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Nachgeholte Kostengrundentscheidung, oder: Geht das eigentlich?

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Die zweite Entscheidung des Tages, der LG Dortmund, Beschl. v. 29.11.2019 – 53 Qs 56/19 – behandelt eines Problematik, die in der Praxis immer wieder eine Rolle spielt, nämlich die Frage nach der Möglichkeit der Nachholung einer Kostengrundentscheidung. Ja, ggf. geht das, und zwar:.

Das Amtsgericht hatte den Betroffenen im Bußgeldverfahren frei gesprochen. Dagegen legte die  Staatsanwaltschaft Rechtsbeschwerde ein, die sie auch begründete. Mit Schriftsatz vom 13.12.2018 nahm der Verteidiger des Betroffenen Stellung zum Rechtsmittel. Nach Prüfung durch die Generalstaatsanwaltschaft Hamm nahm die Staatsanwaltschaft die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts zurück. Eine Entscheidung des Amtsgerichts Dortmund über die Kostentragung im Rechtsbeschwerdeverfahren erging nach Rücknahme der Rechtsbeschwerde nicht.

Der Verteidiger hat dann Kostenfestsetzung beantragt. Die Rechtspflegerin teilte ihm mit, dass seinem Kostenfestsetzungsantrag nicht entsprochen werden könne, da keine Entscheidung über die notwendigen Auslagen des Betroffenen im Rechtsbeschwerdeverfahren vorliege. darum entbrennt Streit. Das Amtsgericht  hat den Kostenfestsetzungsantrag des Verteidigers schließlich zurückgewiesen. Dagegen die sofortige Beschwerde, die Erfolg hatte:

„Die sofortige Beschwerde des Betroffenen vom 19.08.2019 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Dortmund vom 25.07.2019 ist nach §§ 46 Abs. 1 OWiG, 464b, 304 ff., 311 StPO, 103 Abs. 2 Satz 1, 104 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 ZPO, 1 1 Abs. 1, 21 Nr. 1 RPflG zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Bei Zurücknahme eines Rechtsmittels (§ 302 StPO) kommt es regelmäßig zu einer isolierten Kostenentscheidung. Darin werden demjenigen die Kosten des zurückgenommenen Rechtsmittels auferlegt, der es eingelegt hat (§ 473 Abs. 1 S. 1 StPO). Hat die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zu Ungunsten des Betroffenen eingelegt, muss die Staatskasse außerdem neben den Kosten des Verfahrens nach § 473 Abs. 2 S. 1 StPO auch die notwendigen Auslagen des Betroffenen im Rechtsmittelverfahren tragen.

Dabei ist eine ausdrückliche Kostenentscheidung entgegen der Ansicht des Verteidigers allerdings auch dann notwendig, wenn sich die Kostenfolge unmittelbar und zwingend aus dem Gesetz ergibt. Erst der gerichtliche Ausspruch bildet als Kostentitel die Grundlage der Kostenfestsetzung (vgl. § 464b S. 3 StPO i. V. m. § 103 ZPO; vgl. Temming/Schmidt in: Gercke/Julius/ Temming/Zöller, Strafprozessordnung, 6. Aufl. 2019, § 464, Rn. 7).

Zuständig für die Kostenentscheidung ist jeweils das Gericht, bei dem die Sache anhängig ist (BGH NJW 1959, 348; Temming/Schmidt in: Gercke/Julius/Temming/ Zöller, Strafprozessordnung, 6. Aufl. 2019, § 473, Rn. 5). Das Amtsgericht Dortmund hätte somit nach der Rücknahme der Rechtsbeschwerde durch die Staatsanwaltschaft eine entsprechende Kostengrundentscheidung treffen müssen.

Dass dies unterblieben ist, kann nicht zu Lasten des Betroffenen gehen. Eine Kostengrundentscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen an den Betroffenen aus der Staatskasse kann — und muss — vom Amtsgericht Dortmund im vorliegenden Fall vielmehr nachträglich getroffen werden.

