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Das radfahrende Kind – die Aufsichtspflicht der Eltern

entnommen wikimedia.org

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Schon ein wenig länger hängt in meinem Blogordner das LG Saarbrücken, Urt. v. 13.02.2015 – 13 S 153/14. Das passt heute ganz gut zu dem frühlingshaften Wetter. Denn: Es behandelt das „radfahrende Kind“ bzw. die Aufsichtspflicht der Eltern. Im Streit waren die Kosten aus einem Verkehrsunfall, an dem der zum Unfallzeitpunkt acht Jahre alte Sohn der beklagten mit seinem Fahrrad beteiligt war. Seine Eltern wurde auf Schadensersatz nach §§ 823, 832 BGB in Anspruch genommen. Vom AG sind sie verurteilt worden, das LG hat das Urteil aufgehoben.

Das LG sieht keine Verletzung der Aufsichtspflichtverletzung der Eltern:

„Entsprechend dieser Grundsätze dürfen sich schulpflichtige Kinder grundsätzlich bereits ab dem 6. Lebensjahr allein im Straßenverkehr bewegen, wenn keine speziellen Gefahrenquellen entgegenstehen. Denn zum Erlernen eines selbstständigen und umsichtigen Verhaltens im Straßenverkehr gehört die Möglichkeit, sich ohne ständige direkte Kontrolle und Anleitung im Verkehr zu bewähren (vgl. OLG Koblenz, Schaden-Praxis 2009, 280; Staudinger/Belling, BGB, Neubearbeitung 2012, § 832 Rn. 137; Lang, jurisPR-VerkR 19/2014 Anm. 2; ders., 51. Deutscher Verkehrsgerichtstag 2013, S. 61, 82, jew. m.w.N.). Beherrscht ein Kind das Radfahren in technischer Hinsicht, setzt die Erfüllung der Aufsicht der Eltern dann voraus, dass das Kind über Regeln und Gefahren der Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr mit dem Fahrrad belehrt wurde (vgl. OLG Koblenz aaO; Staudinger aaO; Kuhn, 51. Deutscher Verkehrsgerichtstag 2013, S. 43, 52). Daneben kommt es für die Beurteilung der Frage, ob in der konkreten Verkehrssituation eine Verletzung der Aufsichtspflicht der Eltern dadurch, dass sie nicht präsent waren, darauf an, ob das Kind mit der Wegstrecke vertraut war (OLG Koblenz aaO mit Verweis auf BGH, Urt. v. 07.07.1987 – VI ZR 176/86, VersR 1988, 83).

