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Gebührenfrage zur Befriedungsgebühr – aber nicht (vorsorglich) vom Vertreter der „Verletzten“ in der causa Kachelmann gestellt

In den vergangenen Tagen erreichte mich eine gebührenrechtliche Anfrage eines Kollegen, die mich an den Fall Kachelmann denken ließ 🙂 ;-). Es ging um die die Befriedungsgebühr für den Nebenklägervertreter bzw. den Vertretes des/der Verletzten in einem Vergewaltigungsfall; allerdings denke ich, dass es dann doch nicht der Vertreter der vermeintlichen Geschädigten war, der fragte; der wird kaum nach RVG abrechnen 🙂

Es ging bei der Anfrage um Folgendes:

Meine Mandantin beschuldigte ihren Lebensgefährten der Vergewaltigung, worauf dieser in U-Haft kam. Wunschgemäß zeigte ich die Interessensvertretung der mutmaßlich Vergewaltigten an und erkläre namens und in ihrem Auftrag bereits ihren Anschluss als Nebenklägerin zum Verfahren. In den der Akteneinsicht folgenden Gesprächen mit der Mandantin kommen mir Zweifel, ob es diese Vergewaltigung tatsächlich gegeben hat und daraufhin offenbart sie mir, dass alles nicht stimme; zwischenzeitlich hat sie aber in drei weiteren „Geschädigtenvernehmungen“ bei der Polizei „nachgelegt“ und ergänzende belastende Angaben gemacht gehabt.

Nachdem die Mandantin  inzwischen aber wohl von ihrem schlechten Gewissen gequält wurde, beauftragte sie mich schließlich wenig später, ihre bisherigen, durchweg falschen, Angaben der Staatsanwaltschaft zu offenbaren. Nach ausführlicher Belehrung über die strafrechtlichen Konsequenzen, insbesondere für sie selbst, habe ich das auch getan. Das Verfahren wird dann nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden.

Meine Frage: Kann ich der Mandantin neben den Nrn. 4100, 4104 VV RVG auch die Nr. 4141 VV RVG i.V.m. Vorbemerkung 4 Abs. 1 VV RVG  in Rechnung stellen. Schließlich ist das Verfahren durch meine „Mitwirkung“ nicht nur vorläufig eingestellt worden.

Ich habe geantwortet:

M.E. ist der Ansatz der Nr. 4141 VV RVG gegenüber der Mandantin möglich. Nach Vorbem. 4 Abs. 1 VV RVG steht die Gebühr auch dem Beistand oder Vertreter eines Nebenklägers oder Verletzten zu. Voraussetzung ist, dass „durch die anwaltliche Mitwirkung die Hauptverhandlung entbehrlich“ geworden ist. Insoweit werden an die anwaltliche Tätigkeit aber keine hohen Anforderungen gestellt. Welche Tätigkeit der Rechtsanwalt erbringt, ist also unerheblich. Ausreichend ist jede zur Förderung der Einstellung geeignete Tätigkeit (BGH VRR 2010, 38 = RVGprofessionell 2010, 25 = AnwBl 2010, 140; VRR 2008, 438 = RVGprofessionell 2008, 205 = AGS 2008, 491 = RVGreport 2008, 431; OLG Stuttgart RVGprofessionell 2010, 119 = AGS 2010, 202 = RVGreport 2010, 263 = VRR 2010, 320). Die kann auch darin liegen, wenn die Mandantin über die strafrechtlichen Konsequenzen ihres Verhaltens belehrt wird und nach Belehrung dann der Staatsanwaltschaft über die Falschangabe informiert wird. Führt das dann zur Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO, hat der Rechtsanwalt daran „mitgewirkt“. Der Fall ist vergleichbar dem, in dem der Verteidiger an der Rücknahme der Revision der Staatsanwaltschaft mitgewirkt hat (vgl. dazu OLG Köln StraFo 2009, 175 = AGS 2009, 271 = RVGreport 2009, 348 = StRR 2010, 40).

Wovon du lebst, interessiert mich nicht, oder: Auf deine Gebühren musst du bis zum Verfahrensabschluss warten….

Manche Dinge/Fragen machen mich ärgerlich. Da fragt gerade ein Kollege im Forum bei LexisNexis-Strafrecht in folgender gebührenrechtlichen Konstellation: Er war einem Untersuchungshäftling bei der HB-Eröffnung als Pflichtverteidiger beigeordnet und hat diesen in einer auswärtigen JVA auch besucht. Dort hat sich dann herausgestellt, dass der Mandant einen anderen RA beauftragt hatte. Dementsprechend bat der Kollege dann den noch zuständigen Ermittlungsrichter um Entpflichtung. Er wurde entpflichtet und hat dann umgehend den KFA bzgl. der Nr. 4101 und 4105 VV RVG sowie Fahrtkosten usw. gestellt. So weit, so gut – das hat mich auch nicht ärgerlich gemacht, sondern das, wann dann kommt:

Nun schreibt ihm nämlich der Kammervorsitzende, wo die Sache inzwischen anhängig ist, dass mit einer Kostenfestsetzung erst nach Abschluss des Verfahrens zu rechnen ist und dieser noch nicht absehbar ist, es werden gerade erst die Anklagen zugestellt. Das macht mich ärgerlich, denn:

