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Ich hatte am vergangenen Dienstag über den AG Herford, Beschl. v. 11.04.2019 – 11 OWi 895/19 (b) berichtet (vgl. Zeuge III: Wenn der Zeuge Betroffener wird, oder: Dann muss man ihn auch als Betroffenen behandeln). Auf das Verfahren komme ich heute wegen der gebührenrechtlichen Problematik noch einmal zurück.
Die Kostenentscheidung des AG Herford-Beschlusses lautete: „Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt die Staatskasse.“. Auf der Grundlage dieser Kostenentscheidung hatte der Kollege Kroll, der (auch) für den Zeugen tätig geworden war, dann die notwendigen Auslagen geltend gemacht. Angemeldet hatte er die Gebühren nach den den Nrn. Nr. 5100, 5103 und 5109 VV RVG. Die sind vom AG auch festgesetzt worden. Dagegen hat dann die Stadt Herford Beschwerde eingelegt.
Und die hatte beim LG Bielefeld Erfolg. Das LG hat im LG Bielefeld, Beschl. v. 01.09.2019 – 10 Qs 276/19 – nur eine Gebühr für eine Einzeltätigkeit nach Nr. 5200 VV RVG festgesetzt:
2. Auf Grundlage des Beschlusses des Amtsgerichts Herford vom 1 1.04.2019 können lediglich notwendige Auslagen i. H. v. 92,82 EUR festgesetzt werden.
a) Insofern ist zunächst klarzustellen, dass sich die Kostengrundentscheidung aus dem Beschluss des Amtsgerichts vom 1 1.04.2019 lediglich auf das Ordnungsgeldverfahren bezieht, das sich vorliegend als eigenständige Angelegenheit aus dem Bußgeldverfahren entwickelt hat. Er bildet dagegen keine Grundlage für die Festsetzung notwendiger Auslagen, die durch die Vertretung im Bußgeldverfahren entstanden sind. Hinsichtlich dieser Kosten ist bisher keine Kostengrundentscheidung ergangen.
Insofern ist es also in Bezug auf die hier festzusetzenden Kosten unerheblich, ob der Betroffene im Bußgeldverfahren als Zeuge von einem Rechtsanwalt der Kanzlei pp. umfassend vertreten worden sein sollte. Abgesehen davon ist auch nicht ersichtlich, wieso die Kosten für die Tätigkeit als Beistand eines Zeugen im Bußgeldverfahren überhaupt der Staatskasse bzw. Stadtkasse zur Last fallen sollten.
Weiter ergibt sich aus dem Schreiben der Kanzlei vom 27.03.2019 gerade die Vertretung der pp. GmbH und nicht des Betroffenen im Bußgeldverfahren. Für diesen ist eine Meldung erstmalig als Reaktion auf den Ordnungsgeldbeschluss, d.h. im Ordnungsgeldverfahren, mit Schreiben vom 08.04.2019 erfolgt.
b) Danach können vorliegend als notwendige Auslagen nur die Gebühren geltend gemacht werden, die für die anwaltliche Tätigkeit im Ordnungsgeldverfahren abgerechnet werden können. Diese beschränkte sich vorliegend auf die Beantragung der gerichtlichen Entscheidung gegen den streitgegenständlichen Ordnungsgeldbescheid gemäß § 62 OWiG.
Sowohl bej der Einreichung eines Antrages auf gerichtliche Entscheidung als auch bei einzelnen Beistandsleistungen für einen Zeugen handelt es sich um Einzeltätigkeiten im Sinne von Nr. 5200 VV RVG (Burhoff in: RVG Straf- und Bußgeldsachen, 5. Aufl. 2017, Nr. 5200 VV Rn. 12 ff.). Zwar ist die Frage, ob eine Einzeltätigkeiten oder eine umfassende Vertretung vorliegt, danach zu beantworten, welcher konkrete Auftrag dem Rechtsanwalt erteilt wurde. Allerdings ist vorliegend im Hinblick auf das Ordnungsgeldverfahren eine weitergehende Beauftragung nicht ersichtlich und auch nicht ohne weiteres denkbar. Abgesehen davon ist aber im VV RVG auch kein entsprechender Gebührentatbestand für eine unterstellte „Vollvertretung im Ordnungsgeldverfahren“ vorgesehen.
Insofern verbleibt es dabei, dass die Beantragung einer gerichtlichen Entscheidung gegen den Ordnungsgeldbescheid als Einzeltätigkeit abzurechnen ist.
c) Da vorliegend keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine abweichende Bemessung der Rahmengebühr angebracht wäre, ist bei der Ermittlung der konkreten Gebührenhöhe für die Einzeltätigkeiten nach § 14 Abs. 1 RVG i. V. m. Nr. 5200 VV RVG die Mittelgebühr anzusetzen.
Eine Grundgebühr für das Bußgeldverfahren nach Nr. 5100 VV RVG entsteht für den mit einer Einzeltätigkeit in einer Bußgeldsache beauftragten Rechtsanwalt nicht (Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG-Kommentar, 24. Aufl. 2019, Nr. 5200 VV RVG Rn. 10). Allerdings kann eine Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG beansprucht werden (Gerold/Schmidt/Burh0ff, RVG-Kommentar, 24. Aufl. 2019, Nr. 5200 VV RVG Rn. 13).
Danach sind die folgenden Auslagen festzusetzen:
Nr. 5200 VV RVG Verfahrensgebühr für Einzeltätigkeit 65,00 EUR
Nr. 7002 VV RVG Post- und Telekommunikationspauschale 13,00 EUR
78,00 EUR
zzgl. Umsatzsteuer = 92,82 EUR“
So weit, so gut, zumindest, was die Frage angeht, dass sich die „Kostengrundentscheidung aus dem Beschluss des Amtsgerichts vom 1 1.04.2019 lediglich auf das Ordnungsgeldverfahren bezieht, das sich vorliegend als eigenständige Angelegenheit aus dem Bußgeldverfahren entwickelt hat.“ Das LG umgeht – ich will es vorsichtig ausdrücken – geflissentlich die Frage, ob nicht trotzdem für den Kollegen die Gebühren nach Teil 5 Abschnitt 1 VV RVG hätten festgesetzt werden müssen. Und zwar deshlab, weil er Zeugenbeistand war. Etwas anderes steht auch bei Burhoff/Volpert, RVG, Nr. 5200 VV Rn. 13 nicht. Denn dort heißt es: „Beistandsleistung für einen Zeugen, wenn der Rechtsanwalt nicht voller Vertreter i.S.v. Teil 5 Abschnitt 1 VV ist“ – und genau das war hier der Fall. Ein Bisschen überlegen/weiterdenken muss man schon, wenn man zitiert und sich vielleicht mal überlegen, was die Einschränkung an der zitierten Stelle meint. Vielleicht einer von drei Entscheidern könnte/sollte auf die Idee kommen. Aber wahrscheinlich hat man das im Bestreben, die Gebühren „zu kürzen“ übersehen.