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Vergütung nach Kündigung des Mandats, oder: Muss der Rechtsanwalt abmahnen?

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So, Feierlichkeiten sind am Ende. Jetzt wird wieder gearbeitet. Heute hier – es ist Freitag 🙂 – mit gebührenrechtlichen Entscheidungen und dem Rätsel.

Und ich beginne den (kurzen) Reigen mit dem LG Bremen, Urt. v. 29.05.2020 –  4 S 102/19. Es geht um die Frage, ob Rechtsanwalt vor Kündigung eines Mandates dem Mandanten eine Frist zu setzen hat, sich vertragskonform zu verhalten.

Dem Urteil liegt ein Sachverhalt zugrunde, nach dem der klagende Rechtsanwalt ein Mandat „vorzeitig“ beendet hat. Nun wird noch um die Gebühren gestritten. Das AG hatte der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Anders das LG. Das spricht nur einen Teil zu:

„Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 234,37 € aus §§ 611, 612, 675 BGB, §§ 1 ff. RVG.

1. Der Anspruch des Rechtsanwalts auf Vergütung gründet sich auf die §§ 611, 612 Abs. 1, 675 Abs. 1 BGB, ergänzt durch die Sonderregelungen des RVG betreffend die Fälligkeit (§ 8 RVG), den Vorschuss (§ 9 RVG) und die Einforderung (§ 10 RVG).

Gemäß § 8 Abs. 1 RVG wird die Vergütung fällig, wenn der Auftrag erledigt oder die Angelegenheit beendet ist. Gemäß § 10 Abs. 1 RVG ist die Vergütung nur aufgrund einer vom Rechtsanwalt unterzeichneten und dem Auftraggeber mitgeteilten Berechnung einforderbar.

Für den Fall der vorzeitigen Kündigung werden diese Regelung ergänzt durch § 628 BGB, der durch das RVG nicht ausgeschlossen wird (BGH, NJW-RR 2012, 294 m.w.N.). § 628 Abs. 1 S. 1 BGB regelt, dass im Falle der Kündigung des Dienstverhältnisses nach den §§ 626 BGB oder 627 BGB, der Verpflichtete, hier also der beauftragte Rechtsanwalt, einen seinen bisherigen Leistungen entsprechenden Teil der Vergütung verlangen kann. Kündigt er, ohne durch vertragswidriges Verhalten des anderen Teiles dazu veranlasst zu sein, oder veranlasst er durch sein vertragswidriges Verhalten die Kündigung des anderen Teiles, so steht ihm gemäß § 628 Abs. 1 S. 2 BGB ein Anspruch auf die Vergütung insoweit nicht zu, als seine bisherigen Leistungen infolge der Kündigung für den anderen Teil kein Interesse haben.

Von einem entsprechenden Interessenwegfall für den Dienstberechtigten ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH dann auszugehen, wenn dieser die Leistung nicht mehr wirtschaftlich verwerten kann, sie also für ihn nutzlos geworden ist. Einer entsprechenden Lage sieht sich der Auftraggeber eines Rechtsanwalts gegenüber, wenn er wegen einer von seinem bisherigen Rechtsanwalt grundlos ausgesprochenen Kündigung einen anderen Rechtsanwalt neu bestellen muss, für den die gleichen Gebühren nochmals entstehen. Die Aufwendungen für den zuerst bestellten Rechtsanwalt sind dann für den Auftraggeber nutzlos geworden, der Vergütungsanspruch geht unter (BGH, NJW-RR 2012, 294, 295; BGH, NJW 2009, 3297, 3300; BGH, BGHZ 174, 186, 192 = NJW 2008, 1307, 1308 f.; BGH, NJW 1997, 188, 189; BGH, NJW 1995, 1954; BGH, NJW 1985, 41; MüKoBGB/Henssler BGB, 8. Auflage 2020, § 628 Rn. 32-35).

Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast gilt, dass der Dienstpflichtige im Rahmen des Teilvergütungsanspruchs nach Abs. 1 S. 1 darlegen und beweisen muss, dass und welche Dienstleistungen bis zur Kündigung erfolgt sind.

