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AG: Aktenversendungspauschale als Servicepauschale, oder: VerfGH: Nein, das ist willkürlich

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Heute dann RVG-Entscheidungen. Einmal geht es um „ganz viel“ Honorar, einmal nur um ein paar Euro.

Ich beginne mit den „paar Euro“. Dazu äußert sich der VerfGH Berlin, Beschl. v. 18.5.2022 – VerfGH 91/21. Es geht um die Erstattung der Aktenversendungspauschale Nr. 9003 VV GKG. Ich hatte an sich gedacht, dass das eine Problematik ist, die erledigt ist. Aber es scheint immer noch wieder Verwaltungsbehörden und/oder Gerichte zu geben, die mit der Pauschale Probleme haben. So auch hier:

Der Polizeipräsident Berlin hatten gegen die Betroffene einen Bußgeldbescheid erlassen. Deren Verteidiger hat Einspruch eingelegt und Akteneinsicht durch Übersendung eines Ausdrucks der Verfahrensakte beantragt. Der Polizeipräsident hat dem Antrag entsprochen und von dem Verteidiger eine Aktenversendungspauschale von 12,- EUR erhoben. Der Verteidiger hat diese dann der Betroffene der Betroffenen zuzüglich Umsatzsteuer in Rechnung gestellt. Nach Eingang der Einspruchsbegründung hat der Polizeipräsident den Bußgeldbescheid aufgehoben, das Verfahren eingestellt und angeordnet an, dass die Betroffene ihre notwendigen Auslagen zu tragen hat. Auf den dagegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat das AG der Landeskasse die notwendigen Auslagen der Betroffenen auferlegt.

Im Rahmen der Kostenerstattung hat der Verteidiger auch die Erstattung der Aktenversendungspauschale in Höhe von 12,- EUR zuzüglich Umsatzsteuer beantragt. Deren Erstattung hat der Polizeipräsident abgelehnt. Das AG hat den Antrag der Betroffenen zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Aktenversendungspauschale könne nicht erstattet werden. Die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde der Betroffenen, mit der diese geltend gemacht hat, die Verweigerung der Erstattung der Aktenversendungspauschale sei willkürlich, hatte beim VerfGH Berlin Erfolg. Das geht von einem Willkürverstoß des AG aus:

„So liegt der Fall hier. Die mit der Verfassungsbeschwerde allein angegriffene Versagung der Erstattung der Aktenversendungspauschale durch den Beschluss vom 27. April 2021 verletzt das Grundrecht der Beschwerdeführerin auf eine willkürfreie Entscheidung gemäß Art. 10 Abs. 1 VvB. Der Beschluss ist insoweit, gemessen an seiner Begründung, unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt mehr vertretbar. Die Entscheidung über die Erstattung der Aktenversendungspauschale musste sich daran orientieren, ob es sich dabei um Auslagen der Beschwerdeführerin in dem genannten Verfahren handelte und ob diese notwendig waren. Das ergibt sich aus der amtsgerichtlichen Kostengrundentscheidung, die die Staatskasse zur Tragung der notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin in dem gegen sie geführten Ordnungswidrigkeitenverfahren verpflichtet hatte. Zu diesem der Entscheidung über die Erstattung der Aktenversendungspauschale zugrunde zulegenden Maßstab weist die Begründung des Amtsgerichts, die Aktenversendungspauschale sei eine Servicepauschale, die der Verteidiger dafür bezahle, dass er sich eine Akteneinsicht bei der Behörde oder eine Mitnahme der Akte erspare, keinen sachlichen Bezug mehr auf. Weder nimmt das Argument des Amtsgerichts der Aktenversendungspauschale offenkundig die Eigenschaft als Auslage der Beschwerdeführerin, noch lässt es deren Notwendigkeit offensichtlich entfallen. Eine Konkretisierung des abstrakten rechtlichen Entscheidungsmaßstabes, die einen sachlichen Bezug zwischen den Begriffen Auslage und Notwendigkeit einerseits und der Begründung des Beschlusses herstellen könnte, hat das Amtsgericht nicht ausgeführt.