Da die Kostenentscheidung eine notwendige Nebenentscheidung der das Verfahren abschließenden Hauptentscheidung ist, kann eine in der Hauptentscheidung unterbliebene Kostenentscheidung zwar nach Rechtskraft der Hauptentscheidung nicht nachgeholt werden (BGH NStZ-RR 1996, 35). Vorliegend ist aber hinsichtlich des Rechtsbeschwerdeverfahrens gerade keine Hauptentscheidung ergangen; dieses endete allein durch die Rücknahme der Rechtsbeschwerde durch die Staatsanwaltschaft. Eine Kostengrundentscheidung hinsichtlich der Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens steht noch aus; diese kann auch noch nachgeholt werden.“

 

Pflichti II: Ausländer und polizeiliche Belastungszeugen, oder: Unfähigkeit der Selbstverteidigung

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Die zweite Entscheidung kommt vom LG Dortmund. Ergangen ist der Beschluss in einem Verfahren, in dem dem Angeklagten ein tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit (einfacher) Körperverletzung zur Last gelegt wird. Das LG nimmt in dem LG Dortmund, Beschl. v. 21.03.2019 – 35 Qs 9/19– zur Frage der Bestellung eines Pflichtverteidigers Stellung, wenn in dem Verfahren gegen einen Ausländer, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, polizeiliche Belastungszeugen eine Rolle spielen. Das LG ordnet bei:

„Gemäß § 140 Abs. 2 S. 1 StPO wird dem Angeklagten ein Verteidiger bestellt, wenn dessen Mitwirkung wegen der Schwere der Tat oder wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Angeklagte nicht selbst verteidigen kann.

Der Angeklagte kann sich dann nicht selbst verteidigen, wenn aus Gründen, die in seiner Person liegen oder die sich aus den Umständen ergeben, nicht gesichert erscheint, dass er in der Lage ist, der Verhandlung zu folgen, seine Interessen zu wahren und alle seiner Verteidigung dienenden Handlungen vorzunehmen. Eine Pflichtverteidigerbestellung ist schon dann notwendig, wenn an der Fähigkeit zur Selbstverteidigung erhebliche Zweifel bestehen (OLG Frankfurt StV 1984, 370; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Auflage, § 140 Rn. 30). Das wird vielfach bei Ausländern, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, der Fall sein (OLG Frankfurt StV 2008, 291; OLG Stuttgart NStZ-RR 2004, 338; LG Kiel StraFo 2004, 381; KG StV 1985, 184: wenn Dolmetscher nicht ausreichend).

Die Hinzuziehung eines Dolmetschers zur Hauptverhandlung genügt als Ausgleich jedenfalls nicht, wenn mehrere Zeugen vernommen werden sollen, widersprüchliche Aussagen zu erwarten sind und es daher auch auf die Glaubwürdigkeit der Zeugen ankommt. Hier kann der Angeklagte auch mit Hilfe eines Dolmetschers nicht die Zeugenaussagen kritisch hinterfragen und etwaige Widersprüche aufzeigen (LSK 1998, 60623, beck-online; KK-StPO/LaufhüttelWillnow, 7. Aufl. 2013, StPO § 140 Rn. 24).

So liegt es hier. Der Angeklagte hat in seiner Beschuldigtenvernehmung vom 19.11.2018 (Blatt 22 – 23 der Akte) die ihm zur Last gelegten Tatvorwürfe vollumfänglich bestritten und angegeben, es habe in der Tatnacht eine Auseinandersetzung zwischen seinen zwei Begleitern gegeben. Er habe die beiden trennen wollen und deswegen den „Wir (Anm.: gemeint ist der Zeuge pp.) weggeschubst. Dieser sei jedoch — wie er selbst – betrunken gewesen und hingefallen. Er habe über dem all gestanden, aber „nichts gemacht“. Plötzlich habe er eine Hand auf seiner Schulter gespürt, er habe die Polizei aber vorher nicht herankommen hören. Er habe sich dann umgedreht und nur „die Arme oben“ gehabt, auf Schulterhöhe. Dann habe er auch schon auf dem Boden gelegen und Pfefferspray im Gesicht gehabt. Er habe „nicht mehr reagiert“. Er sei nicht aggressiv gewesen, sondern habe nur Schmerzen wegen des Pfeffersprays gehabt. Der Zeuge pp. hat diese Angaben des Angeklagten zum äußeren Tatgeschehen in seiner Vernehmung vom 20.12.2018 (Blatt 29— 30 der Akte) weitestgehend bestätigt.

