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U-Haft II: In der JVA Laptop für die Akteneinsicht, oder: „Kurze“ Fahrt zur Vorführung vor zuständigen Richter

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Und im zweiten Posting dann zwei Entscheidungen betreffend das „U-Haft-Verfahren“.

Zunächst der Hinweis auf den LG Nürnberg, Beschl. v. 07.11.2023 – 13 Qs 56/23 – zur Frage der Form der Akteneinsicht in Akten mit besonders großem Aktenumfang, wenn der Beschuldigte inhaftiert ist. Dazu das LG (im Leitsatz):

Dem Beschuldigten ist in Strafverfahren mit besonders großem Aktenumfang zur effektiven Vorbereitung auf die Hauptverhandlung Akteneinsicht auch in Form von elektronischen Dokumenten, die auf einem Laptop eingesehen werden können, zu gewähren: Die Staatsanwaltschaft hat der JVA ggf. eine verschlüsselte CD-ROM mit der Akte im pdf-Format zu übersenden und die JVA dem Beschuldigten sodann einen Laptop mit der aufgespielten elektronischen Akte in einem besonderen Haftraum zur Verfügung stellen.

Und dann der AG Nürnberg, Beschl. v. 31.10.2023 – 58 Gs 12014/23 -, mit dem das AG einen Haftbefehl aufgehoben hat. Begründung:

„Der Haftbefehl war aus den folgenden Gründen aufzuheben:

1. Dem Vollzug des Haftbefehls steht der Spezialitätsschutz des § 83h Abs. 1 Nr. 1 IRG entgegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 19.12.2012, Aktenzeichen: 1 StR 165/12) entfällt ein wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Spezialität bestehendes Verfahrenshindernis gemäß Art. 14 Absatz 1 Buchst. b des Euro-päischen Auslieferungsübereinkommens jedenfalls dann, wenn der Ausgelieferte auf die Rechtsfolgen hingewiesen wurde oder diese Rechtsfolgen aus anderen Gründen kannte. Nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Braunschweig (Beschluss vom 26.08.2019, Aktenzeichen: 1 Ws 154/19) entspricht die Vorschrift des § 83h Abs. 2 Nr. 1 IRG derjenigen des Art. 14 Absatz 1 Buchst. b des Europäischen Auslieferungsübereinkommens.

Der vorliegenden Akte kann nicht entnommen werden, dass der Beschuldigte auf die Rechtsfolgen des § 83h Abs. 2 Nr. 1 IRG hingewiesen wurde oder die Rechtsfolgen ander-weitig kannte.

2. Die Vorführung vor den nächsten Richter des Amtsgerichts Fulda verstieß gegen § 115 StPO. Der Beschuldigte wurde am 17.10.2023 um 19:20 Uhr aufgrund des vorliegenden Haftbefehls ergriffen. Eine Pkw-Fahrt von Fulda nach Nürnberg dauert laut Google-Maps etwa drei Stunden, sodass eine Vorführung vor den zuständigen Richter des Amtsgerichts Nürnberg am 18.10.2023 möglich gewesen wäre.2

Interessant m.E. vor allem wegen der Ausführungen des AG unter 2.

OWI III: Die „Benutzung“ des Laptops im Pkw, oder: Sicher mehr als kurze Blickzuwendung

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Und die letzte Entscheidung des Tages befasst sich ebenfalls mit dem neuen § 23 Abs. 1a StVO. Es handelt sich um den OLG Köln, Beschl. v. 14.02.2019 – 1 RBs 45/19. Es geht um das Aufnehmen eines Laptops – ein elektronisches Gerät – an einer eine Lichtzeichenanlage, dessen Benutzung und um das weitere Tippen nach Wiederanfahren des Betroffenen. Das OLG sagt: Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO:

„Das Amtsgericht hat zum Tatgeschehen festgestellt, dass der Betroffene mit seinem PKW in A, B, die Cstraße in Fahrtrichtung Dstraße befuhr, an der Lichtzeichenanlage der dortigen Kreuzung verkehrsbedingt anhalten musste, spätestens zu diesem Zeitpunkt seinen Laptop auf den Schoß nahm, das Gerät zwischen Oberschenkel und Lenkrad „klemmte“ und darauf „herum tippte“; als die Lichtzeichenanlage von rot auf grün umschaltete, fuhr der Betroffene „verzögert und tippender Weise an und weiter“. Nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe konnte das Tatgericht nicht ausschließen, dass der Betroffene den Motor seines Fahrzeugs an der Lichtzeichenanlage zunächst vollständig ausgeschaltet hatte.

2. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen hat das Amtsgericht ausdrücklich offengelassen, ob das Verhalten des Betroffenen dem Tatbestand des § 23 Abs. 1a Nr. 2 StVO unterfällt, da er jedenfalls den Bußgeldtatbestand des § 23 Abs. 1a Nr. 1 StVO in der Fassung der ÄndVO vom 6. Oktober 2017 erfüllt habe. Diese Rechtsanwendung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Nachdem der Betroffene den Motor seines Fahrzeugs an der LZA zunächst nicht ausschließbar vollständig ausgeschaltet hatte, unterfällt ein Aufnehmen und Halten des Laptops zu diesem Zeitpunkt nicht der vom Tatgericht bejahten Tatbestandsalternative. Der Wortlaut des § 23 Abs. 1b S 2 StVO, der eine „Ausnahme von der Ausnahme“ begründet (vgl. Rebler, Das neue Verbot der Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel während des Fahrzeugführens, SVR 2018, 241, 244), erfasst lediglich ein „fahrzeugseitig automatisches Abschalten des Motors“, nicht eine hier festgestellte (S 3, 6 UA) manuelle Abschaltung; eine Analogie verbietet sich (vgl. KG, Beschluss v. 23.08.2018, Az. 3 Ws (B) 217/18, zitiert nach juris).

Soweit das Amtsgericht von den getroffenen Feststellungen ausgehend auf die weitere Benutzung des Laptops abstellt, als der Betroffene von der Lichtzeichenanlage angefahren ist und weiterhin auf dem auf seinem Schoß zwischen Oberschenkel und Laptop eingeklemmten Gerät „getippt“ hat, unterfällt das festgestellte Verhalten ebenfalls nicht dem Tatbestand des § 23 Abs. 1a Nr. 1 StVO. Die genannte Tatbestandsalternative begründet nach dem Willen des Verordnungsgebers ein „Hand-Held-Verbot“, erfordert mithin ein Aufnehmen mit den Händen bzw. ein Halten in den Händen (vgl. Hentschel/König/Dauer, StVO, 45. Auflage, § 23 StVO Rn. 32, 32a). So stellt die Gesetzesbegründung ausdrücklich auf das „In-den-Händen-halten“ des Geräts und dessen besondere Gefährlichkeit ab (vgl. BR-Drucks. 556/17, S 25 ff).

Das Aufnehmen des Laptops durch den Betroffenen auf seinen Schoß zu einem Zeitpunkt, zu dem nicht ausschließbar der Motor seines Fahrzeuges manuell ausgeschaltet war, begründet demnach kein tatbestandsmäßiges (fortgesetztes) Aufnehmen des Geräts im Zeitpunkt des Losfahrens, als der Betroffene den Laptop nach den Feststellungen nicht in den Händen hielt, sondern sich dieser auf seinem Schoß eingeklemmt zwischen Oberschenkel und Lenkrad befand.

3. Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des materiellen Rechts ist gleichwohl nicht erforderlich, da die Anwendung der Tatbestandsalternative des § 23 Abs. 1a Nr. 1 StVO nicht entscheidungserheblich ist.