Die angefochtene Entscheidung beruht, soweit sie die Erstattung der Aktenversendungspauschale betrifft, auch auf diesem Verstoß gegen das Willkürverbot, da sie keine selbstständig tragende verfassungskonforme Alternativbegründung enthält und sich bei methodisch korrekter Anwendung des einschlägigen Fachrechts auch nicht als einzig in Betracht kommende Entscheidung darstellt. Die verfahrensgegenständliche Aktenversendungspauschale kann als Auslage der Beschwerdeführerin angesehen werden. Auslagen sind Vermögenswerte, d.h. in Geld messbare Aufwendungen eines Verfahrensbeteiligten, die bei der Rechtsverfolgung bzw. der Geltendmachung prozessualer Rechte entstanden sind. Aufwendungen eines Dritten sind als Auslagen des Beteiligten anzusehen, wenn ihm der Beteiligte zum Ersatz verpflichtet ist (vgl. Gieg, Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Auflage 2019, § 464a StPO Rn. 6). Die Verpflichtung zur Zahlung der Aktenversendungspauschale ist gegenüber dem Verteidiger der Beschwerdeführerin durch deren Verteidigung gegen den verfahrensgegenständlichen Ordnungswidrigkeitenvorwurf entstanden. Die Beschwerdeführerin ist ihrem Verteidiger insoweit auch aus dem mit ihm bestehenden Geschäftsbesorgungsvertrag zum Ersatz verpflichtet.

Die Aktenversendungspauschale kann auch als notwendige Auslage angesehen werden. Notwendig ist eine Auslage, wenn sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder zur Geltendmachung prozessualer Rechte erforderlich war (vgl. Gieg, a. a. O.). Das kann schon dann anzunehmen sein, wenn der vernünftige und besonnene Verfahrensbeteiligte sie für geboten halten durfte. Angesichts des Umstandes, dass die einzige andere Möglichkeit, Akteneinsicht zu erlangen, vorliegend eine Einsichtnahme in die elektronisch geführte Verfahrensakte an einem Bildschirm in den Räumen des Polizeipräsidenten in Berlin war, dürfte dies auch naheliegen. Denn diese Möglichkeit der Akteneinsicht stellt sich gegenüber der von dem Verteidiger der Beschwerdeführerin erbetenen Übersendung eines Ausdrucks der Verfahrensakte zweifellos als die deutlich zeit- und kostenaufwändigere Alternative dar.

Ob die angegriffene Entscheidung die Beschwerdeführerin auch in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 15 Abs. 1 VvB verletzt, kann danach dahinstehen.“

Ich frage mich bei solchen Entscheidungen immer, was das eigentlich soll.  Ich meine, die Einordnung des Aktenversendungspauschale als erstattbare Auslage sollte zum Allgemeinwissen eines Amtsrichters gehören und man, wozu allerdings auch die Verwaltungsbehörden zählen, sollte an der Stelle nicht wieder „Fass aufmachen“, das durch die obergerichtliche Rechtsprechung seit längerem geschlossen ist. Denn das führt nur zu an sich unnötigen Rechtsmitteln, die erhebliche Zeitaufwand verursachen – und Zeit hat die Justiz ja angeblich nicht – und auch Kosten, die erheblich über dem Betrag liegen, um den gestritten wird, nämlich 12 EUR.

Im Urteil unterbliebene Auslagenentscheidung, oder: Reminder

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Und als zweite kostenrechtliche Entscheidung dann der OLG Hamm, Beschl. v. 16.11.2021 – III-3 Ws 433/21. Die Entscheidug ist „selbserklärend“:

„Die Staatsanwaltschaft Bielefeld hat unter dem 5. März 2021 Anklage gegen den Beschwerdeführer wegen Beihilfe zu einem versuchten schweren Raub beim Landgericht — Jugendkammer — Bielefeld erhoben. Nach Eröffnung des Hauptverfahrens hat die 3. große Strafkammer — Jugendkammer — des Landgerichts Bielefeld den Beschwerdeführer mit Urteil vom 27. September 2021 freigesprochen und zwei Mitangeklagte verurteilt. Die Kostenentscheidung in der Urteilsformel lautet wie folgt:

„Die Angeklagten tragen die Kosten des Verfahrens, soweit es sie betrifft und soweit sie verurteilt wurden.