  1. Warum wird die Vergütung nicht noch im Ermittlungsverfahren festgesetzt?
  2. Warum kommt niemand auf die Idee, ein Kostenheft anzulegen, damit festgesetzt werden kann, ohne dass die Akten benötigt werden; denn die sind „unentbehrlich“?
  3. Warum soll der Kollege, der die Arbeit bereits im Ermittlungsverfahren erbracht hat, nun warten bis das Verfahren abgeschlossen ist – also ggf. auch noch die Revision (zum Hintergrund: Verfahrensdauer ist bei fünf nicht deutschsprachige Angeklagten überhaupt nicht absehbar).
  4. Macht sich eigentlich niemand klar, dass der RA auch „leben“ muss. Aber wie hat schon der Kollege Nebgen so schön gepostet: Richter kennen keine Gebühren, sie kriegen Gehalt.

Im Übrigen: M.E. ist die Auskunft des Vorsitzenden auch falsch. Die Vergütung des Kollegen ist fällig (§ 8 RVG), nachdem die Pflichtverteidigerbeiordnung aufgehoben worden ist. Der Vergütungsantrag muss also beschieden werden. Nur: was kann man tun: Ich würde, wenn sich nichts bald was tut gegen die „Nichtfestsetzung“ Rechtsmittel einlegen, oder, was noch besser 🙂 😉 ist: Ich würde einen Vorschussantrag stellen (§ 47 RVG). Der muss auf jeden Fall beschieden werden, was die Kammer sicherlich sehr freuen wird.

Nicht nur für Verteidiger, aber nur hier: Gebührenrechtlicher Lese- und Downloadtipp auf RVGreport 2010, 163

Auf meiner HP ist gerade der Beitrag aus RVGreport 2010, 163: „Rechtsprechungsübersicht zum RVG Teile 4 – 7 VV RVG aus den Jahren 2008 – 2010 – Teil 3“ online gestellt worden. Der Volltext steht dort zum kostenfreien Download bereit.  Er enthält die tabellarische Zusammenstellung der Rechtsprechung zu den Nrn. 4141 ff. VV RVG aus den Jahren 2008 bis Anfang 2010. Den ein oder anderen Rechtsanwalt/Verteidiger dürfte der Beitrag interessieren. Herzlichen Dank an die Schriftleitung von RVGreport und an LexisNexis für die Zustimmung zur Einstellung.

OLG Stuttgart zur Befriedungsgebühr: Leider nur teilweise richtig

Das OLG Stuttgart hat in einem Beschl. v. 08.03.2010 – 2 Ws 29/10 zur sog. Befriedungsgebühr Stellung genommen. Die erste Freude über diese Entscheidung verfliegt schnell, wenn man sich den Beschluss genauer ansieht.

1. Erste Freude deshalb: Zutreffend ist die Entscheidung hinsichtlich des vom OLG gewählten Leitsatzes: „Für die anwaltliche Mitwirkung in Sinne der Nr. 4141 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG genügt jede auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit, die objektiv geeignet ist, das Verfahren im Hinblick auf eine Verfahrensbeendigung außerhalb der Hauptverhandlung zu fördern. Weitergehende Anforderung an die Quantität oder Qualität der Mitwirkung, insbesondere im Sinne einer intensiven und zeitaufwändigen anwaltlichen Mitwirkung bestehen nicht (entgegen KG Berlin, Beschluss vom 24.10.2006, 4 Ws 131/06).“ Das entspricht der ganz h.M. Meinung in dieser (Streit)Frage.

2. Schlicht falsch ist es aber, wenn das OLG hinsichtlich der Höhe der Gebühr davon ausgeht, dass die Gebühr innerhalb des Rahmens zu bemessen ist und sie dann vom OLG mit 40 € bemessen wird. Falsch deshalb, weil schon nach dem Wortlaut „bemisst“ die Befriedungsgebühr als eine reine Festgebühr anzusehen ist und sie immer in Höhe der Mittelgebühr entsteht. Für seine abweichende Ansicht gibt das OLG keine Begründung. Das spricht m.E. dafür, dass man die Problematik gar nicht gesehen und im Kommentar offenbar nicht zu Ende gelesen hat. Um es vorsichtig auszudrücken: Schade.

Zweimal mitgewirkt beim „Befriedigen“ – zweimal Geld/Befriedungsgebühr

Was häufig übersehen wird: Die Befriedungsgebühr Nr. 4141 VV RVG kann im Verfahren mehrfach entstehen. So z.B., wenn das Ermittlungsverfahren zunächst nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, dann aber wieder aufgenommen und Anklage erhoben und dann im gerichtlichen Verfahren das Verfahren nach § 153 StPO eingestellt wird. Hat der Verteidiger an allem mitgewirkt, gibt es zweimal die Nr. 4141 VV RVG. Allerdings: Nur, wenn man der Auffassung ist, dass vorbereitendes und gerichtliches Verfahren nicht dieselbe Angelegenheit sind, da sonst § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG gilt. Von letzterem gilt jedoch dann wieder eine Ausnahme, wenn mehr als zwei Jahre nach der ersten Einstellung vergangen sind (§ 15 Abs. 5 Satz 2 RVG) (vgl. zum mehrmaligen Anfall AG Düsseldorf, Urt. v. 09.02.2010, 36 C 2114/09).