Der den Angeklagten belastende Zeuge PKW.. hat in seiner Strafanzeige vom 30.07.2017 (Blatt 1 — 4 der Akte) der Einlassung des Angeklagten und der Aussage des Zeugen pp., diametral entgegenstehende Angaben gemacht und bekundet, von dem Angeklagten mit der Außenseite des linken Armes gegen den Schulter-/Halsbereich geschlagen und weggestoßen worden zu sein. Zuvor habe der
Angeklagte ihn — den Zeugen — von hinten umklammert und gegen eine Hauswand gedrückt. Ein weiteres Mal habe der Angeklagte in Richtung seines Gesichts geschlagen und ihn nur verfehlt, weil er zurück gewichen sei. Die Zeugen PK pp. und PK pp. haben sich in ihren dienstlichen Äußerungen vom 21.12.2018 und 22.12.2018 (Blatt 31, 32 der Akte) der Sachverhaltsschilderung des Zeugen PK pp. angeschlossen.

Ferner ist die Hinzuziehung eines Dolmetschers nicht ausreichend, wenn die Annahme verminderter Schuldfähigkeit in Betracht kommt (KG Berlin, Beschluss vom 15. März 1990 — 1 AR 153/904 Ws 42/90 —, juris). Aufgrund des Umstandes, dass der Angeklagte am Tattag um 01:26 Uhr eine Atemalkoholkonzentration von 0,80 mg/I (entspricht ca. einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 %o) aufwies, kann ¬vorbehaltlich der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung — nicht ausgeschlossen werden, dass die Annahme verminderter Schuldfähigkeit in Betracht kommt. Denn bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit dürfen festgestellte BAK-Werte nicht schematisch auf die Schuldfähigkeits-Grade übertragen werden. Entscheidend ist vielmehr eine Gesamtbewertung der objektiven und subjektiven Umstände des Tatgeschehens und der Persönlichkeitsverfassung des Täters vor, während und nach der Tat (Meyer-Goßner/Schmitt aaO, § 20 Rn. 17). So kann verminderte Schuldfähigkeit schon bei Werten unter 2 %o zu bejahen oder jedenfalls zu prüfen sein, so z.B. bei alkoholbedingten Ausfallerscheinungen (BGH MDR/H 90, 678; Schönke/Schröder/Perron/Meißer, 30. Aufl. 2019, StGB § 20 Rn. 16c-16e).“

Pflichti I: Bestellungsgrund: Ausschließlich Polizeibeamte als Zeugen, oder: Aber auch andere Umstände

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Und dann heute noch zwei Pflichtverteidigungsentscheidungen.

Zunächst bringe ich den LG Dortmund, Beschl. v. 14.01.2019 – 32 Qs 6/19. Ergangen ist er in einem Verfahren mit dem Vorwurf des tättlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte (§ 114 StGB). Das AG hatte die Bestellung eines Pflichtverteidigers abgelehnt. Das LG bestellt:

Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Die Pflichtverteidigerbestellung ist gemäß § 140 Abs. 2 StPO wegen der Schwierigkeit der Sachlage erforderlich.

„Die der Angeklagten vorgeworfenen Taten des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte (§ 114 StGB) können nur durch die Zeugenaussagen der beteiligten Polizeibeamten nachgewiesen werden. Andere Beweismittel sind insoweit nicht vorhanden. Bei dieser Sachlage kann eine sachgerechte Verteidigung, insbesondere das Aufzeigen von eventuellen Widersprüchen in den Angaben der Belastungszeugen nur durch Kenntnis des gesamten Akteninhaltes gewährleistet werden. Dieser ist aber nur dem Verteidiger zugänglich, so dass in diesem Falle die Bestellung eines Pflichtverteidigers erforderlich ist (so auch LG Bielefeld, Beschluss vom 15.06.2016, Az. 8 Qs 246/16, juris).

Zudem wurde bei der Angeklagten eine BAK von 2,08 Promille festgestellt, sodass zumindest Zweifel an ihrer Schuldfähigkeit bestehen. Auch insoweit ist die Mitwirkung eines Verteidigers geboten.

