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StPO II: Zwangsweise Abnahme von Fingerabdrücken, oder: Entsperren eines Mobiltelefons

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Als zweite LG-Entscheidung zur StPO stelle ich den LG Ravensburg, Beschl. v. 14.02.2023 – 2 Qs 9/23 jug. – vor. Es geht in der Entscheidung um die Zulässigkeit der Anordnung der – ggf. zwangsweisen – Abnahme von Fingerabdrücken des Beschuldigten für Zwecke der Entsperrung eines Mobiltelefons. Ist das zulässig und aufgrund welcher Grundlage? Das LG sagt: Zulässig, die Maßnahme wird durch § 81b Abs. 1 StPO gedeckt:

„Die zulässige Beschwerde des Beschuldigten hat in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung entspricht der Sach- und Rechtslage. Die Kammer teilt grundsätzlich die Auffassung des Amtsgerichts (1.). Die Kammer weicht lediglich insoweit von der Begründung des Amtsgerichts ab, als dass die Ermittlungsmaßnahme auch auf § 81a StPO gestützt wurde (2.).

1. Die Voraussetzung des § 81b Abs. 1 1 Var. StPO liegen vor (a)), die angeordneten Maßnahmen sind von der einschlägigen Ermächtigungsgrundlage gedeckt (b)) und insbesondere verhältnismäßig (c)).

a) Gegen den Beschuldigten wird ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit sowie des versuchten unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln geführt.

b) Die Anordnung zur Abnahme von Fingerabdrücken des Beschuldigten auch gegen seinen Willen und erforderlichenfalls im Wege der zwangsweisen Durchsetzung (aa)), sowie die Anordnung zur Nutzung der hieraus resultierenden biometrischen Daten für Zwecke der Entsperrung des Mobiltelefons (bb)) finden ihre Grundlage in § 81b Abs. 1 StPO.

aa) 81b Abs. 1 1. Var. StPO ermächtigt schon dem Wortlaut nach zur Abnahme von Fingerabdrücken beim Beschuldigten. Die Maßnahme hat der Beschuldigte als Passivmaßnahme zu dulden (vgl. Rottmeier/Eckel, NStZ 2020, S. 193 (195)). Im Fall des Widerstands berechtigt § 81b Abs. 1 sogar die Anwendung unmittelbaren Zwangs, etwa durch Auflegen der Finger des Beschuldigten auf den Fingerabdrucksensor (Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Auflage 2019, § 81b Rn. 15). Deshalb verletzt die Maßnahme weder die in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich garantierte Selbstbelastungsfreiheit, noch den Kernbereich des fairen Verfahrens aus Art. 6 EMRK (vgl. Auch Bäumerich, NJW 2017, S. 2718 (2721)).

Der Einwand in der Beschwerdebegründung, der Beschuldigte habe sich freiwillig Fingerabdrücke abnehmen lassen, lässt sich aus den, der Kammer vorliegenden Ermittlungsakten so nicht entnehmen. Die einzige freiwillige Mitwirkungshandlung war die Abgabe einer Urinprobe am Tag der Wohnungsdurchsuchung.

bb) Auch die Nutzung der festgestellten Fingerabdrücke für Zwecke des Entsperrens des Mobiltelefons des Beschuldigten. ist als „ähnliche Maßnahme“ von § 81b Abs. 1 StPO umfasst.

Bei dieser Maßnahme handelt es sich sicherlich nicht um den klassischen Fall, welcher dem Erlass des § 81b Abs. 1 StPO zugrunde lag. Dem historischen Gesetzgeber lag vielmehr die Vorstellung zugrunde, die festgestellten Fingerabdrücke mit den Tatortspuren oder den Abdrücken einer. Kartei zu vergleichen, um damit einen Tatnachweis führen zu können (Bäumerich, NJW 2017, S. 2718 (2721), m.w.N.). Dabei ist zu beachten, dass der Gesetzgeber dies nicht in der Deutlichkeit in den Gesetzeswortlaut aufgenommen hat. Vielmehr formulierte er den Gesetzes-wortlaut offen, in dem er als Auffangterminus „ähnliche Maßnahmen“ verwendet. Dennoch genügt die Norm dem erforderlichen Bestimmtheitsgrundsatz, da jede Maßnahme an den beiden genannten Modalitäten und der amtlichen Überschrift „erkennungsdienstlichen Maßnahmen“ gemessen werden muss. Durch die offene Formulierung wird erreicht, dass sich der statische Gesetzeswortlaut an den jeweiligen Stand der Technik anpasst (vgl. Rottmeier/Eckel, NStZ 2020, S. 193 (194)). Mit der „technikoffenen“ Formulierung hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass auch solche Maßnahmen gedeckt sind, die dem gesetzlichen Leitbild der Abnahme und Verwendung von äußeren körperlichen Beschaffenheitsmerkmalen zu Identifizierungs- oder Tat nachweiszwecken entsprechen (vgl. Rottrneier/Eckel, NStZ 2020, S. 193 (195)). Im weiteren Sinn kommt der Nutzung der festgestellten Fingerabdrücke zum Entsperren eines Mobiltelefons auch eine• Identifizierungsfunktion zu (vgl. ebenda). Die Identifizierungsfunktion wird hier im Unterschied zum klassischen Fall des § 81b StPO allerdings nicht unmittelbar zum Führen eines Tatnachweises verwendet, sondern als Zwischenziel zur Erlangung der für den Nachweis erforderlichen ge-speicherten Daten. Inwieweit die Maßnahme notwendig für das Strafverfahren ist, ist eine Frage der noch zu thematisierenden Verhältnismäßigkeit. Die Verwendung von biometrischen Körpermerkmalen zur Entschlüsselung von Daten durch einen Abgleich mit den im Endgerät hinterlegten Schlüsselmerkmalen ist deshalb auch vom Wortlaut umfasst (vgl. ebenda; LG Baden-Baden Beschluss vom 26. November 2019 – 2 Qs 147/19; Goers in: BeckOK StPO, 46. Edition, 01.01.2023, § 81b Rn. 4.1).

