sondern trage – bei der Veränderung nur eines Buchstabens – den Text „Nieder mit Allah“. Hierdurch fühlte sich die Angeklagte in ihren religiösen Gefühlen verletzt. Sie verlangte eine Entfernung dieser Collage, die ein Bibliotheksmitarbeiter ablehnte. Dabei bot er der Angeklagten an, die beanstandete Stelle mit einem Stück Papier zu überkleben. Das wartete die Angeklagte jedoch nicht ab, sondern hat mit einer Schere die von ihr beanstandete Stelle aus der Collage herausgeschnitten.

Das OLG Hamm sieht in dem Verhalten einen Verstoß gegen § 304 StGB und meint: Nicht gerechtfertigt:

„Entgegen dem Revisionsvorbringen kann die Angeklagte aus dem Grundrecht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) weder einen Rechtfertigungs- noch einen Entschuldigungsgrund für ihr Handeln ableiten.

In diesem Zusammenhang kann dahingestellt bleiben, ob überhaupt aus Grundrechten unmittelbar eine Rechtfertigung abgeleitet bzw. namentlich aus der in Art. 4 Abs. 1 GG garantierten Glaubens- und Gewissenfreiheit ein Entschuldigungsgrund hergeleitet werden kann (vgl. hierzu Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., Vorbem §§ 32 ff. Rdnr. 119; Roxin, GA 2011, 1 ff.).

Denn der Betätigung der Glaubens- und Gewissensfreiheit kann ein strafbarkeitsausschließender Vorrang jedenfalls nur dann zukommen, wenn für den Täter keine Möglichkeit bestanden hat, seine Glaubens- und Gewissensentscheidung straffrei umzusetzen. Hierüber hat sich die Angeklagte ohne Not hinweggesetzt. Der von der Angeklagten kontaktierte Mitarbeiter der Bibliothek hatte – ausweislich der getroffenen Feststellungen – bereits angeboten, die beanstandete Stelle des Plakats mit einem Stück Papier zu überkleben und schon mit den dazugehörigen Vorbereitungen begonnen. Die Angeklagte hatte damit zumindest das Ziel, den von ihr als anstößig empfundenen Teil der Collage unkenntlich zu machen, faktisch bereits erreicht. Dennoch hat sie selbst zur Schere gegriffen und das Plakat zerschnitten. Zu einer derart eigenmächtigen Vorgehensweise und Beeinträchtigung fremder Interessen – hier des öffentlichen Nutzungsinteresses im Sinne von § 304 StGB – berechtigt die Glaubens- und Gewissensfreiheit nicht.“

Die Belastung des Amtsrichters – ist sie groß genug?

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Was für eine Frage: Die Belastung des Amtsrichters – ist sie groß genug? Natürlich werden die mitlesenden Amtsrichter – und wahrscheinlich nicht nur die – sagen. Aber: Die Frage stellt sich nicht in dem allgemeinen Zusammenhang nach der allgemeinen dienstlichen Belastung  der (Amts)Richter, sondern konkret in einem amtsgerichtlichen Verfahren, in dem der Amtsrichter Beweisanträge des Betroffenen  „nach „§ 77 Abs. 2 Nr. 2 OWiG“ zurückgewiesen [hat], da „die Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit nach seinem pflichtgemessen Ermessen nicht erforderlich“ sei. Die Anträge seien „ohne verständigen Grund so spät vorgebracht“ worden, „dass die Beweiserhebung zur Aussetzung der Hauptverhandlung führen würde“. Dazu führte das Amtsgericht im angefochtenen Urteil u.a. aus, dass es seinerzeit schon für Ende Januar terminiert habe, bei zwei bis drei Sitzungstagen pro Woche. Aufgrund dieser Belastung sei eine Durchführung eines Fortsetzungstermins innerhalb der Frist der §§ 71 Abs. 1 OWiG, 229 Abs. 1 StPO nicht möglich.“

