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OWi I: Unklare/widersprüchliche Feststellungen, oder: Keine Bezugnahme auf ein Messvideo

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Und heute dann ein paar OWi-Entscheidungen. Alles nichts Weltbewegendes, sondern alles Fragen, zu den bereits mehrfach bzw. oft Stellung genommen worden ist. Ist im Moment im OWi-Bereich leider so. Richtige Knaller gibt es nicht. Es ist alles schon zig-mal durchgekaut.

Hier dann zunächst der OLG Celle, beschl. v. 14.10.2024 – 3 ORbs 117/24 – zu den Urteilsgründen bei einer Verurteilung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung. Das OLG hat das AG-Urteil – auch auf Antrag der GStA – aufgehoben, weil die Feststellungen widersprüchlich und lückenhaft waren:

„Der Rechtsbeschwerde konnte ein zumindest vorläufiger Erfolg in der Sache nicht versagt bleiben. Die Generalstaatsanwaltschaft hat im Rahmen ihrer Zuschrift hierzu ausgeführt:

„Die zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen dieses Urteil hat bereits mit der erhobenen Sachrüge Erfolg. Auf die darüber hinaus erhobene Verfahrensrüge kommt es daher nicht an.

Die Beweiswürdigung des Amtsgerichts ist unklar und widersprüchlich. Während die Höchstgeschwindigkeit den Feststellungen (UA S, 3) zufolge mittels Verkehrsbeeinflussungsanlagen auf 80 km/h beschränkt war, ist den Ausführungen zur Beweiswürdigung (UA S. 4) zu entnehmen, dass der Zeuge pp. bekundet habe, die Höchstgeschwindigkeit sei auf 100 km/h beschränkt gewesen. Ob es sich hierbei um ein bloßes Schreibversehen handelt, ist den Urteilsgründen auch im Gesamtzusammenhang nicht zu entnehmen. Das Messvideo kann hierzu ebenfalls nicht herangezogen werden, weil es insoweit an einer wirksamen Bezugnahme nach §§ 267 Abs. 1 S. 3 StPO, 46 Abs. 1 OWiG fehlt (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 07.04.2022 — 2 Ss (OWi) 49/22 -, juris Rn. 8).“

Dem tritt der Senat bei.“

Das ist übrigens kein „vorläufiger“ Erfolg, sondern in diesem Rechtsgang ein „endgültiger“.

Vergleichsmaßstab, Staatsschutz, Existenzgefährdung, oder: Ausreichende Begründung des „Pauschiantrags“

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Und hier im zweiten Posting dann drei OLG-Entscheidungen, in denen Pauschvergütungen nach § 51 RVG bewilligt worden sind. Das ist ja zumindest schon mal erfreulich. Über deren Höhe wird man allerdings streiten können.

Es handelt sich um folgende Entscheidungen, von denen ich allerdings nur die Leitsätze einstelle:

1. Der Vergleichsmaßstab für die Prüfung eines besonderen Verfahrensumfangs gemäß § 51 RVG ist ausnahmsweise ein durchschnittliches Verfahren aus dem gesamten Spektrum aller erstinstanzlichen Verfahren, wenn ein Staatsschutzverfahren bereits im ersten Hauptverhandlungstermin eingestellt worden ist.

2. Zur Erforderlichkeit einer (ausreichenden) Begründung des Pauschgebührantrags.

1. Zur Beurteilung von besonderem Umfang und besonderen Schwierigkeit in einem Staats-schutzverfahren.

2. Macht der Pflichtverteidiger im Hinblick auf die Gewährung einer Pauschgebühr eine wirt-schaftliche Existenzgefährdung geltend, muss er zu den konkreten Auswirkungen des Verfah-rens auf seinen Kanzleibetrieb nachvollziehbar vortragen.

1. Die Bewilligung einer Pauschgebühr stellt eine Ausnahme dar; die anwaltliche Mühewaltung muss sich von sonstigen – auch überdurchschnittlichen Sachen – in exorbitanter Weise abheben.