Der Einwand in der Beschwerdebegründung, aus der Neufassung des § 81b sei zu schließen, dass die Norm den hiesigen Fall gerade nicht regeln soll, findet in den Gesetzgebungsmaterialien keinen Anklang. Die Änderung des § 81b StPO basiert auf der EU-Verordnung 2019/816 vom 17. April 2019, welche eine Verbesserung des europäischen Strafregisterinformationssystems bezweckt (vgl. BT-Drucksache Nr. 149/21 vom 12. Februar 2021). Der unveränderte Absatz 1 wurde um die Absätze 2 bis 5 ergänzt. Die neuen Absätze 2 bis 5 sind für den vorliegenden Fall aber unbedeutend. Aus den Gesetzesmaterialien geht ferner nicht hervor, inwieweit sich der Gesetzgeber gerade Gedanken über den Geltungsbereich des § 81b StPO für die Entsperrung von Mobiltelefonen mittels biometrischer Merkmale gemacht haben soll.

Die Kammer hebt schließlich hervor, dass § 81b Abs. 1 StPO lediglich die Verwendung der festgestellten Fingerabdrücke zur Entsperrung des Mobiltelefons deckt. Davon unterschieden werden muss unweigerlich der Zugriff auf die im Mobiltelefon gespeicherten Daten selbst, welcher nicht mehr von § 81b StPO umfasst ist.

c) Die Abnahme und Verwendung von Fingerabdrücken für das Entsperren des Mobiltelefons ist für Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens notwendig und mithin verhältnismäßig. Insbesondere bleibt das Grundrecht des Beschuldigten auf informationelle Selbstbestimmung hinter dem Interesse der Allgemeinheit an einer effektiven Strafrechtspflege zurück.

Das Tatbestandsmerkmal der Notwendigkeit ist zugleich eine Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsprinzips (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 2022 – 2 BvR 54/22; Beschluss vom 8. März 2011 – 1 BvR 47/05). Der Tatverdacht muss sich hinsichtlich derjenigen Straftat ergeben, deren Aufklärung die Maßnahme dienen soll, und sie muss hierzu geeignet und erforderlich sein, indem die damit zu gewinnenden Erkenntnisse für die zu führenden Ermittlungen förderlich sind. (vgl. Trück in: MüKo StPO, 2. Auflage 2023, § 81b Rn. 7; BGH vom 11. Oktober 2018 — 5 BGs 48/18, StV 2020, 145 (146); LG Wuppertal vom 12. Januar 2021 — 24 Qs 10/20, BeckRS 2021, 861).

Das Entsperren des Mobiltelefons soll in einem nachfolgenden Schritt die Erlangung der auf dem Mobiltelefon gespeicherten Daten ermöglichen. Der Zugriff auf die gespeicherten Daten kann in der Regel mit ähnlicher Begründung auf andere StPO-Normen wie etwa § 110 StPO gestützt werden. Das Entsperren des Speichermediums ist mithin ein notwendiges Zwischenziel. Letztlich sind die dadurch erlangten Daten geeignet, den Tatnachweis für den Verdacht des vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu führen. Die Maßnahme ist auch erforderlich, weil eine Entsperrung des Mobiltelefons per Code mangels freiwilliger Herausgabe durch den Beschuldigten und Nicht-Auffindens etwaiger Zugangspasswörter bei der Durchsuchung nicht möglich ist. Ein Zugriff auf die gespeicherten Daten kann unter gewissen Umständen je nach Modell zwar auch auf andere Weise erreicht werden. Ein solches Vorgehen ist jedoch aufgrund des Zeit- und Kostenaufwands nicht gleichermaßen effektiv im Vergleich zur hiesigen Maßnahme.