§ 628 Abs. 1 S. 2 BGB enthält einen Ausnahmetatbestand gegenüber Satz 1 dieser Vorschrift, wonach im Fall der Kündigung der Dienstverpflichtete grundsätzlich einen seinen bisherigen Leistungen entsprechenden Teil der Vergütung zu beanspruchen hat. Das Vorliegen dieses Ausnahmetatbestands hat der Dienstberechtigte darzulegen und zu beweisen (BGH, NJW 1982, 437 (438); BGH, NJW 1997, 188, 189). Der Dienstberechtigte muss daher nachweisen, dass der Dienstverpflichtete ohne Veranlassung gekündigt hat oder die Kündigung des Dienstberechtigten durch vertragswidriges Verhalten veranlasst hat und dass an den Leistungen infolge der Kündigung für ihn kein Interesse besteht (MüKoBGB/Henssler BGB, 8. Auflage 2020 § 628 Rn. 48-49, beck-online).

2. Zwischen den Parteien ist ein Anwaltsvertrag (§§ 611, 675 BGB) zustande gekommen. Unstreitig hat der Beklagte den Kläger nach dem Tod seiner Mutter mandatiert, Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen seinen Bruder als Alleinerben außergerichtlich und gerichtlich gelten zu machen.

3. Die Fälligkeit des Vergütungsanspruches (§ 8 RVG) ist gegeben, da das Mandat infolge Kündigung durch den Kläger beendet worden ist. Die Einforderbarkeit der Honorarforderung liegt ebenfalls vor, da der Kläger dem Beklagten eine dem RVG entsprechende Kostennote erteilt hat (§ 11 RVG). Die Höhe der abgerechneten Vergütungsforderung iHv von 1.159,60 € brutto für die außergerichtlichen und gerichtlichen Tätigkeiten des Klägers (Streitwert: 4.738,12 €; nicht anrechenbarer Teil der Geschäftsgebühr, Verfahrensgebühr, Terminsgebühr, Auslagenpauschale und Umsatzsteuer) entspricht dem RVG und steht zwischen den Parteien nicht im Streit.

4. Der Kläger kann von dem Beklagten in Höhe von 925,23 € gleichwohl nicht den Ausgleich der streitgegenständlichen Kostennote verlangen, da die Voraussetzungen, unter denen der Kläger aufgrund vertragswidrigen Verhaltens des Beklagten seinerseits berechtigt war, den Anwaltsvertrag zu kündigen, nach Auffassung der Kammer nicht vorliegen.

Die Kündigung des Anwalts kann mit erheblichen finanziellen Folgen für den Mandanten verbunden sein, der – wenn die Kündigung während eines laufenden Prozesses erfolgt – vielfach noch einmal die gleichen (Prozess-)Gebühren an einen anderen Anwalt bezahlen muss (OLG Karlsruhe, Urteil vom 15. September 2009 – 4 U 192/07 –, Rn. 23 – 25, juris). Das freie Kündigungsrecht des Rechtsanwalts korrespondiert daher mit der Regelung in § 628 Abs. 1 S. 2 BGB, wonach der kündigende Rechtsanwalt die verdienten Gebühren nur insoweit behalten darf, als dem Mandanten keine Mehrkosten durch die Kündigung entstehen. Etwas Anderes gilt nur bei einem „vertragswidrigen Verhalten“ des Mandanten, welches die Kündigung verursacht hat OLG Karlsruhe, Urteil vom 15. September 2009 – 4 U 192/07 –, Rn. 23 – 25, juris).

