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Die Fahrtenbuchauflage beim Motorradfahrer – da “darf es etwas mehr sein”

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Wer dieses Blog ein wenig verfolgt, weiß, dass ich an sich nicht – oder nur sehr selten-  zu PM blogge. Manchmal mache ich dann aber doch eine Ausnahme. So dann auch auch beim BVerwG, Urt. v. 28.05.2015 – 3 C 13/14. Und zwar aus saisonbedingten Gründen 🙂 . Es geht nämlich um die Länge der Dauer der Fahrtenbuchauflage bei nur saisonal genutzten Motorrädern. Dazu hat das BVerwG jetzt entschieden, und zwar, wenn ich es richtig sehe zum OVG Lüneburg, Urt. v. 08.07.2014 – 12 LB 76/14 (vgl. dazu: “Darf es etwas mehr sein?” oder: Die Fahrtenbuchauflage beim Motorradfahrer). Kurzfassung der Revisionsnetscheidung: Das BVerwG beanstandet es nicht, wenn die Behörde die Festsetzung einer gegenüber Personenkraftwagen längeren Dauer einer Fahrtenbuchauflage darauf stützt, dass der Verkehrsverstoß mit einem nur saisonal genutzten Motorrad begangen wurde. Dazu aus der PM:

Der Kläger wendet sich gegen eine Fahrtenbuchauflage. Er ist Halter eines Motorrads, mit dem die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 27 km/h (nach Toleranzabzug) überschritten wurde. Nachdem der Kläger keine Angaben zum Fahrer des Motorrads machte, der auch nicht anderweitig ermittelt werden konnte, ordnete das Landratsamt an, dass der Kläger für die Dauer von 15 Monaten ein Fahrtenbuch führen müsse. Da das Tatfahrzeug ein Motorrad war, setzte das Landratsamt dabei entsprechend seiner ständigen Verwaltungspraxis für die Fahrtenbuchauflage eine um drei Monate längere Dauer fest als bei einem entsprechenden Verkehrsverstoß mit einem Personenkraftwagen. Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass Motorräder anders als Personenkraftwagen in der Regel nicht ganzjährig genutzt würden, mit der Fahrtenbuchauflage aber die gleiche Wirkung erzielt werden solle. Auch der Kläger habe sein Motorrad in den Wintermonaten jeweils durchschnittlich sechs Monate außer Betrieb gesetzt. Die gegen die Fahrtenbuchauflage gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben.

Das Bundesverwaltungsgericht hat auch die Revision des Klägers zurückgewiesen. Gegen die vom Beklagten angestellten Ermessenserwägungen für die Festlegung der Dauer der Fahrtenbuchauflage war revisionsrechtlich nicht zu erinnern. Der Beklagte bemisst die Dauer zu Recht grundsätzlich nach der Gewichtigkeit des Verkehrsverstoßes, dessen Täter trotz hinreichender Aufklärungsbemühungen nicht ermittelt werden konnte. Ebenso wenig war die Verlängerung der Fahrtenbuchauflage zu beanstanden, die der Beklagte in ständiger Verwaltungspraxis vorsieht, wenn es sich bei dem Tatfahrzeug – wie auch im Falle des Klägers – um ein nur saisonal genutztes Motorrad handelt; ein solches Vorgehen genügt den Anforderungen des Gleichbehandlungsgebots (Art. 3 Abs. 1 GG) und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. In solchen Fällen dient die Bestimmung einer längeren Frist als bei typischerweise ganzjährig genutzten Personenkraftwagen dazu zu verhindern, dass die zum Schutz der Verkehrssicherheit ergangene Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, teilweise – nämlich in der Zeit der Stilllegung des Motorrads – leerläuft. Zugleich wird der Halter eines nur saisonal genutzten Motorrads durch die Fahrtenbuchanordnung während der Zeit ohnehin nicht belastet, in der er sein Fahrzeug außer Betrieb genommen hat.“

150 m Fahrstrecke reichen für Abstandsunterschreitung

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Die obergerichtliche Rechtsprechung, wie lang die Fahrstrecke sein muss, um eine Abstandsunterschreitung feststellen zu können, ist nicht ganz einheitlich und wird von OLG zu OLG unterschiedlich gesehen, wobei auch die Besonderheiten des Einzelfalls eine Rolle spielen. Auf der Grundlage hatte ein Verteidiger in der Rechtsbeschwerde beim OLG Hamm eine Fahrstrecke von 300 m eingefordert. Dazu verhält sich dann der OLG Hamm, Beschl. v. 30.08.2012 – III-1 RBs 122/12 -, der unter den dort gegebenen Besonderheiten eine Fahrstrecke von 150 m als ausreichend angesehen hat:

„Soweit ersichtlich werden in der Rechtsprechung Fahrstrecken von mehr als 150m mit zu geringem Abstand zum Vorausfahrenden nicht zwingend als Voraussetzung für die Verwirklichung des Bußgeldtatbestandes aufgestellt, wenn die Messung in einem standardisierten Messverfahren im Form der Messung von einer Brücke (hier Vidit VKS 3.01 bei selektiver Erstellung von Identifizierungsfotos) stattfindet. Es werden zwar teilweise größere Abstände diskutiert, die aber zum Teil nicht als zwingend, sondern als ausreichend angesehen werden (so z.B. OLG Celle NJW 1979, 325; OLG Düsseldorf NZV 2002, 519) oder es lagen andere (unsichere) Messverfahren vor (vgl. OLG Celle NJW 1979, 325; OLG Karlsruhe NJW 1972, 2235). In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof wird lediglich eine „nicht ganz vorübergehende“ Abstandsunterschreitung verlangt (BGH NJW 1969, 939, 940 f.). Konkrete Vorgaben zur Erforderlichkeit der gefahrenen Strecke gibt es hier nicht. Der Senat sieht vorliegend eine solche „nicht ganz vorübergehende“ Abstandsunterschreitung jedenfalls auf einer Strecke von mindestens 150m als gegeben an (ebenso auch OLG Koblenz Beschl. v. 10.07.2007 – 1 Ss 197/07; OLG Köln Urt. v. 28.03.1984 – 3 Ss 456/83 – juris; Hentschel/König/Dauer-König Straßenverkehrsrecht 41 Aufl. § 4 StVO Rdn. 22; vgl. auch BayObLG NZV 1994, 241). Dabei war zu berücksichtigen, dass das Amtsgericht einen kurz zuvor erfolgten Fahrspurwechsel des dem Betroffenen vorausfahrenden Fahrzeugs rechtsfehlerfrei ausgeschlossen hat, dass es sich vorliegend um ein standardisiertes Messverfahren mit deutlich geringeren Ungenauigkeiten, wie z. B. bei der Messung durch Nachfahren oder Schätzung handelt, und bei der vom Betroffenen gefahrenen Geschwindigkeit von 155 km/h die Abstandsunterschreitung zeitlich auch mindestens 3 Sekunden angedauert haben muss. Das Gesetz selbst enthält keine Vorgaben zur Mindestlänge bzw. Mindestdauer der Abstandsunterschreitung. Etwaigen Ungenauigkeiten bestimmter Messmethoden kann durch eine Verlängerung der notwendigen Strecke, etwaigen anderen Einflüssen, insbesondere einem kurz zuvor stattgefundenen Fahrstreifenwechsel des Vorausfahrenden, durch deren Ausschluss (wie hier) Rechnung getragen werden.“

 

Wie lang sind eigentlich 2.000 m?

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Nun, die Frage, wie lang eigentlich 2 Kilometer sind, ist schnell beantwortet. Das sind 2.000 m. Schwieriger ist da schon die Frage, wie man die 2.000 m eigentlich misst bzw. ab und bis wo. Das war/ist aber entscheidend für die Frage, ob (in NRW) ein Schüler ein Anrecht auf ein kostenfreies Busticket für den Schulweg hat. Und da kann es dann – in Zeiten leerer öffentlicher Kassen (?) – schon mal zum Streit kommen. Denn je nachdem ab und bis wo man misst, hat man die 2.000 m erreicht oder eben nicht.

Diese Fragen haben jetzt in einem Rechtsstreit das VG Münster beschäftigt, das diese Fragen nun im VG Münster, Urt. v. 28.08.2012 – 1 K 1366/11 – entschieden hat (vgl. u.a. hier oder hier bei LTO). Im Verfahren ging es um 17 m, die an den 2.000 m fehlten, – je nachdem wie man eben misst. Geklagt hatten die Eltern des Grundschülers eines Grundschülers, weil sie meinten, die Stadt Ibbenbüren, die zuständig war, habe von einer Haustür aus gemessen, die sie gar nicht mehr benutzen. Außerdem habe die Stadt nicht die gesamte Strecke bis zum Schultor ermittelt, sondern nur bis zur Grenze des Schulgrundstücks.