Denn das vom Tatgericht festgestellte Verhalten des Betroffenen erfüllt – wie auch die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend ausführt – zwanglos und ohne dass es weiterer Feststellungen bedarf den Tatbestand des § 23 Abs. 1a Nr. 2 StVO. Wird das von der Norm erfasste elektronische Gerät nicht in der Hand gehalten oder aufgenommen, ist die Benutzung nach Nr. 2 unter anderem nur dann gestattet, wenn hierfür nur eine kurze, den Verhältnissen angepasste Blickzuwendung zum Gerät bei gleichzeitig entsprechender Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen erfolgt oder erforderlich ist (vgl. dazu Hentschel/König/Dauer, a.a.O., Rn. 33). Beim Anfahren an einer Lichtzeichenanlage unter weiterem „Tippen“ auf der Tastatur des Laptops scheidet eine noch erträgliche kurze Blickabwendung schon ihrer Natur nach aus; die festgestellten Benutzung erfordert jedenfalls mehr als einen nur kurzen Blickkontakt nach Maßgabe des § § 23 Abs. 1a Nr. 2 StVO. Davon ist auch das Tatgericht ausgegangen (S 6 UA).“

Ich glaube, bei den Feststellungen hätte ich mir die Rechtsbeschwerde „geschenkt“.

Laptop in der Hauptverhandlung, erlaubt, oder: Jetzt hoffentlich auch beim AG Cottbus

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Ich mache ja ganz gerne „Thementage“. Und da muss man manchmal warten, bis man genügend Entscheidungen zu einem Thema für einen Tag gesammelt hat. Das kann etwas dauern und dann wird die ein oder andere Entscheidung etwas älter, bis sie den Weg hierhin gefunden hat. Heute ist es dann so weit. Thema:

Verhandlungsleitung/Sitzungspolizei. Und da habe ich zwei Entscheidungen: Eine aktuelle und eine weniger aktuelle. Ich fange mit der aktuellen an.

Es handelt sich dabei um den LG Cottbus, Beschl. v. 10.04.2018 – 22 Qs 60/18. Den hat der Kollege C. Janeczek, Dresden, in der FB-Gruppe „VerK-Forum“ online gestellt hat. Dort habe ich ihn mir geklaut. Wir hatten dort vorher über den der Beschwerdeentscheidung zugrunde liegenden Beschluss des AG Cottbus diskutiert. Es geht um die Frage: Darf der Kollege/der Rechtsanwalt in der Hauptverhandlung sein Notebook benutzen oder nicht. Die Richterin am AG Cottbus hatte: Nein, gesagt, das aber nicht mit konkreten „Ereignissen“ begründet, sondern nur mit in meinen Augen diffusen Sicherheitsbedenken. Der Kollege hat dagegen das LG angerufen. Und das hat ihm – wie m.E. nicht anders zu erwarten – Recht gegeben:

„Die Beschwerde des Verteidigers gegen die mit dem angefochtenen Beschluss angeordnete Versagung der Nutzung elektronischer Medien in der Hauptverhandlung ist im eigenen Namen zulässig.

Ihrer Statthaftigkeit steht nicht § 181 Abs. I GVG entgegen. Nach dieser Vorschrift kann gegen die Festsetzung von Ordnungsmitteln in den Fällen der §§ 178, 180 GVG binnen einer Woche Beschwerde eingelegt werden. Nach überwiegender Auffassung folgt daraus zwar im Umkehrschluss, dass andere sitzungspolizeiliche Maßnahmen, insbesondere solche auf der Grundlage nach § 176 GVG der gesonderten Anfechtung mit der Beschwerde grundsätzlich entzogen sind, vgl. z.B. nur KG NStZ 2011, 120. Allerdings ist die Beschwerde ausnahmsweise dann statthaft, wenn es zumindest möglich erscheint, dass die angefochtene Maßnahme Grundrechte oder andere Rechtspositionen des Beschwerdeführers über die Hauptverhandlung hinaus dauerhaft tangiert und beeinträchtigt, vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 17. April 2015, 1 BvR 3276/08, KG a.a.O. oder dass sie sich nicht in der Aufrechterhaltung der Ordnung in der Verhandlung erschöpft, sondern weitergehende Wirkungen entfaltet.