2. Zur besonderen Schwierigkeit eines Strafverfahrens, das wegen der aufgeworfenen Rechtsfragen insbesondere zur Verwertbarkeit sowie der tatsächlichen, durch Sachverständigengutachten zu bewertenden Umstände auch besonders schwierig war.

3. Bei der Zuerkennung einer Pauschgebühr hat sich das OLG – vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalles – grundsätzlich an den Höchstgebühren, die ein Wahlverteidiger für den entsprechenden Verfahrensabschnitt geltend machen könnte, zu orientieren.

Folgendes ist anzumerken:

Ob das OLG Celle richtig liegt, kann man m.E. bezweifeln. Maßgeblich sind für eine Pauschgebühr doch die Umstände des jeweiligen Verfahrens. Die sind maßgeblich und nicht irgendwelche anderen Staatsschutzverfahren. Damit hat hier zwar nur ein Hauptver-handlungstermin stattgefunden. Aber das reduziert doch die grundsätzliche Einarbei-tungszeit des Pflichtverteidigers nicht. Daher passt die Argumentation, worauf in anderen „Staatsschutzverfahren“ abgestellt wird, nicht.

Ob die Entscheidung des OLG München richtig ist, kann man – wie leider so oft – ohne genaue(re) Kenntnis der konkreten Umstände des Verfahrens nicht beurteilen. Für mich nicht verständlich ist allerdings, warum das OLG nicht eingehender zur Frage der Gewährung einer Pauschgebühr für Sitzungstage, an denen nicht der Pflichtverteidiger, sondern andere Rechtsanwälte teilgenommen hatten, Stellung nimmt. Die angeführte Begründung, ein Son-deropfer sei hier weder in der Person des Pflichtverteidigers, noch in den Personen der ande-ren Rechtsanwälte erkennbar, ist nichts sagend und lässt m.E. die Einzelheiten außer Betracht. Dies gilt um so mehr, weil ja aufgrund der Abtretung etwaiger Gebührenansprüche der Vertre-ter an den Pflichtverteidiger dieser im Zweifel die Terminsgebühren, um die es geht, als gesetz-liche Gebühren geltend gemacht hat und sich nun auf die Pauschgebühr anrechnen lassen muss, ohne dass die fraglichen Termine in die Berechnung der Pauschgebühr einfließen.

Auch OLG Schleswig lässt sich nicht abschließend beurteilen, da sich im Grunde überhaupt keine Einzelheiten des Verfahrens aus dem Beschluss entnehmen lassen.

Zutreffend ist es allerdings, wenn das OLG Celle und das OLG München auf eine ausreichende(re) Begründung des Pauschgebührantrags abstellen. Ohne die geht es nicht. Das ist übrigens ja auch in dem OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 02.07.2024 – 2 ARs 12/24 – und dem dazu ergangenen BVerfG, Beschl. v. 08.08.2024 – 1 BvR 1680/24 -, die ich heute morgen vorgestellt habe (vgl. Keine Pauschgebühr für den entbundenen Pflichti?, oder: OLG Frankfurt und BVerfG irren mal wieder) angeklungen.

 

 

Haft I: Verspätete Vorführung ==> Aufhebung des HB?, oder: Zwar rechtwidrig, aber Aufhebung nicht zwingend

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Urheber Sebastian Terfloth User:Sese_Ingolstadt

Heute gibt es hier dann einen Hafttag.

Den beginne ich mit dem OLG Celle, Beschl. v. 26.09.2024 – 2 Ws 257/24 – zur Frage, ob die verspätete Vorführung eines Beschuldigten (§ 115 StPO) zur Aufhebung des Haftbefehls führt. Die Frage ist ja in Rechtsprechung und Literatur nicht unstreitig. Das OLG sagt: Das ist nicht zwingend. Es hat seine Auffassung umfangreich begründet. Ich verweise wegen der Einzelheiten auf den verlinkten Beschluss. Hier stelle ich nur den Leitsatz ein. Der lautet:

Die gegen §§ 115 Abs. 1 und 2, 115a Abs. 1 StPO verstoßende Vorführung des auf Grund eines bestehenden Haftbefehls vorläufig festgenommenen Beschuldigten vor das ortsnächste Amtsgericht anstelle des zuständigen Gerichts sowie die anschließende Unterlassung der vom Beschuldigten beantragten und nach § 115a Abs. 3 StPO gebotenen unverzüglichen Vorführung vor das zuständige Gericht und ihre Nachholung erst nach längerer Zeit (hier: über 2 Monate) führen nicht zwingend zur Aufhebung des Haftbefehls. Je nach Lage des Einzelfalls kann es bei fortbestehendem dringenden Tatverdacht, weiterhin anzunehmendem Haftgrund und Verhältnismäßigkeit im Übrigen ausreichen, die Rechtswidrigkeit der vom Beschuldigten seit der Verhaftung bis zur Nachholung der Vorführung vor das zuständige Gericht erlittenen Untersuchungshaft festzustellen und die vorausgegangenen Verfahrensverstöße durch die nachgeholte Vorführung für die Zukunft als geheilt anzusehen.

StGB III: Vertretung mehrerer Gläubiger im InsolvenzV, oder: Parteiverrat wegen widerstreitender Interessen

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Und dann zum Schluss des Tages noch den OLG Celle, Beschl. v. 02.10.2024 – 3 ORs 18/24 – zum Parteiverrat nach § 356 StGB.

Dazu folgender Sachverhalt:  Das AG und das LG haben den Angeklagten wegen Parteiverrat (§ 356 StGB) verurteilt. Der Angeklagte war als Rechtsanwalt damit beauftragt, in einem eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der T. P. GmbH die Interessen der Gläubigerinnen M. H. GmbH und M. P. GmbH & Co. KG zu vertreten und deren Forderungen durchzusetzen. Der Angeklagte gewann den Eindruck, dass der Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin der Insolvenzmasse Vermögensteile vorenthielt und dass der vorläufige Insolvenzverwalter und der vorläufige Gläubigerausschuss ihre Funktionen nicht ordnungsgemäß ausübten. Der Angeklagte wollte deshalb in der anberaumten Gläubigerversammlung eine Neubesetzung des Gläubigerausschusses erreichen. Um über die dafür notwendige Anzahl an Stimmen zu verfügen, benötigte der Angeklagte Vollmachten von weiteren Gläubigern. Diese wurden erteilt.

Der Angeklagte teilte dem AG seine Teilnahme an der Gläubigerversammlung als Vertreter von insgesamt sieben Gläubigern, darunter die M. H. GmbH, die M. P. GmbH & Co. KG sowie die Gläubiger J. und K., an und fügte als Anhang die Dateien der unterschriebenen Vollmachten bei. Im Prüfungsteil der Gläubigerversammlung bestritt der Angeklagte für die M. P. GmbH & Co. KG diverse angemeldete Forderungen. Darunter befanden sich auch die Forderungen des Gläubigers K. in Höhe von insgesamt 56.031,29 EUR und des Gläubigers J. in Höhe von insgesamt 60.834,01 EUR. Der Insolvenzverwalter hatte die Hauptforderungen K. und J. nicht bestritten. Ohne die Handlung des Angeklagten wären die Hauptforderungen der Gläubiger K. und J. in die Insolvenztabelle aufgenommen worden und diese hätten insoweit Zahlungstitel erlangt. Die Revision gegen das Berufungsurteil des LG war erfolgreich.

Ich stelle hier nur die Leitsätze des OLG ein. Wegen der Einzelheiten verweise ich auf den recht umfangreich begründeten Beschluss des OLG. Also:

1. Zwar beurteilen sich die anvertrauten Interessen im Sinne von § 356 Abs. 1 StGB nach dem Inhalt des dem Rechtsanwalt erteilten Auftrags, der maßgeblich vom Willen der Partei gestaltet wird. Beruhen die Feststellungen hierzu aber auf einer Beweiswürdigung, die einseitig auf die Sichtweise der Auftraggeber abstellt, kann dies rechtsfehlerhaft sein. Denn das Anvertrautsein einer Angelegenheit erfordert auch die Annahme des Auftrags durch den Rechtsanwalt, wobei diese ausdrücklich oder durch schlüssige Erklärung erfolgen kann.

