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Der Kollege „Meisterbetrüger“

HammerIn manchen Verfahren geht es hoch her und da fällt auch sicher die ein oder andere Formulierung, die man hinterfragen kann/muss. So auch die Behauptung der gegnerischen Prozssbevollmächtigte sein ein „Meisterbetrüger“, aufgestellt in einem Schriftsatz, in dem es hieß:

„.. Zum fortgesetzten Prozeßbetrug der Beklagten und ihres Rechtsanwalts Y Die Beklagte und ihr Rechtsanwalt Y haben alle bundesdeutschen Gerichte, in welchen diese Rechtsstreite bislang verhandelt wurden seit 13 Jahren in allen entscheidungserheblichen Belangen, insbesondere aber betreffend die Kenntnis der Beklagten von der Höhe der Innenprovision und davon, dass diese Innenprovision ihren Darlehensnehmern gegenüber versteckt wurde, nach Strich und Faden belogen, wie die vom LG Frankfurt und vom LG Oldenburg durchgeführten Beweisaufnahmen ergeben haben. Inzwischen kann und darf jedermann auch öffentlich behaupten, daß die Beklagte – aber ebenso ihr Meisterbetrüger Y – die Gerichte über mehr als 10 Jahre lang belogen hat. Denn es ist eine wahre Tatsachenbehauptung….“

Das OLG Frankfrut hat dazu im OLG Frankfurt, Urt. v. 27.03.2014 · – 6 U 75/12 – festgestellt: Das geht gar nicht, denn:

Diese Äußerungen sind unzulässig, weil es sich um Schmähkritik des Klägers handelt, die nicht dem verfahrensrechtlichen Äußerungsprivileg unterfällt.

Eine Äußerung nimmt den Charakter einer stets unzulässigen Schmähung an, wenn in ihr nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person des Gegners im Vordergrund steht und sie jenseits polemischer und überspitzter Kritik in der Herabsetzung der Person des Gegners besteht (vgl. BGH MDR 2008, 332, Tz. 22 bei Juris mit weiteren Nachweisen).

Mit Rücksicht auf das verfassungsrechtliche Gebot der Meinungsfreiheit ist die Schmähung eng definiert. Es muss berücksichtigt werden, in welchem Kontext die Äußerung gefallen ist und ob sie für den Empfänger in den Rahmen einer sachthemenbezogenen Auseinandersetzung eingeordnet werden kann. Bei Äußerungen im Rahmen eines Gerichtsverfahrens muss ferner beachtet werden, dass allein die bloße „Unangemessenheit“ oder „Unnötigkeit“ für ein Verbot nicht ausreichend sein kann. Rechtsschutz gegenüber Prozessbehauptungen ist vielmehr nur gegeben, wenn die Unhaltbarkeit der Äußerung auf der Hand liegt oder sich ihre Mitteilung als missbräuchlich darstellt (vgl. BVerfG NJW 2013, 3021 Tz 15f. 20 „Winkeladvokatur“)

Hier ist die Grenze einer zulässigen sachbezogenen Auseinandersetzung im Rahmen gerichtlicher Auseinandersetzungen überschritten, weswegen die Äußerungen des Beklagten sowohl im Kontext der o. g. Schriftsätze als auch losgelöst davon als Schmähkritik zu bewerten sind.

Der Vorwurf, der Kläger betreibe „gewerblichen Prozessbetrug“ erweckt bei einem verständigen Leser den Eindruck, dass der Kläger nicht nur in den anhängigen Verfahren falsch vorträgt, sondern dass seine Berufsausübung auf betrügerisches Verhalten gegenüber den Gerichten ausgerichtet ist. Der Vorwurf richtet sich unmittelbar gegen den Kläger persönlich und nicht gegen seine Kanzlei. Soweit der Beklagte meint, die Aussage „gewerblich“ werde so verstanden, dass der Kläger jeweils lediglich in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit handle, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Der Vorwurf des „gewerblichen Prozessbetrugs“ ist so allgemein gehalten, dass er sich aus Sicht eines verständigen Lesers generell auf die Qualität und die Zielrichtung der beruflichen Tätigkeit des Klägers bezieht.