Ferner steht die Angeklagte unter Betreuung, sodass auch Zweifel an ihrer Verteidigungsfähigkeit bestehen. Schließlich drohen der Angeklagten möglicherweise auch sorgerechtliche Konsequenzen im Falle einer Verurteilung, sodass bei einer Gesamtbetrachtung der Umstände ein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegt.“

Also erneut Bestellungsgrund: Ausschließlich Polizeibeamte als Zeugen, aber: Nicht nur, sondern flankiert auch durch andere Umstände.

Parkplatzunfall, oder: Wer nicht hupt, ist selber „mitschuld“

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Das LG Dortmund hatte im LG Dortmund, Urt. v. 22.08.2017 – 1 S 388/16 – folgenden Sachverhalt zu entscheiden:

Auf einem öffentlichen Parkplatz parkten sowohl die Ehefrau des Klägers mit dessen Pkw als auch der Beklagte mit seinem Pkw rückwärts aus. Als der Pkw des Klägers bereits zum Stehen gekommen war, sah die Ehefrau des Klägers, wie das Fahrzeug des Beklagten auf das von ihr geführte Fahrzeug zurollte. Es kam zur Kollision. Die Parteien streiten um die Haftungsverteilung. Das AG hatte gemeint, dass den Kläger bzw. dessen Ehefrau ein 20-%iger „Eigenanteil2 anzurechnen sei. Das LG sieht das ebenso:

„(1) Ein unabwendbares Ereignis im Sinne der Vorschrift liegt nur dann vor, wenn selbst ein idealtypischer Fahrer, bei Anwendung äußerst möglicher Sorgfalt, Aufmerksamkeit, Geistesgegenwart und Umsicht den Unfall nicht hätte verhindern können. Dabei darf sich die Prüfung nicht auf die Frage beschränken, ob der Fahrer in der konkreten Gefahrensituation wie ein „Idealfahrer“ reagiert hat, vielmehr ist sie auf die weitere Frage zu erstrecken, ob ein „Idealfahrer“ überhaupt in eine solche Gefahrenlage geraten wäre, denn der sich aus einer abwendbaren Gefahrenlage entwickelnde Unfall wird nicht dadurch unabwendbar, dass sich der Fahrer in der Gefahr nunmehr (zu spät) „ideal“ verhält (BGH, Urt. v. 13.12.2005 – VI ZR 68/04 = NJW 2006, 896 (898) Rn. 21).

(2) Nach diesen Maßstäben war der Unfall für den Kläger nicht unabwendbar.

Dessen ungeachtet, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 27.09.2016 vor dem Amtsgericht zu Protokoll erklärt hat, das Fahrzeug des Beklagten erst wahrgenommen zu haben, als es rückwärts auf ihn und seine Frau zurollte, und dadurch jedenfalls seine eigene unzureichende Verkehrsbeobachtung dokumentiert hat, hat die Ehefrau des Klägers als Fahrzeugführerin, deren Verhalten sich der Kläger zurechnen lassen muss (vgl. Heß, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 24. Aufl. (2016), § 17 StVG Rn. 5), in der konkreten Situation nicht sachgerecht reagiert, weil sie, nachdem sie das Fahrzeug des Beklagten wahrgenommen hat, nicht die Hupe betätigt hat. Ein besonders sorgfältiger Kraftfahrer, der alles nur Erdenkliche unternimmt, eine gefährliche Situation zu vermeiden bzw. zu beseitigen, hätte aber ein Warnzeichen mittels Hupe gegeben (vgl. LG Bochum, Urt. v. 31.08.2015 – I-3 O 255/14 Rn. 24, juris). Der Versuch der Berufung, die Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht in dem Schriftsatz vom 09.01.2017 zu plausibilisieren, bedarf deshalb keiner weiteren Ausführungen.

Überdies hätte die Ehefrau des Klägers erkennen müssen, dass auch der Beklagte zu 1) ausparkt und deshalb u.U. nicht ganz so weit zurücksetzen dürfen bzw. zur Vermeidung eines Unfalls wieder vorher anfahren müssen.