Im Übrigen fallen die Kosten der Landeskasse zur Last.“

Mit seiner sofortigen Beschwerde vom 27. September 2021 — Eingang beim Landgericht Bielefeld am selben Tag — wendet sich der Angeklagte gegen die unterbliebene Auslagenentscheidung.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 27. September 2021 bezüglich des Angeklagten pp. dahingehend abzuändern und zu ergänzen, dass die Staatskasse auch die dem Angeklagten pp. entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen hat.

II.

Die sofortige Beschwerde gegen die unterbliebene Auslagenentscheidung ist statthaft und form- und fristgerecht eingelegt worden. Der Zulässigkeit steht auch § 464 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz StPO. nicht entgegen, da gegen die Hauptentscheidung ein Rechtsmittel als solches statthaft ist und dieses — wie hier aufgrund des Freispruchs — lediglich mangels Beschwer nicht zulässig wäre (vgl. Senat, Beschluss vom 19. Mai 2005 — 3 Ws 212/05 — juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Auflage, § 464, Rdnr. •19 m.w.N.).

Die sofortige Beschwerde ist auch begründet. Die das Verfahren abschließende Entscheidung muss ausdrücklich zum Ausdruck bringen, dass ein Dritter und — wie im Falle des Freispruchs — die Staatskasse auch die notwendigen Auslagen eines Angeklagten zu tragen hat (vgl. OLG Hamm Beschluss vom 29′. November 2000 — 2 Ws 316/00, BeckRS 2007, 18586; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Auflage, § 467, Rdnr. 20).

Gemäß § 467 Abs. 1 StPO hat die Staatskasse die einem freigesprochenen Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Dementsprechend ist das Urteil abzuändern und zu ergänzen.“

Nichts wesentlich Neues, aber ein „Reminder“ 🙂 .

Einstellung des OWi-Verfahrens wegen Verjährung, oder: Notwendige Auslagen bei der Staatskasse

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Und als zweite Entscheidung ein LG-Beschluss zu den notwendigen Auslagen des Betroffenen im Bußgelverfahren nach Einstellung des Verfahrens wegen Eintritt der Verjährung. Dazu meint das LG Köln, im LG Köln, Beschl. v. 19.02.2021 – 120 Qs 16/21:

„Zwar kann grundsätzlich gemäß § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG davon abgesehen werden, die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht. Diese Voraussetzung ist angesichts der Angaben des Betroffenen im Anhörungsbogen vom 16.06.2020 (BI. 6 d. Bußgeldakte) erfüllt. Allerdings handelt es sich bei § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO um eine zu begründende Ermessensentscheidung, wobei erkennbar sein muss, dass sich das Gericht des Ausnahmecharakters der Norm bewusst ist (Meyer-Goßner, 63. Aufl. 2020, § 467 Rz. 16a-18 m. w. N.). Dass das Amtsgericht diesen Anforderungen nachgekommen ist, ist aus dem angegriffenen Beschluss nicht ersichtlich. Die Kammer hat jedoch davon abgesehen den Beschluss aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Denn weitere ungeschriebene Voraussetzung des § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO ist, dass weitere Gründe hinzutreten müssen, die eine Überbürdung der Kosten auf die Staatskasse als unbillig erscheinen lassen, wie z. B. die Herbeiführung des Verfahrenshindernisses durch den Betroffenen etc. Bei Beachtung dieser Grundsätze ist § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO nur in seltenen Ausnahmefällen anwendbar, was dem Willen des Gesetzgebers entspricht (Meyer-Goßner, a. a. 0.). Solche weiteren Gründe ergeben sich hier nicht aus dem Akteninhalt, so dass das Amtsgericht bei einer Zurückverweisung auch zu keiner anderen Entscheidung kommen könnte. Das Entstehen des Verfahrenshindernisses (Verfolgungsverjährung) beruhte hier allein darauf, dass die Akten nicht innerhalb der Frist des § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 OWiG beim Amtsgericht eingegangen waren.“

Gut so.

Auslagenentscheidung zu Lasten der Landeskasse, oder: Auch alles kann „besonders“ sein

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Und die zweite schöne 🙂 Gebührenentscheidung kommt vom LG Berlin. Das hat im LG Berlin, Beschl. v. 13.11.2020 – 502 Qs 91/20 -, den mir der Kollege Kroll geschickt hat, zu den „besonderen“ Auslagen i.S. von § 465 Abs. 2 Satz 1 StPO Stellung genommen.

