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Rechtsmittelrücknahme II: Ausdrückliche Ermächtigung, oder: Alter Hut

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Nach dem BGH, Beschl. v. 06.07.2016 – 4 StR 149/16 (dazu: Rechtsmittelrücknahme I: Der Beschuldigte hat das Sagen…..) folgt nun der OLG Hamm, Beschl. 07.06.2016 –  1 RVs 16/16, der auch eine Rechtsmittelrücknahmeproblematik zum Gegenstand. Es geht um folgenden Sachverhalt: Das AG hat den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte zunächst unbeschränkt Berufung eingelegt. In der Berufungshauptverhandlung ist der Angeklagte nicht erschienen. Der mit Beschluss des AG bestellte und zuvor als Wahlverteidiger tätige Pflichtverteidiger, der nach den Feststellungen in der Verhandlung bereit und willens war, für den Angeklagten aufzutreten, und nach Auffassung der Strafkammer zur Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten i.S. des § 329 Abs. 2 StPO bevollmächtigt war, hat in diesem Termin das Rechtsmittel mit Zustimmung der StA auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Das LG hat die Berufung verworfen. Es hat dabei die Rechtsmittelbeschränkung als wirksam und daher die Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils zur Tat als bindend angesehen und im Urteil als Zitat wiedergegeben. Dagegen die Revision, die Erfolg hat:

Die in der Berufungshauptverhandlung vom Verteidiger gemäß § 318 StPO erklärte Beschränkung auf die Rechtsfolgenentscheidung ist unwirksam, da dem Verteidiger zur nachträglichen Beschränkung eines Rechtsmittels – hier: der Berufung nach Ablauf der Begründungsfrist des § 317 StPO (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 12.02.2008 – 3 Ss 514/07 -, juris m.w.N.) – die gemäß § 302 Abs. 2 StPO erforderliche ausdrückliche Ermächtigung fehlte. Dies hat das Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen.

Zwar hat der Angeklagte dem Verteidiger bei Erteilung des Wahlmandats am 19.09.2014 eine (Formular-)Vollmacht erteilt, die insbesondere das Recht umfassen sollte, „ein Rechtsmittel einzulegen, ganz oder teilweise zurückzunehmen oder auf es zu verzichten, sowie Rechtsmittel zu beschränken“. Dies genügt vorliegend für eine hinreichende Ermächtigung gemäß § 302 Abs. 2 StPO jedoch selbst dann nicht, wenn – was der Senat bezweifelt – die Auffassung des Verteidigers zuträfe, dass die im Zusammenhang mit der Bestellung zum Pflichtverteidiger erfolgte Niederlegung des Wahlmandats hier nur beschränkt erfolgt und die Wirksamkeit der vorgenannten Befugnis hiervon unberührt geblieben sei (allg. zum Erlöschen von Ermächtigung bzw. Vertretungsvollmacht bei Niederlegung des Wahlmandats vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 03.04.2014 – III-5 RVs 11/14 -, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 12.02.2008, a.a.O.; Meyer-Goßner in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 302 Rn. 36 m.w.N.).

Denn eine solche Ermächtigung muss sich wegen der besonderen Tragweite, die eine Rechtsmittelrücknahme bzw. eine nachträgliche Rechtsmittelbeschränkung in aller Regel hat, der grundsätzlichen Unwiderruflichkeit der abgegebenen Erklärung und des regelmäßigen Ausschlusses einer Anfechtungsmöglichkeit wegen Irrtums auf ein bestimmtes Rechtsmittel beziehen. Es bedarf daher grundsätzlich der genauen Bezeichnung des Rechtsmittels, zu dessen Rücknahme ermächtigt wird, durch den Angeklagten. Diese ist nur dann ausnahmsweise entbehrlich, wenn sich die Konkretisierung ohne Weiteres aus den Umständen des Einzelfalls ergibt, etwa weil eine allgemein formulierte, dem Verteidiger die Befugnis zur Rücknahme „von Rechtsmitteln“ erteilende Vollmacht nur bzw. erst für ein Berufungsverfahren oder nur bzw. erst zur Durchführung der Revision erteilt worden ist (vgl. KG, Beschluss vom 08.01.2015 – 4 Ws 128/14 -, juris; Meyer-Goßner in: Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., Rn. 32, jew. m.w.N.). Eine solche Konkretisierung ist hingegen vorliegend weder dem Wortlaut der Vollmachtsurkunde vom 19.09.2014 noch den sonstigen Umständen zu entnehmen, zumal die Ermächtigung zur Rücknahme von Rechtsmitteln bereits vor der erstinstanzlichen Hauptverhandlung vom 04.11.2014 erteilt worden ist.