2. Vertritt ein Rechtsanwalt mehrere Gläubiger und bevorzugt, nachdem ein Interessenkonflikt zwischen ihnen zu Tage getreten ist, einen der Gläubiger vor den anderen, so scheidet eine rechtfertigende Pflichtenkollision aus. Denn darin läge ein Wertungswiderspruch zu Sinn und Zweck des § 356 Abs. 1 StGB, der das Vertrauen der Allgemeinheit in die Zuverlässigkeit und Integrität der Rechtsanwaltschaft schützt. Außerdem bestehen bei einer solchen Sachlage keine gleichrangingen Pflichten gegenüber verschiedenen Mandanten; vielmehr hat die Pflicht zur Niederlegung aller Mandate Vorrang.

 

Versicherungsfall Vandalismus und Kaskoversicherung, oder: Verteilung der Beweislast

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Heute dann mal wieder Verkehrszivilrecht, und zwar Versicherungsrecht. Ich stelle zwei Entscheidungen zum Vandalismusschaden in der Kaskoversicherung vor.

Ich beginne mit dem OLG Celle, Urt. v. 08.08.2024 – 11 U 64/23 -, dem folgenden Sachverhalt zugrunde liegt: Der Kläger verlangt eine Entschädigungsleistung aus der Kaskoversicherung wegen der Beschädigung seines Fahrzeuges in Form eines „Vandalismusschadens“. Unbekannte Täter sollen das abgestellte und ordnungsgemäß verschlossene Fahrzeug von außen rundherum mit entsprechenden Kratzspuren böswillig beschädigt haben. Der Versicherer hatte dagegen den Einwand erhoben, dass diese Kratzspuren, die sich nur auf einzelnen Fahrzeugteilen wiederfinden und an der Oberfläche verbleiben, als Grundlage für eine gewinnbringende fiktive Abrechnung vom Kläger selber herbeigeführt worden wären. Nach einer durchgeführten Beweisaufnahme hat sich herausgestellt, dass die im hinteren Bereich des Fahrzeuges vorhandene Kratzspur im Bereich des hinteren Stoßfängers nur entstanden sein kann, wenn die Heckklappe des Fahrzeuges auch geöffnet gewesen ist.

Vor diesem Hintergrund haben das LG wie auch das OLG die Leistungsklage des Klägers abgewiesen:

„Zur Herstellung der Entscheidungsreife hat der Senat den Sachverhalt, wie bereits im Beweisbeschluss vom 1. November 2023 begründet, weiter aufklären müssen, weil das Landgericht von einer unzutreffenden Verteilung der Beweislast ausgegangen ist. Nach der vom Senat durchgeführten Erweiterung der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger oder sein Sohn oder eine von einem von beiden beauftragte dritte Person den erheblichen Lackschaden an dem Audi A 8 herbeiführte, um sich die streitgegenständliche Versicherungsleistung rechtswidrig zu erschleichen. Wegen dieses betrügerischen Verhaltens besteht nach Maßgabe sowohl der Regelung A.2.3.3 der zwischen den Parteien vereinbarten Versicherungsbedingungen (AKB) als auch nach § 81 VVG kein Anspruch auf die Klageforderung.

1. Soweit es um eine Anspruchsentstehung gemäß A.2.3.3 der AKB der Beklagten geht, also wegen einer mut- oder böswilligen Beschädigung des Fahrzeugs durch „Personen, die nicht berechtigt [waren], das Fahrzeug zu gebrauchen“, muss allerdings keineswegs allein der Versicherungsnehmer alle Anspruchsvoraussetzungen beweisen.