Die Verwendung der festgestellten Fingerabdrücke ist auch angemessen, da das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aufgrund der hier eher geringen Eingriffsintensität hinter dem Interesse der Allgemeinheit an einer effektiven Strafverfolgung zurückbleibt. Bei der Abwägung ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Speicherung der Fingerabdrücke von nur kurzer Dauer ist und der Zweck der Maßnahme mit dem Entsperren des Mobiltelefons erreicht ist. Auch in die Abwägung zu stellen ist der ermöglichte eingriffsintensivere Zugriff auf die gespeicherten Daten, welcher neben dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung auch das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme tangiert. Auf der anderen Seite ist zu beachten, dass es sich um eine offene Ermittlungsmaßnahme handelt. Dem Beschuldigten wird weiter eine Tat vorgeworfen, die die Grenze eines Bagatelldelikts deutlich übersteigt. Schließlich liegt eine nicht geringe Menge an Betäubungsmitteln vor. Zudem steht der Verdacht des Handelns mit den Marihuana-Zigaretten im Raum, sodass neben dem unrechtmäßigen Erwerb und Besitz ein möglicher Handel als weiteres Unrecht hinzutritt. Beachtlich ins Gewicht fällt ferner der Umstand, dass das Mobiltelefon selbst mit großer Wahrscheinlichkeit ein Tat- und Beweismittel darstellt. Es ist zu erwarten, dass die darauf gespeicherten Daten Auskunft über Bestellvorgänge sowie Kontakte zu Händlern und Abnehmern im Zusammenhang mit den beim Zoll entdeckten Marihuana-Zigaretten geben.

2. Hingegen scheidet § 81a StPO als Rechtsgrundlage aus, weil die Entsperrung eines Datenträgers durch Verwendung biometrischer Merkmale nicht als körperliche Untersuchung verstanden werden kann. Selbst bei Herstellung einer Verbindung zwischen Finger und Mobiltelefon durch direktes Auflegen des Fingers des Beschuldigten auf das Mobiltelefon, fällt nicht in den Bereich des § 81a StPO (vgl. Trück in: MüKo StPO, 2. Auflage 2023, § 81a Rn. 9). Für die Abnahme der Fingerabdrücke mittels Fingerabdrucksensor greift wegen des ausdrücklichen Wortlauts bereits § 81b StPO als Befugnisnorm ein, so dass eine parallele Anwendung oder ein Rückgriff auf § 81a StPO nicht erforderlich ist.“

Dazu kurz – mehr dazu demnächst vom Kollegen Deutscher im StRR:

Mir ist nicht ganz klar, warum das LG, da in der StPO ausdrücklich die Aufnahme von Fingerabdrücken nennt, auf die „ähnlichen Maßnahmen“ abstellt. Zudem führt § 81b StPO als übergreifenden Zweck die „Durchführung des Strafverfahrens“ an und lässt dazu als Mittel die Aufnahme von Fingerabdrücken eben zu. Zudem unterscheidet das LG auch ausdrücklich zwischen der Abnahme von Fingerabdrücken und dem (späteren) Zugriff auf die Daten des Mobiltelefons. Über die Ausführungen zur Verwendung kann man streiten, und zwar sowohl, ob sie hier überhaupt (schon) erforderlich waren als auch inhaltlich.

Rahmengebühren für den Nebenklägervertreter, oder: Bedeutung des Verfahrens für den Nebenkläger

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Die zweite Entscheidung des Tages befasst sich dann aber mit anwaltlichen Gebühren, und zwar mit den Rahmengebühren für den Nebenklägervertreter im amtsgerichtlichen Verfahren.

Dem LG Ravensburg, Beschl. v. 16.05.2022 – 1 Qs 19/22, den mir der Kollege Kabus aus Bad Saulgau geschickt hat, liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Kollegin des Kollegin war als Vertreterin des Nebenklägers in einem Strafverfahren tätig, das bei einem AG anhängig war. Dem Angeklagten war zur Last gelegt worden, eine vorsätzliche Körperverletzung und eine Sachbeschädigung zum Nachteil des Nebenklägers begangen zu haben.

Die Rechtsanwältin legitimierte sich im Ermittlungsverfahren als Vertreterin des Nebenklägers und beantragte Akteneinsicht, die ihr seitens gewährt wurde. Mit Aktenrückgabe beantragte sie die Übersendung einer Abschlussverfügung. Darüber hinaus reichte sie mit einem weiteren Schriftsatz die Rechnung für die Reparatur der vom Angeklagten beschädigten Brille des Nebenklägers ein.