So liegt der Fall hier. Der Verteidiger macht geltend, über die Hauptverhandlung hinaus in seinem Grundrecht der freien Berufsausübung gem. Artikel 12 GG betroffen zu sein. Sein Vortrag lässt eine entsprechende Rechtsverletzung zumindest als möglich erscheinen. So wird in der Kanzlei des Rechtsanwaltes seit 2005 ausschließlich eine digitale Akte geführt. Die Arbeitsweise in der Kanzlei ist standardisiert nach DIN 9001. Die Anordnung des Gerichts bedeutet neben dem Verstoß gegen die zertifizierte Arbeitsweise in der Kanzlei, insbesondere nach der Hauptverhandlung eine zusätzliche Mehrarbeit durch die Übertragung der Mitschriften vom Papier in digitale Form und behindert den Rechtsanwalt an der Ausübung seiner anwaltlichen Tätigkeit.

Die Verfügung der Vorsitzenden ist auch nicht gemäß § 305 Satz I StPO einer Anfechtung im Beschwerdeweg entzogen, wonach Entscheidungen des erkennenden Gerichts, die der Urteilsfällung vorausgehen, nicht der Beschwerde unterliegen. Dies betrifft nämlich nur Entscheidungen, die mit der Urteilsfällung in innerem Zusammenhang stehen, ausschließlich ihrer Vorbereitung dienen und keine weiteren Verfahrenswirkungen entfalten. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass solche Entscheidungen bei der Urteilsfällung selbst der nochmaligen Prüfung des Gerichts unterliegen und ein ausreichender Rechtsschutz über das statthafte Rechtsmittel gegen das Urteil gewährleistet ist. Demgegenüber beruft sich der Verteidiger hier darauf, dass die angefochtene Verfügung Wirkungen auf seine Rechte entfaltet, die über das vorliegende Verkehrsordnungswidrigkeitsverfahren hinausreichen.

Die Beschwerde ist auch begründet, mithin ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.

Nach § 176 GVG obliegt der Vorsitzenden die Aufrechterhaltung „der Ordnung in der Sitzung“. Ordnung in der Sitzung ist der Zustand, der dem Gericht und den Verfahrensbeteiligten eine störungsfreie Ausübung ihrer Funktionen ermöglicht, die Aufmerksamkeit der übrigen Anwesenden in der öffentlichen Verhandlung nicht beeinträchtigt und allgemein deren gebührlichen Ablauf sichert. Art und Umfang der sitzungspolizeilichen Maßnahmen nach § 176 GVG sind gesetzlich nicht festgelegt. Die Vorsitzende trifft die Entscheidung über entsprechende Maßnahmen nach pflichtgemäßem Ermessen. Ihre Zulässigkeit beurteilt sich deshalb im Einzelfall nach dem jeweils verfolgten Zweck und dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzip, vgl. OLG Karlsruhe NWJ 1977, 309. Dabei steht der Vorsitzenden ein Ermessen zu, BGHSt 17, 201. Demnach ist die angefochtene Maßnahme durch das Beschwerdegericht nur darauf zu prüfen, ob die Anordnung einen zulässigen Zweck verfolgt, verhältnismäßig ist und die Vorsitzende ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat. Die Beurteilung der Zweckmäßigkeit sitzungspolizeilicher Maßnahmen ist dem Beschwerdegericht verwehrt.

Nach diesen Maßstäben verfolgt die angefochtene Maßnahme, die das Verhalten des Verteidigers im Sitzungssaal im Zusammenhang mit der Hauptverhandlung regelt, keinen zulässigen sitzungspolizeilichen Zweck, denn sie beruht auf keinem konkreten Anlass. Vielmehr sollen unerlaubte Ton- und Bildaufnahmen in der Hauptverhandlung ganz allgemein unterbunden werden, ohne dass konkrete Anhaltspunkte für solche unerlaubten Aufnahmen durch den Verteidiger gegeben sind. Solchermaßen ist die Verfügung Ausdruck unbestimmter Sicherheitsbedenken oder eines allgemeinen Misstrauens gegen Verteidiger, ohne Rücksicht darauf, ob im konkreten Fall die Ordnung der Sitzung tatsächlich gefährdet ist. Ohne solch einen konkreten Anhaltspunkt für den Missbrauch des Laptops zu unerlaubten Ton- oder Bildaufzeichnungen ist eine Untersagung des Benutzung des Laptops unzulässig.