Da die finanziellen Folgen für den Mandanten erheblich sein können, setzt ein „vertragswidriges Verhalten“ im Sinne von § 628 Abs. 1 S. 2 BGB eine schwerwiegende Pflichtverletzung voraus (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 15. September 2009 – 4 U 192/07 –, Rn. 23 – 25, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.06.2000 – 24 U 133/99 -, Rdnr. 5, juris; OLG Schleswig, Urteil vom 14.12.2006 – 11 U 21/06 -, Rdnr. 14, juris). Der Mandant ist grundsätzlich berechtigt, seine eigenen Interessen auch im Rahmen des Anwaltsvertrages gegenüber dem Rechtsanwalt zu vertreten. Das heißt, dass der Rechtsanwalt in der Regel sachliche Kritik hinnehmen muss OLG Karlsruhe, Urteil vom 15. September 2009 – 4 U 192/07 –, Rn. 23 – 25, juris). Er muss berücksichtigen, dass der Mandant in der Regel nicht rechtskundig ist, was zu unberechtigter Kritik am Rechtsanwalt führen kann. Schließlich muss auch die Bedeutung einer bestimmten Angelegenheit für den Mandanten berücksichtigt werden; gegebenenfalls muss der Rechtsanwalt es auch hinnehmen, wenn der Mandant seine Interessen gegenüber dem Anwalt mit einem gewissen Nachdruck oder mit gewissen Emotionen verfolgt (OLG Karlsruhe, Urteil vom 15. September 2009 – 4 U 192/07 –, Rn. 23 – 25, juris). Es ist zu verlangen, dass der Anwalt eine Pflichtverletzung des Mandanten zunächst abmahnen muss, bevor er von einem vertragswidrigen Verhalten im Sinne von § 628 Abs. 1 S. 2 BGB ausgehen kann (vgl. OLG Düsseldorf, Versicherungsrecht 1988, 1155, Borgmann/Jungk/Grams, Anwaltshaftung, 4. Aufl. 2005, Kapitel III, Rdnr. 109).

Die Beweislast dafür, dass die Kündigung des Anwalts nicht durch ein vertragswidriges Verhalten verursacht wurde, obliegt grundsätzlich dem Mandanten (vgl. BGH, NJW 1997, 188). Nach allgemeinen Grundsätzen obliegt dem Anwalt allerdings eine sekundäre Darlegungslast. Das bedeutet: Der Mandant hat ein „vertragswidriges Verhalten“ nur insoweit auszuräumen, als der Anwalt bestimmte Pflichtverletzungen geltend macht. (OLG Karlsruhe, Urteil vom 15. September 2009 – 4 U 192/07 –, Rn. 23 – 25, juris).

An diesen Grundsätzen gemessen, hat der Kläger schon keinen Grund dargelegt, der ihn berechtigt hat, ohne vorherige Abmahnung und Hinweis auf eine mögliche Mandatsniederlegung, den Anwaltsvertrag am 02.05.2018 zu kündigen.

Soweit der Kläger auf den Nichtausgleich der Rechnung vom 22.03.2018 trotz Fristsetzung bis zum 30.04.2018 abstellt, ist zu berücksichtigen, dass die Rechnung nicht als Vorschussrechnung gekennzeichnet war. Eine vollständige Abrechnung der angefallenen Gebühren war zu diesem Zeitpunkt, mangels Beendigung der Angelegenheit iSd § 8 RVG nicht zulässig und ohne besonderen Hinweis kann ein Mandant bei einem im Jahr 2015 erteilten Auftrag im Jahr 2018 nicht erkennen, dass es sich um eine Vorschussrechnung iSd § 9 RVG handelt. Zahlt der Mandant einen angeforderten Vorschuss nicht, kann der Rechtsanwalt erst dann, wenn er für den Fall der nicht rechtzeitigen Zahlung die Niederlegung angedroht hat, die dadurch gemäß § 8 RVG fällig werdenden Gebühren anfordern (vgl. Gerold/Schmidt/Mayer, 24. Aufl. 201, RVG § 9 Rn. 19; Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, RVG § 9, Rn. 41, beck-online; Fischer, Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl., Rn. 113; OLG Düsseldorf, 24 U 212/10, Rz. 7, juris).