Der Verteidiger hat auf entsprechende Nachfrage des Senats auch nicht geltend gemacht, dass ihn der Angeklagte zu einem Zeitpunkt nach der allgemeinen Vollmachtserteilung eine ausdrückliche Ermächtigung zur Berufungsrücknahme erteilt hätte. Auch im Übrigen ist hierfür nichts ersichtlich.

Dieses Fehlen der Ermächtigung zur Beschränkung der Berufung hat zur Folge, dass das Rechtsmittel als unbeschränkt eingelegt anzusehen ist. Mangels einer wirksamen Beschränkung war die Strafkammer verpflichtet, den Sachverhalt in vollem Umfang festzustellen und rechtlich zu bewerten. Das ist hinsichtlich der Feststellungen zur Tat nicht erfolgt.“

Im Grunde ein „alter Hut“, die Problematik wird jedoch immer wieder übersehen.

Der Tattag ist mir doch egal, oder: Das OLG deckt schlampige Feststellungen

© J.J.Brown - Fotolia.com

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Der OLG Hamm, Beschl. v. 31.05.2016 – 4 RBs 111/16 – ist ein „schönes“ Beispielt, dass nicht selten von den OLG „gehalten“ wird, was gehalten werden kann. Das AG hat den Betroffenen wegen eines  Verstoßes gegen §§ 9 Abs. 1, 17 Abs. 1 lit. e LImSchG – Störung der Nachtruhe – schon da stimmte die der Liste der angewandten Vorschriften im Urteil nicht – zu einer Geldbuße von 5.000 EUR verurteilt. Nach den Feststellungen im AG-Urteil ließ der Betroffene als verantwortlicher Geschäftsführer einer U GmbH& Co KG „am 29.10.2014 zu einer nicht näher festgestellten Uhrzeit Geräuschimmissionen von dem Betriebsgelände des genannten Unternehmens ausgehen, welche mit einem konstanten Lärmpegel von 52,9 dB(A) gemessen wurden, wobei der Mindestpegel bei 52,1 dB(A) und der Spitzenpegel bei 54,3 dB(A) lag. Die Messung wurde von einem „Ersatzmessort“ aus vorgenommen, der ca. 30m vom Wohnhaus eines Beschwerdeführers wegen einer früheren Lärmbelästigung aus dem Jahre 2013 liegen und diesem gleichwertig sein soll. Näheres zum Messort wird nicht mitgeteilt.“

Das OLG schaut in die Akten und stellt bei der Prüfung des dem Verfahren zugrunde liegenden Bußgeldbescheides fest: Der Bußgeldbescheid hat eine Tat vom 26.10.2014 zum Gegenstand. Wer meint, das OLg hat nun Porbleme mit der Wirksamkeit des Bußgeldbescheides, der irrrt sich gewaltig. Locker heißt es dazu:

„Das Verfahren war nicht wegen Fehlens einer Verfahrensvoraussetzung – hier eines wirksamen Bußgeldbescheids betreffend die abgeurteilte Tat – einzustellen. Zwar bezieht sich der von Amts wegen vom Rechtsbeschwerdegericht zur Kenntnis zu nehmende Bußgeldbescheid vom 15.01.2015 auf eine Tat am 26.10.2014. Angesichts der nahezu identischen Messergebnisse (laut Bußgeldbescheid 53 dB(A), laut Urteil 52,9 dB(A) konstanter Lärmpegel) und im Übrigen gleichem Tatort und sonstiger Umstände, geht der Senat davon aus, dass Bußgeldbescheid und angefochtenes Urteil dieselbe Tat betreffen.“

Das, was das OLG schreibt, ist in meinen Augen nicht haltbar. Man kann zwei Abweichungen feststellen zwischen festgestellter Tat und der Tat, die Gegenstand des Bußgeldbescheides ist/war, nämlich einemal beim Tattag – 26.10.2014 oder 29.10.2014 – und beim Messergbnis – „laut Bußgeldbescheid 53 dB(A), laut Urteil 52,9 dB(A)“. Aber das macht dem OLG nichts. Und die Begründung? „Nahezu identisch“, aber bitte: Das ist für mich aber nicht identisch. Und was heißt: „im Übrigen gleichem Tatort und sonstiger Umstände„? Damit ist doch bei den Geräuschimmission aus einer Firma zu rechnen.

