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Zusätzliche Gebühr Nr. 4141 VV RVG – wann sie nicht entsteht

Schon etwas älter ist der Beschl. des LG Bad Kreuznach v. 02.09.2010 – 2 Qs 72/10, in dem das LG zur Gebühr Nr. 4141 VV RVG Stellung genommen hat, aber trotzdem ist der Beschluss noch interessant :-).

Der Sachverhalt: Angeklagt wird beim LG, dieses eröffnet nur teilweise und das beim AG. Im Übrigen wird die Eröffnung abgelehnt. Der Verteidiger meinte, dass es dafür (auch) eine Gebühr N.r 4141 VV RVG gibt. Zutreffend sagt das LG: Nein. Das ist nun wirklich keine endgültige Erledigung ohne Hauptverhandlung i.S. der Nr. 4141 VV RVG.

Zutreffend im Übrigen auch, dass das LG davon ausgeht, dass die Verfahrensgebühr aus dem Rahmen der Nr. 4112 VV RVG entsteht und dem Verteidiger erhalten bleibt, auch wenn beim AG eröffnet wird. Allerdings gibt es keine zweite Verfahrensgebühr. Das folgt dann aus § 15 RVG.

Schweigen ist Silber, Reden ist Gold

wenigstens gebührenrechtlich – so die Schlußfolgerung aus dem Urt. des AG Hamburg-Barmbek v. 04.02.2011 – Az.: 820 C 511/10, in dem das AG sich auch mit der Entscheidung des BGH v. 20.01.2011 – IX ZR 123/10 auseinandergesetzt hat.

Der Verteidiger hatte dem Mandanten zum Schweigen geraten, dieser hatte den Rat angenommen und das Verfahren ist dann später eingestellt worden. Der Verteidiger hat dann die Nr. 5115 VV RVG geltend gemacht, die das AG jedoch nicht ausgeurteilt hat. Begründung: Nur interner Rat zum Schweigen reicht nicht. So weit, so gut, oder auch nicht. Denn das AG setzt sich nicht mit der Frage auseinander, warum denn nun eigentlich das Verfahren eingestellt worden ist. Es muss ja nicht der Rechtsanwalt seine Mitwirkung an der Erledigung beweisen, sondern es wird eine Mitwirkung des Rechtsanwalt vermutet. Es dann ist Aufgabe des Gebührenschuldners, also hier der beklagten Rechtsschutzversicherung, das Fehlen der Mitwirkung darzulegen und zu beweisen (so zutreffend KG AGS 2009, 324; AG Unna JurBüro 1998, 410; AG Saarbrücken RVGreport 2006, 181 = AGS 2006, 126 m. Anm. Madert; AnwKomm-RVG/N. Schneider, VV 4141 Rn. 11; Burhoff in: Gerold/Schmidt, RVG 19., Aufl., VV 4141 Rn. 12. Und das ist mehr, als einfach nur die Zahlungspflicht zu bestreiten.

Dem Verteidiger kann man nach der Entscheidung nur raten: Nicht schweigen, sondern den Rat zum Schweigen und die Entscheidung des Mandanten mitteilen. Dann geht an der Mitwirkung i.S. der Nrn. 4141 bzw. 5115 VV RVG kein Weg vorbei.

Rechtspfleger als Gesetzgeber? – oder: Ich lasse mir ein RVG stricken, das mir passt.

Ich hatte vor einigen Tagen über zwei Beschlüsse des AG Mettmann berichtet, die zur Frage des Anfalls der Nr. 4141 VV RVG bei einer Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO ergangen waren, vgl. hier „Zusätzliche Gebühr – die 2.„. Diese hatte mir ein Kollege übersandt, der beim AG Mettmann mit dem dort zuständigen Rechtspfleger im Dauer-Clinch liegt.

Ich wage nun die Behauptung: Der Rechtspfleger hat die Abänderung seiner Festsetzungen durch zwei Richter am AG Mettmann durch die beiden bereits mitgeteilten Beschlüsse offenbar nicht verwunden bzw. persönlich genommen. Anders kann man nämlich m.E. folgenden Sachverhalt nicht verstehen/erklären:

Der Kollege hat inzwischen wieder eine Festsetzung der Nr. 4141 VV RVG im Fall des § 154 Abs. 2 StPO anhängig. Es ist zur Entscheidung der Rechtspfleger berufen, der auch schon die anderen Fällen entschieden hat. Nun richtet er sich aber wieder nicht nach der Auffassung der beiden Amtsrichter seines Gerichts. Nein, er teilt, dem Kollegen mit, dass wegen der Frage eine Petition beim Bundestag anhängig ist, in der eine Ergänzung der Nr. 4141 VV RVG angeregt wird, die dahin lauten soll, dass in den Fällen der § 154 StPO die Nr. 4141 VV RVG nie entsteht. Abgesehen davon, dass m.E. Quatsch ist/wäre und der ganz h.M. in der Frage entgegenstehen würde – aber was stört das unseren Rechtspfleger – finde ich es schon erstaunlich, dass sich der Rechtspfleger nun offenbar auch noch als Gesetzgeber fühlt bzw. sich als solcher versucht. Und was noch besser ist und die Sache krönt: Er teilt dem Kollegen mit, dass er die Entscheidung über seine Erinnerung aussetzt bis über die Petition – natürlich im Sinne des Rechtspflegers – entschieden ist. Wahrlich keck, gelinde ausgedrückt. Der gute Mann ist offenbar nicht gewillt, das geltende Recht anzuwenden, sondern verfährt nach dem Motto: Ich stricke mir ein RVG, das mir passt (hier übrigens der Wortlaut seiner Verfügung).