Nach dem Sachverhalt war die Verurteilte wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 StGB angeklagt worden war. Sie ist dann aber nur wegen einer fahrlässigen Verkehrsordnungswidrigkeit gem. § 24a Abs. 1 StVG zu einer Geldbuße von 500,00 Euro verurteilt worden. Die Verurteilte hat sich gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung des Urteils des AG gewendet und beantragt, ihre notwendigen Auslagen der Landeskasse aufzuerlegen. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, dass sie nicht wegen der angeklagten Tat – § 316 StGB -, sondern nur wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 1 StVG verurteilt wurde, wobei sie sich gegen einen entsprechenden Bußgeldbescheid nicht gewehrt hätte, so dass aus, Billigkeitsgründen die notwendigen Auslagen gern. § 465 Abs. 2 StPO der Staatskasse aufzuerlegen seien.

Das LG hat ihr Recht gegeben:

„Die sofortige Beschwerde ist begründet. Der Staatskasse sind billigerweise die notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin für das gerichtliche Verfahren aufzuerlegen, § 465 Abs. 2 S. 1, 3 StPO. Im Einzelfall können die gesamten Auslagen „besondere“ sein, wenn nämlich bei anfänglicher Begrenzung des Schuldvorwurfs auf den sich später als begründet erwiesenen Teil Auslagen überhaupt nicht entstanden wären, etwa weil der wegen eines Vergehens Angeklagte, der nur wegen einer Ordnungswidrigkeit verurteilt wird, einen Bußgeldbescheid widerspruchslos hingenommen hätte (BGH, Beschluss vom 24. Januar 1973 — 3 StR 21/72, NJW 1973, 665, 667 = BGHSt 25, 109; m.w.N. KK-StP0/Gieg, 8. Aufl. 2019 Rn. 5, StPO § 465 Rn. 5; BeckOK StPO/Niesler, 37. Ed. 01. Juli 2020, § 465 Rn. 8). Es ist davon auszugehen, dass — sofern die Sachlage noch vorgerichtlich im Sinne der Verurteilung gewürdigt worden wäre — ein Bußgeldbescheid ergangen wäre, gegen den sich die Verurteilte nicht gewendet hätte. Dass die Verurteilte in dieser Konstellation kein gerichtliches Verfahren veranlasst hätte, wird dadurch bestätigt, dass sie gegen das amtsgerichtliche Urteil keine Rechtsmittel eingelegt hat. Billigerweise ist sie damit nicht als Verursacherin ihrer notwendigen Auslagen, soweit diese das gerichtliche Verfahren betreffen, anzusehen und die Staatskasse ist insoweit zu belasten.“

OWI III: Verletzung des Zitiergebotes ==> Rücknahme des „BGB“ , oder: Wer trägt die notwendigen Auslagen?

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Und die dritte und letzte Entscheidung stammt vom AG Trier. Den AG Trier, Beschl. v. 21.10.2020 – 35a OWi 54/20 – hat mit die Kollegin S. Gallien aus Trassem geschickt. Er behandelt eine Problemati, mit der wir es in Zukunft wahrscheinlich häufiger zu tun haben werden. Nämlich die Frage: Wer trägt die Kosten und notwendigen Auslagen des Betroffenen im Bußgeldverfahren in den Fällen der Rücknahme des Bußgeldbescheides wegen Verletzung des Zitiergebotes.

Das AG Trier hat sie der Verwaltungsbehörde auferlegt:

„Der Antrag der Betroffenen ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Die Bußgeldbehörde hat den Antrag der Verteidigerin auf Auferlegung der notwendigen Auslagen des Betroffenen auf die Staatskasse zu Unrecht abgelehnt.

Der Betroffene hat die Kosten des Verfahrens (Kosten und Auslagen) zu tragen hat, wenn er „verurteilt“ wird, d. h. wenn gegen den Betroffenen ein Bußgeld festgesetzt wird. Dies gilt auch, wenn der Betroffene mit dem Einspruch nur eine geringe als die festgesetzte Geldbuße erstrebt und eine solche dann festgesetzt wird (Göhler, OWiG, 17. Auflage 2017, § 67 Rn. 42).