Unerheblich ist auch das Argument, der Leser werde die Aussage als konkreten Ausdruck der Intensität der Tatbegehung verstehen, da der Begriff des gewerbsmäßigen Betruges gesetzlich definiert sei (§ 263 Abs. 3 Nr. 1 StGB). Dabei übersieht der Beklagte bereits, dass er nicht diesen gesetzlichen Begriff sondern den des „gewerblichen“ Prozessbetrugs verwendet hat. Hinzu kommt, dass die in einem gerichtlichen Schriftsatz enthaltenen Äußerungen nicht nur vom Gericht und dem Prozessbevollmächtigten der Gegenseite gelesen werden, sondern auch noch zur Lektüre für die eigene Mandantschaft und den Prozessgegner, bei denen es sich in der Regel um juristische Laien handelt, bestimmt sind. Diesen ist der Begriff des gewerbsmäßigen Betrugs in aller Regel nicht geläufig.

Vor diesem Hintergrund ist es auch irrelevant, wenn der Beklagte meint, dem Kläger in Einzelfällen Prozessbetrug nachweisen zu können. Der erhobene Vorwurf des „gewerblichen Prozessbetruges“ hat mit sachlicher Auseinandersetzung und der Wahrung von Parteirechten nichts mehr zu tun (vgl. dazu OLG Hamburg NStZ-RR 1997, 103).

Gleiches gilt für den Vorwurf, der Antragsteller sei ein „Meisterbetrüger“. Auch hier handelt es sich ausschließlich um die pauschale Abwertung des Klägers durch den Vorwurf einer oder mehrerer betrügerischer Straftaten, die keinen sachbezogenen Zusammenhang mit der damaligen rechtlichen Auseinandersetzung hatte sondern ausschließlich das Ziel verfolgte, den Kläger in den Augen der Leser schlecht zu machen. Wenn sich der Beklagte in der Einspruchsschrift damit verteidigen will, er habe es – wertneutral – als Meisterleistung bezeichnen wollen, die Instanzgerichte und den Bundesgerichtshof „an der Nase herumzuführen“, so kann dies die beabsichtigte Diffamierung des Klägers nur verstärken.

Die in den oben genannten Schriftsätzen des Beklagten getätigten Äußerungen begründen eine Wiederholungsgefahr für weitere diffamierende Angriffe auf die Ehre des Antragstellers.“

Wenn einer eine Reise tut, oder: Ärger um Kinderlärm, Babyreihe, Erfrischungstuch und Doppel-/Einzelbett

Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Drum nähme ich den Stock und Hut und tät das Reisen wählen. “ so heißt es bei Matthias Claudius. Wenn man sich sich allerdings die Rechtsprechung zum Reiserecht aus der letzten Zeit ansieht, dann muss der Spruch an sich anders heißen bzw. man hat den Eindruck, dass besser passen würde „Wenn einer eine Reise tut, dann will er später klagen. Denn zu Hause ist dann später nichts mehr gut, was soll man dazu sagen“ (ich weiß: Reim dich oder ich fress dich). Aber jedenfalls eine Einleitung zu einer Rechtsprechungsübersicht bwz. einem „Rechtsprechungsspiegel“ zu „Reiseentscheidungen“ aus der letzten Zeit, und zwar:

  • AG Hannover, Urt. v. 11.07.2014 -558 C 2900/14, zum Kinderlärm im Urlaub als Reisemangel: Es wird in einem Hotel gebucht wurde, in dem die Gäste alle über 18 Jahre als sein sollen, man erfährt aber vor Anreise, dass das nicht der Fall ist, fährt trotzdem und beschwert sich dann über den Kinderlärm, obwohl es noch 280 € Ausgleichszahlung gegeben hat; für mich so nicht nachvollziehbar, die Klage, nicht die Klageabweisung;
  • AG München, Urt. v. 15.04.2014 – 182 C 1465/14 betreffend Schadensersatz wegen eines Ausrutschers am Pool, der verweigert wird, weil der Sturz des Urlaubers dem allgemeinen Lebensrisiko zuzuordnen sei; da kann man nur sagen: Füße hoch;
  • AG München, Urt. v. 16?.?06?.?2014? – 274 C ?14644?/?13?, bei dem es um ein Waschbecken am Boden ging bzw. um die (verneinte) Frage, ob ein Reiseveranstalter wegen eines Reisemangels haftet, wenn ein ursprünglich ordnungsgemäß angebrachtes Waschbecken aus der Wand bricht und dies nicht vorhersehbar und die Lockerung nicht erkennbar war,
  • OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 17.04.2014 – 16 U 75/13 mit der Aussage: Hat der Auftraggeber vor Buchung einer Reise bei einem Reiseveranstalter über ein Reisebüro unmittelbar bei dem ausführenden Luftfahrtunternehmen eine Flugsitzplatzreservierung in der Mutter-Kind-Reihe vorgenommen und scheitert diese, so ist dies dem Reiseveranstalter nicht zuzurechnen mit der Folge, dass ein Anspruch auf Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreude nicht besteht. Und: Nach Auffassung des OLG ist die Frage für einen durchschnittlichen Reisenden, der mit einem 1 1/2 jährigen Kind eine längere Flugreise unternimmt, nicht unzumutbar, einen Sitzplatz außerhalb einer sog. Babyreihe zu haben, die ohnehin die Ausnahme darstelle.
  • OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 16.04.2014 – 16 U 170/13, wonach eine allergische Reaktion auf Ausdünstungen von während eines Fluges verteilten Erfrischungstüchern eine typische, dem Luftverkehr eigentümliche Gefahr darstellt, so dass ein Schadensersatzanspruch auf der Grundlage von Art. 17 Abs. 1 MÜ i.V. mit § 253 Abs. 2 BGB besteht, der allerdings jedoch wegen Mitverschuldens der Geschädigten (um 1/4) zu kürzen ist, wenn diese um das Risiko wusste und der Verteilung der Tücher nicht lautstark Einhalt geboten hat.
  • und dann war da noch der Klassiker, nicht aus der letzten Zeit, aber immer wieder schön, nämlich das AG Mönchengladbach, Urt. v. 25.04.1991 -5A C 106/91, mit der interessanten Frage, ob es sich um einen Reisemangel handelt, wenn das Hotelzimmer mit zwei Einzelbetten statt dem gebuchten Doppelbett ausgestattet sind, wodurch – nach ihrem Vortrag – die Reiseteilnehmer in ihren „Schlaf- und Beischlafgewohnheiten“ empfindlich beeinträchtigt worden seien, und daraus dann, weil es so schön ist und zeigt, wie praxisnah doch Amtsgerichte entscheiden (können):

„Der Beklagten ist zuzugeben, daß hier leicht der Eindruck entstehen ko?nnte, die Klage sei nicht ernst gemeint. Die Zivilprozeßordnung sieht allerdings einen derartigen Fall nicht vor, so daß es hierfu?r auch keine gesetzlich vorgesehenen Konsequenzen gibt.Die Klage ist aber jedenfalls in der Sache nicht begru?ndet.

Der Kla?ger hat nicht na?her dargelegt, welche besonderen Beischlafgewohnheiten er hat, die festverbundene Doppelbetten voraussetzen. Dieser Punkt brauchte allerdings nicht aufgekla?rt werden, denn es kommt hier nicht auf spezielle Gewohnheiten des Kla?gers an, sondern darauf, ob die Betten fu?r einen durchschnittlichen Reisenden ungeeignet sind. Dies ist nicht der Fall. Dem Gericht sind mehrere allgemein bekannte und u?bliche Variationen der Ausfu?hrung des Beischlafs bekannt, die auf einem einzelnen Bett ausgeu?bt werden ko?nnen, und zwar durchaus zur Zufriedenheit aller Beteiligten. Es ist also ganz und gar nicht so, daß der Kla?ger seinen Urlaub ganz ohne das von ihm besonders angestrebte Intimleben hatte verbringen mu?ssen.

Aber selbst wenn man dem Kla?ger seine bestimmten Beischlafpraktiken zugesteht, die ein festverbundenes Doppelbett voraussetzen, liegt kein Reisemangel vor, denn der Mangel wa?re mit wenigen Handgriffen selbst zu beseitigen gewesen. Wenn ein Mangel na?mlich leicht abgestellt werden kann, dann ist dies auch dem Reisenden selbst zuzumuten mit der Folge, daß sich der Reisepreis nicht mindert und daß auch Schadensersatzanspru?che nicht bestehen.

Der Kla?ger hat ein Foto der Betten vorgelegt. Auf diesem Foto ist zu erkennen, daß die Matratzen auf einem stabilen Rahmen liegen, der offensichtlich aus Metall ist. Es ha?tte nur weniger Handgriffe bedurft und wa?re in wenigen Minuten zu erledigen gewesen, die beiden Metallrahmen durch eine feste Schnur miteinander zu verbinden. Es mag nun sein, daß der Kla?ger etwas derartiges nicht dabei hatte. Eine Schnur ist aber fu?r wenig Geld schnell zu besorgen. Bis zur Beschaffung dieser Schnur ha?tte sich der Kla?ger beispielsweise seines Hosengu?rtels bedienen ko?nnen, denn dieser wurde in seiner urspru?nglichen Funktion in dem Augenblick sicher nicht beno?tigt.“

Eine bunte Mischung, bei der man sich wirklich an der ein oder anderen Stelle fragt: Ernst gemeint? Offenbar ja, denn sonst würde man ja wohl nicht geklagt haben.