c) Hiervon ausgehend haben die Beklagten vorliegend den Entlastungsnachweis erbracht. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass das Kind von den Beklagten nicht im Einzelnen über das in einer entsprechenden Verkehrssituation gebotene Verhalten aufgeklärt worden ist. Unter den hier gegebenen Umständen genügte indes die von der Zweitbeklagten plausibel bekundete und auch von dem Kind bestätigte allgemeine Belehrung, wonach langsam zu fahren und auf das „Vorrecht“ von Autos zu achten ist, den Anforderungen an eine entsprechende Belehrung.
aa) Wie weit die Belehrungs- und Unterrichtungspflicht der Aufsichtspflichtigen über die Regeln und Gefahren im Straßenverkehr gegenüber radfahrenden Kindern reicht, hängt maßgeblich davon ab, auf welchen Strecken sich das Kind im Einverständnis mit den Aufsichtspflichtigen im Straßenverkehr bewegt. Die Belehrung und Unterrichtung von radfahrenden Kindern über die einzuhaltenden Verkehrsregeln und die Gefahren muss daher umso eingehender und nachhaltiger sein, je gefahrenträchtiger die befahrene Wegstrecke ist.
bb) Vorliegend handelt es sich bei dem gesamten Bereich, in dem der Sohn der Beklagten geradelt ist, um einen verkehrsberuhigten Bereich in unmittelbarer Nähe zur elterlichen Wohnung. In solchen Bereichen dürfen Eltern ihren Kindern gerade wegen der Funktion der Verkehrsberuhigung größere Freiheiten lassen als in „normalen“ Straßen. Deshalb ist auch eine unbeaufsichtigte Teilnahme am Straßenverkehr durch fahrradfahrende Kinder in verkehrsberuhigten Zonen – wie hier – ohne weiteres zulässig (Staudinger aaO Rn. 137; Kuhn, 51. Deutscher Verkehrsgerichtstag 2013, Schriftenreihe, S. 43, 53), da nur in diesen Verkehrsbereichen die Defizite der Kinder durch entsprechend vorsichtiges und verantwortungsbewusstes Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer ausgeglichen werden (Staudinger aaO Rn. 137; vgl. für eine Sackgasse auch LG Coburg, Hinweisbeschluss vom 21.08.2008 – 33 S 66/08, Pressemitteilung vom 26.09.2008 Nr. 386/08, abgedruckt in juris). Für den Umfang der Belehrungs- und Unterrichtungspflicht der Aufsichtspflichtigen folgt hieraus, dass die Aufsichtspflichtigen das Kind beim Radfahren in verkehrsberuhigten Bereichen nicht mit einzelnen Verkehrsregeln vertraut machen und deren Beherrschung gar überprüfen müssen. Vielmehr genügt es beim Befahren von verkehrsberuhigten Bereichen, die nicht zum fließenden Verkehr gehören (vgl. Kammer, Urt. v. 20.07.2007 – 13 A S 13/07, DAR 2008, 216), wenn das Kind – wie hier – über allgemeine Gefahren des Straßenverkehrs und den im ruhenden Verkehr maßgeblichen Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtnahme (vgl. nur Kammer, Urt. v. 19.07.2013 – 13 S 61/13, ZfS 2013, 564 m.w.N.) auch im Verhältnis zu Autofahrern aufgeklärt und zu dessen Beachtung angehalten worden ist.
cc) Die Kammer ist schließlich davon überzeugt, dass der Sohn der Beklagten im Übrigen in der Lage war, ohne weitere Unterrichtung oder gar Beaufsichtigung den verkehrsberuhigten Bereich im Umfeld der elterlichen Wohnung, mithin in einem ihm ohne weiteres bekannten Bereich, allein mit seinem Rad zu befahren. Denn er war – wie sich aus der Anhörung der Zweitbeklagten und der Vernehmung des Kindes nachvollziehbar ergibt – im Radfahren geübt und hatte bis zum streitigen Vorfall durch seine Fahrweise keinen Anlass gegeben, ihn „engmaschiger“ zu überwachen (vgl. hierzu auch LG Coburg, Hinweisbeschluss vom 21.08.2008 – 33 S 66/08, Pressemitteilung vom 26.09.2008 Nr. 386/08, abgedruckt in juris).“

Lesen, ärgern, als falsch abheften

© Alex White _Fotolia.com

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Lesen, ärgern, als falsch abheften, mehr kann und mehr sollte man mit dem LG Saarbrücken, Beschl. v. 05.02.2015 – 6 Qs 17/15 nicht tun. Und viel mehr habe ich auch nicht getan, aber geärgert habe ich mich schon über den in meinen Augen – mal wieder falschen – Beschluss aus Saarbrücken. In ihm werden dem Verteidiger für das Berufungsverfahren nämlich gerade mal 80 € für die Verfahrensgebühr Nr. 4124 VV RV G zugebilligt/gewährt – das ist die Mindestgebühr. Und für den Berufungshauptverhandlungstermin von 30 Minuten Dauer gibt es im Rahmen der Terminsgebühr dann 110,– €. Und das m.E. jeweils mit falscher Begründung:

Zur Verfahrensgebühr heißt es:

„Im Hinblick auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 4124 VV-RVG erscheint im vorliegenden Fall die Mindestgebühr in Höhe von 80,– Euro zuzüglich Mehrwertsteuer angemessen, da sich die Tätigkeit des Verteidigers im Hinblick auf die mit der Verfahrensgebühr abgegoltenen Tätigkeiten vor Gericht außerhalb der Hauptverhandlung lediglich auf die Entgegennahme des Berufungsurteils beschränkte. Soweit der Beschwerdeführer vorträgt, er habe sich kurzfristig auch nach der üblichen Bürozeit in die Angelegenheit einarbeiten müssen, so ist diese Tätigkeit bereits mit der Grundgebühr, welche im vorliegenden Fall mit der Mittelgebühr in Ansatz gebracht wurde, abgegolten.“