Dem OLG Hamm, das auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen mit der Frage befasst war, passt das so nicht.Es verweist im OLG Hamm, Beschl. v. 03.02.2015 – 1 RBs 18/15 – darauf, dass der Ansatz des Amtsrichters, dass die beantragte Beweiserhebung zu einer Aussetzung der Hauptverhandlung nach § 228 StPO mit der Folge, dass die Hauptverhandlung neu durchgeführt werden muss, führen würde, im Urteil nicht ausreichend dargetan sei. Die allgemeine Angabe, das Amtsgericht terminiere Straf- und Bußgeldsachen an zwei bzw. drei Hauptverhandlungstagen je Woche und man terminiere derzeit bereits im Januar des Folgejahres, sage darüber nichts aus. So ist weder dargetan, wie umfangreich die jeweiligen Verhandlungstage sind, noch, dass – ohne Vernachlässigung oder Zurückstellung anderer Verfahren – die begehrte Beweisaufnahme, welche einen überschaubaren Umfang hat, nicht gleichwohl noch zusätzlich hätte angesetzt werden können.

Und dann kommt das – was m.E. – die Amtsrichter nicht gerne lesen werden:

Für die Frage, ob die Beweiserhebung zur Aussetzung der Hauptverhandlung führt, ist maßgeblich, ob ein seine Aufgaben pflichtbewusst erfüllender Richter – auch unter Berücksichtigung der üblichen Schwankungen in der wöchentlichen Arbeitsbelastung, d.h. auch bei angemessener Mehrarbeit gegenüber seiner üblichen wöchentlichen Arbeitsbelastung – den Fortsetzungstermin zur Durchführung der Beweisaufnahme nicht mehr hätte ansetzen können. Dies ist dann der Fall, wenn er – auch bei angemessener Mehrarbeit – den Fortsetzungstermin voraussichtlich nicht ohne Aufhebung anderer Termine oder Vernachlässigung anderer Pflichten (wie etwa sorgfältige Vorbereitung anderer Hauptverhandlungen, Wahrung der Urteilsabsetzungsfristen, Wahrung des besonderen Beschleunigungsgebots in Haftsachen etc.) nicht durchführen kann. Der Senat hält es hingegen nicht für erforderlich, dass die Beweiserhebung zwingend zur Aussetzung der Hauptverhandlung führt, etwa weil bereits feststeht, dass das Beweismittel nicht fristgerecht herbeigeschafft werden kann.

….

Den Fall, dass ein seine Aufgaben pflichtbewusst erfüllender Richter – auch unter Berücksichtigung der üblichen Schwankungen in der wöchentlichen Arbeitsbelastung, d.h. auch bei angemessener Mehrarbeit gegenüber seiner üblichen wöchentlichen Arbeitsbelastung – den Fortsetzungstermin zur Durchführung der Beweisaufnahme nicht mehr hätte ansetzen können, sieht der Senat z.B. dann als gegeben an, wenn der Richter mit der Durchführung von Hauptverhandlungen, deren Vor- und Nachbereitung sowie mit seinen sonstigen richterlichen Aufgaben so belastet ist, dass ein Fortsetzungstermin zur Durchführung der beantragten Beweisaufnahme in dem Unterbrechungszeitraum oder eine deshalb zu verschiebende anderweitige Tätigkeit zwangsläufig erst ab den frühen Abendstunden, zu früher Morgenzeit oder am Wochenende durchgeführt werden könnte.

Solches ist im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Das Amtsgericht hat für den konkreten Fortsetzungszeitraum i.S.v. § 229 StPO weder die konkrete Zahl von Sitzungstagen, noch die Zahl der zu verhandelnden Sachen, noch die hierfür angesetzte Verhandlungsdauer mitgeteilt. Dies hätte womöglich schon ausgereicht, dem Senat, der einschätzen kann, wie viel Vorbereitungs – und Nachbereitungszeit erforderlich ist, einen Eindruck davon zu vermitteln, dass die Auslastung des Tatrichters eine weitere Beweisaufnahme in einem Fortsetzungstermin innerhalb der Unterbrechungsfrist nicht zugelassen hätte.“

Also: So ganz einfach ist das mit der Ablehnung von Beweisanträgen wegen Verspätung nicht (mehr).