Soweit der Kläger darauf verwiesen hat, dass sich der Beklagte in dem Vorprozess direkt an das Amtsgericht Bremerhaven gewendet hat, so ist kein Verhalten des Beklagten erkennbar, aufgrund dessen der Kläger berechtigt gewesen wäre, ohne vorherige Abmahnung mit Kündigungsandrohung und Hinweis auf die Folgen den Anwaltsvertrag zu kündigen. In den bei dem Amtsgericht Bremerhaven im Februar und März 2018 eingegangenen Schreiben hat sich der Beklagte sachlich zu Fragen der Beweisaufnahme eingelassen, ohne darin den Kläger zu diskreditieren. Es ist zwar für den beauftragten Anwalt und auch das Gericht wünschenswert, wenn bei einem beauftragten Prozessbevollmächtigten die gesamte Korrespondenz ausschließlich über den Prozessbevollmächtigten läuft. In konfliktbeladenen Verfahren ist gleichwohl immer wieder zu beobachten, dass Mandanten sich direkt an das Gericht wenden; dies aus unterschiedlichen Motiven. Für die Kammer ist es zwar mehr als verständlich, wenn ein Prozessbevollmächtigter dies nicht wünscht, auch um Nachteile für sich und seinen Mandanten zu vermeiden. Auch kann möglicherweise in besonderen Einzelfällen bei derartigen Konstellation der Verlust des notwendigen Vertrauensverhältnisses zwischen Anwalt und Mandat gegeben sein oder sich entwickeln. Gleichwohl hat ein Rechtsanwalt, der direkte Schreiben seines Mandanten an das Gericht für beeinträchtigend hält, nach Auffassung der Kammer in der Regel vorher darauf hinzuweisen, wie verfahren werden soll, und ggf. die Kündigung mit Darstellung der Kündigungsfolgen anzudrohen. Dies ist nicht erfolgt. Etwas Anderes mag zwar in Ausnahmefällen gelten, in denen die Schreiben des Mandanten den Anwalt herabsetzen und gegenüber Dritten in ein „schlechtes Licht“ rücken, zB bei offensichtlich herabwürdigenden Äußerungen und Schmähungen. Dies ist bei den Schreiben hier jedoch nicht der Fall. Gleiches gilt für das Schreiben des Beklagten vom 26.04.2018, bei dem der Beklagte das Anliegen geäußert hat, direkt die Korrespondenz zu erhalten.

Die bis dato von dem Kläger im Vorprozess erbrachten Leistungen waren für den Beklagten nach der Kündigung von keinem Interesse mehr. Im Rahmen von Anwaltsverträgen ist von einem kündigungsbedingt fehlenden Interesse an etwaigen bereits erbrachten Anwaltsleistungen dann auszugehen, wenn der Mandant die vielleicht sogar nützlichen Arbeitsergebnisse seines Anwaltes nach Beendigung des Mandatsverhältnisses nicht ohne die Beauftragung eines neuen Anwaltes und den Anfall von weiteren, beim vormaligen Anwalt bereits angefallenen Gebühren weiterverwerten kann (vgl. BGH DB 2011, 2429). So liegt der Fall auch hier. Der Beklagte hat im Vorprozess seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten zur Fortführung des Prozesses beauftragen müssen, wodurch ein korrespondierender Gebührenanspruch iHv 925,23 € (Streitwert: 4.738,12 €; 1,3er Verfahrensgebühr 393,90 €, 1,2er Terminsgebühr 363,60 €, Auslagenpauschale 20,00 €, UmSt 147,73 €) entstanden ist. In dieser Höhe ist die Arbeitsleistung des Klägers von keinem Interesse mehr für den Beklagten, so dass der Kläger insoweit auch nicht Vergütung verlangen kann.

Nach alledem verblieb aus der gestellten Rechnung ein berechtigter Vergütungsanspruch in Höhe von 234,37 €.“

Revision zum BGH ist zugelassen.

Fälligkeit der Pauschgebühr, oder: Geiz ist geil

Als zweite gebührenrechtliche Entscheidung heute dann der OLG Bamberg, Beschl. v. 07.06.2016  – 10 AR 30/16. Er betrifft den Pauschgebührantrag einer Rechtsanwältin, die der Nebenklägerin als Nebenklägervertreterin beigeordnet war. Sie hat, nachdem ein erstinstanzliches Urteil vom BGH aufgehoben und die Sache zurückverwiesen worden ist, für ihre bisherige Tätigkeit eine Pauschgebühr nach § 51 RVG beantragt, und zwar 970 € zusätzlich zu den gesetzlichen Gebühren. Das OLG hat den Antrag abgelehnt.

Die Leitsätze:

  1. Der Anspruch auf Bewilligung einer Pauschgebühr besteht – jedenfalls bei Fortbestand der Beiordnung – erst nach endgültigem, mithin rechtskräftigem Abschluss des gesamten Verfahrens.
  2. Ein besonderer Umfang oder eine besondere Schwierigkeit innerhalb eines Verfahrensabschnitts kann durch einen unterdurchschnittlichen Umfang oder eine unterdurchschnittliche Schwierigkeit innerhalb eines anderen Verfahrensabschnitts ganz oder teilweise kompensiert werden.