Falsch meine Damen und Herren vom LG. Denn ihr führt selbst aus, dass der Verteidiger auch noch ein zweites Gespräch geführt hat. Das ist dann aber jedenfalls nicht von der Grundgebühr abgedeckt, da das über die Einarbeitung hinausgeht. Steht so in jedem Kommentar, gilt aber offenbar in Saarbrücken nicht. Und ob nicht auch sonst mehr als die „Mindestgebühr“ – also weniger kann man nicht tun – gerechtfertigt gewesen wäre, wage ich auch zu bezweifeln.

Zur Terminsgebühr heißt es:

„Im Hinblick auf die geltend gemachte Terminsgebühr ist die vom Amtsgericht vorgenommene Kürzung auf 110,– zuzüglich Mehrwertsteuer für den Termin vom 27.03.2014 ebenfalls sachgerecht. Wesentliches Bemessungskriterium bei der Terminsgebühr ist regelmäßig die Dauer des Termins. Im vorliegenden Fall dauerte die Hauptverhandlung 30 Minuten. Dies ist im Vergleich mit allen beim Landgericht – Kleine Strafkammer – anhängigen Berufungsverfahren als unter dem Durchschnitt anzusehen. Auch sonstige Kriterien, welche die unterdurchschnittliche Dauer kompensieren könnten, namentlich die Dimension der Bedeutung, der Schwierigkeit und des Umfangs der Angelegenheit, liegen im vorliegenden Fall nicht vor. Die Angelegenheit war denkbar einfach gelagert. Auch die Bedeutung der Angelegenheit im Hinblick auf das Fahrverbot für den Angeklagten ist nicht derart hoch zu gewichten, als dass sie die unterdurchschnittliche Dauer der Hauptverhandlung im vorliegenden Fall kompensieren könnte.“

Auch das ist m.E. im Hinblick auf die sonstigen Umstände falsch, allein schon wegen des im Raum stehenden Fahrverbots. Ob die geltend gemachte Mittelgebühr berechtigt gewesen ist, mag dahinstehen, 110 €, also etwas mehr als die Mindestgebühr, sind m.E. aber nicht „sachgerecht“.

Ein bisschen mehr als „Lesen, ärgern, als falsch abheften“ habe ich dann doch getan. Ich habe mich bei dem „armen“ Kostenbeamten aus Saarbrücken bedankt für die Übersendung des Beschlusses – er tut mir schon ein wenig leid, weil er immer die ganze Breitseite abbekommt. Geschrieben habe ich ihm: „…danke. Ich spare mir einen Kommentar, außer: Ich wünsche den Richtern, dass sie mal für die Netto-Sätze, von denen dann noch Büro, Angestellte usw. bezahlt werden müssen, arbeiten dürfen.

Lösung zu: Gibt es im (straßenverkehrsrechtlichen) OWi-Verfahren immer die Mittelgebühr?

© haru_natsu_kobo - Fotolia.com

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Ich hatte am Freitag das Posting: Ich habe da mal eine Frage: Gibt es im (straßenverkehrsrechtlichen) OWi-Verfahren immer die Mittelgebühr? zur Diskussion gestellt. Die Frage war so allerdings nicht ganz richtig gestellt bzw. verkürzt. Denn so, wie sie gestellt ist, ist die Antwort natürlich ein kurzes und trockenes „Nein“. Natürlich gibt es nicht immer die Mittelgebühr! Aus dem Posting ergab/ergibt sich aber dann, worum es geht, nämlich um den Ausgangspunkt für die Bemessung der anwaltlichen Gebühren im (straßenverkehrsrechtlichen) Bußgeldverfahren. Ist das eben immer die Mittelgebühr oder liegt der Ausgangspunkt (immer) darunter, weil die (straßenverkehrsrechtlichen) Bußgeldverfahren (immer) von geringerer Bedeutung sind und deshalb die Mittelgebühr als Ausgangspunkt nicht angemessen ist.