Middelhoff bleibt drin – auch 900.000 € Kaution reichen nicht

HaftDas OLG Hamm hat gestern über eine (weitere) Haftbeschwerde von Thomas Middelhoff entschieden. Und: Es hat die Aufhebung des Haftbefehls gegen Middelhoff abgelehnt (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 17.03.2015 – 5 Ws 81/15, zu dem es bisher nur eine PM gibt). Fazit: Middelhoff „bleibt drin“. Es besteht weiterhin Fluchtgefahr und die angebotenen 900.000 € Kaution reichen für eine Außervollzugsetzung nicht aus. Aus der PM:

„Die im Fall des Angeklagten fortbestehende Straferwartung von derzeit immer noch 20 Monaten Freiheitsstrafe begründe einen erheblichen Fluchtanreiz. Der Angeklagte mache weiterhin geltend, dass er gegenwärtig weder über privates Vermögen verfüge noch eine realistische Chance habe, aufgrund eigener Arbeitstätigkeit in Deutschland bzw. dem benachbarten europäischen Ausland Einkommen zu erzielen, mit dem er den Lebensunterhalt seiner Familie sicherstellen könne. Der Angeklagte werde sich deshalb schnellstmöglich eine neue wirtschaftliche Existenzgrundlage aufbauen müssen. Dies begründe einen Fluchtanreiz. Der Senat gehe nach wie vor davon aus, dass der Angeklagte nach seinen früheren umfangreichen Auslandskontakten im außereuropäischen Ausland weiterhin geschäftlichen Perspektiven habe.

……..

Der Zweck der Untersuchungshaft lasse sich nicht mit weniger einschneidenden Maßnahmen erreichen. Eine vom Angeklagten angeboteneSicherheitsleistung in Höhe von nahezu 900.000 Euro, die von Dritten erbracht werden solle, sei nicht ausreichend. Dabei könne offen bleiben, ob die angebotene Sicherheitsleistung im Fall des wegen Untreue in 27 Fällen verurteilten Angeklagten überhaupt ein geeignetes Haftsurrogat sei. Die Höhe der angebotenen Kaution sei nicht geeignet, einen derartigen Druck auf den Angeklagten auszuüben, dass er den Verfall der Kaution nicht riskieren werde. Man könne zwar in der angebotenen Sicherheitsleistung durch Familienmitglieder und enge Freunde ein stabilisierendes Element sehen. Zu berücksichtigen sei jedoch, dass der Angeklagte über viele Jahre hinweg ein jährliches Einkommen erzielt habe, dass die angebotene Kaution um ein Vielfaches übersteige. Für den Fall, dass es ihm auch nur annähernd gelingen sollte, mit dem Aufbau einer neuen wirtschaftlichen Existenz an frühere Verdienstmöglichkeiten anzuknüpfen, könne er alle Sicherungsgeber binnen kürzester Zeit schadlos stellen.“

Das hat das OLG früher auch schon mal anders gesehen. Noch 20 Monate Straferwartung = noch nicht einmal 2 Jahre reichen zur Begründung der Fluchtgefahr aus? Und der kann ich dann nicht mit einer Kaution von 900.000 € begegnen. Ich habe Zweifel, ob das richtig ist.

Nachtrag: Danke für den Hinweis eines Lesers auf Facebook: Da war in der Überschrift eine „0“ zu viel. Es war keine Kaution von 9.000.000 € angeboten 🙂 . Sorry.

Der Türspion im Knast, oder: Die Beobachtung des nackten männlichen Gefangenen durch die weibliche Bedienstete