Der Angeklagte erstattete hinsichtlich des ihm zur Last gelegten Sachverhalts seinerseits Strafanzeige gegen den Nebenkläger wegen Vortäuschens einer Straftat. Während die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO einstellte, beantragte sie beim gegen den Nebenkläger beim AG den Erlass eines Strafbefehls. Diesem Antrag wurde entsprochen. Der Nebenkläger hat Zulassung der Nebenklage beantragt. Diese ist, nachdem der Angeklagte über seinen Verteidiger Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt hatte, zugelassen worden. Von der Rechtsanwältin ist dann gegenüber dem Angeklagten Schadensersatz, Schmerzensgeld und außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von insgesamt 2.833 EUR geltend gemacht worden. Dem ist der Angeklagte mit Nachdruck entgegen getreten.

Im Hauptverhandlungstermin vom 9.11.2021, der von 10:00 Uhr bis 12:15 Uhr dauerte und an dem die Rechtsanwältin teilnahm, wurde das Verfahren gern. § 153a Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt. Nach Auflagenerfüllung ist das Verfahren dann endgültig eingestellt worden, wobei angeordnet wurde, dass der Angeklagte die notwendigen Auslagen des Nebenklägers zu tragen hat.

Im Kostenfestsetzungsverfahren sind die Grundgebühr (Nr. 4100 VV RVG) sowie die Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren (Nr. 4104 VV RVG) und für das gerichtliche Verfahren (Nr. 4106 VV RVG) jeweils als Mittelgebühr – nach altem Recht – geltend gemacht worden. Hinsichtlich der Terminsgebühr (Nr. 4108 VV RVG) hat sie die Festsetzung des oberhalb der Mittelgebühr liegenden Betrags von 320 EUR beantragt. Das AG hat die Grundgebühr auf nur 130 EUR, die Verfahrensgebühr für das gerichtliche Verfahren auf nur 100 EUR und die Terminsgebühr auf die Mittelgebühr von 275 EUR festgesetzt. Das dagegen von der Nebenklägervertreterin eingelegte Rechtsmittel hatte Erfolg:

„Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg, soweit es sich gegen die Bewertung des Verfahrens als kostenrechtlich unterdurchschnittliche Angelegenheit wendet. Dagegen ist die Festsetzung einer gegenüber der Mittelgebühr erhöhten Terminsgebühr zu Recht unterblieben.

1. Sind keine Umstände erkennbar, die eine Erhöhung oder Ermäßigung rechtfertigen, so steht dem Verteidiger grundsätzlich die Mittelgebühr des einschlägigen Gebührenrahmens zu (Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl., § 14 Rn. 41). Vorliegend genügen die in der angefochtenen Entscheidung zur Absetzung der Gebühren angeführten Gesichtspunkte im Ergebnis der gebotenen Gesamtschau aller Umstände des konkreten Einzellfalls nicht, von der Mittelgebühr abzuweichen.

Soweit auf den geringen Aktenumfang zum Zeitpunkt der Einsichtnahmegewährung Bezug genommen wird, ist die genannte Blattzahl irreführend, da der überwiegende Teil der Ermittlungsakte – insbesondere der Ermittlungsbericht und die Vernehmungsprotokolle – beidseitig bedruckt waren. Hinzu kommt, dass diese Aktenteile in großem Umfang absatzlos als Fließtext abgefasst sind, was die Übersichtlichkeit und gedankliche Erfassung erschwert. Vor dem Hintergrund, dass die Verfahrensbearbeitung einen Abgleich der in entsprechender Weise niedergelegten Aussagen von drei Zeugen erforderlich macht, wiegt dies besonders schwer. Ein einfach gelagerter Sachverhalt, der jeder tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeit entbehrt, lag schon nach der im Ermittlungsverfahren übersandten Verfahrensakte nicht vor.

Unabhängig davon wurde bei der Gebührenfestsetzung die konkrete Bedeutung der Sache für den Mandanten der Beschwerdeführerin nicht in ausreichendem Maße in den Blick genommen:

a) So hing von der Bewertung des verfahrensgegenständlichen Sachverhalts durch die Staatsanwaltschaft und das Gericht in entscheidendem Maße ab, ob sich der Nebenkläger wegen des vom früheren Angeklagten erhobenen Vorwurfs des Vortäuschens einer Straftat zu verantworten haben würde. Der frühere Angeklagte hatte insoweit nicht nur zeitnah Strafanzeige erstattet. Vielmehr ist aus dem in der Akte (Blatt 47) enthaltenen E-Mail-Ausdruck zu entnehmen, dass er – nach der Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft Ravensburg – sein Anliegen gegenüber der Generalstaatsanwaltschaft im Beschwerdewege weiterverfolgte.