Nun, m.E. kann man als inzwischen h.M. ansehen, dass Ausgangspunkt auch in diesen Verfahren immer die Mittelgebühr ist. Die Verfahren sind nicht generell von geringerer Bedeutung. Das stimmte schon früher nicht und stimmt m.E. jetzt nach Inkrafttreten der Punktereform erst recht nicht, da jetzt schon acht Punkte für den Entzug der Fahrerlaubnis ausreichen. Die Grenze ist also viel früher erreicht, so dass das einzelne Verfahren um so bedeutender (geworden) ist. Also: Ausgangspunkt ist die Mittelgebühr, was im Übrigen auch allgemeinen gebührenrechtlichen Grundsätzen entspricht, wonach bei der Gebührenbemessung von der Mittelgebühr auszugehen und dann zu schauen ist, welche gebührenerhöhenden bzw. – mindernden Umstände vorliegen. Das gilt für das Strafverfahren und das gilt auch für das Bußgeldverfahren (auch wenn die Rechtsschutzversicherungen das gern anders sehen).

Wie gesagt: M.E. inzwischen h.M. und bei uns im RVG-Kommentar nachzulesen. Und für das Posting hier habe ich zwei Entscheidungen aus neuerer Zeit, die von diesem Grundsatz ausgehen, beide mit in etwa demselben Leitsatz, aber dann doch mit unterschiedlichen Ergebnisse. Dazu nur: Ob man dem LG Saarbrücken in allen Punkten folgen kann, darüber lässt sich sicherlich streiten, was ich hier dann aber nicht tun will. Es handelt sich also um folgende Entscheidungen:

  • AG Tauberbischofsheim; Urt. v. 20.06.2014 – 1 C 58/14 mit dem Leitsatz: „Beim Tätigwerden eines Wahlverteidigers bildet in einer Bußgeldsache wegen einer Straßenverkehrsordnungswidrigkeit grundsätzlich die Mittelgebühr den Ausgangspunkt für die Gebührenbemessung, wobei bei der Gebührenbestimmung innerhalb des Gebührenrahmens den Besonderheiten des Einzelfalles, insbesondere der Art und Gewichtigkeit des jeweiligen Bußgeldverfahrens, Rechnung zu tragen ist.“
  • LG Saarbrücken, Beschl. v. 09.07.2014 – 2 Qs 30/14 – mit dem Leitsatz: „Ausgangspunkt für die für die Gebührenbemessung der Rahmengebühren des Rechtsanwalts ist – auch in straßenverkehrsrechlichen Bußgeldverfahren –  grundsätzlich die Mittelgebühr. Bei der Gebührenbestimmung innerhalb der Gebührenrahmen ist dann jedoch auf die Gesamtumstände und die Besonderheiten des Einzelfalles abzustellen.“

Arbeitsrecht meets Strafvollzug – die „Ablösung“ des Gefangenen von der Arbeit

© chris52 - Fotolia.com

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Ich habe länger nichts mehr zu Haftfragen gebracht. Daher heute mal Strafvollzug mit arbeitsrechtlichem Einschlag: Der Antragsteller verbüßt eine Freiheitsstrafe in der JVA Saarbrücken. Seit dem 5.12.2012 war er als Hausarbeiter eingesetzt. Am 5.8.2013 wandte sich der Gefangene A an den Sozialdienst der Vollzugsabteilung und gab an, er werde von den Mitgefangenen M, G und D, zu denen auch der Antragsteller gehörte, bedroht. Diese bestritten in den folgenden Anhörungen den Vorwurf und behaupteten, der Gefangene A habe gerade eine Bedrohung oder einen Angriff auf seine Person provozieren wollen, um eine Verlegung in sein Heimatland zu erzwingen. Der Antragsteller befand sich als einziger dieser Gefangenen im Arbeitseinsatz. Nachdem er bis auf weiteres für die Tätigkeit gesperrt worden war, ordnete der Anstaltsleiter – ohne weitere Disziplinierung – am 10.9.2013 die Ablösung des Antragstellers von seiner Tätigkeit an. Dagegen wendet sich dieser und begehrt die gerichtliche Entscheidung gemäß § 109 StVollzG sowie die Verpflichtung ihm seine vorherige Arbeit wieder zuzuweisen. Nach seiner Auffassung komme eine Ablösung nur in Betracht, wenn sich nachträglich seine fehlende Eignung herausgestellt habe. Er sei jedoch nach wie vor motiviert und auch geeignet der Tätigkeit nachzugehen. Sein Vollzugsverhalten sei zudem ohne Beanstandung gewesen und er habe bisher keine Probleme bereitet.