© Joachim B. Albers - Fotolia.com

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In einer Vollzugsache meldet sich der 1. Strafsenat des OLG Hamm mit dem OLG Hamm, Beschl. v. 27.01.2015 – 1 Vollz (Ws) 664/14 – zu Wort. Zu entscheiden war folgende Frage: Gegen den betroffenen Gefangenen war nach einem Selbstmordversuch in einer anderen Justizvollzugsanstalt die Sicherungsmaßnahme der Beobachtung in unregelmäßigen Zeitabständen von nicht mehr als 15 Minuten, auch bei Nacht, angeordnet worden. Diese Beobachtungsmaßnahmen (durch das Fenster zu seinem Haftraum) wurden teilweise auch von weiblichen Bediensteten durchgeführt. In mindestens drei Beobachtungsfällen war der Gefangene dabei nackt, nachdem er sich nach sportlicher Betätigung gewaschen hatte. Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Betroffene u.a. die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Beobachtung durch weibliche Bedienstete begehrt. Er hatte insoweit Erfolg:

„Vielmehr handelt es sich bei der angeordneten Sicherungsmaßnahme um eine solche nach § 88 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG, soweit sie zur Nachtzeit durchzuführen war und eine solche nach § 4 Abs. 2 StVollzG im Übrigen (vgl. BGH NJW 1991, 2652). Hier ging es offensichtlich um eine Beobachtung nicht zur Nachtzeit, was sich aus dem Umstand ergibt, dass der Betroffene bei oder kurz nach der Körperpflege nach sportlicher Betätigung (Laufen in der Freistunde) angetroffen wurde. Maßstab der Überprüfung ist also § 4 Abs. 2 StVollzG. Danach dürfen dem Gefangenen nur Beschränkungen auferlegt werden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Anstalt unerlässlich sind. Grundsätzlich ist zwar die Beobachtung durch einen Türspion oder ein Fenster zum Haftraum – auch durch weibliche Bedienstete – eine zulässige Maßnahme zur Abwendung der Realisierung einer Selbstmordgefahr. Auch hierbei ist freilich die Intimsphäre des Gefangenen, die durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützt wird, möglichst zu schonen. Dem wurde im angefochtenen Beschluss nicht vollständig Rechnung getragen. Soweit die angefochtene Entscheidung darauf abstellt, die beanstandeten Sichtkontrollen durch weibliche Bedienstete seien zu Zeiten erfolgt, in denen „grundsätzlich nicht damit zu rechnen ist, dass der Gefangene sich in seinem Haftraum nackt aufhält“, hätte es gleichwohl der Erörterung bedurft ob nicht gleichwohl auch hier die Möglichkeit bestand, sich vor der Verschaffung des Einblicks in den Haftraum des Betroffenen in irgendeiner Form anzukündigen, um ihm so die Möglichkeit zu geben, einen – wenn auch nicht zu erwartenden, jedoch gleichwohl nicht fern liegenden – etwaigen Eingriff in seine Intimsphäre abzuwenden. Insoweit gelten nach Auffassung des Senats die verfassungsgerichtlichen Anforderungen zum Sich-bemerkbar-Machen vor einem Betreten des Haftraumes (s.o.) entsprechend. Es hätte also hier der Erörterung bedurft, warum es, wenn eine weibliche Bedienstete die Beobachtung durchführt, nicht möglich gewesen sein sollte, dass diese die Sichtkontrolle zuvor (etwa durch Abgabe eines vorher mit dem Gefangenen vereinbarten Zeichens, durch Ansprache durch die Haftraumtür hindurch o.ä.) ankündigte. Ein solcher Grund könnte etwa dann vorliegen, wenn zu befürchten ist, dass der Gefangene eine Selbstmordabsicht noch zwischen Ankündigung und Sichtkontrolle verwirklicht und aufgrund dessen ein zeitlicher Vorlauf entstünde, der die Sicherungsmaßnahme leerlaufen ließe. Mit diesen Fragen setzt sich der angefochtene Beschluss indes nicht auseinander.

Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass es angesichts des Sicherungszwecks der Maßnahme freilich nicht erforderlich ist, eine Sichtkontrolle bis zu einer entsprechenden Zustimmungserklärung des Gefangenen hinauszuschieben oder sonst länger zuzuwarten, als es notwendig ist, damit der Gefangene seine etwaige Blöße bedecken kann.

So richtig etwas für einen Freitag :-).

Und: Ceterum censeo: Hier geht es zur Abstimmung Beste Jurablogs Strafrecht 2015 – wir sind dabei, die Abstimmung läuft…