b) Darüber hinaus kam dem Ausgang des Strafverfahrens – von vornherein absehbar – erhebliche Bedeutung für die Erfolgsaussichten einer zivilrechtlichen Inanspruchnahme des früheren Angeklagten durch den Mandanten der Beschwerdeführerin zu. Mithin verlangte das von ihr übernommene Mandat auch eine Auseinandersetzung, ob der Weg des Adhäsionsverfahrens beschritten werden soll. Letztlich erfolgte tatsächlich eine (Teil-)Regulierung zivilrechtlicher Ansprüche im Wege des Strafverfahrens, was als weitere Option seitens der Beschwerdeführerin in die Abwägung sachgerechter Vorgehensweisen einzubeziehen war.

c) Eine besondere Erschwernis ergab sich für das Mandat der Beschwerdeführerin aus der Art und Weise, mit der sich der frühere Angeklagte gegen den Tatvorwurf verteidigte. Diese beinhaltete namentlich schwerwiegende Vorwürfe und ehrverletzende Angriffe gegen den Nebenkläger. So wurde dieser vom früheren Angeklagten in der mit der General-staatsanwaltschaft geführten Korrespondenz der „Aufwendung krimineller Energie“, der „Zuhilfenahme von Gefälligkeitsaussagen“, eines „persönlichen Rachefeldzugs“, der Manipulation von Zeugen, der Selbstbeibringung der Verletzung und des Betreibens eines „rentablen Geschäftsmodells“ zur Befriedigung finanzieller Interessen bezichtigt. All dies – so weiter der frühere Angeklagte – entspreche der „Charakterstruktur der Person pp. In vergleichbarer Weise äußerte sich pp. auch direkt gegenüber der Beschwerdeführerin als Reaktion auf deren anwaltliches Forderungsschreiben. Mit diesen Äußerungen wurde vom Auslagenschuldner selbst unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er den Gegenstand und die Bedeutung des Verfahrens keineswegs als Bagatelle oder unterdurchschnittlich betrachtet. Dementsprechend stellte sich der Verfahrensgegenstand auch aus Sicht des mit massiven Schuldvorwürfen überzogenen Nebenklägers – dessen Ruf auf dem Spiel stand – und seines Rechtsbeistands nicht als Angelegenheit von unter-durchschnittlicher Bedeutung dar.

d) Schließlich war die tatsächliche Schwierigkeit, wonach es für das Kerngeschehen keinen Augenzeugen gab und insoweit von einer Aussage-gegen-Aussage-Konstellation aus zugehen, zu berücksichtigen.

e) Unter den dargelegten Umständen genügten die vergleichsweise geringfügige Verletzung, die überschaubare Höhe des Sachschadens, der zeitlich und sachlich eng umrissene Verfahrensgegenstand sowie die niedrige Straferwartung nicht, insgesamt von einer gebührenrechtlich unterdurchschnittlichen Angelegenheit auszugehen. Letztlich ist auch die Dauer der Hauptverhandlung, die keinesfalls als unterdurchschnittlich zu bewerten ist, ein Indiz für die Bedeutung und Schwierigkeit der Sache. Es verschließt sich der Kammer, weshalb dies für die zuvor angefallenen Gebühren anders zu bewerten sein sollte, zumal die Sach- und Rechtslage in der Hauptverhandlung keine Änderung durch neue Erkennt-nisse oder Beweismittel erfuhr.

Nach alledem war für die Gebühren Nr. 4100 und 4106 VV RVG der Ansatz der jeweils beantragten Mittelgebühr gerechtfertigt.

2. Dem gegenüber wurde die Erhöhung der Mittelgebühr hinsichtlich der Terminsgebühr zu Recht versagt. Es bedarf insoweit keiner Erörterung, ob ein Rechtsgrundsatz dahingehend besteht, dass bei einer amtsgerichtlichen Verhandlungsdauer von mehr als zwei Stunden eine über der Mittelgebühr liegende Terminsgebühr ausgelöst werde. Unter den konkreten Umständen des hier zu bewertenden Einzelfalls war jedenfalls keine Erhöhung veranlasst.

Dem Hauptverhandlungsprotokoll lässt sich entnehmen, dass die Beweisaufnahme weniger als zwei Stunden dauerte: Der letzte Zeuge wurde um 11:47 Uhr entlassen. Im Anschluss wurden nur noch drei wenig umfangreiche Urkunden „auszugsweise“ verlesen und ein Lichtbild in Augenschein genommen. Sodann wurde ein Rechtsgespräch geführt, an dem – laut Protokoll – die Beschwerdeführerin nicht beteiligt war. Schließlich kam es zur vorläufigen Verfahrenseinstellung, bei welcher der Beschwerdeführerin schon kraft Gesetzes eine aktive Mitwirkung verwehrt war. Dass sie insoweit zumindest eine Stellungnahme abgegeben hätte, lässt sich dem Protokoll nicht entnehmen. Jedenfalls war infolge der Verfahrenseinstellung ein Schlussvortrag der Beschwerdeführerin entbehrlich.

Unter Berücksichtigung all dieser Umstände ist nicht ersichtlich, wodurch eine Erhöhung der Mittelgebühr ausgelöst sein sollte.