Dazu ist anzumerken:

Die Ausführungen des OLG zur Fälligkeit der Pauschgebühr entsprechen grundsätzlich der h.M. in der vom OLG zitierten Rechtsprechung. Allerdings haben wir es hier mit dem Sonderfall der Pauschgebühr für einen Verfahrensabschnitt zu tun. Da könnte man, wenn man wollte, auch anders entscheiden. Das würde aber voraussetzen, dass man nicht auch den „unseligen“ Kompensationsgedanken vertreten würde. Dass diese Ansicht falsch ist, habe ich bereits dargelegt. Darauf verweise ich. Dass hier noch einmal zu wiederholen, bringt nichts. Die OLG interessieren Einwände gegen ihre Rechtsprechung offenbar nicht.

Die zweite Anmerkung betrifft die Stellungnahme der Bezirksrevisorin. Die hatte „dahin Stellung genommen, dass die Bewilligung einer Pauschvergütung vor rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens grundsätzlich nicht veranlasst sei. Da es hier im vorliegenden Fall aber nicht um eine Pflichtverteidigung, sondern um eine Nebenklage gehe und das Ergebnis in der Richtung eindeutig erscheine, dass der Antrag abzulehnen sei, komme auch ohne Eintritt der Rechtskraft eine Entscheidung in Betracht.“ Auf den Zug ist das OLG nicht aufgesprungen, sondern hat dazu angemerkt: „Der Umstand, dass vorliegend der Antrag – jedenfalls unter Berücksichtigung des bisherigen Vorbringens der Antragstellerin – auch bei Eintritt der Fälligkeit wohl wenig Aussicht auf Erfolg hätte, rechtfertigt vor dem Eintritt der Fälligkeit keine endgültige ablehnende Entscheidung.“ Immerhin. Allerdings fragt man sich, was die Vertreterin der Staatskasse in ihrer „Geiz ist Geil-Mentalität“ zu ihrer Stellungnahme veranlasst hat. Das ist doch nichts anderes als: Nur weg damit. Auf die Idee, dass ggf. der Antrag doch noch begründet sein/werden könnte, ist man offenbar gar nicht gekommen. Denn es ist doch nicht ausgeschlossen, dass von der Rechtsanwältin nun noch erbrachte Tätigkeiten einen Umfang erreichen, der eine Kompensation ausschließt.

Die Fälligkeit des Pauschgebühranspruchs, oder: Jedes Ding hat zwei Seiten

© Stefan Rajewski Fotolia .com

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Die Fälligkeit des Anspruchs des Pflichtverteidigers auf eine Pauschgebühr (§ 51 RVG) spielt in der Praxis eine nicht unerhebliche Rolle. Das gilt sowohl für die Frage, wann (erstmals) eine Pauschgebühr verlangt werden kann, als auch für die Frage, wie lange der Pflichtverteidiger eine Pauschgebühr verlangen kann, also wann Verjährung eintritt. Mit der Frage der Fälligkeit hat sich jetzt noch einmal der OLG Celle, Beschl. v. 16.06.2016 – 1 ARs 34/16 P – befasst.

Der Sachverhalt der Entscheidung war wie folgt: Die Rechtsanwältin ist seit August 2012 Pflichtverteidigerin des Angeklagten in einem BtM-Verfahren.. Die Hauptverhandlung vor dem LG begann am 10. 09. 12 2012 und endete mit Urteil am 19. 06. 2014. Der BGH hat dieses Urteil am 31.03.2015 aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen. Auf den hiernach gestellten Antrag auf Bewilligung einer Pauschvergütung erklärte die Vertreterin der Landeskasse bei ihrer Anhörung, dass vor rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens mangels Fälligkeit eine Pauschvergütung jedenfalls derzeit nicht bewilligt werden könne. Die Rechtsanwältin hat hierauf erklärt, sie bestehe auf einer rechtsmittelfähigen Entscheidung. Das OLG hat den Pauschgebührantrag derzeit abgelehnt. Begründung:

„Der Antrag auf Bewilligung einer Pauschvergütung ist – jedenfalls derzeit – abzulehnen, weil ein etwaiger Anspruch der Antragstellerin mangels rechtskräftigen Verfahrensabschlusses nicht fällig ist. Zwar sieht die Regelung des § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG ausdrücklich die Möglichkeit vor, eine Pauschgebühr nicht nur für das ganze Verfahren, sondern auch für einzelne Verfahrensabschnitte zu bewilligen. Hiervon zu trennen ist indessen die Frage, wann der Anspruch auf Bewilligung einer Pauschgebühr überhaupt fällig wird. Während dies – bereits auch unter Geltung der früheren Regelung in § 99 BRAGO – in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte vormals unterschiedlich beurteilt wurde, besteht nunmehr im Grunde Einigkeit, dass der Anspruch auf Bewilligung einer Pauschvergütung jedenfalls bei Fortbestand der Beiordnung erst nach endgültigem, mithin rechtskräftigem Abschluss des gesamten Verfahrens entsteht (OLG Braunschweig vom 25.4. 2016 [1 ARs 9/16]; KG Berlin, NStZ-RR 2015, 296; OLG Düsseldorf, NStZ-RR 2006, 224; OLG Köln, RVGreport 2006, 148; OLG Hamm, StraFo 1996, 189; ThürOLG, StraFo 1997, 253; OLG Bamberg, JurBüro 1990, 1282; Gerold/Schmidt-Burhoff, RVG, 22 Aufl., § 51 Rn. 53 und Burhoff, RVG, 2. Aufl., § 51 RVG Rn. 61). Soweit zuletzt noch das Kammergericht (JurBüro 2011, 254) sowie das Oberlandesgericht Braunschweig (JurBüro 2001, 308) eine hiervon abweichende Auffassung vertreten hatten, wurde hieran mit den zuvor benannten Entscheidungen ausdrücklich nicht mehr festgehalten.“

Also: Noch nichts (endgültig) verloren, nur derzeit gibt es eben keine Pauschvergütung.

Jedes Ding hat nun aber mal zwei Seiten. So auch hier. Denn einerseits ist die Rechtsprechung, die die Fälligkeit des Pauschgebühranspruchs an den rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens knüpft zu begrüßen, weil sie für den Pflichtverteidiger günstig ist, da damit auch der Zeitpunkt der Verjährung des Pauschgebühranspruchs hinausgeschoben wird. Andererseits ist aber die Rechtsprechung nachteilig, da – wie auch der vorliegende Fall zeigt – der Zeitpunkt, wann über eine Pauschgebühr entschieden und der Verteidiger eine ggf. angemessere Bezahlung enthält, hinausgeschoben wird. Dem kann der Pflichtverteidiger nur dadurch begegnen, dass er ggf. nach § 51 Abs. 1 Satz 5 RVG einen Antrag auf Bewilligung eines Vorschusses auf eine zu erwartende Pauschgebühr zu stellt Insoweit ist aber zu beachten, dass er einen solchen Antrag eingehend begründen muss. Dazu ist es nach der Rechtsprechung des BVerfG regelmäßig erforderlich, dass dargelegt wird, warum ein Abwarten auf die Gewährung einer Pauschgebühr trotz des Anspruchs auf einen Vorschuss auf die gesetzlichen Gebühren nach § 47 Abs. 1 RVG nicht zumutbar ist (so BVerfG NJW 2005, 3699). Dazu ist, was Verteidiger häufig scheuen, eine detaillierte Einnahmen- und Ausgabenaufstellung ihres Kanzleibetriebs vorzulegen ist, weil nach Auffassung des BVerfG nur dadurch das OLG in der Lage ist zu prüfen, ob angesichts der wirtschaftlichen Situation dem Pflichtverteidiger ein weiteres Zuwarten auf eine Pauschgebühr nicht zugemutet werden kann.

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Ist mein Pauschvergütungsanspruch verjährt?

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Meine Frage vom vergangenen Freitag hat nur eine Antwort bekommen. Was soll/kann ich daraus schließen? Entweder die Frage war so puppig/einfach, dass sich eine Antwort nicht lohnt :-), oder: Die Problematik interessiert nicht. Sollte sie aber, denn in der (richtigen) Antwort kann eine Menge Geld stecken. Das zeigt der Fall im Ausgangsposting. Beantragt hatte der Pflichtverteidiger eine Pauschgebühr von 15.000 €, bewilligen werden sollten nach Auffassung der Bezirksrevisorin nur. 1.500 € für die Revisionsinstanz.