Dies gilt umso mehr, als der Verteidiger hier ausgeführt hat, noch nie Bild- und Tonaufnahmen in der Hauptverhandlung angefertigt zu haben. Anhaltspunkte, die Zweifel an dieser Erklärung begründen könnten, sind nicht ersichtlich und ergeben sich auch nicht aus der Nichtabhilfeentscheidung.“

Dem ist nichts hinzuzufügen, außer: Man kann nur hoffen, dass es hilft und: Man fragt sich, in welcher Zeit wir eigentlich leben. Da wird im Straf-/Bußgeldverfahren die elektronische Akte eingeführt, wir werden alle – ob wir wollen oder nicht – durchdigitalisiert – und dann meint ein AG: Laptop in der Hauptverhandlung geht aber gar nicht, einfach mal so. Schön, dass das LG das gerichtet hat. Schön auch deshalb, weil es m.E. so viele Entscheidungen zu der Problematik nicht gibt.  Woanders ist das vielleicht aber auch kein Problem. In Cottbus jetzt hoffentlich auch nicht mehr.

Laptop in der U-Haft – die JVA muss ihn ggf. „sicher“ machen.

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Zum Laptop lege ich dann mal nach. Nach dem OLG Nürnberg, Beschl. v. 14.10.2015 – 1 Ws 418/15 zur Frage der Zulässigkeit des Besitzes eines Laptops in der Sicherungsverwahrung zurück an den Beginn des Verfahrens, nämlich in das Ermittlungsverfahren und/oder die U-Haft. Auch in dem Verfahrensstaium wird zunehmend um die Zulässigkeit des Besitzes und Gebrauchs eines Laptops gestritten. Dabie geht es meist um die Vorbereitung des Angeklagten auf die Hauptverhandlung. So auch in dem dem OLG Rostock, Beschl. v. 22.10.2015 – 20 Ws 276/15 – zugrunde liegenden Verfahren wegen des Vorwurfs des versuchten Totschlags und der gefährlichen Körperverletzung. Die STA wirft dem  Angeklagten im Wesentlichen vor, anlässlich der Fußballspiele des FC Hansa Rostock gegen Dynamo Dresden am 29.11.2014 und gegen RB Leipzig am 26.04.2014 mehrfach Pflastersteine auf Polizeibeamte geworfen bzw. dies versucht zu haben oder Reizgas gegen diese versprüht zu haben. Diese Vorwürfe stützt sie vornehmlich auf Videomaterial, das anlässlich der Fußballspiele durch polizeiliche Einsatzkräfte bzw. Stadionkameras aufgenommen wurde, und das den Angeklagten jeweils als Täter abbilden soll. Das sich bei den Akten befindliche Videomaterial umfasst eine Datenmenge von ca. 74 GB. Der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft hatte an mehreren Hauptverhandlungstagen weiteres Videomaterial nachträglich zur Akte gereicht. Die Kammer hat zudem Videomaterial in einem Umfang von 60 GB hinzugezogen, das dem Sachverständigen B. von den Ermittlungsbehörden zur Verfügung gestellt worden war, sich jedoch noch nicht bei den Akten befand.

Die Verteidigung hatte insbesondere zum Zwecke der Sichtung des Videomaterials bereits vor Beginn der Hauptverhandlung beantragt, dem Angeklagten die Einbringung eines Laptops zur Vorbereitung seiner Verteidigung zu genehmigen, was mit Anordnung des Vorsitzenden vom 21.04.2015 mit der Maßgabe bewilligt worden war, dass der Laptop zuvor durch die Anstalt einer Kontrolle zu unterziehen ist, wobei die Zugänge, über die Daten eingespielt werden können, bis auf die für die Akteneinsicht nötigen zu versiegeln und die Versiegelungen regelmäßig zu kontrollieren seien. Nun hat der  Wahlverteidiger gemäß § 119a StPO eine gerichtliche Entscheidung beantragt, dass dem Angeklagten gestattet werde, den von ihm mit Genehmigung des Gerichts genutzten Laptop auch auf seinem Haftraum ohne zeitliche Beschränkung zu nutzen.