Der Antragsteller hat mit seinem Antrag bei der StVK des LG Saarbrücken Erfolg. Die hat im LG Saarbücken, Beschl. v. 18.03.2014 – IV StVK 1366/13 – die JVA angewiesen, den Antragsteller wieder zu beschäftigen.

„Die Antragsgegnerin hat zu Unrecht die von ihr ermittelte Verdachtslage als ausreichend für die erfolgte Ablösung von der Arbeit gehalten.

Besteht nur der Verdacht einer Verfehlung, so muss er seiner Intensität nach ebenso gravierend wie in jenen Fällen sein, in denen die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung ihn als Kündigungsgrund genügen lässt (OLG Frankfurt, NStZ-RR 2005, 158; Feest-Lesting, StVollzG, 6. Auflage, § 37 Rdnr. 17).

Grundsätzlich kann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes nicht nur eine erwiesene Vertragsverletzung, sondern auch schon der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen Verfehlung ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung gegenüber dem verdächtigen Arbeitnehmer sein. Eine Verdachtskündigung liegt dann vor, wenn und sobald der Arbeitgeber seine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht eines (nicht erwiesenen) strafbaren Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört (ständige Rsp. des BAG; vgl. nur BAG vorn 26.09.2002 — 2 SZR 424/02 = AP Nr. 37 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung; BAG vom 05.04.2011 — 2 AZR 217/00 = AP Nr. 34 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung; BAG vorn 20.08.1997 — 2 AZR 620/96 = AP Nr. 27 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung; BAG vom 14.09.1994 — 2 AZR 164/94 AP Nr. 24 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung). Der Verdacht einer strafbaren Handlung stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Bei der Verdachtskündigung sind objektive Tatsachen, die für den Verlust des zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendigen Vertrauens ursächlich sind, der Kündigungsgrund. § 626 Abs. 1 BGB lässt im Fall des Verdachts einer Straftat eine außerordentliche Kündigung dann zu, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen; wenn die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses geforderte Vertrauen zu zerstören und wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen hat, insbesondere dein Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (vgl. BAG AP Nr. 23, 24 und 25 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung). Der Verdacht muss objektiv durch bestimmte, im Zeitpunkt der Kündigung vorliegende (Indiz-)Tatsachen begründet sein. Der Verdacht muss sich aus Umständen ergeben, die so beschaffen sind, dass sie einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zum Ausspruch der Kündigung veranlassen können. Er muss darüber hinaus schwerwiegend sein. Es ist zu prüfen, ob eine große Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der gekündigte Arbeitnehmer eine Straftat begangen hat (LAG Schleswig-Holstein vom 25.02.2004 — 3 Sa 491/03; KR-Fischermeier, Gemeinschaftskommentar zum KSchG, 6. Auflage, Rdnr. 212 und 214 zu § 626 BGB; KR-Etzel, Rdnr. 508 zu § 1 KSchG, jeweils m. w. N.)….“

Ladung mit Warnhinweis: Terminschwierigkeiten beim Verteidiger interessieren ggf. nicht