Hinsichtlich der notwendigen Auslagen greift daher zu Gunsten des Betroffenen lediglich § 465 Abs. 2 StPO i. V. m. §§ 46 Abs. 1, 105 Abs. 1 OWiG ein. Dies beruht darauf, dass der Einspruch kein Rechtsmittel, sondern ein Rechtsbehelf eigener Art ist, auf den § 473 StPO nicht anwendbar ist. Die notwendigen Auslagen des Betroffenen werden ansonsten nur von der Staatskasse getragen, wenn eine endgültige Einstellung des Verfahrens durch die Verwaltungsbehörde aus Rechtsgründen, d.h. nach Einspruch gegen den Bußgeldbescheid und dessen Rücknahme, erfolgt (vgl. vgl. Göhler, OWiG, 17. Auflage 2017, Vor § 105 Rn. 69; Bohnert/Krenberger/Krumm, OWiG, 6. Auflage 2020, Rn. § 105 Rn. 60).

Hier hat die Verwaltungsbehörde das Verfahren jedoch nicht endgültig eingestellt, sondern lediglich den Bußgeldbescheid vom 23.06.2020 zurückgenommen und diesen durch den Bußgeldbescheid vom 30.07.2020 ersetzt, der keine Anordnung eines Fahrverbots mehr enthält. § 465 Abs. 2 StPO ist anwendbar, da der Bußgeldbescheid auf den Einspruch hin zurückgenommen und durch einen günstigeren, weniger belastenden ersetzt worden ist (vgl. Göhler, OWiG, 17. Auflage 2017, § 67 Rn. 42; Hadamitzky, in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Auflage 2018, § 105 Rn. 83)

Nach § 465 Abs. 2 S. 2 und 3 StPO i. V. m. §§ 46 Abs. 1, 105 Abs. 1 OWiG sind die notwendigen Auslagen des Betroffenen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, wenn es unbillig wäre, den Betroffenen damit zu belasten.

Die Belastung des Betroffenen mit den ihm entstandenen notwendigen Auslagen ist unbillig. Ob eine Unbilligkeit vorliegt, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Dem Bußgeldbescheid vom 16.06.2020 lag der „neue“ Bußgeldkatalog vom 29.04.2020 zugrunde. In der Eingangsformel der 54. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 20. April 2020, in Kraft getreten am 28. April 2020, fehlt der Verweis auf § 26 Abs. 1 Nr. 3 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG).

Diese Vorschrift ist die Ermächtigungsgrundlage für den Erlass einer Rechtsverordnung zur Anordnung von Fahrverboten. Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG ist in einer bundesrechtlichen Verordnung deren Rechtsgrundlage anzugeben (Zitiergebot). Art. 3 (Änderung der Bußgeldkatalog-Verordnung) der 54. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften ist daher wegen Verstoßes gegen das Zitiergebot aus Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG offensichtlich nichtig.

Unerheblich ist, dass die Bußgeldbehörde im Hinblick auf die Frage der Wirksamkeit des „neuen“ Bußgeldkatalogs von den Vorgaben der jeweils zuständigen Landesministerien abhängig waren und unverzüglich nach Bekanntmachung einer Entscheidung der Ministerien diese umgesetzt wurden.

Vor diesem Hintergrund war die Rechtsklage für einen Laien erst recht undurchsichtig und die Beiziehung eines Rechtsanwaltes angemessen.

Mit Schriftsatz vom 02.07.2020 legte der Betroffene über seine Verteidigerin Einspruch gegen den Bußgeldbescheid vom 16.06.2020 ein.

Mit Bußgeldbescheid vom 08.07.2020 wurde der Bußgeldbescheid vom 16.06.2020 „aufgrund des Fehlers im neuen Gesetz“ zurückgenommen und gegen die Betroffene ein Bußgeld in Höhe von 80,00 € festgesetzt. Ein Fahrverbot wurde nicht angeordnet.

Diesen hat der Betroffene akzeptiert und das Bußgeld gezahlt.

Der Erlass eines rechtmäßigen Bußgeldbescheides liegt in der Sphäre der Bußgeldbehörde. Die Verwaltungsbehörde hätte den ursprünglichen rechtswidrigen Bußgeldbescheid bereits nicht erlassen dürfen. Erst der Bußgeldbescheid vom 08.07.2020 entspricht der geltenden Rechtslage.

Aus diesen Gründen stellt die Belastung des Betroffenen mit seinen notwendigen Auslagen eine unbillige Härte dar.“