Die JVA hat Sicherheitsbedenken. Die Strafkammer hat aber dennoch genehmigt. Dagegen wendet sich nun die JVA. Das OLG gibt aber der Kammer Recht, und zwar u.a. mit folgender Begründung:

„Soweit die Anstalt auf eine Gefährdung der Sicherheit durch die Verwendung von Zusatzgeräten, wie externen Speichern oder Netzwerkverbindungsapplikationen abhebt, ist den Vorgängen nicht zu entnehmen, dass der Angeklagte derartige Geräte besitzen darf. Sofern die Beschwerdeführerin darauf abstellt, dass sie das unberechtigte Einbringen dieser Gegenstände in die Haftanstalt nicht verhindern könne, ist nicht erkennbar, wodurch sich die Gefahr der unberechtigten Nutzung gegenüber dem bisherigen Zustand erhöhen sollte. Auch bisher konnte der Angeklagte den Laptop offensichtlich weitgehend unbeobachtet im Besuchsbereich der Haftanstalt nutzen und hätte auch dort die als gefährlich betrachteten Gerätschaften verwenden können. Es ist auch nicht erkennbar, dass der Angeklagte bei der Nutzung des Laptops im Besuchsbereich ununterbrochen beobachtet worden wäre, insbesondere im Hinblick auf die Nutzung kleiner Zusatzgeräte. Vielmehr ist nach dem Aktenstand davon auszugehen, dass sich der Angeklagte weitgehend unbeobachtet der Nutzung seines Laptops widmen konnte. Im Übrigen ist es Aufgabe der Haftanstalt, mit den ihr zur Verfügung stehenden Überwachungsmöglichkeiten den Missbrauch des Laptops zu unterbinden. Konkrete Hinweise auf einen solchen Missbrauch, die bereits jetzt eine Nutzungseinschränkung nach sich ziehen könnten, sind dagegen weder vorgetragen noch ersichtlich. Allein die abstrakte Möglichkeit des Missbrauchs im Haftraum reicht zur Annahme einer Gefährdungslage jedenfalls dann nicht aus, wenn dieser Möglichkeit durch entsprechende Maßnahmen seitens der Anstalt begegnet werden kann.

Soweit die Beschwerdeführerin einwendet, die Netzwerksverbindungsmöglichkeiten des Laptops ließen sich nicht ausreichend kontrollieren, ist nicht erkennbar, wodurch sich die daraus ergebende Gefahr bei einer Nutzung im Haftraum statt – wie bisher – im Besuchsbereich erhöhen könnte. Die Ausführungen der Beschwerdeführerin hinsichtlich der technischen Unmöglichkeit einer wirksamen Abschaltung der eingebauten Netzwerkverbindungsmöglichkeiten und einer Versiegelung der externen Zugänge sind im Übrigen nicht zutreffend. Soweit die Beschwerdeführerin nicht über eigenes Personal verfügt, welches die erforderliche technische Umrüstung des Laptops vornehmen könnte, ist sie gehalten, sich insoweit externer Hilfe zu bedienen. Eine wirksame technische Begrenzung der Zugangsmöglichkeiten des Rechners kann und muss im Bedarfsfall durch Sachverständige – z. B. durch im Wege der Amtshilfe heranziehbare IT-Bedienstete der Justiz des Landes, des Landeskriminalamtes oder auch durch Private – erfolgen (vgl. dazu LG Frankfurt, Beschl. v. 23.10.2014 – 5/28 Qs 49/147310 Js 230995/12 – Juris, Rn. 16, 19). Sofern andere Möglichkeiten nicht bestehen oder unverhältnismäßig wären, etwa weil sie zu irreparablen Schäden am Laptop des Angeklagten führen würden, ist ihm auf Justizkosten ein entsprechend abgesichertes Gerät leihweise zur Verfügung zu stellen.“

Werden die JVA nicht gerne lesen.