Urteil ohne Gründe?

© M. Schuppich - Fotolia.com

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Ein Urteil ohne Gründe? Gibt es das? Nun, ja, das gibt es (teilweise), aber nur ausnahmsweise in den Fällen des § 267 Abs. 4 StPO oder des § 77b OWiG. Um einen solchen Fall handelte sich allerdings bei dem OLG Frankfurt im OLG Frankfurt, Beschl. v. 07.07.2014 – 2 Ss OWi 600/14 – entschiedenen Fall wohl nicht, jedenfalls ergeben sich aus dem Beschluss dafür keine Anhaltspunkte. Offenbar hatte der Amtsrichter da die Begründung seines Urteils wohl nur vergessen (?). Tja, und das war es dann, denn, das gibt es schon gar nicht, wenn Rechtsmittel eingelegt sind:

„Das Urteil unterliegt auf die Sachrüge hin der Aufhebung, weil es keine Gründe enthält und daher nicht geprüft werden kann, ob dem Tatrichter bei einer Entscheidung Rechtsfehler unterlaufen sind (vgl. BGHR StPO § 338 Nr. 7 Entscheidungsgründe 2; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. u.a. die Beschlüsse vom 29. Oktober 2009 — 2 Ss-OWI 493/09- und vom 25. Februar 2010 — 2 Ss-OWi 92/10).“

Für die Rechtsbeschwerde des Betroffenen ein schöner Erfolg, denn die Aufhebung bringt zumindest Zeitgewinn, der für die Frage des Absehens vom Fahrverbot von Bedeutung sein kann. Und einen neuen Richter gibt es auch, da das OLG an „eine andere Abteilung“ des AG zurückverwiesen hat (aus welchen Gründen auch immer, denn üblich ist das nicht).

Nettostraferwartung – darauf kommt es an

entnommen wikimedia.org Urheber Robb at de.wikipedia

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Nichts wesentlich Neues bringt der OLG Frankfurt, Beschl. v. 03.01.2014 – 1 Ws 206/13. Eines Hinweises wert ist die Entscheidung aber deshalb, weil sie die bei der Anordnung und Aufrechterhaltung eines Haftbefehls für die Beurteilung der Fluchtgefahr zu beachtenden Umstände noch einmal ins Gedächtnis ruft (vgl. dazu eingehend Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 6. Aufl., 2013, Rn. 2557 ff. m.w.N. aus der Rechtsprechung). Dabei ist die Straferwartung ein (maßgebliches) Kriterium, aber sie allein kann die Fluchtgefahr i.d.R. nicht begründen. Daneben sind auch alle anderen Umstände von Bedeutung und abzuwägen, wie z.B. in der Entscheidung das hohe Alter der Angeklagte. Und das OLG weist eben noch einmal darauf hin, dass bei der Ermittlung der vom Beschuldigten/Angeklagten noch zu erwartenden Strafe von der sog. Nettostraferwartung auszugehen ist:

„Auch der Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO, auf welchen die Strafkammer die Aufrechterhaltung des Haftbefehls stützt, liegt nicht mehr vor. Fluchtgefahr besteht, wenn die Würdigung der Umstände des Falles es wahrscheinlicher macht, dass sich der Beschuldigte dem Strafverfahren entziehen, als dass er sich ihm zur Verfügung halten werde (vgl. Meyer-Goßner a. a. O., § 112 Rdnr. 17). Die nichtrechtskräftige Verurteilung der Angeklagten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten bietet aber unter Anrechnung der bisher – vom 14.09.2011 bis zum 12.11.2013 – erlittenen Untersuchungshaft von ca. 26 Monaten sowie der nach dem Urteil vom 12.11.2013 anzurechnenden Auslieferungshaftzeiten – vom 16.01.2000 bis zum 22.03.2000 und vom 30.10.2007 bis zum 28.11.2007 – von insgesamt ca. 3 Monaten keinen erheblichen Anreiz mehr, sich dem weiteren Fortgang des Strafverfahrens einschließlich der Strafvollstreckung nicht zur Verfügung zu halten. Bei der Frage der Straferwartung kommt es auf den tatsächlich zu erwartenden Freiheitsentzug an; zu berücksichtigen ist daher, dass die Untersuchungshaft angerechnet wird und ob die Angeklagte mit einer Aussetzung eines Strafrestes zur Bewährung nach § 57 StGB rechnen kann (vgl. Meyer-Goßner a. a. O. Rdnr. 23 m. w. N.). Maßgeblich für die Bewertung des Fluchtanreizes ist damit die Netto-Straferwartung. Die Angeklagte hat aber vorliegend keine weitere Strafvollstreckung mehr zu erwarten. Aufgrund der bisher erlittenen Untersuchungs- und Auslieferungshaft, welche anzurechnen sind hat die Angeklagte bereits ca. 2 Jahre und 5 Monate der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe verbüßt, so dass lediglich noch ca. 1 Jahr und 1 Monat der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe offen stehen. Diese sind nach derzeitigem Sachstand aber bei der Nettostraferwartung nicht zu berücksichtigen, da die Angeklagte hiernach mit einer Aussetzung des Strafrestes nach § 57 Abs. 1 StGB rechnen kann. Der hiermit maßgebliche 2/3-Zeitpunkt – welcher bei einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten nach einer Verbüßung von 2 Jahren und 4 Monaten erreicht ist – bezogen auf die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe ist aber bereits um einen Monat überschritten. Es ist derzeit auch nicht ersichtlich, dass die zwischenzeitlich fast 80 Jahre alte Angeklagte – hinsichtlich derer bei der Entscheidung nach § 57 Abs. 1 StGB auch zu berücksichtigen sein wird, dass die letzte ihr vorgeworfene Tat vom …19… (Tat zu Ziffer 4. der Anklageschrift vom 24.10.2011) bereits über 35 Jahre zurückliegt – nicht mit einer Reststrafenaussetzung rechnen könnte. Auch die in der Anklageschrift aufgeführte Verurteilung in Land1 im Jahre 19… wegen des Besitzes von Kriegswaffen und Sprengstoff (Tatzeit August 197…) rechtfertigt insoweit keine maßgeblich abweichende Bewertung. In Deutschland ist die Angeklagte nicht vorbestraft.“

OLG Frankfurt: Wir können nun wirklich kein RVG, oder: Man kann kein RVG

© J.J.Brown - Fotolia.com

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Der Kollege Löwenstein aus Baunatal hat mir gestern den OLG Frankfurt, Beschl. v. 06.05.2014 – 3 Ws 379-380/14 – übersandt mit folgender Anfrage bzw. folgendem Anschreiben:

„Sehr geehrter Herr Kollege Burhoff,

den anliegenden Beschluß des OLG Frankfurt übersende ich Ihnen zur Kenntnisnahme. Das OLG hat eine Pflichtverteidigerauswechslung im Strafvollstreckungsverfahren mit der Begründung abgelehnt, für den neuen Pflichtverteidiger entstünde die Grundgebühr erneut.

Habe ich eine Entwicklung verpaßt? Seit wann fällt die Grundgebühr im Strafvollstreckungsverfahren an? Hat sich durch das RVG-Reformgesetz zum 01.08.2013 etwas geändert oder Senat sich geirrt?§

Nun, die Frage beantwortet sich schnell/einfach. Der Kollege hat nichts übersehen. Der Senat hat sich – gelinde ausgedrückt – geirrt – oder etwas drastischer: Er hat keine Ahnung von Gebühren. Denn: Im Strafvollstreckungsverfahren entsteht keine Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG. Das ergibt sich aus dem Gesetz – die Nr. 4100 VV RVG steht in Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG. Eine analoge Anwendung wird allgemeine – zutreffend – abgelehnt; KG RVGreport 2008, 463 = RVGprofessionell 2008, 212 = NStZ-RR 2009, 31 = JurBüro 2009, 83 = StRR 2009, 156 und OLG Schleswig RVGreport 2005, 70 = AGS 2005, 120 = JurBüro 2005, 252 = StV 2006, 206 und LG Berlin, AGS 2007, 562 = StRR 2007, 280 lassen grüßen. Steht auch in jedem Kommentar. Die vom OLG angeführte Stelle betrifft eine andere Fallgestaltung.

Was ich mich bei solchen schlicht falschen Entscheidungen immer frage: Kann man nicht oder will man nicht? Zu Gunsten des OLG entscheide ich mich für die erste Alternative. Ist schon schlimm genug. Die zweite Alternative wäre schlimmer.