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Wiederholungsgefahr bei Beutewert von 700 bzw. 1.300 €?

Der Haftgrund der Wiederholungsgefahr  i.S. des § 112a StPO spielt in der Praxis zunehmend eine Rolle. Das zeigt die zunehmende Zahl der dazu veröffentlichten Entscheidungen, die sich i.d.R. mit der Problematik der erforderlichen „schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechtsordnung“ befassen. Das wird manchmal vorschnell bejaht und der subsidiäre Haftgrund des § 112a StPO angenommen.

Mit der Frage musste sich auch das OLG Braunschweig, Beschl. v. 07.11.2011 – Ws 316/11 befassen, der in einem Verfahren ergangen ist, in dem dem Beschuldigten der Diebstahl von zwei Fahrrädern zur Last gelegt wurde. Das OLG hat den amtsgerichtlichen Haftbefehl aufgehoben:

Im konkreten Fall gibt es zwar keinen Anlass, das Verhalten des Angeschuldigten zu bagatellisieren. Von der geforder­ten schwerwiegende Beeinträchtigung der Rechtsordnung kann aber trotz der ein­schlägigen Vorstrafen des Angeschuldigten bei beiden Vorwürfen nicht ausge­gangen werden: So verleiht zunächst der Wert der entwendeten Fahrräder von 700,00 € (Tat Nr. 1) und 1.300,00 € (Tat Nr. 2) den jeweiligen Taten nicht die Be­deutung überdurchschnittlicher Vergehen des Diebstahls im besonders schweren Fall. Obgleich dies nicht auf einem freiwilligen Willensentschluss des Angeschul­digten beruhte, werden beide Taten außerdem durch den strafmildernden Um­stand geprägt, dass die Geschädigten die entwendeten Fahrräder jeweils noch am selben Tag zurückerhalten haben…“

Einschränkende Pflichtverteidigerbestellung – zulässig?

Die Antwort auf die Frage gibt u.a. das OLG Braunschweig, Beschl. v. 09.06.2011 – Ws 126/11: Ja, aber nur…

Ist ein wenig komplizierter das Ganze – und es geht auch um Gebühren. Zulässig ist die einschränkende Bestellung, wenn der Pflichtenkreis des Rechtsanwalts gegenständlich beschränkt wird (s.o z.B. nur Bestellung für eine mündliche Haftprüfung usw.). Diese Beschränkung ist dann bei der Vergütungsfestsetzung zu beachten und für die Staatskasse bindend. Dann werden auch nur die Gebühren festgesetzt, die dem Umfang der Bestellung entsprechen.

Grundsätzlich unzulässig ist hingegen die Beschränkung des Gebührenerstattungsanspruchs im Bestellungsbeschluss, etwa dahin, dass sich der Rechtsanwalt Gebühren, die ein bereits vorher beigeordneter Pflichtverteidiger erhält anrechnen lassen muss. Unzulässig und bei der Festsetzung unbeachtlich, weil diese Einschränkung gesetzlich nicht vorgesehen ist. Das „Aber“ in der o.a. Anwort beruht u.a.  darauf, dass „aber“ der Pflichtverteidiger sein Einverständnis erklären kann. Denn das OLG Braunschweig geht in dem Zusammenhang mit der h.M. davon aus, dass der Verzicht gegenüber der Staatskasse trotz der Regelung in § 49b Abs. 1 Satz 1 BRAO zulässig ist. Anders vor kurzem das OLG Naumburg.

Die Ansicht des OLG Braunschweig ist zu begrüßen, denn sie erleichtert die (einverständliche) Pflichtverteidigerauswechselung.

Lesetipp: Anmerkung zur „Bestechlichkeitsentscheidung“ des OLG Braunschweig

Wir hatten schon über die Entscheidung des OLG Braunschweig im Beschluss v. 23.10.2010 – Ws 17/10 zur Frage der Bestechlichkeit von Ärzten nach § 299 StGB bei der Verschreibung von Medikamenten und/oder Behandlungen berichtet (vgl. hier). Dazu gibt es jetzt bei HRRS eine Anmerkung. Nachzulesen hier.

Bestechliche Ärzte, oder: Der Arzt als Sachwalter der Krankenkasse

Ärzte sind „Sachwalter“ bzw. „Beauftragte“ von Krankenkassen (?). Davon geht jedenfalls das OLG Braunschweig in seinem Beschluss v. 23.10.2010 – Ws 17/10 aus und bejaht dann die Frage, ob sich Ärzte bei der Verschreibung von Medikamenten und/oder Behandlungen  ggf. nach § 299 StGB strafbar machen, wenn sie sich von ihrer Verschreibungspraxis Vorteile versprechen oder gewähren lassen. Zu dieser Frage – wie gesagt – das OLG Braunschweig, dessen Entscheidung man hier findet, und dazu eine ganz interessante Anmerkung im (neuen) Newsletter des Arbeitskreises Medizin- und Arztstrafrecht der Wistev, den man hier findet und auch bestellen kann. Zu der Problematik s. auch hier im Beck-Blog oder hier.

Auch OLG Braunschweig: Zeitnaher Konsum von Drogen vor Fahrtantritt erforderlich

Ich hatte ja am Freitag über die neuere Rechtsprechung der OLG zu § 24a Abs. 2 StVG – Stichwort Fahrlässigkeit – berichtet, vgl. hier. Dazu passt dann gut die Entscheidung des OLG Braunschweig v. 27.01.2010 – SS OWi 219/09,  die auch die Feststellungen einer zeitnahen Konsums fordert. Faustregel: Bei mehr als 24 Stunden zwischen Konsum und Fahrt, wird es mit der „Zeitnähe“ immer schwieriger.