Das VG ist der Messung der Stadt gefolgt. Auch wenn das Schultor auf dem Gelände liege, beginne das Grundstück direkt an der Einfahrt zur Schule. Dies sei in der Verordnung über die Schülerfahrtkosten für NRW festgelegt. Die Stadt habe auch von der richtigen Haustür aus gemessen, selbst wenn die Familie einen anderen Ausgang benutze.

Die Eltern waren über die Richterspruch natürlich enttäuscht. Offen ist noch, ob sich das OVG Münster dann demnächst auch mit dieser Frage beschäftigen muss.

Letzter Roman – oder: Hörbuch in der Hauptverhandlung?

Die SZ hat vor einigen Tagen über ein Verfahren berichtet, in der der Angeklagte ein 14 (!!) Stunden dauerndes letztes Wort gesprochen/gehalten hat. Darüber hatte ja auch schon der Lawblog berichtet, vgl. hier. Wenn man das so liest, fragt man sich natürlich: Kann der Tatrichter da eigentlich etwas gegen tun = kann man das letzte Wort abkürzen bzw. dem Angeklagten ins (letzte) Wort fallen?

Vorab: Das ist immer gefährlich, denn auch nach der an sich recht restriktiven Rechtsprechung des BGH zur Beruhensfrage, schließt der BGH in den Fällen der Verletzung des letzten Wortes auch heute in der Regel nicht aus, dass der Angeklagte noch etwas mitteilen kann, was auf das Urteil Einfluss hat.

Allerdings wird man bei einem 14 Stunden dauernden letzten Wort dem Gedanken an Missbrauch ggf. doch näher treten können und sich zudem die Frage stellen müssen, ob das noch ein „letztes Wort“ ist, oder ob es sich nicht um eine Einlassung handelt und ob man nicht wieder in die Beweisaufnahme eintreten soll/muss. Wenn Missbrauch, dann wird der Vorsitzende den Angeklagten – bevor er ihm das Wort entzieht, denn darauf läuft es hinaus – sicherlich ermahnen müssen, sich kürzer zu fassen und zum Ende zu kommen. Das ist natürlich eine Gratwanderung. Ich kann mich daran erinnern, dass ich beim LG Bochum mal in einer HV gesessen habe, in der der Angeklagte auch ein stundenlanges letztes Wort begonnen hat. Wir haben uns das eine ganze Zeit angehört und dann die Entziehung des letzten Wortes vorbereitet. Hat auch länger gedauert. Aber keine 14 Stunden 🙂

Zusatz am 23.12.2010: um 12.12. Hier kann man dann die ganze Geschichte nachlesen.

Wochenspiegel für die 18.KW – oder wir schauen mal wieder über den Tellerrand

In der 18. KW waren folgende Beiträge interessant:

  1. Der Beck-Blog weist als Lesetipp auf den Aufsatz von Deutscher zum Fahrverbot in NZV 2010, 175 hin; der Link führt aber leider ins „Nirwana“.
  2. Mit der geplanten Erscheinenspflicht für Zeugen für Aussagen/Vernehmungen bei der Polizei und der Stellungnahme des DAV befasst sich ebenfalls der Beck-Blog, und zwar hier.
  3. Die „schönsten“ oder zumindest skurilsten Fälle schreibt immer das Leben; über einen solchen kann man hier nachlesen.
  4. Nach dem Lesen dieses Beitrags wird man sich das Trinken von Mate-Tee überlegen. 🙂
  5. Mit der Frage der Fluchtgefahr bei Bischof Mixa befasst sich der Beitrag: „Fluchtgefahr bei dem doch nicht„.
  6. In Berlin hat man besser Plastikgeld bei sich, denn sonst bekommt man im Verwarnungsfall Probleme mit dem Bezahlen, weil bar nicht mehr gern gesehen ist, vgl. dazu hier.
  7. Der Beck-Blog weist auf einige Entscheidungen des OLG Hamm zur Videomessung hin, über die wir z.T. auch schon berichtet hatten; vgl. zu den Volltexten hier, hier und hier. Eine Zusammenstellung der Rechtsprechung – Stand etwa Anfang 03/2010 – ist hier eingestellt.
  8. Eine heftige Diskussion (vgl. hier mit weiteren Nachweisen) hat es um die Länge oder zu lange Revisionsbegründungen gegeben, in die sich dann auch noch die Kollegin Braun eingeschaltet hat, mit der zutreffenden Feststellung: „Ob lang oder kurz, richtig sollte es sein„; vgl. auch noch hier.