Im Übrigen. Der Rechtspfleger ist nicht nur an dieser Stelle rechtschöpfend tätig. Er hat auch noch zumindest eine weitere Petition laufen. Auch die liegt m.E. neben der Sache, hat aber schon Mitzeichner gefunden; vgl. hier die andere Petition. Ich vermute Kollegen.

Das bringt mich zum Aufruf: Rechtsanwälte vereinigt Euch. Strickt euch auch ein RVG :-).

Immer wieder: Zusätzliche Gebühr Nr. 4141 VV RVG – keine reine Abrategebühr

Der Verteidiger rät dem Angeklagten, keine Revision einzulegen, obwohl die Staatsanwaltschaft gegen das Urteil Revision eingelegt hat. Für diese Tätigkeit macht er dann die Nr. 4141 VV RVG geltend. Das OLG Nürnberg sagt in seinem Beschl. v. 30.09.2010 – 2 Ws 431/10:

1. Der Anfall der Gebühr Nr. 4141 Anm. 1 Ziff. 3 VV RVG setzt im Fall der Revisionsrücknahme zumindest voraus, dass die Revision begründet war.

2. Allein durch das Abraten, Revision einzulegen, entsteht die Gebühr nicht.

Zu 1: Das entspricht einem Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung.

Zu 2:  Das ist neu, man wird sich dem aber letztlich nicht verschließen können.

Sie versuchen es immer wieder II – oder: Hier wird mal wieder „kreativ“ gedacht

Der Kollege Siebers berichtete hier über den Versuch des Gerichts, die Gebühr Nr. 4141 VV RVG nicht festzusetzen.

Zu dem Beitrag passt ganz gut eine gebührenrechtliche Anfrage, die mich vor einigen Tagen erreicht hat. Der Kollege schreibt:

„Es geht um ein Strafverfahren mit Ermittlungs- und gerichtlichem Verfahren. Im Ermittlungsverfahren war die Übersendung der polizeilichen Akte nötig, was die 12,00 EUR Aktenübersendungspauschale auslöste. Im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahren wurde diese Gebühr mit geltend gemacht, jedoch hat das Gericht diese nicht festgesetzt und darauf verwiesen, dass man die Akte auch hätte bei der Behörde abholen können. Verwiesen worden ist auf § 464 a StPO i.V.m § 91 ZPO als auch auf § 2 KostO. Nun stellt sich uns die Frage, ob man nicht mit dem Argument der Kostenersparnis (Abwesenheit aus Kanzlei und Fahrtkosten) dagegenhalten könnte und ob dies überhaupt erfolgversprechend wäre. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass das Verfahren in Berlin stattfand und die Akte auch von der Behörde in Berlin hätte in Berlin abgeholt werden können.“

Wenn man es liest, ist man dann doch erstaunt, darüber wie mal wieder zu Lasten des Verteidigers/Angeklagten kreativ gedacht wird, um 12 € zu sparen (Kleinvieh macht eben doch Mist).

Mich würde interessieren, ob das Einzelfall ist oder die Problematik nur in Berlin von Bedeutung ist oder ob – auch Rechtspfleger nehmen an Schulungen Teil – diese Argumentationslinie auf uns zukommt. M.E. ist sie falsch. Die Justiz bietet die Versendung der Akte an. Damit muss es m.E. dem Rechtsanwalt überlassen sein, ob er davon Gebraucht macht oder die Akte abholt. Lässt er sich die Akte schicken, entsteht die Aktenversendungspauschale, die der Rechtsanwalt dann zu zahlen hat = für den Mandanten verauslagt. M.E. kann dann nicht später die Justiz hingehen und die Zusendung der Akte statt deren Abholung als nicht erforderlich beurteilten, wenn man die Möglichkeit selbst zur Verfügung stellt.

Im Übrigen ist die Argumentation des Kollegen, sich Abwesenheit und Fahrtkosten bezahlen zu lassen, ganz nicht so dumm. Wenn man das durchrechnet, kommt sicherlich mehr dabei heraus, als die 12 €. Auf die Argumentation dazu darf man gespannt.

Das Ganze m.E. ein „schönes Beispiel“ dafür, welcher Aufwand manchmal getrieben wird, um 12 € zu sparen.