Der Laptop in der Sicherungsverwahrung – kann zulässig sein….

laptop-2Nach den beiden Telefonentscheidungen vom Dienstag (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 15.09.2015 – 1 Vollz (Ws) 401/15 und dazu Der Gefangene darf mit seinem Verteidiger telefonieren) und Mittwoch (vgl. KG, Beschl. v. 10.11.2015 – 5 Ws 120/15 Vollz und dazu Vollzug: Es gibt kein „Zimmer“ mit Telefon….) geht es dann heute weiter mit „Technikentscheidungen“. Eine große Rolle spielen in dem Bereich ja dann auch die mit dem Besitz eines Laptop im Vollzug/in der Haft  zusammenhängenden Fragen. Dazu zunächst der OLG Nürnberg, Beschl. v. 14.10.2015 – 1 Ws 418/15. In dem Verfahren war die Genehmigung eines Laptops in der Sicherungsverwahrung „streitig“. Die JVA hatte einen Antrag des Untergebrachten auf Genehmigung eines Laptops, der weder über die Möglichkeit einer Internetverbindung noch über die Möglichkeit des Beschreibens von externen Speichermedien verfügen und der durch eine Fachfirma entsprechend modifiziert werden sollte, abgelehnt. Den dagegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung weist die StVK zurück. Das OLG hebt auf die Rechtsbescwherde hin auf. Es gibt der StVK mit Blick auf den Amtsermittlungsgrundsatz und die besonderen Anforderungen an Beschränkungen in der Sicherungsverwahrung weitere Aufklärung auf:

„Vorliegend bedarf es daher der Abwägung zwischen den Interessen des Antragstellers an der Nutzung eines Laptops/Notebooks in der Sicherungsverwahrung einerseits und den gegenläufigen Sicherheitsinteressen der Anstalt andererseits. Elektronische Rechner sind zum wichtigen Teil des sozialen und gesellschaftlichen Lebens geworden. Voraussetzung der Teilhabe hieran ist die Befähigung zum Umgang mit diesen Geräten. Ein freiheitsorientierter Vollzug der Sicherungsverwahrung erfordert es daher, dass sich der Untergebrachte mit dieser Technik vertraut machen kann (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 18.06.2014, 2 Ws 123/14, zitiert nach juris). Nachdem der Antragsteller die Zulassung eines modifizierten Gerätes begehrt, richtet sich der Fokus – im Blick auf die Sicherheitsbelange – auf die Fragen,

  • ob die technischen Einschränkungen, die der Untergebrachte an dem Laptop/Notebook vornehmen lassen will, technisch möglich sind,
  • ob die vom Untergebrachten verfolgten Interessen – das Erlernen der Gerätebedienung und das Erstellen und Ausdrucken von Schreiben – dann noch verfolgt werden können,
  • ob und wie die technischen Einschränkungen gegen Rückgängigmachung abgesichert werden können,
  • wie schwierig diese Rückgängigmachung dann wäre,
  • welche Teile und fachlichen Fähigkeiten hierzu erforderlich wären,
  • ob und wie eine entsprechende Überwachung des modifizierten Zustandes des Computers seitens der Anstalt möglich wäre und
  • welchen Aufwand dies erfordern würde.

Aufgrund der konkreten Nutzungspläne des Antragstellers ist im Hinblick auf die Sicherheitsbelange auch ein wesentliches Abwägungskriterium, ob dessen Ziele in gleicher Weise durch die Nutzung eines Computerraumes der Anstalt erreicht werden können. Die Bedienung der Geräte kann ebenso wie das Erstellen und Ausdrucken von Schreiben grundsätzlich im Rahmen von Computerschulungen oder bei freier Gerätebenutzung in einem solchen Raum in ausreichendem Umfang erlernt werden. Inwieweit der Antragsteller im Blick auf Art. 3 Abs. 1 BaySvVollzG hierauf verwiesen werden kann, hängt davon ab, wie der Computerraum in der Einrichtung für Sicherungsverwahrte in Straubing ausgestattet ist und in welchem Umfang und unter welchen Bedingungen der Antragsteller zur Nutzung des Raumes und der Geräte berechtigt ist.“

Es kommt also auf die Einzelfallumstände an….