a) Vielmehr ist nach Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu unterscheiden: Die (bös- oder) mutwillige Zerstörung oder Beschädigung des versicherten Kraftfahrzeugs als Anspruchsvoraussetzung hat grundsätzlich der Versicherungsnehmer zu beweisen. Allerdings wird es dieses Beweises zumeist nicht bedürfen, weil das versicherte Objekt zur Feststellung, ob der Versicherungsfall eingetreten ist, besichtigt werden kann (BGH, Urteil vom 25. Juni 1997 – IV ZR 245/96, juris Rn. 7; vgl. auch Prölss/Martin/Klimke, WG, 31. Aufl., AKB 2015 A.2.2.2.3, Rn. 38 m.w.N.). Demgegenüber hat der Versicherer – und zwar ohne jede Beweiserleichterung – den Beweis zu führen, dass die Schäden nicht auf ein Verhalten Dritter zurückzuführen sind und dass die erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung von Vandalismus durch betriebsfremde Personen gegeben ist (BGH, a.a.O. Rn. 8).

b) Dem Senat ist bewusst, dass es mehrere obergerichtliche Urteile sowie auch aktuelle Kommentierungen gibt, die jedenfalls im praktischen Ergebnis – wie auch das hier angefochtene Urteil – bedeuten, dass den Versicherungsfall des Vandalismus der Versicherungsnehmer zu beweisen habe. Dieses Ergebnis beruht darauf, dass die betreffenden Gerichte die Böswilligkeit oder Mutwilligkeit der Schadensentstehung immer dann ausschließen, wenn es erhebliche Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Versicherungsnehmer oder sein Repräsentant die Schäden selbst verursacht hat. Dieser Rückschluss („selbst verursachter Schaden schließt Mutwilligkeit aus“) findet sich etwa in den (auch von der Beklagten in ihrer Klageerwiderung zitierten) Urteilen des Oberlandesgerichts Köln vom 13. Dezember 2011 (9 U 83/11, juris Rn. 14) und vom 13. August 2013 (9 U 96/13, juris Rn. 5), überdies – besonders deutlich („[..1 der Kläger daher allein mit dem äußeren Schadensbild den von ihm zu führenden Vollbeweis für eine mut- oder böswillige Beschädigung durch unberechtigte Personen nicht erbracht hat […]“) – in dem Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 8. August 2017 (7 U 24/17, juris Rn. 28) und auch ausdrücklich etwa in der Kommentierung bei Stiefel/Maier/Stadler (Kraftfahrtversicherung, 19. Aufl., AKB 2015 A.2.2.2.3. Rn. 386).

Damit wird der grundlegende Inhalt des im Vorstehenden zitierten höchstrichterlichen Urteils jedoch geradezu in sein Gegenteil verkehrt. Das Tatbestandsmerkmal „Schadensverursachung durch eine betriebsfremde Person“, das nach Maßgabe jenes höchstrichterlichen Urteils der Versicherer im Wege des Vollbeweises zu widerlegen hat, wird gleichsam zum Untermerkmal des Tatbestandsmerkmals „bös- oder mutwillig“ umgedeutet und dem Versicherungsnehmer wird – entgegen dem zitierten höchst-richterlichen Urteil – der Beweis dafür abverlangt, dass der Schadenverursacher betriebsfremd war. Der Bundesgerichtshof hat dem Tatbestandsmerkmal der Bös- oder Mutwilligkeit in der zitierten Entscheidung indes gerade keine besondere eigene Be-deutung beigemessen, sondern eher knapp ausgeführt, dass der Fall der mutwilligen Zerstörung (schon) nach dem unstreitigen Sachverhalt feststehe, der dadurch gekennzeichnet war (a.a.O. Rn. 3, 10), dass das Fahrzeug „in der Nähe eines Baggerlochs“ mit „massiven Beulen und Schlagspuren“, die „offensichtlich auf Hammerschlägen beruhten“, aufgefunden wurde; Sitze und Kopfstützen waren zerschnitten. Der Innenraum des Fahrzeugs war mit dem gleichen Sprühlack verschmiert, mit dem ein beleidigender Schriftzug aufgebracht war. Das äußere Bild einer letztlich objektiv sinnlosen vorsätzlichen Beschädigung oder Zerstörung – landläufig „Vandalismus“ genannt -genügte mithin; eines vom Versicherungsnehmer zu erbringenden weiteren Beweises bedurfte es nicht, wiewohl sich auch im dortigen Fall nicht von vornherein sicher aus-schließen ließ, dass der Versicherungsnehmer oder die zwischenzeitlichen Käufer des Fahrzeugs den Schaden verursacht hatten. Den Beweis, dass diese Zerstörung nicht durch „betriebsfremde“ Personen verursacht worden war, erlegte der Bundesgerichtshof dem Versicherer auf (in diesem Sinne auch instruktiv OLG Naumburg, Urteil vom 21. November 2013 – 4 U 237/13, juris 13; OLG Saarbrücken, Urteil vom 11. Dezember 2020 – 5 U 820, juris Rn. 22; Stiefel/Meyer/Stadler, a.a.O Rn. 387).