b) Zu Recht hat das Amtsgericht bei der gemäß 17 Abs. 1 u. 2 StVG gebotenen Abwägung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs in Ansatz gebracht. Der von dem Amtsgericht zugrunde gelegte Verursachungsbeitrag von 20 % zulasten des Klägers lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

aa) Soweit die Berufungsbegründung in diesem Zusammenhang ausführt, die Haftung bzw. Haftungsverteilung richte sich nicht nach § 7 StVG, sondern nach § 17 StVG, zeugen die Ausführungen von einem Fehlverständnis des dem Straßenverkehrsgesetz zugrunde liegenden Haftungskonzepts. Denn die Haftung eines unfallbeteiligten Halters ist sowohl dann ausgeschlossen, wenn der Unfall auf höhere Gewalt i.S.d. § 7 Abs. 2 StVG zurückzuführen ist, als auch dann, wenn der Unfall für einen der Beteiligten auf einem unabwendbaren Ereignis i.S.d. § 17 Abs. 3 StVG beruht. Insoweit ergänzt die Vorschrift des § 17 StVG die in § 7 StVG angeordnete Gefährdungshaftung des Halters.

bb) Entgegen der Auffassung der Berufung hat das Amtsgericht ausweislich der Entscheidungsgründe zutreffend keinen Mitverschuldensanteil auf Seiten des Klägers i.H.v. 20% berücksichtigt, sondern die Betriebsgefahr des Kraftfahrzeuges in die Abwägung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge eingestellt, ohne ein die Betriebsgefahr steigerndes Verschulden der Ehefrau des Klägers in die Abwägung einzubeziehen.

Das ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden.

(1) Wie die Beklagten zu Recht einwenden, können auch dann, wenn kein Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden des zuvor rückwärtssetzenden Klägerfahrzeugs spricht, weil dieser im Kollisionszeitpunkt stand, die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs und weitere Umstände, aus denen auf ein Verschulden des ursprünglich rückwärtsfahrenden Klägers geschlossen werden kann, im Rahmen der Abwägung berücksichtigt werden (BGH, Urt. v. 15.12.2015 – VI ZR 6/15 = NJW 2016, 1098 (1099 f.) Rn. 16).

(2) Die von dem Amtsgericht bei der Abwägung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge zulasten des Klägers mit 20% bemessene Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs ist angesichts der konkreten Situation im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Selbst wenn das Klägerfahrzeug nach den die Kammer gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bindenden Feststellungen im Kollisionszeitpunkt gestanden hat, ereignete sich der Zusammenstoß gleichwohl aufgrund einer letztlich unklaren Verkehrssituation, in welcher es die Ehefrau des Klägers unterlassen hat, den Beklagten auf einen drohenden Zusammenstoß hinzuweisen. Denn entweder hat die Ehefrau des Klägers den Beklagten bereits wahrgenommen und es in der konkreten Situation vorwerfbar unterlassen, den Beklagten durch das Betätigen der Hupe auf den drohenden Zusammenstoß hinzuweisen oder hat die Ehefrau des Klägers das auf dem Parkplatz herrschende Verkehrsgeschehen nicht ausreichend beobachtet und war deshalb nicht in der Lage, den Beklagten auf den Zusammenstoß hinzuweisen.“

Verbindung in der Hauptverhandlung, oder: Verteidiger aufgepasst, sonst ist die Terminsgebühr futsch

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Machen wir heute zum Ausklang der Woche mal wieder ein wenig Gebührenrecht. Den Auftakt macht der LG Dortmund, Beschl. v. 13.02.2017 – 34 Qs 70/16, den mir der Kollege Bleicher aus Dortmund geschickt hat. Es geht mal wieder um das Entstehen der Terminsgebühr bei Verbindung von Verfahren, wenn die Verbindung erst in der Hauptverhandlung erfolgt. Da muss man als Verteidiger aufpassen, denn sonst ist die Terminsgebühr in dem hinzu zu verbindenden Verfahren „futsch“:

„Für die Entstehung einer Terminsgebühr bei Verfahren, die erst in der Hauptverhandlung verbunden werden, kommt es darauf an, dass in allen Verfahren eine Hauptverhandlung stattgefunden hat (OLG Dresden, NStZ-RR 2009, 28; OLG Bremen, NStZ-RR 2013, 128; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 22. Auflage 2015, Nr. 4108-411 W Rn 12).