Die Begründung des OLG ist in meinen Augen heiße Luft und deckt schlampige Feststellungen des AG. Da kann man doch am besten gleich den Bußgeldbescheid als Verfahrensgrundlage abschaffen. Denn wie soll sich der Betroffene denn zeitlich – Alibi-Beweis!! – verteidigen können, wenn nicht klar ist, wann denn nun die ihm zur Last gelegte Tat begangen sein soll?

Es hilft auch nicht, dass das OLG aus einem anderen Grund aufgehoben hat. Denn die erforderliche Einstellkung hätte zur Erledigung des Verfahrens insgesamt geführt. So darf das ASG es noch einmal versuchen…..

Eindeutig muss/sollte die Begründung sein, sonst: Steilvorlage

© Alex White - Fotolia.com

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Der OLG Hamm, Beschl. v. 28.06.2016 – 4 RBs 135/16 – zeigt mal wieder deutlich, wie wichtig es ist, bei der Begründung der Rechtsbeschwerde/Revision klar und deutlich/eindeutig zu formulieren. Sonst gibt man dem OLG – ggf. dem BGH – eine Steilvorlage für die Verwerfung des Rechtsmittels als unzulässig. So ist es in/mit dem Beschluss gekommen. Das OLG gewährt zwar Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, aber:

„Jedoch hat der Betroffene weder die Sachrüge erhoben, noch eine Verfahrensrüge den Begründungsanforderungen der §§ 79 Abs. 3 OWiG, 344 Abs. 2 StPO entsprechend ausgeführt.

Der Verteidiger des Betroffenen hatte zwar mit Einlegung der Rechtsbeschwerde am 23.11.2015 bereits erste Ausführungen zur Begründung derselben gemacht. In diesen Ausführungen ist jedoch nicht die Erhebung der allgemeinen Sachrüge enthalten. Denn aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht eindeutig, dass die Nachprüfung des angefochtenen Urteils in sachlich-rechtlicher Hinsicht begehrt wird. Der Verteidiger hat das angefochtene Urteil mit dem Adjektiv „rechtsfehlerhaft“ beschrieben. Damit könnte er sowohl das Fehlen von Verfahrensvoraussetzungen gerügt haben, als auch Verfahrensfehler oder Fehler in der materiell-rechtlichen Gesetzesanwendung. Die übrige, im Telefax vom 23.11.2015 enthaltene Begründung, in der insbesondere die fehlerhafte Behandlung von Beweisanträgen gerügt wird, lässt ebenfalls nicht den eindeutigen Schluss auf eine begehrte materiell-rechtliche Nachprüfung zu, sondern spricht eher für ein Begehren nach Überprüfung in verfahrensrechtlicher Hinsicht. Im Schriftsatz vom 25.01.2016 ist eine Sachrüge ebenfalls nicht enthalten. Dieser enthält zunächst nur Ausführungen zur Wiedereinsetzung und zur angeblich rechtsfehlerhaften Ablehnung eines Beweisantrages. Soweit weiter gerügt wird, das Gericht habe sich nicht hinreichend mit dem Vortrag des Betroffenen hinsichtlich eines Absehens vom Fahrverbot auseinandergesetzt, enthält dieser Vortrag lediglich von den Urteilsfeststellungen abweichenden eigenen Vortrag, der ergibt, dass der Betroffene in Wahrheit nicht die Rechtsanwendung beanstandet, sondern die Richtigkeit der Urteilsfeststellungen angreifen will (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O., § 344 Rdn. 19).

Zur formgerechten (Verfahrens-)Rüge der fehlerhaften Ablehnung eines Beweisantrags muss der Beschwerdeführer den Antrag, den Inhalts des ablehnenden Gerichtsbeschlusses sowie die den Mangel begründenden Tatsachen so vollständig angeben, dass das Beschwerdegericht allein anhand der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, sollten die behaupteten Tatsachen zutreffen (vgl. KK/Senge, OWiG, 4. Auflage 2014, § 77 Rn. 51 f. m.w.N.). Diese Voraus-setzungen sind vorliegend nicht erfüllt. In der Rechtsbeschwerdebegründung hat der Verteidiger nur die Beweismittel, nicht jedoch die Beweistatsachen angegeben, insbesondere nicht, was Gegenstand der zeugenschaftlichen Wahrnehmung ge-wesen sein soll bzw. wozu der Sachverständige gehört werden sollte. Zudem fehlt die Wiedergabe des Inhalts des Ablehnungsbeschlusses (§ 77 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 OWiG). Ein schlichtes Anführen von Bedenken der Verteidigung bezüglich der Richtigkeit, weil sich irgendwo im Bereich der Messbereichs Straßenschilder be-funden hätten, reicht weder für eine vollständige Angabe der den Mangel begründenden Tatsachen noch für das erforderliche bestimmte Behaupten dieser Tatsachen. Das Beschwerdegericht kann auch nicht etwa aufgrund einer form- und fristgerecht erhobenen Sachrüge bzgl. der Verfahrensrüge ergänzend die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils heranziehen, denn eine Sachrüge hat der Betroffene nicht erhoben.“