Bewilligt hat dann aber das OLG Braunschweig im OLG Braunschweig, Beschl. v. 25.04.2016 – 1 ARs 9/16, dem der Sachverhalt der Frage nachgebildet ist, 14.000 €. Das OLG hat sich – unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung – auf den Standpunkt gestellt, dass der sich aus § 51 RVG ergebenden Anspruch auf Bewilligung einer Pauschgebühr für das gesamte Verfahren  erst mit dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens fällig wird. Daher beginnt dann § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB die nach § 195 BGB dreijährige Verjährungsfrist auch erst mit dem Ende dieses Jahres. Ablauf der Verjährungsfrist im Fall also der 31.12.2015. Aber die Verjährung ist durch den Pauschgebührenantrag des Verteidigers vom 22.12.2015 unterbrochen worden.

Nachdem nun das OLG Braunschweig seine frühere anders lautende – für den Pflichtverteidiger nachteilige – Rechtsprechung aufgegeben hat, wird die Verjährungsfrage in der obergerichtlichen Rechtsprechung einheitlich gesehen. Vor kurzem hatte ja auch das KG im KG, Beschl. v. 15.04.2015 – 1 ARs 22/14 – seine frühere Rechtsprechung aufgegeben (vgl. dazu News aus Berlin: Neues zur Verjährungsfrist bei der Pauschgebühr).

Also: Ende gut, alles gut. Nun ja. Aber: Das war dann doch knapp für den Pflichtverteidiger. Denn, wenn das OLG nicht seine Rechtsprechung geändert hätte, wären ihm fast 14.000 € verloren gegangen. Und selbst unter Geltung der neuen Rechtsprechung des OLG wäre fast Verjährung eingetreten, wenn nicht noch kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist am 31.12.2015 der Pauschgebührantrag gestellt worden wäre. Das führt schon zu dem Hinweis, dass mit den Pauschgebührenanträgen auf keinen Fall so/zu lange gewartet werden sollte.

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Pflicht zur Zwischenabrechnung – hat die ARAG Recht?

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Mit der Antwort auf meine Frage vomn letzten Freitag: Ich habe da mal eine Frage: Pflicht zur Zwischenabrechnung – hat die ARAG Recht?, habe ich mich auch erst ein wenig schwer getan. Ist ja an sich auch Zivilrecht und das kann ich nicht mehr so richtig.  Der Ansatz in meinen Überlegungen war, dass es zwar zutreffend ist, dass es sich nach § 17 Nr. 10a RVG nach den Änderungen durch das 2. KostRMoG um verschiedene Angelegenheiten handelt, aber: Die eine Angelegenheit – „gerichtliches Verfahren“ – läuft ja noch. Ganz wohl war mir dabei aber nicht, denn mit der Überlegung wäre man zurückgekehrt zur (falschen) Auffassung des BGH, der für den Rechtszustand vor Inkrafttreten des 2. KostRMoG von einer einheitlichen Sicht des Verfahrens ausgegangen ist.

Und in solchen Situationen ist es immer gut, wenn man jemanden fragen kann. Und das habe ich dann auch getan und habe mich bei N. Schneider rückversichert. Und von dem kam dann das, was ich befürchtet hatte:

„…. die ARAG hat leider Recht. Siehe 

  1. Mit Fälligkeit der Vergütung des Rechtsanwalts gem. § 8 Abs. 1 RVG kann ein Vorschuss nach § 9 RVG nicht mehr verlangt werden, vielmehr muss der Rechtsanwalt nach § 10 RVG abrechnen.
  2. Wenn nach Abschluss eines Mandats nur eine Vorschussrechnung vorliegt, genügt es für die Begründetheit einer Vergütungsklage des Rechtsanwalts nicht, diese im Prozess zur Berechnung nach § 10 RVG zu erklären.

AG Berlin-Lichtenberg, Urt. v. 1.3.2013 – 114 C 138/11^

Man muss mit der Klage auf Freistellung von einer Vorschussanforderung schnell sein. Das neue System des § 17 Nr. 10a und 11 RVG macht das allerdings schwieriger.“

Und fällig ist der „erste Teil“ nun mal. Das steht auch so im RVG, Kommentar. Nun man kann nicht immer Recht haben/bekommen. Der Kollege hat es dann auch hingenommen und – wie er ja auch hier in einem Kommentar mitgetielt hat – die Klage zurückgenommen.