HammerTerminsverlegungsfragen sind immer interessant und lassen die Wogen immer hoch schlagen. So auch der LG Saarbrücken, Beschl. v. 14.04.2014- 1 Qs 11/14 –, den mir der Kollege Nozar übersandt hat. Er hat sich schon geärgert, dass ein von ihm gestellter Verlegungsantrag abgelehnt und seine Beschwerde dann vom LG verworfen worden ist. Zum Verfahren teilt er in seiner Mail mit, dass das aus 2007/2008 stammt und nun nicht verlegt wird „weil es soooo eilig ist.“  Im Beschluss führt das  LG aus:

„Grundsätzlich werden die Termine gemäß § 213 StPO vom Vorsitzenden des Gerichts anberaumt. Hier hat die Richterin am Amtsgericht mit Verfügung vom 7.2.2014 Termin auf den 6.5.2014 bestimmt. Die Verfahrensbeteiligten hatten somit mit einem zeitlichen Vorlauf von 3 Monaten die Gelegenheit, sich auf diesen Termin einzurichten und die entsprechenden Vorkehrungen zu treffen. Der Beschwerdeführer hat seine Terminsladung am 11.2.2014 erhalten. Nach dem Beschwerdevorbringen hat er gleichwohl zunächst rund einen Monat verstreichen lassen, bevor er einen Besprechungstermin beim Verteidiger wahrgenommen hat. Dieser hat sich sodann bei Gericht bestellt und hat den vom Amtsgericht im Ergebnis abgelehnten Terminsverlegungsantrag gestellt. Im Rahmen der vom Beschwerdegericht zu überprüfenden Ermessenentscheidung des Amtsgerichts ist nicht nur die durch das Verhalten des Beschwerdeführers bedingte späte Bestellung des Verteidigers zu berücksichtigen. Es kommt hinzu, dass eine Mehrzahl von Ladungen zu veranlassen ist, die zum Teil im — auch außereuropäischen – Ausland zu bewirken sind. Angesichts der gerichtsbekannt angespannten Terminslage des Amtsgerichts Saarbrücken im Allgemeinen und der Bedeutung des Beschleunigungsgebots für das infolge Dezernatswechsels und vorrangiger Haftsachen wiederholt zurückgestellte Verfahren im Besonderen ist ein Ermessensfehlgebrauch für die Kammer nicht erkennbar.

Der Hinweis der Beschwerde auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14.7.2010 (Az.: 1 StR 123/10) geht schon deshalb fehl, weil es sich dort um eine mehrere Monate andauernde Umfangssache gehandelt hat und eine Terminabsprache mit einem bereits seit längerer Zeit bestellten Verteidiger, der wiederholt bei der Terminierung übergangen worden war, nicht erfolgt war. Vorliegend handelt es sich hingegen um ein für einen Tag terminiertes Verfahren wegen Diebstahls, bei dem eine Terminsabsprache mit dem Verteidiger dem Amtsgericht schon deshalb gar nicht möglich war, weil dieser sich erst nach der Ladung zum Termin bestellt hat.“

Nun, ob das alles so richtig, wage ich dann doch zu bezweifeln. Aber letztlich wird man das nur beurteilen können, wenn man die Einzelheiten der Akte, jedenfalls mehr als der Beschluss mitteilt, kennt. Aber eins meine ich, kann man doch anmerken, wenn der Beschluss darauf abstellt, dass der Beschuldigte nach Zustellung der Ladung einen Monat hat verstreichen lassen, bevor er einen Termin beim Verteidiger wahrgenommen hat. Dazu:

  • Man hat den Eindruck, als gehe die Kammer davon aus, dass Verteidiger (des Vertrauens) auf Zuruf arbeiten und Besprechungstermine ohne weiteres parat halten. Haben Sie nicht und müssen sie auch nicht.
  • Und: Wenn es zulässig sein soll, dem Beschuldigten die verzögerte Kontaktaufnahme vorzuhalten, muss man dann nicht eine Ladung mit Warnhinweis fordern. Der könnte dann etwa lauten: „Gehen Sie baldmöglich zu Ihrem Verteidiger des Vertrauens. Sollten sie das nicht rechtzeitig tun, müssen sie sich ggf. selbst vertreten. Das Gericht nimmt keine Rücksicht auf Terminsüberschneidungen beim Verteidiger„.