Hinsichtlich der Verfahrensrüge folge ich dem OLG, die ist in der Tat nicht ausreichend begründet. Hinsichtlich der Sachrüge liegt das OLG in meinen Augen aber falsch. Was sagt denn der Begriff „rechtsfehlerhaft“ in der Kombination mit den vorgetragenen Bedenken des Verteidiger anderes, als dass das Urteil (auch) als materiell-rechtlich falsch angesehen wird. Die Begründung ist nicht „klassisch schön“ für eine Sachrüge, ich hätte sie aber als „noch ausreichend“ angesehen.

Fazit für den Verteidiger: Eindeutig formulieren, dann vermeidet man solche Entscheidungen. Und – vor allem zur Begründung der Verfahrensrüge – vielleicht dann doch mal in ein „Anleitungsbuch“ schauen, wenn man nicht weiß, wie es geht.

Schweigen in der Hauptverhandlung, oder: das „nonverbale Verhalten“ zeigt keine Unrechtseinsicht

© Corgarashu – Fotolia.com

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Starten wir heute mal mit einer „Strafzumessungsentscheidung“, nämlich dem OLG Hamm, Beschl. v. 19.04.2016 – 1 RVs 20/16. Das AG hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen Mitführens einer Schutzwaffe bei einer öffentlichen Versammlung unter freiem Himmel zu einer Geldstrafe verurteilt. Nach den Feststellungen des AG war der Angeklagte Teilnehmer einer Demonstration unter dem Motto „keine Rückzugsräume für Nazis“, welche in E anlässlich zweier gleichzeitig stattfindender Versammlungen der Partei „die Rechte“ unter Beteiligung von zunächst ca. 1.000 Menschen stattfand. Der Angeklagte trug eine schwarze Jacke und darunter einen schwarzen Kapuzenpullover. Die Kapuze seines Pullovers hatte er über den Kopf gezogen. Vor seinem Gesicht trug er eine nach dem äußeren Zuschnitt dem Visier eines Helmes ähnliche rechteckig zugeschnittene durchsichtige Kunststofffolie, mit der Augen und Nase überdeckt und geschützt waren und darunter eine schwarze Sonnenbrille. Durch das Tragen der selbst gefertigten Folie, die mit einem Gummiband am Kopf über der Kapuze befestigt war, wollte der Angeklagte nach den getroffenen Feststellungen verhindern, dass er im Fall eines Polizeieinsatzes oder aber durch Verhalten der anderen Versammlungsteilnehmer durch verwendetes Pfefferspray oder pyrotechnische Erzeugnisse im Gesicht getroffen und in seiner Handlungsfähigkeit beeinträchtigt werden würde.

Das OLG äußert sich zum „Schutzwaffenbegriff“, den es bejaht. So weit, so gut, das mag dem Selbststudium des Lesers vorbehalten bleiben. Mich interessieren mehr die Strafzumessungserwägungen des AG, die das OLG als rechtsfehlerhaft beanstandet hat:

„2. Der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils hält dagegen hinsichtlich der erkannten Geldstrafe entsprechend den Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Das Amtsgericht hat zur Strafzumessung im Hinblick auf den in der Hauptverhandlung schweigenden Angeklagten unter anderem folgendes ausgeführt:

„Dagegen musste sich zu Lasten des Angeklagten auswirken, dass er durch sein Verhalten, insbesondere sein Nachtatverhalten den Polizeieinsatz in einer sehr unübersichtlichen Situation erschwert hat.