Vorliegend hat vor der Verbindung des Verfahrens 762 Ls – 111 Js 615/16 – 111/16 zum führenden Verfahren keine eigenständige Hauptverhandlung in dieser Sache stattgefunden. Dabei kommt es nicht darauf an, dass in der später hinzuverbundenen Sache kein Termin anberaumt war. Eine Terminsgebühr entsteht nämlich nicht nur, wenn eine Hauptverhandlung anberaumt war (Gerold/Schmidt/Burhoff, ebd), eine solche kann vielmehr auch dann stattfinden, wenn der Angeklagte und der Verteidiger auf die dispositiven Förmlichkeiten und Fristen verzichten. Unschädlich ist in diesem Zusammenhang auch, dass kein ausdrücklicher Aufruf des hinzuverbundenen Verfahrens erfolgt ist. Denn der Aufruf der Sache ist keine wesentliche Förmlichkeit des Verfahrens. Unterbleibt er, so ist der Beginn der Hauptverhandlung deshalb von dem Zeitpunkt an anzunehmen, in welchem der Vorsitzende kundgibt, die Verhandlung durchführen zu wollen (OLG Dresden, a.a.O.). In der Mitteilung des Vorsitzenden, dass hinsichtlich der Anklage in dem Verfahren 762 Ls-111 Js 615/16-111/16 die Einlassungs- und Ladungsfristen nicht eingehalten werden könnten und insoweit die Aussetzung des Verfahrens beantragt werden könne, ist jedoch noch kein Beginn der Hauptverhandlung zu sehen. Denn die Durchführung der Hauptverhandlung war noch nicht möglich, weil es an der Prozessvoraussetzung eines Eröffnungsbeschlusses (§§ 203, 207 StPO), im Unterschied zu der vom Verteidiger zitierten Entscheidung des LG Düsseldorf (Beschluss vom 07.08.2015 – Az. 10 KLs 1/14, beck-online), fehlte und dem Amtsgericht dadurch die Durchführung der Hauptverhandlung verboten war (vgl. BGH, NStZ-RR 2011, 150; OLG Hamm, Beschluss vom 06.09.2016 — Az. 11-1 Ws 348/16; OLG Dresden, a.a.O.; OLG Bremen, a.a.O.). Aus demselben Grund liegt auch in der Erklärung des Angeklagten, dass er mit der Verhandlung in dieser Sache einverstanden sei und auf die Einhaltung der Einlassungs- und Ladungsfristen verzichte, noch keine Durchführung einer Hauptverhandlung. Bei den in diesem Zusammenhang geführten Gesprächen handelt es sich vielmehr um Erörterungen gemäß § 202a StPO (vgl. OLG Bremen, a.a.O.). Hierfür ist ein eigenständiger Titel nach dem RVG nicht vorgesehen. Auch eine analoge Heranziehung anderer Gebührentatbestände kommt nicht in Betracht (vgl. OLG Bremen, a.a.O., m.w.N.). Nach der sodann erfolgten Verbindung der Verfahren und anschließenden Eröffnung des Verfahrens 762 Ls-111 Js 615/16-111/16 lag kein eigenständiges Verfahren mehr vor, so das auch keine eigene Terminsgebühr angefallen ist (vgl. OLG Dresden, a.a.O.; OLG Bremen, a.a.O.).

Die Kammer hat gesehen, dass das Amtsgericht zur prozessökonomischen Behandlung der Verfahren dergestalt auf die Bereitschaft der Angeklagten und insbesondere der Verteidiger angewiesen sein kann, dass diese ggf. auf Einlassungs- und Ladungsfristen verzichten. Dies vermag jedoch an dem Umstand nichts zu ändern, dass in der vorliegenden Konstellation — wie erörtert — von Gesetzes wegen kein einschlägiger Gebührentatbestand gegeben ist.“

Was lernt man aus dem zutreffenden Beschluss: Man muss als Verteidiger darauf achten, dass in der hinzu zu verbindenden Sache zunächst die Anklage zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet werden muss, falls das noch nicht geschehen ist. Erst dann liegen die Voraussetzungen für die Durchführung der Hauptverhandlung vor und kann die Terminsgebühr entstehen. Wird erst nach der Verbindung die Anklage zugelassen und die Hauptverfahren eröffnet, liegt kein eigenständiges Verfahren mehr vor mit der Folge, dass eine Terminsgebühr – in dem hinzu zu verbindenden Verfahren – nicht mehr entstehen kann. Lässt sich das AG/LG auf diese Reihenfolge nicht ein, muss der Verteidiger erwägen, ggf. nicht auf die Ladungsfristen (§ 217 StPO) zu verzichten.