Die Entscheidung erscheint mir zutreffend. Übersehen hat die Rechtsanwältin aber offenbar, dass auch die Nr. 4143 VV RVG entstanden sein dürfte. Das LG sprich von einer „(Teil-)Regulierung zivilrechtlicher Ansprüche im Wege des Strafverfahrens“. Da dürfte die Nr. 4143 VV RVG entstanden sein. Ich habe den Kollegen darauf hingewiesen und er wird es „prüfen“ 🙂 .

Pflichti II: Im Strafbefehlsverfahren braucht man keinen Pflichtverteidiger, meint das AG, oder: So nicht….

© fotomek – Fotolia.comDie zweite „Pflichtverteidigerentscheidung“ stammt aus dem schier unerschöpflichen Reservoir der „nachträglichen Beiordnung. das AG Bad Saulgau hatte in einem Verfahren wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, in dem der Rechtsanwalt rechtzeitig vor Verfahrensende einen Beiordnungsantrag – gestützt auf § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO gestellt hatte, die Beiordnungschließlich abgelehnt. Begründung: Es war ja nur ein Strafbefehlsverfahren. Dem erteilt der LG Ravensburg, Beschl.  v. 13.02.2018 – 2 Qs 14/18 – eine Abfuhr und ordnet nachträglich bei:

„Die Beschwerdekammer schließt sich der herrschenden Rechtsprechung der Landgerichte an, wonach eine nachträglich Beiordnung jedenfalls dann zu erfolgen hat, wenn der Beiordnungsantrag – wie vorliegend – bereits vor Verfahrensbeendigung gestellt worden ist und die Voraussetzungen für eine Beiordnung zu diesem Zeitpunkt vorlagen, eine Entscheidung über die Beiordnung jedoch auf Grund gerichtsinterner Vorgänge unterblieben ist (zum Stand der Rechtsprechung: Lüderssen/Jahn in Löwe-Rosenberg, StPO, § 141 Rn. 11, Fußnote 46). Stellt ein Rechtsanwalt namens eines Angeklagten einen Antrag auf Bestellung zum Pflichtverteidiger, so entsteht daraus ein Anspruch auf zeitnahe Bescheidung. Unterlässt der Vorsitzende eine und entscheidet dann dennoch den Rechtszug abschließend in der Hauptsache, so lässt sich dies mit dem Fairnessgebot nach Art. 6 EMRK nicht in Einklang bringen (OLG Stuttgart, Verfügung vom 28. Juni 2010 — 4 Ss 313/10 —, zitiert nach juris).

Hier waren die Voraussetzungen für eine Pflichtverteidigerbestellung zum Zeitpunkt des Antrags gem.  § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO gegeben. Die Auffassung des Ausgangsgerichts, wonach eine zeitnahe Entscheidung hierüber nicht veranlasst gewesen sei, weil es sich um ein Strafbefehls und nicht um ein Anklageverfahren gehandelt habe, vermag nicht zu überzeugen. Die Möglichkeit einer Einspruchsrücknahme oder einer „anderen Verfahrenslösung“, die eine Hauptverhandlung noch entbehrlich machen würde, lässt den unverteidigten Angeklagten im Falle der notwendigen Verteidigung sogar noch schutzwürdiger erscheinen, da er nur bei entsprechender anwaltlicher Beratung sachgerecht über derartige vereinfachte Möglichkeiten der Verfahrensbeendigung entscheiden kann. Dementsprechend wird in der Rechtsprechung hinsichtlich der Gebotenheit einer nachträglichen Beiordnung nicht zwischen Anklage- und Strafbefehlsverfahren unterschieden (LG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Januar 2009 — 11 Qs 2/09 —, Rn. 5; LG Frankenthal, Beschluss  vom 19. Januar 2007 – III Qs 20/07 -, Rn. 4; LG Erfurt, Beschluss vom 27. Februar 2006 – 6 Qs 29/06 —, Rn. 13, jeweils zitiert nach juris).“

Auf die Argumentation des AG muss man ja erst mal kommen……

Farbkopien, oder: Bekomme ich die als Verteidiger ersetzt?

entnommen wikimedia.org
Urheber chris 論

Nach der „Fake-News-Entscheidung vom OLG Koblenz (vgl. Fake-News vom „übergeordneten“ OLG Koblenz“, oder: „unprofessionelle Zeit- und Geldverschwendung“ bei Poliscan) nun noch – wie Freitags häufiger – eine Entscheidung mit gebührenrechtlichem Einschlag. Es geht um den Ersatz von Farbkopien (Nr. 7000 VV RVG) und den dazu ergangenen LG Ravensburg, Beschl. v. 14. 12. 2016 – 2 KLs 230 Js 24143/15.  jug. Dort hatte eine Kollegin als Pflichtverteidigerin die Festsetzung der Auslagen für 195 Farbkopien beantragt. Davon sind 35 Farbkopien als erstattungsfähig angesehen worden. Die Erinnerung der Kollegin hatte keinen Erfolg. Das LG meint:

„Ein Verteidiger hat keinen Anspruch auf Auslagenersatz für Farbkopien, die er nur deshalb angefertigt hat, um Ermittlungs- und Gerichtsakten mit allen Textmarkierungen zur Verfügung zu haben. Es ist weder zur sachgemäßen Bearbeitung einer Rechtssache noch für eine effektive Verteidigung geboten oder förderlich, Aktenseiten – die hier Vernehmungen von Zeugen und Beschuldigten betreffen – farbig zu kopieren, damit dort vorhandene Textmarkierungen auch auf der Kopie sichtbar werden.

Zunächst kann ein Verteidiger aus Markierungen in den Akten keine Schlüsse ziehen, die zur sachgemäßen Verteidigung seines Mandanten beitragen könnten. Textmarkierungen können im Laufe des Verfahrens von verschiedenen Personen oder von Verfahrensbeteiligten aus unterschiedlichen Gründen angebracht worden sein. Für den Verteidiger wird – wie hier – allermeist nicht ersichtlich sein, wer oder welcher Verfahrensbeteiligte in welchem Zeitpunkt und zu welchem Zweck Textstellen markiert hat. In Frage kommen Polizeibeamte, die – oft wechselnden – Sachbearbeiter der StA oder deren Vorgesetzte, der Ermittlungsrichter, der Vorsitzende, ein Berichterstatter, ein beisitzender Richter oder eine sonstige Person, etwa ein Vertreter eines Nebenklägers.

Zudem richtet sich der Umfang vorhandener Markierungen nach dem Verfahrensstand bzw. Zeitpunkt, in dem der Verteidiger Akteneinsicht nimmt. Hat er die Akten in einem frühen Verfahrensstadium eingesehen, bedeutete ein entsprechender Anspruch des Verteidigers, dass bei erneuter späterer Akteneinsicht wiederum Farbkopien zu fertigen wären, um den aktuellen Stand der Textmarkierungen bzw. deren etwaiges Anwachsen festhalten und nachvollziehen zu können. Abgesehen davon, dass sich dies schon aus Kostengründen nicht rechtfertigen lässt, stellt es keine Aufgabe der Verteidigung dar, angebrachte Textmarkierungen festzustellen oder Überlegungen darüber anzustellen, wer, wann und warum solche Markierungen angebracht hat oder haben könnte. Die Frage, ob anderes gilt, wenn aus der Akte eindeutig hervorgeht, wer und aus welchen Gründen Textpassagen markiert hat, braucht hier nicht entschieden zu werden.“

Die Entscheidung geht m.E. zu weit, wenn sie offenbar einen Anspruch des Verteidigers auf den Ersatz von Farbkopien grundsätzlich verneinen will, es sei denn der Verteidiger weiß, wer aus welchen Gründen Textpassagen markiert hat. Denn allein schon, dass Textpassagen (unterschiedlich) farblich markiert sind, kann für die Verteidigung von Bedeutung sein, wobei die Frage, wer markiert hat, was dem Verteidiger möglicherweise zunächst nicht bekannt ist, zu Befragungen der verschiedenen Sachbearbeiter führen kann. Das können nur Polizeibeamte, Angehörige der Staatsanwaltschaft und/oder Richter sein, die mit der Sache befasst waren, sonstige Personen, wie z.B. die von der Strafkammer angeführten Vertreter eines Nebenklägers scheiden ebenso aus wie Mitverteidiger. M.E. zieht auch nicht das (fiskalische) Argument, dass ein entsprechender Anspruch des Verteidigers dazu führe, dass bei erneuter späterer Akteneinsicht wiederum Farbkopien zu fertigen wären. Abgesehen davon, dass das eben ein rein fiskalisches Argument ist – was die Strafkammer auch nicht unterschlägt – „schon aus Kostengründen nicht“ -. kann man dem nur entgegenhalten: Dann ist es eben so. Denn auch dann, wenn es nur um Markierungen und/oder Randbemerkungen geht, die nach einer ersten Akteneinsicht auf einer Seite hinzu geführt worden sind, ist eine zweite Kopie dieser Seite im Rahmen einer weiteren Akteneinsicht zulässig. Für die farblichen Markierungen kann nichts anderes gelten.

Was mir allerdings nicht ganz klar ist: Wieso sind 35 Farbkopien erstattet worden?

Fleißig sind offenbar die Amtsrichter in Baden-Württemberg – oder: Soll man lachen oder weinen?