Auch sein nonverbale Verhalten in der Hauptverhandlung lies nicht den geringsten Ansatz von Unrechtseinsicht und Problembewusstsein für die schwierige Lage der Polizei in E an diesem Tag erkennen.“

Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu in ihrer Zuschrift vom 17. März 2016 wie folgt Stellung bezogen:

„Soweit das Amtsgericht Dortmund strafschärfend berücksichtigt hat, „auch das nonverbale Verhalten der Hauptverhandlung“ habe „nicht den geringsten Ansatz von Unrechtseinsicht und Problembewusstsein für die schwierige Lage der Polizei in E an diesem Tag“ erkennen lassen, begegnet dies gemessen an vorstehenden Anforderungen durchgreifenden Bedenken, da es unzulässig ist, das Fehlen eines Geständnisses strafschärfend zu berücksichtigen. Zudem kann ein sich nicht einlassender oder leugnender Angeklagter weder Reue noch Schuldeinsicht zeigen, ohne seine (rechtlich zulässige) Verteidigungsposition aufzugeben, weswegen auch ein solches Verhalten nicht strafschärfend berücksichtigt werden darf (zu vgl. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 46 Rn. 50b).

Darüber hinaus findet der vom Amtsgericht strafschärfend berücksichtigte Umstand, der Angeklagte habe durch „sein Nachtverhalten (Anmerkung des Senats: gemeint ist offenbar Nachtatverhalten) den Polizeieinsatz in einer sehr unübersichtlichen Situation erschwert“, weder eine Grundlage in den Feststellungen des angefochtenen Urteils, noch ist ersichtlich, an welche der in § 46 Abs. 2 StGB genannten Strafzumessungsgesichtspunkte das Tatgericht insoweit anknüpfen will. Das Verhalten nach der Tat ist als Strafzumessungsgrund nur verwertbar, soweit sich aus ihm Rückschlüsse auf die innere Einstellung des Täters zu seiner Tat oder auf deren Unrechtsgehalt ziehen lassen (zu vgl. Fischer, a.a.O., § 46 Rn. 46). Das Erschweren eines Polizeieinsatzes in unübersichtlicher Situation lässt für sich genommen einen derartigen Rückschluss nicht zu.“

Dem schließt sich der Senat nach eigener Prüfung uneingeschränkt an.“

Dazu passt: Immer wieder….

Du „Zigeuner“ – Beleidigung ja oder nein?

entnommen wikimedia.org Herkunft/Fotograf Palais Dorotheum, 11. Dezember 2013, Lot Nr. 232

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Herkunft/Fotograf Palais Dorotheum, 11. Dezember 2013, Lot Nr. 232

Heute soll es dann mal zwei Entscheidungen zur  Beleidigung geben, und zwar zunächst den OLG Hamm, Beschl. v. 28.04.2016 – 3 RVs 37/16. In ihm geht es um die Frage, ob (allein) die Bezeichnung einer anderen Person als „Zigeuner“ eine Beleidigung i.S. des § 185 StGB darstellt. Das hatt das AG Detmold angenommen, das OLG sieht es aber anders. Nach seiner Auffassung stellt der Begriff „Zigeuner“ im deutschsprachigen Raum grundsätzlich eine Fremdbezeichnung für eine bestimmte Bevölkerungsgruppe dar; es handelt sich nicht um einen Begriff, der allein die Bedeutung eines Schimpfwortes hat.

Nach Auffassung des OLG müssen weitere Umstände hinzukommen, nämlich „zur Feststellung, ob die Verwendung dieser Bezeichnung auch den Tatbestand des § 185 StGB erfüllen kann, u.a. Feststellungen dazu, in welchem Zusammenhang die Äußerung gefallen ist, welcher Abstammung der Geschädigte ist und weiterer Feststellungen zum Kulturkreis des Angeklagten.“

Und dazu war das AG-Urteil dem OLG „zu dünn“:

„Die seitens des Amtsgerichts vorgenommene Beweiswürdigung ist vor den oben genannten Anforderungen derart lückenhaft, dass eine dementsprechende Nachprüfung seitens des Revisionsgerichts nicht erfolgen kann.
Um eine etwaige Strafbarkeit des Angeklagten wegen Beleidigung prüfen zu können, bedürfte es u. a. Feststellungen zu folgenden Fragen:
Welche Bedeutung hat der Begriff „Zigeuner“ im Kulturkreis des Angeklagten?
War sich der Angeklagte der Bedeutung des Begriffes, insbesondere ob seiner Alkoholisierung, im hiesigen Kulturkreis hinreichend bewusst?
Welchen Gegenstand hatten die dem Ausruf vorhergehenden Streitigkeiten?
Welchem Kulturkreis entstammt der Zeuge H ursprünglich?
All diese Fragen bleiben im angefochtenen Urteil offen und ungeklärt.“

Die „Checkliste“ kann das AG dann jetzt im zweiten Durchlauf abarbeiten.