Bild von Capri23auto auf Pixabay
Die zweite „Betriebsentscheidung“ kommt vom OLG Hamm. Das hat im OLG Hamm, Beschl. v. 18.05.2021 – 9 W 14/21 – zum „Betrieb“ bei einer Arbeitsmaschine Stellung genommen.
Der Kläger hat die Bewilligung von PKH beantragt für eine Klage, und zwar für folgenden Sachverhalt:
„Der Antragsgegner zu 1) betreibt einen Hof nebst forstwirtschaftlich genutzter Fläche. Er bat den in der direkten Nachbarschaft wohnenden Antragsteller am 00.04.2019, mehrere trockene Tannen auf dessen Grundstück zu fällen. Bei dem Fällen einer solchen Tanne ereignete sich der streitgegenständliche Unfall. Der Antragsgegner zu 1) legte hierbei eine Kette um den Baum und befestigte diese an einer an seinem Traktor befindlichen Stange, um den Baum zu sichern und den gefällten Baum im Anschluss daran abzutransportieren. Der Traktor, der bei dem Antragsgegner zu 2) krafthaftpflichtversichert ist, war auf der an das Grundstück des Antragsgegners zu 1) angrenzenden öffentlichen Straße abgestellt, welche der Antragsgegner zu 1) vor Durchführung der Arbeiten absperren ließ. Der Antragsgegner zu 1) wies den Antragsteller an, den Baum möglichst weit unten am Boden abzusägen. Der Baum landete sodann unmittelbar neben dem Führerhaus des Traktors bis zur gegenüberliegenden Straßenseite, so dass der Antragsgegner zu 1) nicht auszusteigen vermochte. Der Baum, der zu lang war, um ihn mit dem Traktor abzutransportieren, hatte sich zudem mit dem Stammende an einem Zaun und auf der gegenüberliegenden Straßenseite mit seiner Krone an einem Busch verkeilt. Daraufhin erfolgte Versuche des Antragsgegners zu 1), den Baum mit dem Traktor wegzuziehen bzw. wegzudrücken, blieben erfolglos. Der Antragsgegner zu 1) wies den Antragsteller daher an, die Tanne an der Spitze abzusägen, um den Stamm aus der Verkeilung zu lösen. Nachdem der Antragsteller zu sägen begann, brach der trockene Stamm, dessen Spannung durch die vorangegangenen Rangierversuche des Antragsgegners zu 1) erhöht war, und stieß den Antragsteller zu Boden. Der Antragsteller stürzte hierbei rückwärts auf einen Ast und wurde zwischen diesem und dem Stamm eingequetscht, wodurch er sich schwerwiegende Verletzungen, insbesondere im Brustwirbelbereich, zuzog.“
Das LG Münster hatte den Antrag mangels hinreichender Erfolgsaussicht gemäß § 114 ZPO abgelehnt, da weder Ansprüche aus § 7 Abs. 1 StVG noch aus den §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB sowie aus § 823 Abs. 1 BGB bestünden. Das OLG folgt dem:
„1. Das Landgericht hat zu Recht einen Schadensersatzanspruch aus § 7 Abs. 1 StVG verneint.
a) Voraussetzung des § 7 Abs. 1 StVG ist, dass eines der dort genannten Rechtsgüter „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges“ verletzt bzw. beschädigt worden ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des VI. Zivilsenats des BGH ist dieses Haftungsmerkmal entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Norm weit auszulegen. Denn die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG ist der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kraftfahrzeuges erlaubterweise eine Gefahrenquelle eröffnet wird; die Vorschrift will daher alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe erfassen. Ein Schaden ist demgemäß bereits dann „bei dem Betrieb“ eines Kraftfahrzeuges entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, d.h. wenn bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit)geprägt worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 05.07.1988 – VI ZR 346/87 -). Erforderlich ist aber stets, dass es sich bei dem Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handelt, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll, d.h. die Schadensfolge muss in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden ist. Für die Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es damit maßgeblich darauf an, dass der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeuges steht (vgl. BGH, Urteil vom 20.10.2020 – VI ZR 158/19 -; Urteil vom 21.01.2014 – VI ZR 253/13 -).
b) Bei Kraftfahrzeugen mit Arbeitsfunktionen ist es hierbei erforderlich, dass ein Zusammenhang mit der Bestimmung des Kraftfahrzeuges als eine der Fortbewegung und dem Transport dienenden Maschine (vgl. § 1 Abs. 2 StVG) besteht. Eine Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG entfällt daher, wenn die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Kraftfahrzeuges keine Rolle mehr spielt und das Fahrzeug nur noch als Arbeitsmaschine eingesetzt wird oder bei Schäden, in denen sich eine Gefahr aus einem gegenüber der Betriebsgefahr eigenständigen Gefahrenkreis verwirklicht hat (vgl. BGH, Urteil vom 24.03.2015 – VI ZR 265/14 -). Eine Verbindung mit dem „Betrieb“ als Kraftfahrzeug kann jedoch zu bejahen sein, wenn eine „fahrbare Arbeitsmaschine“ gerade während der Fahrt bestimmungsgemäß Arbeiten verrichtet.
c) Nach diesen Grundsätzen hat das Landgericht das Unfallgeschehen zu Recht nicht der von dem Traktor des Antragsgegners zu 1) ausgehenden Betriebsgefahr zugerechnet, weil das Risiko, das sich vorliegend verwirklicht hat, nicht in den Schutzbereich des § 7 StVG fällt. Erforderlich ist hierbei stets, dass es sich bei dem Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handelt, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll, d.h. die Schadensfolge muss in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden ist. Deshalb lässt sich nur im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände entscheiden, wann haftungsrechtlich nur noch die Funktion als Arbeitsmaschine in Frage steht. Dabei ist im vorliegenden Fall insbesondere auch zu berücksichtigen, dass die Straße, auf welcher sich der Traktor im maßgeblichen Zeitpunkt befunden hat, während des Unfallgeschehens für den allgemeinen Verkehr abgesperrt war und ein – ursprünglich vorgesehener – Abtransport des Baumes mit dem Traktor aufgrund der Stammlänge nicht möglich war, so dass der konkrete zum Unfall führende Einsatz des Traktors auf die Arbeitstätigkeit vor Ort beschränkt war. Hinzu kommt, dass der Schaden nicht unmittelbar durch den Einsatz des Traktors selbst, sondern erst nach seinem erfolglosen Versuch des Wegziehens bzw. Wegdrückens des Stammes durch die nachfolgende Sägetätigkeit des Antragstellers eingetreten ist. Demnach ergibt sich bei der notwendigen Gesamtbetrachtung, dass bei dem konkreten Einsatz des Traktors in Gestalt des Wegziehens bzw. Wegdrückens des Baumes die Funktion als Arbeitsmaschine im Vordergrund stand und der Schadensablauf nicht durch den Betrieb des Traktors als Kraftfahrzeug geprägt wurde…..“