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In die Kategorie: „Soll man lachen., soll man weinen?“ gehört für mich der eine gebührenrechtliche Frage behandelnde LG Ravensburg, Beschl. v. 05.03.2015 – 2 Qs 27/15 Jug. Es ging in dem Beschwerdeverfahren noch um die Bemessung einer Terminsgebühr für die Teilnahme an einer Hauptverhandlung beim Strafrichter, die 50 Minuten gedauert hatte. Der Verteidiger hatte die Mittelgebühr geltend gemacht, das AG hatte 100 € festgesetzt, das LG meint, 150 € seien angemessen. Begründung:

„Der Kammer erscheint es angemessen, zwar wegen der Dauer der Hauptverhandlung, die in etwa die Hälfte der durchschnittlichen Dauer einer Hauptverhandlung beim Amtsgericht betrug, die Gebühr von 100 € zu erhöhen, jedoch nicht um mehr als 50 €, so dass eine Gebühr in Höhe von 150 € festzusetzen ist.

Es ist hauptsächlich auf den Umfang, also die Zeitdauer der Hauptverhandlung ab-zustellen (AG Koblenz, JurBüro 2005, 33). Die Dauer der Hauptverhandlung bemisst sich ab dem Zeitpunkt der Ladung bis zum Ende.

Der Ansatz der Mittelgebühr von 275,00 € ist im vorliegenden Fall nicht sachangemessen. In einem amtsgerichtlichen Verfahren vor dem Strafrichter ist als durchschnittliche Dauer einer Hauptverhandlung ein bis zwei Stunden anzusehen. Die Hauptverhandlung dauerte hier lediglich 50 Minuten, weshalb die Festsetzung der Mittelgebühr nicht nur überhöht sondern auch unbillig wäre. Zudem wurden weder ein Zeuge gehört noch plädiert. Die Schwierigkeit des Sachverhalts wurde mit der Grundgebühr mitberücksichtigt, bei der die Mittelgebühr festgesetzt wurde.

Dazu meine ersten Gedanken:

  1. Alle Achtung: Die Beschwerdekammer eines LG zitiert als einzige Belegstelle eine amtsgerichtliche Entscheidung, obwohl die Fachzeitschriften voll sind von auch obergerichtlichen Entscheidungen, die zur Bemessung von (Termins)Gebühren Stellung nehmen (vgl. die zahlreichen Nachweise bei Burhoff/Burhoff, RVG, Vorbem. 4 VV Rn. 68 ff.; aus der Rechtsprechung nur grundlegend KG RVGreport 207, 180). Das alleinige Zitat einer amtsgerichtlichen Entscheidung lässt für mich den Eindruck entstehen, dass man einfach keine große Lust hatte, sich mit den anstehenden Fragen zu befassen. Zumindest ist das bei mir so.
  2. Wenn man den Maßstab sieht, den das LG anlegt – „in einem amtsgerichtlichen Verfahren vor dem Strafrichter ist als durchschnittliche Dauer einer Hauptverhandlung ein bis zwei Stunden anzusehen“ – kann man daraus nur folgern: In Baden-Württemberg sind die Amtsrichter entweder besonders fleißig oder sie verhandeln besonders langsam. Denn von einem Durchschnitt von „ein bis zwei Stunden“ auszugehen ist m.E. angesichts der i.d.R. doch sehr kurzen Hauptverhandlungsdauer beim Strafrichter übersetzt. M.E. wird der Durchschnitt erheblich unter dieser Grenze liegen und maximal eine Stunde betragen (s. auch Burhoff/Burhoff, RVG, Vorbem. 4 VV Rn. 73). Selbst das erscheint mir schon (zu) hoch.
  3. Falsch ist es, wenn das LG meint, die vom Verteidiger geltend gemachte Schwierigkeit der Sache bei der Bemessung der Terminsgebühr deshalb nicht mehr berücksichtigen zu können – oder sogar „dürfen“? – weil die bereits „mit der Grundgebühr mitberücksichtigt, bei der die Mittelgebühr festgesetzt worden ist.“ Falls das LG meint, dass dadurch das Bemessungskriterium „Schwierigkeit der Sache“ verbraucht und daher bei der Bemessung der Terminsgebühr nicht mehr herangezogen werden könne – so liest es sich für mich –, beruht das auf einem schlicht falschen Verständnis des § 14 Abs. 1 RVG. Denn die dort angeführten Bemessungskriterien sind bei der Bemessung der Wahlanwaltsgebühren nicht nur einmal heranzuziehen, wie hier offenbar bei der Grundgebühr, und danach dann für andere Gebühren „verbraucht“. Vielmehr sind alle Gebühren unter jeweiliger Berücksichtigung der in § 14 Abs. 1 RVG angeführten Kriterien zu bemessen. Es spielt also die Schwierigkeit der Sache nicht nur ggf. bei der Bemessung der Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG, sondern auch bei den Verfahrensgebühren und etwaigen Terminsgebühren eine Rolle. Das sollte eine Beschwerdekammer eines LG wissen.

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