2. Übertragen auf den vorliegenden Fall folgt daraus, dass zunächst auf der Grundlage des unstreitigen Schadensbildes das Vorliegen eines bös- und mutwilligen Handelns festgestellt werden kann, weil das Schadensbild nur durch eine jedenfalls objektiv sinnlose und vorsätzliche Beschädigung erklärt werden kann (vgl. auch erneut OLG Naumburg, a.a.O. Rn. 11), die insbesondere auch nicht im Zusammenhang mit einem etwaigen Aufbruchsversuch stand (vgl. zu dieser Abgrenzung gegenüber Mutwilligkeit Bruck/Möller/Koch, VVG, 9. Aufl., A.2 Kaskoversicherung, Rn. 333; OLG Frankfurt, Urteil vom 8. Januar 1988 – 1 U 208/86, VersR 1988, 1122). Die Beklagte muss indes den Beweis erbringen, dass die Schäden an dem versicherten Fahrzeug von dem Kläger, seinem Sohn oder einer von ihm beauftragten dritten Person verursacht wurden, mithin nicht von einem Unbekannten, der im Sinne von A.2.3.3 AKB nicht zum Gebrauch des versicherten Fahrzeugs berechtigt war.

3. Im Übrigen kommt neben der vom Landgericht in Betracht gezogenen Anspruchsgrundlage eine weitere in Betracht. Die nach Maßgabe des äußeren Bildes der Beschädigungen anzunehmende Einwirkung mit einem oder mehreren Gegen-ständen auf das versicherte Fahrzeug stellten auch einen Unfall im Sinne von A.2.3.2. Abs. 1 AKB dar, nämlich ein von außen her auf das Fahrzeug plötzlich mit mechanischer Gewalt einwirkendes Ereignis (vgl. BGH, a.a.O. Rn. 10). Auch gegen unfallbedingte Zerstörungen und Beschädigungen war das in Rede stehende Fahrzeug versichert. Jedenfalls für dieses versicherte Risiko bestimmt das Gesetz selbst, nämlich § 81 VVG, ausdrücklich, dass den Versicherer die Beweislast für die Richtigkeit seiner Behauptung trifft, dass der Versicherungsnehmer den Schadensfall vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt habe. Auch in diesem rechtlichen Rahmen muss daher die Beklagte ihre Behauptung beweisen, dass der Sohn des Klägers der Urheber der Schäden gewesen sei.

Es entstünde ein Wertungswiderspruch, wenn die Beweislast bei der Prüfung der Vor-aussetzungen gemäß A.2.3.3 AKB („Vandalismusschäden“) anders als vom Senat beurteilt würde.

4. Das Ergebnis der vom Senat aufgrund dieser rechtlichen Beurteilung erweiterten Beweisaufnahme ist allerdings eindeutig. Der – als solcher unstreitige – Vandalismusschaden kann nur durch eine Person verursacht worden sein, die berechtigten Zugriff auf das Fahrzeug hatte. Die Beklagte hat folglich den ihr obliegenden Beweis erbracht. Denn bei der Erzeugung der um das ganze Fahrzeug umlaufend angebrachten Kratzspur muss die Heckklappe des Fahrzeugs offen gestanden haben. Ein – wenn auch kleiner – Abschnitt der Kratzspur befindet sich nämlich auf der Oberseite des Heckstoßfängers in einem Bereich, der sich mit jedwedem zur Erzeugung der Kratzspur geeigneten Werkzeug nur erreichen lässt, wenn die Hackklappe geöffnet ist.

…..“